kommend im K. Restdenzschloffe abgestiegen. Diesen Morgen begab sich der Kronprinz znr Trup- pen-Jnspektion nach Möglingen und er wird sodann, nach Rückkunst die Abreise nach Berlin antreten.
Stuttgart, 27. August. Zu unserer Freude können wir konstatieren, daß die Typhusepidemie unter dem Militär stark im Abnehmen ist, neue Erkrankungen find seit zwei Tagen nicht vorgekommen. In der Stadt ist der Typhus, da er ohnedies nur sporadisch vorkam, fast ganz verschwunden.
(Schwurgericht Tübingen.) Auszug aus der Geschworenen-Liste pro m. Quartal 1884: I. F. Dürr, Gemeindepflegerin Eff ring en, I. Köhler inMinbers- bach, U. Lörcher, Gemeinderat in Neubulach, A. Lutz. Kunstmüller in Calmbach.
Cannstatt. 26. Aug. Die heute morgen kurz vor 5 Uhr durch den Blitzzug verunglückten Mädchen find beide von Rothenberg; es sind dieselben die 15 Jahre alte Berner und die 24 Jahre alte Jehle, beide Töchter von dortigen Weingärtuern. Dieselben wollten sich mit Gemüsen nach dem Stuttgarter Wochenmarkt begeben. In Untertürkheim befindet sich der Bahnübergang, annähernd in Mitte des Ortes, über welchen die Unglücklichen nach dem Passieren eines Güterzuges gehen wollten. In wenigen Minuten sollte auch der Orientexpreß- zug vorbetfahren. Die Dienstvorschrift verlangt nun, daß die Barrieren inzwischen geschloffen bleiben sollen, allein der Weichenwärter ließ sich durch das Andrängen der an den Schranken wartenden Leute bestimmen, dieselben für einen Augenblick zu öffnen. Schon waren einige Personen glücklich hinübergclangt als mit blitzartiger Schnelligkeit der erwartete Zug heranbrauste. Der Wärter ließ zwar sofort den Schlagbaum uiederfallen, allein zu spät: bereits waren die zwei Mädchen vom Zuge erfaßt und niedergeworfen worden. Als der Zug vorbei war, lagen beide in ihrem Blute da; die eine war schon nach wenigen Minuten eine Leiche, die andere ist gleichfalls schwer verletzt. Der Wärter, der das Unglück mit seiner Gutmütigkeit verschuldet hat und der darob alsbald verhaftet wurde, ist Familienvater und hat 8 Kinder.
Der „Schw. M." teilt mit: Der am 26. in Untertürkheim wegen Offenlaffens der Barriere bei der Durchfahrt des Blitzzuges verhaftete Bahnwärter wurde nach dem Eßl. W. Bl. gegen Kaution wieder aus der Haft entlassen. Die Verletzungen des einen Mädchens find nicht so schwer, wie anfangs geglaubt wurde, so daß man Hoffnung hat, dieselbe am Leben zu erhalten.
Bei dem diesjährigen Cannstatter Volksfest soll, wie verlautet, der ganze Volksfestplatz an den Abenden durch die dortige elektrotechnische Fabrik mit elektrischem Licht erleuchtet werden.
In dem etwa eine Stunde von Friedrichshafen entfernten Dorfe Hirschlatt ruht die „Schulzenwürde" seit beinahe 230 Jahren auf dem Hause des jetzigen Hrn. Schultheißen Geßler daselbst. Es ist ein so seltener, ja vielleicht
einziger Fall, daß er wohl wert ist, in weiteren Kreisen bekannt zu werden.
Pfullingen, 27. Aug. Ein neuer Erwerbszweig hat in der letzten Zeit hier Eingang gefunden, das Schneckensammeln. Biele tausend Schnecken find an auswärtige Schneckengärten versendet worden und jetzt haben wir auch hier einen solchen Garten.
Weikersheim, 26. August. Gestern hat Friedrich Kommerell, stammend von Tübingen, gebürtig von Sulz, früher dort, in Schwerin ingen, Rottenmünster, Tuttlingen und seit 5 Jahren hier, als der älteste Bewohner des Bezirks Mergentheim sein 99. Lebensjahr zurückgelegt.
(Verschiedenes.) In S chwenningen kostete vorige Woche die verführerisch schöne Tollkirsche einem dortigen 3jähr. Knaben beinahe das Leben. Derselbe war von seinem Großvater in den Wald mitgenommen, wo ihm dann die Tollkirsche gezeigt und deren Genuß verboten wurde. Trotzdem aß der Knabe in einem unbewachten Augenblick von der verbotenen Frucht. Nach einigen Stunden mußte der Arzt gerufen werden und nach vielen Bemühungen gelang es demselben, das Kind der größten Gefahr zu entreißen, so daß Hoffnung auf Erhaltung des Lebens vorhanden ist. — Eine lljähr. Schülerin aus Lautern, Gde. Sulzbach, trug ein Körbchen mit Tollkirschen nach Backnang, um diese in der Apotheke zu verkaufen. Infolge von Neckereien im Ort entfiel dem Mädchen eine Anzahl dieser unheimlichen Frucht; sechs kleine Kinder im Alter von 2 bis 4 Jahren fanden und aßen die Beeren, die einen mehr, die andern weniger. Andern Morgens nun verschied unter gräßlichen Leiden ein Kind des früheren Hirschwirts H e ck; ein Geschwisterchen des Verstorbenen ist nach Aussage des Oberamtsarztes kaum mehr zu retten, denn die Ursache der plötzlichen Erkrankungsfälle wurde leider zu spät entdeckt; auch die übrigen Vergifteten sollen noch nicht außer Gefahr sein. — In Heidenheim verunglückte ein 3jähr. Mädchen auf recht bedauerliche Weise. Dasselbe wußte sich, so lange die Mutter mit einem kleinern Kind sich auf der Bühne beschäftigte, ein Messer aus der Tischlade zu verschaffen. Als es aus der Stube wollte, fiel es so unglücklich über die Schwelle, daß ihm das scharfe Instrument in den Hals eingedrungen ist und die Hauptadern verletzte. Es wurden sofort 2 Aerzte herbeigerufen, die aber das Kind nicht mehr zu retten vermochten; es verblutete sich in kurzer Zeit. Die Mutter kam darüber in der Aufregung fast außer sich. — In Ludwigsburg wurde einem Einjährig- freiwilligen ein 100-Markschein gestohlen; ebendaselbst wurde ein Bierbrauer wegen einem Diebstahl an seinem Kameraden verhaftet. — Die Gemeinde Bondorf bei Herrenberg ist gegenwärtig in einer großen Aufregung wegen eines Waldweg-Prozesses, bei welchem es sich darum handelt: ob ein Waldweg als ein öffentlicher oder als ein Privatweg anzusehen sei? Das
Gericht ist bereits daselbst eingetroffen, um ca. 60 Zeugen zu vernehmen. Gewiß ein billiger Prozeß! — In Unter dürrb ach zog sich ein Oekonom mit einer Heugabel eine leichte Haut- verletzung am Arm zu. Der Arm schwoll an und wurde schwarz; jetzt ist der Mann an Blutvergiftung gestorben. — Der 26jähr. Sohn des Oberförsters in Rothen buch machte turnerische Uebungen u. a. auch den Stabhochsprung. Hiebei überschlug er sich und brach das Genick, so daß er sofort eine Leiche war. — In Gießen bei Wangen i. A. wurde bet einem Wortwechsel der Wegknecht Hehl zweimal derart in den Unterleib gestochen, daß die Eingeweide sofort heraustrate« und wenig Hoffnung auf Erhaltung des Lebens vorhanden ist. Der Thäter ist verhaftet.
Deutsches Reich.
Einen waghalsigen Sprung aus dem Elsenbahnzug machte am 24. d. mittags zwischen Bruchsal und Ubstadt eine Verbrecherin aus Rheinpreußen, welche in die Strafanstalt eingeliefert werden sollte. An der Stelle wo fie heraussprang fand man ihren Zwicker. Wie es scheint, ist die Person ohne erhebliche Ver- letzungdavongekommen,dennverschiedenePersoneu haben sie mit etwas blutigem Gesicht aber im klebrigen tapfer einhermarschierend gesehen. Die Gensdarmerie ist ihr bereits auf der Fährte.
In München stellte eine Dame ihrem unehrlichen Dienstmädchen, das sich mehrere Unterschlagungen hatte zu Schulden kommen lassen, auf deren Bitte das Zeugnis „treu und ehrlich" aus. In dem nächsten Dienste unterschlug das Mädchen 500 M., welche die mitleidige Ausstellerin des Zeugnisses ersetzen muß.
Ueber die neue deutsche Kolonie in Kamerun schreibt man der „K. Z." u. a.: „Alle Kundgebungen weisen auf den Punkt hin, der für die Kolonie von höchster Wichtigkeit ist — den Plantagenbau. Bis jetzt ist damit noch kein Versuch möglich gewesen, und gerade dafür würde sich das Kamerungebiet hervorragend eignen. Kaffee wächst im ganzen Hinterlande wild und Kakao wird ohne Zweifel die besten Erträgnisse ergeben. Das Arbettermaterial wird der an der ganzen Küste als willige Arbeiter verbreitete Kru-Stawm liefern. Es wird die Aufgabe sein, die Neger zur Seßhaftigkeit und zur Arbeit zu erziehen, und als Frucht der zivilisatorischen Arbeit kann Wohlstand und selbst Reichtum für die Unternehmer nicht ausbleiben. Für Auswanderung von ländlichen Arbeitern ist jedoch das Kamerungebiet nicht geeignet, das Klima ist für den europäischen Landarbeiter unzuträglich. Die Vorteile für Deutschland können vorläufig nur aus der Handelsverbindung erwachsen. Je weiter in's Innere das Gebiet erschlossen wird, desto größere Fortschritte wird der Absatz machen. Wie groß das Kamerungebiet ist, läßt sich nicht bestimmt ausdrücken, da jede feste Abgrenzung im Lande fehlt. Je mehr Handels- und Freundschaftsbeziehungen
Der Schlossen von Steinhaufen.
Erzählung von Emma Händen. (Nachdruckverboten.)
(Fortsetzung.)
„Hans, Hans, Hans", erklang ihr Lockruf und das Tier an denselben gewöhnt, erkannte in der Rufenden die einstige Herrin wieder, denn zahme Tiere vergessen nicht so leicht den Menschen. Es sprang aus dem Dickicht heraus, eilte auf das Gitterwerk zu und streckte seinen Kopf durch dasselbe. Sie kniete nieder, streckte die Arme durch das Eisengitter und legte die verschlungenen Hände auf den Hals des Tieres. Es sah sie an mit den großen klugen, braunen Augen, als ob es den tief traurigen Blick der einstigen Herrin verstehe. Da übermannte fie der Schmerz um das verlorene Glück der Kindheit, sie legte ihren Kops auf den des Tieres, heiße Thränen perlten aus ihren Augen und sie rief schmerzlich:
„Glückliches Tier, du weilst da drinnen, wo ich weilen möchte und nicht darf."
Das Tier hielt still, als ob es ahnte, daß seine Nähe ein Trost für die Weinende sei, aber in dem Moment knackte, von einem Männerfuß berührt, ein trockener Zweig am Boden und Gertrud schrack empor.
Auch Graf Reginald hatte heute das kühle Schloß nicht gefesselt, auch er war an der Mauer entlang geschritten, als er den Lockruf gehört, der das Reh angezogen, so daß sie ihn nicht gesehen hatte. Er aber hatte die Stimme erkannt, hatte das Tier zum Gitterwerk eilen sehen und den Schmerzensruf vernommen, den die Erregung lauter tönen ließ als fie beabsichtigte.
Wieder trafen sich zwei Augenpaare und zwei Menschen verstanden sich ohne Worte, in diesem einen Blicke. Sie dachten beide an die Worte, die einst vor langen Jahren hier an dieser Stelle gesprochen waren:
„Das soll deine Strafe sein, kleines Schloßfräulein, daß du hier weinend an der Thür deines väterlichen Besitztums um Einlaß bettelst."
In beiden riefen sie verschiedene Gefühle wach. Getrud sprang entsetzt auf und wollte fliehen, der junge Graf aber eilte auf das Gttterthor zu, um es zu öffnen und hinderte ihre Flucht mit den Worten:
„Bitte, Komtesse, kommen Sie herein."
Was einst der herrische Befehl des Kindes nicht vermocht, dem der Vater schützend zur Seite stand, vermochte heute über ihn der Schmerzensruf der schutzlosen Jungfrau. Aber er rüttelte vergebens an dem Eisengitter, es war verschlossen.
„Bitte, Komtesse, warten Sie wenige Augenblicke", bat er, „ich hole sogleich den Schlüssel: man hat die Thür wohl abgesperrt an jenem Unglückstag und ich bin seitdem noch nicht wieder hier hinausgegangen, aber ich komme sofort wieder."
Eilenden Schrittes entfernte er sich. Noch stand sie draußen und ein verschlossenes Eisengttter wehrte ihr den Eintritt auf den Spielplatz ihrer Kindheit, aber wieder hing die letzte Thräne achtlos an der Wimper, denn ein Gefühl von Glück und Freude zog in ihre Brust.
Da kam er und öffnete ihr die Thür, das Reh sprang ihr entgegen und sie beugte sich nieder, um es zu streicheln und ihre Erregung zu verbergen.
„Die Rehe sind die einzige Erinnerung, die ich an meine lebende Mutter behalten habe", sagte sie, „mit diesem lebendigen Spielzeug tröstete mich mein Vater, als ich den Tod der Mutter erfuhr, die ich tot gesehen und schlafend wähnte."
Sie wußte also noch von jener Stunde, dann wußte sie auch noch, wer damals ihren Ktnderschlummer behütet hatte. Eine heilige, weihevolle Erinnerung tauchte empor in seiner Seele aus dem Nebelmeer