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Von der obere« Nagold.

Kr. 119.

Menkeig, Donnerstag dm 9. Oktober.

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auf das BlattAus de« Tannen" können fortwährend gewacht werden und werden be­reits erschienene Nummern nachgeliefert.

Bei der diesen Sommer obgehaltenen Abituriemen- prüfung an den Gymnasien des Landes haben u. a, die Reife erlangt: Cavallo, Wilhelm, S. d. -j- Fabrikanten in Wildbad, Dengler Emil, S. d. Schullehrers in Calw, Kaupp. Mar, S. d. Oberamtsarzts in Freudcnstadt, Weber, Karl, S. d. Bierbrauers in Freudenstadt.

Zur rechten Zeit!

* Es kommt nicht darauf an, daß das Rich­tige überhaupt geschieht, sondern daß es zur rechten Zeit geschieht! Daran sind wir neuer­dings mit besonderer Lebhaftigkeit erinnert wor­den, als wir in Pariser Zeitungen die Schilde­rung der Notlage lasen, in welcher ein Teil der französischen Industrie sich seit Einbruch des Herbstes befindet. Weil der Absatz der französischen Fabrikation zugleich im In- und Auslande abnimmt und weil die ausländische, zumal die deutsche Konkurrenz, immer neue Fortschritte macht, werden von Monat zu Mo­nat mehr Arbeiter entlassen. In der Stadt Lyon ist die Zahl der Arbeitslosen bereits gegenwärtig auf 25 000 angewachsen und die Not so groß, daß die an die leichteren und feineren Tätigkeiten der Seiden- und Wollen- Jndustrie gewöhnten Arbeiter den Stadtrat ver­geblich ersucht haben, ihnen durch Zuwerfiing der Stadtgräben und andere Erdarbeiten Be­schäftigung und Brot zu geben. Finanzielle Rücksichten machen das unmöglich und da die Mittel der Armenpflege fast erschöpft, die städti­schen Behörden aber außerdem genötigt sind, sich auf das Erscheinen der Cholera einzurich- tev, steht man der Zukunft mit schwerer Sorge entgegen. Wie in Lyon geht es auch in ande­ren Fabrikstädten Frankreichs zu, die sich auf Arbeitslosigkeit und Elend vorbereiten müssen.

Voraussichtlich wird schon in naher Zeit eine Erhöhung der französischen Zölle versucht werden. Da dieselbe sich aber nicht von heute auf morgen ansführen läßt, wird sie für die nächste Zukunft kaum in Betracht kommen. Und gerade von dem bevorstehenden Winter war gehofft worden, derselbe werde einen Um­schwungin den Stimmungen der französ. Arbeiter herbciführen und den Einfluß der sozialdemokrati­schen Agitation abschwächen. Das vor einiger Zeit zustande gekommene neue Gesetz über die Genossenschaften und die Vereinsfreiheit hatte einen entschieden günstigen Eindruck gemacht und eine Annäherung der verschiedenen Klaffen und Parteien im Sinne der Sozialreform in Aus­sicht gestellt. Jetzt muß man sich freilich sagen, daß Zeiten der Not und Arbeitslosigkeit für eine friedliche Reformthätigkeit wenig geeignet erscheinen» und daß alles darauf ankommen wird, das nötige Brot zu schaffen und die äußere Ruhe zu erhalten.

Da sind wir Deutsche ungleich bester daran. Trotz aller Feindseligkeit und allen Wider­standes der Fortschrittller und ihres demo­kratischen Anhängsels hat die Reichsregterung seinerzeit mit der Umgestaltung des Zolltarifs den Anfang gemacht, und erst nachdem die deutsche Industrie wieder zu Atem gekommen war, die tozialreformatorischen Gesetzentwürfe folgen lasten. Auf eine Arbeiteibevölkerung, die ihr tägliches Brot und die Aussicht auf dauernde Beschäftigung hat, läßt sich ganz anders einwirken, ganz anders mit ihr ver­handeln, als mit Hungrigen und Arbeits­losen. Damit überhaupt an Versöhnung der Gegensätze gedacht werden konnte, wurde zunächst

Verhütung eines eigentlichen Notstandes und Be­seitigung der drückendsten Sorge notwendig. Die zu diesem Behufe erforderliche Umgestaltung der Zölle aber mußte Platz greifen, bevor es zum Aeußersten gekommen war!

Wie lange hat es gedauert, bevor dieser Zusammenhang zwischen Wirtschafsreform und Sozialreform der Mehrheit unseres Volkes klar geworden ist? Der Lärm, den Fortschritt und Demokratie über den Tarif von 1879 erhoben haben, dauert noch gegenwärtig fort, und die Erkenntnis der Notwendigkeit und des inneren Zusammenhangs der beiden wichtigsten Refor­men hat sich nur langsam und allmälig bei uns Bahn gebrochen. Erst, als die Erfolge da waren, verlor die Partei der Ankläger und Hetzer ihren Einfluß. Mögen die bevorstehenden Wahlen Zeugnis davon oblegen, daß unser Volk den ganzen Umfang des ihm geleisteten Dienstes verstanden und den Entschluß gefaßt hat, sich die gewonnenen Vorteile von den in ihrer Ver­blendung verharrenden Gegnern der Wirtschafts- rkiorm nicht wieder entreißen zu lassen.

Laudesuachrichteu.

* Altensteig, 7. Okt. Von der Monds­finsternis am Samstag Abend war nichts zu sehen. Der Mond verbarg sich in der kritischen Zeit, während welcher die Astronomen ihm ihre stärksten Fernrohre auf die Brust setzen wollten, schmollend hinter einer Wand von Wolken. Es schien ihm nicht angenehm zu fein, öffentlich von der Erde in Schatten gestellt zu werden.

* Die Obstzüchter prophezeien für das Jahr 1885 ein gutes Obstjahr, da viele Trag­knospen an den Bäumen wahrzunehmen seien.

* Nagold, 6. Okt. Die gestrige Ver­sammlung zur Beratung über die bevorstehende Reichstagswahl war wohl in Folge ungünstiger Witterung von Auswärtigen schwach besucht. Nach einem von Calw hieher gelangten Schreiben hat sich Herr Commerzienrat Stälin zur Wiederannahme des Mandats bereit erklärt, weshalb die Versammlung einstimmig beschloß, ihn wieder als Kandidat aufzustellen, da seine Thätigkeit im Reichstag die volle Zustimmung seiner Wähler gefunden. Ein gewähltes Comite, bestehend aus den Herren Sannwald, Wurst, Christian und Heinr. Schuster, wird das Wei­tere durch Bildung eines größeren Comites vorbereiten. Die auf den deutschen Kaiser und Bismarck, sowie auf Herrn Stälin ausgebrachten Hochs wurden begeistert ausgenommen. (Ges.)

* Freudenstadt, 5. Okt. Letzten Donners­tag brannte auf dem Kniebis in der Nähe vom Ochsen ein einzeln stehendes Wohnhaus gänzlich nieder, wobei 2 Kinder, die von der im Felde beschäftigten Mutter in der Stube eingeschloffen waren, beinahe mitverbrannt wären. Zum Glück wurde das Feuer von einer fremden Frau rechtzeitig entdeckt; diese schlug die Thüre ein und rettete die Kinder, das eine mit dem Bett. Die übrige Habe ging verloren, ist jedoch versichert.

* Stuttgart, 4. Okt. (Schwurgericht. Fall Döttling. 3. Tag.) Heute (Samstag) vormittag begann die Sitzung erst um V»10 Uhr. Der Präsident fragte den Angekl., ob erlinks" sei, was derselbe bejaht, worauf er dem Angekl. vorhält, daß der Beilhieb auf die rechte Stirn­seite des Ermordeten augenscheinlich von einem Linkshändigen ausgefühlt sei. Der Angekl. wiederholte seine alte Antwort, daß er nicht im Reinhardi'schen Hause gewesen sei. Nach der Verhandlung des ersten Tages hat Döttling zu dem ihn abführenden Landjäger Schramm die Aeußerung gethan:das bricht mir sitzt den Hals, daß ich nicht gleich gestanden habe.

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1884.

daß ich durch die Holzstraße gegangen bin." Der Angekl. kann diese Aeußerung nicht in Ab­rede ziehen. Der größere Teil des Vormittags wurde durch den von dem ganzen Gericht mit den Geschworenen und dem von Landjägern es­kortierten Angeklagten vorgenommenen Augen­schein in Anspruch genommen. Eine große Volksmenge war in den Straßen versammelt. Nachmittags 4 Uhr wurde die Verhandlung fortgesetzt. Es wurde abei mals der erste Unter­suchungsrichter, Amtsrichter Pfeiffer, vernommen, sodann Fahndungspolizeiinspcktor Kern, welcher über die Verhaftung und das Vorleben des Angekl., soweit er der Polizei bekannt, Aus­kunft gab. Kern erklärt, daß Döttling ein Mensch sei,von dem man sich jeder Gewalt- that versehen könne." Dienstmann Notz wird nochmals darüber gefragt, ob er dem Angekl. einen Schlag ins Gesicht gegeben, so daß er ge­blutet, was Zeuge wiederholt versichert. Es werden daraus noch einige weitere Zeugen zum zweitenmale vernommen. Dann erhalten die Sachverständigen das Wort, um ihr Gutachten abzugeben. Es ergibt sich daraus, daß Rein­hardt nach Befund der Leiche den Streich mit dem Beil zuerst empfangen, der ihn ohnmächtig niedergestrcckt habe, worauf erst, als er schon am Boden lag, die Durchschneidung des Halses erfolgt sei.

* Stuttgart, 6. Okt. (Schwurgericht. Fall Döttling. 4. und letzter Tag.) Vor dem Eintritt in die Verhandlung nahm der Gerichts­hof eine Disziplinarwaßregel vor, welche unseres Wissens noch nie seit Einführung des öffent­lichen Verfahrens vorgekommen ist. Er entzog dem Berichterstatter desNeuen Tagbl." für die Dauer einer Woche die Berechtigung, auf der vorde­ren (für die Berichterstatter bestimmten) Bank Platz zu nehmen. Der Betreffende mußte demgemäß ange­sichts der gedrängten Versammlung seinen Platz verlassen. Hierauf erstattetObermedizinalrat Dr. v. Hölder seinen Bericht über die mikroskopische Untersuchung des Taschentuchs des Angeklagten. Ein genaues Resultat zu erlangen war bet der Länge der seither verstrichenen Zeit nicht mehr möglich, doch kommt er zu dem Schluß, daß die Blutung in Folge des dem Döttling von dem Dienstmann Notz gegebenen Schlages nicht so stark gewesen sein könne, um das Taschen- inch so sehr mit Blut zu beflecken; möglich sei, daß die Flecken vom Umwickeln des blutigen Beils herrühren. Die Beweisaufnahme wird darauf geschlossen u. werden den Geschworenen fol­gende Fragen vorgelegt: 1) Ist der Angekl. schul­dig, am 23. Februar d. I. den Pfandleiher Christian Reinhardt, sei es allein, sei es in ge­meinschaftlicher Ausführung mit einer anderen noch unbekannten Person, vorsätzlich mit einer Waffe getötet und die Tötung mit Ueberlegung ausgeführt zu haben? 2) Ist der Angeklagte schuldig, zugleich mit Anwendung von Gewalt fremde bewegliche Sachen in der Absicht rechts­widriger Aneignung weggenommen zu haben? Nunmehr begannen die Parteivorträge. Der 1. Staatsanwalt Dr. v. Lenz hielt die Anklage unter Vorführung aller belastenden Momente und Nachweisung ihres Zusammenhangs im vollen Umfang aufrecht. Der Verteidiger RA. Dr. Becher führte aus, daß überzeugende Be­weise der Schuld des Angeklagten nirgends vor­liegen und verlangt eine Verneinung der Schuld­fragen von den Geschworenen. Nach einer er­läuternden Zusammenfassung von Seiten des Präsidenten zogen sich die Geschworenen zurück und kamen nach ungefähr fünfviertelstündiger Beratung zurück. Der Obmann derselben Buch­händler Schreiber von Eßlingen, verlas den Wahrspruch der Geschworenen. Die Antworten