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Von der ödere« Nagold.

Ar. 66.

L Die Dynamitgefahr hat sich an der Schwelle des Pfingstfestes wie­derum der Viermillionenstadt London in furcht­barster Gestalt in Erinnerung gebracht. Drei Explosionen haben stattgefunden und eine vierte ist nur durch das beherzte Eingreifen pflichttreuer Polizeibeamter verhindert worden. Dieser vierte sollte sich gegen ein nationales Monument des englischen Volkes, die Trafalgarfäule, richten, an dessen Granitsockel noch zeitig genug das Patronenbündel aufgefunden wurde und entfernt werden konnte.

Der Donner der drei wirklich stattgehabten Explosionen, die den ganzen Westen der Riesen­stadt erbeben machten, hat den Londoner» die Pfingstfreude arg vergällt; Furcht und Schrecken nahmen die Stelle der Festtagsstimmung ein. Mit Bangen legt man sich die Frage vor, ob der gefürchtete, hinterlistige Feind der modernen Zivilisation, der sich in England Fenier, in Frankreich Anarchist, in Rußland Nihilist nennt, ob er seine Verbrechen noch zu steigern im stände ist. Wenn trotz des für England erst jüngst erlassenen Dynamitgesetzes und seiner strengen Handhabung, wenn trotz der immensen Wach­samkeit der seit einem Jahre fast um das Dop­pelte vermehrten Polizei, trotz der sorgfältigen Ueberwachung aller irgendwie verdächtigen Per­sonen zu gleicher Zeit an drei verschiedenen Stellen Dynamit-Attentate begangen werden, welche Mittel bleiben alsdann dem modernen Staate zu seinem Schutze noch übrig?

Denn was an den neuen Explosionen vor allem auffällig erscheint, ist ihre offenbare Plan­mäßigkeit. Die letzten Attentate (im Monat März) richteten sich gegen harmlose Reisende und hatten nur den Zweck, Schrecken zu ver­breiten. Damit begnügen sich die Verschwörer nun nicht mehr. Statt der völlig nutzlosen Ver­nichtung von Privateigentum, wie sie den Böse- wichtern bei den Bahnhofsattentaten im März vorgeschwebt haben mag, tritt jetzt ihr Bestreben hervor, das verhaßte England in seinen höheren Verwaltungsbeamten und der Aristokratie zu treffen. Darum richteten sich die drei Attentate vom Freitag gegen Ministerial- und Amtsge­bäude und darum gegen die Trafalgarsäule, welche ein Nationalhetltgtum ist, indem sie eine der größten Seestege Old-Englands verherrlicht.

Allerdings ist das erschreckte London dies­mal noch mit einigen Tausend zersprungenen Fensterscheiben, mit einem Dutzend verletzter Menschen davongekommen; Menschenleben waren, soweit sich dies bisher hat feststellen lassen, nicht zu beklagen. Aber und diese bange Frage drängt sich allen auf, was denn, wenn die desparaten Verschwörer ihre Anstrengungen ver­zehnfachen; wenn der verhältnismäßig geringe Erfolg nur ihre Anstrengungen spornt?

Die bloßen Polizeimaßregeln, welche ein eigens gegen die Dynamitgefahren geschaffenes Gesetz an die Hand giebt, nutzen nichts das haben die Freitagsattentate wiederum gezeigt; aber nichts wäre trügerischer, als daraus schließen zu wollen, daß jene Maßregeln darum überflüssig seien. Gegen einen Feind, wie die Fenier, so unversöhnlich, so grausam und so fanatisch, der sein Zerstörungswerkzeug, das ihm die moderne Wissenschaft gegeben, so leicht be­schaffen, befördern und verwenden kann, muß der Staat alles ihm Mögliche aufbteten, um sich und seine Bürger zu schützen. Hat die Auf­merksamkeit der Londoner Polizei doch wenig­stens eins der geplanten Attentate verhindert.

Die äußerste Anspannung der polizeilichen Kräfte ist am Orte und selbst das freie Eng­land kann sich der Ueberzeugung nicht verschlie­ßen, daß eine Beschränkung der öffentlichen und

Altenstaig, Samstag den 7. Juni.

persönlichen Freiheiten eintreten muß, wenn durch eine solche Beschränkung dem entsetzlichen Nebel des fenischen Verschwörertums begegnet werden kann.

Tagespolitik.

Die vor kurzem durch die Blätter ge­gangene Notiz, dem Bundesrat werde demnächst eine Vorlage betr. Regelung des Lotteriewesens zugehen, wird von gut unterrichteter Seite als ein Irrtum bezeichnet. Die der betreffenden Notiz zn Grunde liegenden Thatsachen bürsten sich darauf beschränken, daß man sich im preu ßischen Finanzministerium mit einer Neuorgani­sation der preußischen Lotterte und vielleicht mit einer Vermehrung der Lose derselben beschäftigt.

Dieser Tage hat das Kanonenboot Cyklop" einen englischen Fischer, der in den deutschen Gewässern Ausschreitungen begangen hat und auch des Diebstahls von Wanten be­schuldigt wird, in Wilhelmshaven als Gefan­genen eingebracht.

Me dieKöln. Ztg." vernimmt, ist Prinz Wilhelm höchst befriedigt von seiner Reise nach Rußland zurückgekehrt. Nicht nur der Kaiser von Rußland hat seinen Gast ausgezeich­net und seiner Freude über den Besuch eines Sprossen unserer Herrscherfamilie in liebens­würdigster Weise Ausdruck verliehen, auch seine Umgebung hat gewetteifert, dem Prinzen Wil­helm bei jeder Gelegenheit Beweise von Sym­pathie zu geben; und das russische Volk hat den Prinzen überall mit einer Freudigkeit be­grüßt, die bei dem Charakter der Nation als eine ganz außergewöhnliche Kundgebung bezeich­net werden darf. Die Reise hat insofern eine politische Tragweite, als sie unzweifelhaft die Herzlichkeit der Beziehungen zwischen der deut­schen und der russischen Herrscherfamilie darge- than hat.

In Ungarn, wo zur Zeit die Agi­tation für die bevorstehenden Reichstagswahlen in hohem Grade die Gemüter erregt, kam es aus diesem Anlaß in den letzten Tagen wieder­holt zu unerhörten Skandalen. Nachdem am Sonntag in Klausenburg bei daselbst stattge­fundenen großartigen Exzessen die Führer der dortigen Regierungspartei von einer fanatischen Rotte beinahe ermordet worden wären, scheint am Dienstag eine ähnliche Szene in Alfalu Györgyo sich abgespielt zu haben. Auch dort kam es zwischen den Parteien zu einer Schlä­gerei, wobei die einschreitende Gendarmerie mit Stetnwürfen empfangen und angegriffen wurde. Zwei Gendarmen wurden schwer verletzt, acht Personen wurden erschossen. Es steht zu wünschen, daß die ungarische Regierung alles aufbieten wird, um die Wiederholung solcher Schändlichketten zu verhüten. Es bleibt indeß eine die Magyaren tief beschämende Thatsache, daß ein Teil der ungarischen Wähler mit Steinen, Messern und Knüppeln für gewisse politische Ideen fechten zu müssen glaubt. Die Gering­schätzung, welche der Vollblutmagyare der west­lichen, insbesondere ver deutschen Zivilisation gegenüber zur Schau trägt, erscheint angesichts dieser Vorgänge wenig berechtigt.

Im französischen Senat ist nun doch trotz aller Bemühungen Jules Simons das Ehescheidungsgesetz angenommen worden. Das Gesetz vom Jahre 1816, durch welches die Ehe­scheidung untersagt war. wurde mit 160 gegen 119 Stimmen aufgehoben.

Die belgische Regierung hat dieser Tage alle auswärtigen Regierungen eingeladen, sich an der am 2. Mai 1885 in Antwerpen zu eröffnenden Weltausstellung zu beteiligen.

Eine Korrespondenz aus Bulgarien,

Dieses Blatt erscheint wöchewliH dreimal nnd zwar: Dienstag, Donners­tag und San stag.

Der AbonnenientSpreiS leträgr pro Vierteljahr: in Aiienstaig SO Pf.

m c A.-Bezirk 85 Pf.

außerhalb 1 Mk.

Jn°eratcnaufgabe späte­stens mcrg. 10 Uhr am Tage vor dem jeweiligen Erscheinen.

1884

in der panslavistischenNow. Wremj.", kon­statiert erstaunliche Fortschritte des Landes, be­klagt aber, daß Bulgarien immer mehr in die Bahnen der deutschen Kultur gezogen werde. Deutsche Buchhandlungen, deutsche Restaurants mit deutscher Musik, deutsche Baumeister, deutsche Schulen und vor Allem deuiscbe Waren zeigen sich überall. Die russische Initiative fehle voll­ständig in Bulgarien. Dazu komme noch die große Zahl von Deutschen und Oesterreichera in den Donaustädten, die überall in Vereinen organisiert seien und die Beherrschung der Donan durch die österreichischen Dampfer; von russischem Wesen sei außer dem Militärkommando kaum etwas zu merken. Der Korrespondent macht einen lebhaften Anruf an seine russischen Lands­leute, den Deutschen in Bulgarien das Feld nicht vollständig zu überlassen.

Llmdesuachrichtea.

Freuden st adt, 4. Juni. Ein eigen­tümliches Fuhrwerk oder eigentlich deren zwei macht derzeit im Schwarzwald Aufsehen. Ein Engländer, welcher vor vier Jahren von seinem Arzt auf Reisen geschickt wurde, rüstete sich mit einem Reisewagen, wie ihn die Eng­länder bei ihren Picknicks und Wettrennen zu verwenden pflegen, und einem Einspänner für die Dienerschaft aus, kutschierte damit zunächst durch England nach der Küste und ließ sich nach Algier einschiffen, wo er sich sechs arabische Pferde und einen arabischen Diener anschaffte. Nachdem er dieses Land die Kreuz und Quer durchfahren, schiffte er sich nach Marseille ein und seit vier Wochen ist er auf dem Weg durch Frankreich und der Schweiz nach Deutschland. Er selbst kutschiert den großen Reisewagen, in­dem er 4 Pferde in einer Reihe laufen läßt. So kam er nm Pfingstmontag abend von Wolfach in Rippoldsau an. Am Dienstag früh setzte er von dort seine Reise über hier nach Wtldbad fmt, und zwar mußte er, da in Würt­temberg das Vierspännigfahren in der eben ge­schilderten Weise verboten ist, einen regelrechten Viererzug arrangieren, mit dem er, so rasch es nur immer gehen wollte, dahinhauderte. Seit vier Jahren bringt dieser Mann jede Nacht in einem anderen Orte zu und durchreist die Welt mit eigener Fuhre. Sein Wagen und die ge­samte Ausrüstung ist dabei durch die Länge der Zeit arg heruntergekommen; eine Frauens­person, welche mit dem Engländer auf dem Bock sitzt, der braune Diener im Fez, welcher nebst einem andern seinem Herrn »in dem alten Ein­spänner folgt, die Peitschen, Deichselstangen, Zeitstücke, das wunderliche Gerät auf der gro­ßen Kutsche (darunter eine Posaune), alldas macht einen merkwürdigen englisch-zigeunerhaften Eindruck. Der Herr selbst scheint entschieden aus den besseren Ständen zu stammen und be­sitzt in seinem Wesen eine gewisse Noblesse, die mit seiner Umgebung und der Schoflcffe des ganzen Fuhrwerks (die mutigen Araberpferde sind etwas dürr geworden) auffallend kontrastiert. Die sechste Person des seltsamen Zuges ist ein etwa 12jähriger Knabe. Der Engländer trägt einen Hut in Pilzform, einen schwarz und weiß karrierten Anzug und braune wildlederne Stulpen­stiefel. Er will noch lange so durch die Welt fahren und dürfte, da er gegenwärtig in Würt­temberg weilt, noch an manchem Orte unseres engeren Vaterlandes mit seinem grotesken Viercr- zug auftauchen. Die Personen sitzen auf Bock oder Imperiale, das Innere des großen Reise­wagens ist mit Gepäck vollgepfropft. (Gr.)

Nach derW. Ldztg." bereist gegenwärtig Herr Kretsschulrat Dr. Wcygoldt aus Lörrach im Auftrag der bad. Regierung Württemberg,