— Die Haushälterin eines Schullehrers in Bon darf, eine von ihrem Ehemann getrennt lebende Frau, wurde wegen Verdachts des Kindsmords verhaftet und an das Amtsgericht Herrenberg eingeliefert.
Deutsches Reich.
Berlin, 4. Juni. Ueber den Verrat Kraszewski's soll sich der Kaiser nach dem „Kuryer Warschawski" zu einem ihm nahestehenden Würdenträger dahin geäußert haben, daß man die polnische Nation nicht dafür verantwortlich machen könne, daß ihr verherrlichter Dichter Agent der französischen Regierung war. „Während unseres Krieges mit Frankreich haben die polnischen Soldaten und Offiziere tapfer in den Reihen des deutschen Heeres gegen die Franzosen gekämpft. Allein es wäre darum falsch zu sagen, daß die polnische Nation uns im Krieg gegen die Franzosen geholfen habe. Man muß sich hüten zu generalisieren.*
Berlin, 7. Juni. Die Transvaaldeputation ist heute Morgen eingetroffen und am Bahnhofe von dem Geh. Legationsrat v. Kusserow empfangen worden. Sie wurde in königlichen Hofequipagen nach dem Hotel Kaiserhof geleitet.
Zu dem Wert vom „Recht auf Arbeit" schreibt man der „Breisg. Ztg.": „Für uns Landwirte ist das ein böhmisches Dorf. Uns thäte ein anderes Recht not, ein Recht auf Arbeiter. Brauchbare Leute zu den landwirtschaftlichen Arbeiten werden jährlich seltener. Was das Militär und die Auswanderung nicht absorbiert, das geht den Städten zu. Ganz besonders aber wenden sich die jungen Mädchen den Städten zu, so daß tüchtige Bauernmägde ganz selten zu erhalten sind."
Neustettin. Anläßlich der letzthin hier vorgekommenen Ruhestörungen und Ausschreitungen ist gegen fünf Personen die Anklage wegen Landfriedensbruchs erhoben worden und find zwei derselben der Rädelsführerschaft dabei beschuldigt.
Rathenow. Eine der jetzt immer seltener werdenden sogenannten „Bauernhochzeiten" wurde am Dienstag hier gefeiert. Während der dreitägigen Dauer derselben wurden verzehrt: anderthalb Zentner Fische, 17 Zentner Fleisch, 1 Rind, 2 Schweine, 4 Kälber, 60 Hühner, 8 Ztr. Weizen- und 2 Ztr. Roggenmehl. Für die nötige „Feuchtigkeit" wurde durch etwa 13 Tonnen Bier und 50 Liter Branntwein gesorgt.
Mühlhausen. Vor einigen Wochen wurde der Deserteur Duba, der in Deutschland einige Jahre Festungshaft abgesessen und dann nach Frankreich entflohen und von Belfort nach Mühlhausen zurückgekehrt war, verhaftet, und, als dem Milttärverbande angehörend, in das Lazaret zu Mühlhausen gebracht, wo eine besondere, mit Eisengittern versehene Zelle ihn aufnahm. Ein Sicherheitsposten wurde ihm vor die Thür seiner Zelle gestellt. In der Nacht zum Samstag war der Vogel ausgeflogen. Mittels des Eßlöffels hatte er das
Schloß seiner Zelle losgeschraubt; ein Sprung über die Mauer und er war im Freien. Jedenfalls wird er sich nach der französischen oder schweizerischen Grenze gewandt haben.
Ausland.
Neapel. Kaum ist der Massenmörder Mtsdea zum Tode verurteilt, als schon wieder ein ähnlicher Mord verübt worden. Der Karabinier Marino war von seinem Vorgesetzten, names Tognini, mit Kasernenarrest belegt worden. Er meldete sich hierauf krank und als ihn sein Vorgesetzter am andern Morgen fragte, wie es ihm gehe, erwiderte er, daß der Doktor noch nicht gekommen sei. Kaum hatte ihm jedoch Tognini den Rücken gewendet, so krachte ein Schuß und der Arme stürzte mit zerschmettertem rechten Arm und durchschossener Brust mit einem Schmerzensschrei zu Boden. Der Mörder ergriff die Flucht, wurde jedoch ergriffen und ins Gefängnis geführt, wo er ein volles Geständnis ablegte. Der schwer verwundete Tognini, der erst 25 Jahre alt ist, wurde in das Spital getragen, wo er bald darauf unter gräßlichen Schmerzen den Geist aufgab.
Ein Sohn des letzten Kurfürsten von Hessen, Prinz Friedrich Wilhelm von Hanau, Graf v. Schaumburg, ist in Paris zur katholischen Kirche übergetreten.
Paris. Die 25jährige Gattin des Bürgermeisters von Saint-Vtncent, Frau Helene Petit, war schon lange Zeit mit Liebesbewerbungen seitens des Gutsbesitzers Barlan belästigt worden. Dieser Tage machte Frau Petit eine Promenade, als plötzlich Barlan auf sie zusprang und rief: „Willst Du mir angehören oder nicht?" Die Bürgermeisterin wich mit einer verächtlichen Geberde zurück, Barlan riß ein Messer aus der Tasche und führte fünfzehn tiefe Stiche nach der Brust der unglücklichen Frau, die mit dem Wehrufe: „O, mein Gatte!" tot zusammenbrach. Darauf stürzte Barlan auf das in der Nähe befindliche Bahngeleise und warf sich dem heranbrausenden Eilzuge entgegen, wo er im selben Augenblicke den gesuchten Tod fand.
Kopenhagen. Der dänische Dampfer „Nordsöen" ist in der Nähe von Lissabon infolge einer Explosion gesunken; der Maschinenmeister büßte durch die Explosion das Leben ein, während die übrigen Mannschaften unverletzt gerettet wurden.
London, 6. Juni. In Betreff des Empfanges der russischen Kaiserin in Berlin bemerk: de „Times", daß dieser Empfang den Charakter einer politischen Demonstration angenommen habe. Vor Kurzem habe es den Anschein gehabt, als ob Rußland und Deutschland im Begriffe wären, offen in Kampf zu geraten. Der Hauptgrund, daß die drohenden internationalen Streitigkeiten, welche jüngst den Kontinent beunruhigten, verschwunden seien, liege in dem Bewußtsein der tzülfsmittel Deutschlands, wel
ches zu stark sei, um Drohungen aufkommea oder sich Furcht einjagen zu lassen.
In Amerika ist der Bankkrach, wie man glaubt, jetzt zum Stillstand gekommen, nachdem sich die Verluste auf mehr wie 300 Millionen Dollars beziffern. Doch darf nicht vergessen werden, daß es sich dabei viefach um bloße fiktive Werre handelt und kann daher der deutsche Kapitalist nie eindringlich genug ermahnt werden, bei Anlegung seiner Kapitalien in amerikanischen Werten, namentlich Eisenbahnwert- papieren, die größte Sorgfalt obwalten zu lassen.
Chicago, 7. Juni. Die Ballottage der Nationalkonvention dauerte den ganzen Tag. Bei der vierten Abstimmung erhielten Bla ine 574, Arthur 207, Edmunds 41, Hawley 15, Logan 7, Lincoln 2 Stimmen. Die Ernennung Blaine's zum Präsidentschaftskandidaten erfolgte einstimmig; zum Vizepräsidentschaftskandidaten wurde Logan ernannt.
(Amerikanisches.) Eine in Albani wohnende deutsche Frau, welche durch den Verlust ihres Bankbuches wahnsinnig geworden, tötete fünf ihrer Kinder und warf sich mit ihrem sechsten Kinde in den Armen, vor einem vorüberfahrenden Bahnzuge auf die Schienen. Mutter und Kind wurden zermalmt. — Eine Wasserhose ertränkte 10 Personen in einer Heerdenstation bei Colorado. — Das Segelschiff „Confederote" mit einer Besatzung von 79 Personen ist in der Bucht von Notre Dame vom Eise eingeschlossen. Die Lage des Schiffs gibt zu großen Besorgnissen Anlaß, Hilfe wird ab- gesandt.
Vermischtes.
(Probat.) „Sie wissen nicht, wie sehr ich in letzter Zeit an Gedächtnisschwäche leide." — „'s gibt nur ein Mittel, ihr Gedächtnis dauernd zu kräftigen. Leihen Sie mir hundert Gulden: Gläubiger haben ein gutes Gedächtnis."
(Aus der Jnstruktionsstunde.) Unteroffizier: „Warum soll der Soldat seine Vorgesetzten schon von Weitem auf der Straße erkennen?" — Rekrut: „Damit man bei Zeiten in eine Querstraße einbiegen kann!"
(Boshafte Motivierung.) „Wünschen Herr Landesgerichtsrat vielleicht, daß ich meine Forderung an die Hinterlassenschaft des Herrn Müller beeide?" — „O, das ist durchaus nicht nötig, Herr Doktor, der Tod deS Herrn Müller beweist zur Genüge Ihren ärztlichen Beistands
(Ein kleiner Mangel.) „Nun, haben Sie die Wohnung gesehen? Gefällt Ihnen, nicht wahr?" —Mieter: „Jawohl, nur vermisse ich unter dem sonstigen Zubehör den Stall." — Hausbesitzerin: „Den Stall? Wozu denn einen Stall?" — Mieter: „Um den Esel hineinzusperren, der für das viele Geld, das Sie für die Wohnung verlangen, diese mietet!"
Für die Redaktion verantwortlich: W. Rieker in Altenstaig
alles zu vergessen und zu verzeihen: sie sei ja so herzensgut, daß es mich nur einige freundliche Worte kosten würde, um sie zu versöhnen.
„Darauf soll es mir nicht ankommen", versicherte ich. Ihr Verhalten hätte ich ihr sofort vergeben, und ich wollte hoffen, sie habe bei näherem Nachdenken eingesehen, daß ich mir keinerlei Vorwürfe zu machen hätte.
Mit diesem Bescheid gieng der Alte hinein zu Flora, die „sich nicht wohl fühlte," und ich begab mich hinunter ins Gartenzimmer, um ihr Erscheinen zu erwarten.
Endlich wurde mein Schwiegerpapa mit Flora an der Hand sichtbar; aber ihnen folgten in feierlichem Aufzuge sämtliche sechs Tanten. Hätte Flora ihr Unrecht auch wirklich eingestanden, so würde es ihr natürlich doch unmöglich gewesen sein, es in Gegenwart dieser ihrer Priesterinnen etnzugestehen, da dieselben sie so nachdrücklich aufgefordert hatten, auf ihrem Recht zu bestehen, und nun blos zu dem Zwecke aufmarschierten, um Zeugen zu sein, wie ich in Sack und Asche Buße thue und um Vergebung meiner Sünden bitte.
Es versteht sich von selbst, daß ich der Erste war, der die Hand zur Versöhnung ausstreckte, und daß es eigentlich nicht Flora selbst, sondern der Alte war, der ihre Hand in die Meine legte.
„Papa wünscht, das Ganze möchte vergessen sein, und da er mir dafür bürgt, daß es nicht wieder Vorkommen wird, so wollen wir nicht weiter davon reden!" — also lauteten ihre Worte.
Sie waren so zweideutig, daß sie sehr wohl ein vollständiges Unrecht sowie reumütige Abbitte von meiner Seite voraussetzen konnten; aber da ich nicht gern Veranlassung zu einem neuen Auftritt geben wollte, verlangte ich keine nähere Erklärung, sondern ließ fünf gerade sein.
Irgend welche Annäherung von Floras Seite fand an diesem
Tage nicht statt. Sie vermied es, allein mit mir zu sein, war kalt und fremd, klagte über Kopfweh und Mattigkeit, begab sich vor dem Abendessen zu Bett und ließ mich allein zur Stadt fahren, — nein, 's ist ja wahr: ich bekam ein paar Tanten als Eskorte mit . . .
An einem der folgenden Tage saß ich mit einer Tasse Kaffee und einer Zeitung vor mir in einer Konditorei. Ich befand mich allein im Zimmer; aber ich hörte durch die offen stehende Thür, wie in dem anstoßenden Gemach zwei Stimmen die neuesten Skandalchroniken der Stadt durchgiengen. Die eine Stimme war lispelnd und klanglos, die andere dagegen scharf und deutlich, und so kam es, daß eigentlich nur diese in artikulierter Form mein Ohr erreichte. Es kam mir so vor, als hörte ich meines Schwiegervaters Namen. Ich horchte einen Augenblick auf ' und vernahm folgende Bruchstücke des Gesprächs:
„ ... Ja, es geht herrlich, er prügelt sie schon! . . . kein Wunder, daß sie die Flucht nahm und sich bei ihrem Vater in Sicherheit brachte. . . Vorgestern machte ich mit Haubitz einen Ausflug; wir schlugen die Richtung nach seiner Villa ein, um zu sehen, ob sie sich nicht vielleicht in der Nähe derselben zeigte . . . richtig! Da saß sie mutterseelenallein auf einer Rasenbank und schaute starr vor sich hin. Ja, ich möchte sogar einen Schwur darauf leisten, daß sie ein schwarzes Kleid trug. Soviel steht jedenfalls fest, daß sie sehr unglücklich aussah ... übrigens, ein verflixt hübsches Weibchen! ... Ec? — Nein, von ihm war nichts zu sehen. Er hat ein Feinsliebchen drüben in Malmö, uno ein anderes in Roskilde. Und jüngst sah ich ihn in Valby, also muß er dort auch ein paar haben .... Ja, anders kann die Sache natürlich nicht enden!
(siortsetzuug folgt.)