deutsche Schulvereinsfest, ist gestern nachmittag und abend in belebtester Weise und ohne jede unliebsame Störung verlaufen. Wohl mehr als 7000 Menschen wogten auf der mit schwarz­rotgoldenen Fahnen und abends mit Lampions geschmückten Sophieninsel, wo durch Gesangs­produktionen, Theaterspiele der Studenten, Puppensptele, Schützenstände, Bazare, Pseudo- Menagerien und anderen Jux für Unterhaltung sattsam gesorgt war. Das Reinerträgnis zu Gunsten des deutschen Schulvereins übersteigt beträchtlich 6000 fl. Unter den Festgedichten heben wir hervor den Gruß Robert Hamerlings:

»Ich schnitt es gern' in alle Rinden ein,

An jede deutsche Thüre möcht' ich's schreiben.

Das einz'ge Mittel um deutsch zu bleiben

Ist: deutsch zu sein."

Möchte diese Mahnung überall beherzigt werden!

Pest, 9. Juni. Aus mehreren Ortschaften wurden neuerdings Wahlunruhen gemeldet, die teilweise das Einschreiten der bewaffneten Macht zur Folge hatten.

(Folgende heitere Szene am Postschalter) ereignete sich in dem österreichischen Orte Vöckla­bruck. Ein Bäuerlein gab am Schalter den Betrag von 12 fl. an seinen Sohn, der beim Militär in Salzburg dient, mittels Geldanwei­sung auf. Der betreffende Beamte fertigte ihm nach Uebernahme des Geldbetrages das Aufgabe- Rezepisse aus und legte die übernommenen 12 fl. in die Lade seines Schreibtisches. Verdutzt schaute der Bauer dieser sein Mißtrauen erweck­enden Manipulation zu und sagte endlich:Pst! Ihr derft das Geld nicht einstecken, i hob' schon g'segn!" Lange dauerte es, bis der Beamte dem oberösterreichischen Landmann begreiflich machte, daß die 12 fl. nicht der Geldanweisung beige­fügt zu werden brauchen, um an den Ort ihrer Bestimmung zu gelangen. Kopfschüttelnd gieng er aus der Kanzlet. Bei der Thür sagte er noch zu dem Beamten:I wer schon nachfrag'n."

Aus Nancy, 6. Juni, wird gemeldet: Infolge von Rufen, die auf dem Jahrmarkt­platze gegen einen deutschen Zirkus ausgestoßen wurden, schritt gestern Abend der Polizeichef, unterstützt vom Bürgermeister, zur Verhaftung dreier Studenten. Die Menge gieng hierauf zum Angriff über und warf Steine in den Zir kus. Die Polizei mußte eine 2. Verhaftung vornehmen. Schon im vor. Jahre kamen ähn­liche Fälle vor.

In London sind im verflossenen Jahre amtlichen Erhebungen zufolge 44 Personen buchstäblich verhungert.

Sofia, 10. Juni.Agence Havas" mel­det: Bulgarien beantwortete heute die Note Serbiens in Betreff der serbischen Flüchtlinge ablehnend. Die Antwort weist auf die viel­fachen Interessen hin, welche Bulgarien und Serbien verbinden und hebt hervor, Bulgarien müsse die Verantwortung für alle Folgen des Zwischenfalls ablehnen. Die Zahl der serbischen Flüchtlinge in ganz Bulgarien betrage nur vierzig.

Brüssel, 8. Juni. Die französische Re­gierung und die französischen Kolonien haben Repräsentanten zur Antwerpener Weltausstell­ung ernannt, da dieselbe wichtig für den Export­handel zu werden verspricht.

Philadelphia, 23. Mat. Am Mitt­woch den 21. Mai wurde in der Bundeshaupt­stadt Washington das Lutherdenkmal enthüllt. Um 10 Uhr vorm, fand die deutsche Vorfeier statt, die aus Reden und einem Festzug bestand. An der Feier beteiligten sich die verschiedenen deutsch protestantischen Gemeinden und andere Vereine der Stadt sowie Vertreter von prote­stantischen Gemeinden und Gesellschaften aus allen Tellen des Landes. Die Enthüllungs­feier nahm um 2 Uhr ihren Anfang und wurde von Richter Miller vom Oberbundesgericht ge­leitet. Das Denkmal steht vor der Memorial­kirche auf dem Thomasplatze. Der Plan, Luther in der politischen Hauptstadt der neuen Welt ein Denkmal zu setzen, gieng von Herrn Schiern in NewDork aus und wurde von deutschen und englischen Lutheranern in verschiedenen Teilen des Landes beifällig begrüßt.

Handel uns Berkehr.

Stuttgart, 9. Juni. (Landesprodnkten- börse.) Unsere heutige Börse verlief entsprechend der allgemeinen Geschäftslage in lustloser Hal­tung bei schwachen Umsätzen.

Wir notieren per 100 Kilogr.:

Weizen daher. . . 20 M. 70 bis M. Prima-Weizen amerikan.

Milwaukee . 20 M. 60 bis M.

Weizen russ. Sax. 19 M. 60 bis 20 M. 40

17 M. 50 bis 18 M.

21 M. - bis 21 M. 25

20 M. 50 bis M. -

Stuttgart, 9. Juni. (Mehlbörse.) Das Mehlgeschäft am hies. Platze hat sich nicht ver­ändert, die Preise sind dieselben geblieben. An heutiger Börse sind von inländ. Mehlen 1890 Sack als verkauft zur Anzeige gekommen zu folg. Preisen: per Sack von 100 Kgr., Brutto für Netto, bei Abnahme größerer Pollen:

Mehl Nr. 0 . . 31 M

Nr. 1 . . 29 M

Nr. 2 . . 27 M

Nr. 3 . . 25 M

Nr. 4 . . 20 M

dto. Assow. . dto. californ. Kernen . . .

bis 33 M.

50 bis 30 M. 50 50 bis 29 M.

bis 27 M. bis 21 M. 40

Nagold, den 5. Juni. 1884.

Neuer Dinkel .

7

6

91

6

70

Haber . . .

.

7 80

7

28

6

60

Gerste . . .

. .

9 30

9

22

9

20

Waizen. . .

10 20

9

98

9

60

Calw,

den

7. Juni

1884.

Kernen . . .

9

50

Dinkel alter .

- -

7

- -

Haber alter .

. .

7 80

7

72

7

60

Vom Bodensee, 7. Juni. In den hopftn- bautreibenden Gemeinden am Obersee sind in Frühhopfen schon Vorkäufe mit Preisen bis zu 150 Mark abgeschlossen worden. Einzelne B - sitzer von Hopfengärten haben den Ertrag der

letzteren schon auf 10 Jahre hinaus verkauft, wobei Preise von 100125 Mark vereinbart wurden. Dabei wurde von deu Händlern ein Angeld Vis zu 1000 Mark beza-hlt.

Biktaalieap reise

auf dem Wochenmarkt in Altenstaig am 11. Juni. Vs Kilo Butter . . . . . 70 u. 75 Pfg. 2 Eier ........ 9 u. 10 Pfg.

Vermischte-.

(Gegen Blutspeien.) Dr. Hirsch in Prag, ein alter erfahrener Arzt, mit großer Praxis, erzählt in einer medizinischen Zeitschrift, daß er selbst infolge einer heftigen Anstrengung von einem Blutstarz befallen worden sei, der trotz der angewandten Mittel, namentlich von Schwefelsäure, salzsaurem Eisen und anderen, die ihm'feine Kollegen anrieten, nicht zum Stehen gebracht werden konnte, bis er einen Thee von Schafgarbe gebrauchte, worauf nach kurzer Zeit alle Blutung nachließ. Für eine Taffe Thee wurde ein Kaffeelöffel voll des geschnittenen Krautes gebrüht und hiervon alle 5 Minuten ein Theelöffel voll genommen. Wie gefährlich der Zustand war, geht daraus hervor, daß der Kranke bereits 2 Liter an Blut verloren hatte. Dies ist ein neuer Beweis, daß viele unserer einheimischen Pflanzenmittel, richtig erkannt und angewendet, oft mehr leisten als die vielgerühm- ten chemischen Arzmtstoffr. Die Schafgarbe scheint überhaupt bedeutend auf das Blutsystem zu wirken. Sie ist wenigstens, mäßig gebraucht, ein vorzügliches Mittel gegen Blmflüsse aller Art, sowie auch gegen Hämorrhoidaldeschwerden.

Im Jahre 1883 haben nicht weniger als 1200 Personen in Folge von 41 Bränden m Theatern und andern Vergnügungslokalitäten ihr Leben verloren.

Der alte Spielplatz.

Soll's wie Luft vom Himmel dich umwehn,

Nach der Kindheit Spielplatz mußt du gehn,

Früh im Merzen, wenn mit lautem Schlag Grüßt der Fink den ersten milden Tag,

Wenn die Veilchen es verstohlen schaun,

Wie die weißen Berge wieder blaun,

Und das erste Grün im Sonnenschein Lacht und funkelt in die Welt hinein.

Um die Abendstunde geh von Haus,

Wenn die Glocke rief: Die Schul' ist aus!

Ganz allein, daß nur von fern an's Ohr Dir der Jubel schallt beim alten Thor.

Durch's Gestrüpp dann brich dir flugs die Bahn, Zu der Mauerscharte klimm hinan,

Reuß' den Epheu weg und das Gesprieß;

Sieh! da liegt, da liegt dein Paradies!

Und als wie geschreckt aus ihrer Ruh'

Wehn die Erlen ihren Gruß dir zu,

Und als hätt' er dich erkannt, so jach Blitzt in Hellem Schimmer auf der Bach,

Und das Häuschen, das noch stehen blieb,

O wie strahlt's und hat wie einst dich lieb!-

Kommst du heim dann, sag' den Kindern traut.

Wie du heut' ins Paradies geschaut!

Friedrich Oser.

Für die Redakrion verantwortlich: W. Rieker in Altenstaig

Ebenbilde. Es lerme sehr früh, daß alles, was es wollte, erlaubt sei, und daß alles, was es sich wünschte, sein Eigentum wäre. Daß es so­fort laut zu schreien anfieng, sobald es meiner ansichtig wurde, erklär« Flora als einen Beweis seines feinen Gefühls! es könne mir schon an- sehen, daß ich es nicht lieb habe: Allein ich entdeckte bald, daß das Entsetzen der Kleinen in etwas anderem seinen Grund hatte. Die Mut­ter sowohl wie die sechs Tanten und die Amme benutzten mich beständig als Schreckgestalt!

Als das Kind vier Jahre zählte, war es zugleich das schönste und unartigste Kind, das ich je gesehen; und da ich der Einzige war, der seinen Launen und Unarten ein Ziel zu setzen suchte und dadurch nicht selten Auftritte verursachte, die an den bethlehemitischen Kindel­mord erinnerten nemlich in bezug auf das Weibergeschrei, so hatte es mich nahezu schon als ein Seitenstück zu dem bösen König Herodes, von dem Tante Malwtne so viel zu erzählen wußte, betrachten gelernt. Meine Stellung als Vater war also nicht viel glücklicher als Ehemann Mit einem Mal trat ein gewaltiger Umschlag in unserem Geschick ein. Die sogenannte Millionenzeit nahm im Herbst des Jahres 1857 ein trauriges Ende, und mit ihr der Wohlstand manches ehrlichen Kauf­manns. Mein Schwiegervater, dessen Firma für so fest galt, daß ft. allen Stürmen Trotz bieten könnte, erlitt durch einige Millionärbankerotte in Hamburg so ungeheure Verluste, daß auch ihn die Bankerottangst ergriff und daß er seinen Prokuristen die Ordre gab, eine möglichst voll­ständige Bilanz zu ziehen. Der Kassierer, der auf eigene Faust und zu seinem eigenen Vorteil über bedeutende Summen verfügt hatte, die jetzt fehlen, griff, um das unterschlagene Geld zu decken, zu dem gewöhn­lichen Mittel: er begieng einen noch größeren Betrug, realisierte alle realisierbaren Papiere und verschwand mit allem baren Gelde. Die

Nachricht von diesem Betrug gab dem Alten den Gnadenstoß. Ein Schlaganfall hatte den bejahrten befugen Mann getroffen, noch bevor der Ueberbringer der Hiobspost ein Wort sprechen konnte; und 'ehe man genau wußte, was geschehen, war er bereits tot. Der Ertrag der Kon­kursmasse lieferte ein trauriges Resultat: Die Gläubiger mußten sich mit ein paar Prozent begnügen, und das mütterliche Erbe meiner Frau, das im Geschäft ihres Vaters geblieben, war somit fast ganz verloren.

Aber damit noch nicht genug! Ich hatte, um meiner Gattin An­sprüche ans Leben einigermaßen befriedigen zu können, ein größeres Haus geführt, als meine Einnahmen gestatteten und infolge dessen eine für meine Verhältnisse ziemlich bedeutende Schuld ausgenommen. Diese wurde jetzt natürlich sofort gekündigt, und so mußte auch ich das Konknrsge- richl um seinen freundlichen Beistand ersuchen. All unsere Herrlichkeiten fielen nun Stück für Stück unter dem Hammer des Auküonskommifsars: es wurde uns nur so viel gelassen, als wir brauchten, um ein paar armselige Zimmerchen draußen in der Vorstadt notdürftig zu möblieren. Mitten in dieser Umwälzung traf uns ein noch schmerzlicherer Verlust: eine epidemische Krankheit entriß uns unser Kind. Da standen wir nun arm und allein in der Welt. Mit unermüdlichem Fleiß warf ich mich auf jede Arbeit, die mir einen kleinen Erwerb versprach, schränkte mich auf das Amßerste sin und begann bereits von unserem Unglück zu hoffen, was unsere sogenannten guten Tage nicht zu Wege gebracht hatten: ein herzlicheres und glücklicheres eheliches Verhältnis.

Aber auch diese Hoffnung schlug fehl. Die Arbeit hatte Flora niemals kennen gelernt und die Sparsamkeit stets verabscheut wie hätte ste also meine Anstrengungen, sie ehrlich und redlich zu ernähren, würdigen können!

(Schluß folgt.)