Winde in reizendem Spiel gehoben und ge­schaukelt. Ein Helles Rot flutete über Dorchens Gesicht, sie deckte ihre Hände darüber und lachte leise, und wieder horchte sie auf das Flüstern und Rauschen von Blatt und Band; dann lief sie zu ihrem Bette zurück, warf sich davor nie­der und verbarg weinend ihr Gesicht in den Decken.

Und wieder borchre sie, ob sie Stimme oder Tritte draußen hören konnte; und als alles still blieb, da fieng sie an, in Hast sich anzukletden; einen Augenblick überlegte sie, ob sie das schlichte Kleid von gestern oder schon das für den heu­tigen Tag bestimmte Festgewand anztehen sollte, dann wählte sie das letztere, und endlich schlich sie hinaus, in ihrem weißen Kleide so schön, so taufrisch, wie der junge Pfingftmorgen selbst.

Vor dem Hause war's still, die Strahlen der Sonne erleuchteten die Gipfel der Bäume, und nur die Vögel sangen in vielstimmigem Chor. Zaghaft blieb das Mädchen in der Thür stehen u. blickte sinnend auf den geschmückten Mat­baum; sie wußte selbst nicht, wie schön sie aussah.

Aber Hans Leßner wußte es, und sein Herz klopfte gewaltig, als er von seinem Versteck aus das Mädchen beobachtete.

Jetzt aber sah er sie, wie von einem plötz­lichen Entschluß getrieben, mit hastigen Schritten auf den Maibaum zueilen: mit beiden Händen griff sie an den schlanken Stamm, und Leßner konnte sehen, wie sied schon der ganze Baum unter ihren kräftigen Händen neigte. So läßt das Mädchen den Maibaum umwerfen, wenn sie es nicht gar selbst thut, so hatte Dora ihm gestern berichtet, sollte jetzt vor seinen Augen-?

Entsetzt sprang er aus seinem Versteck:O bitte, lassen Sie ihn stehen!" bar er flehend.

Dorchen wandte erschrocken den Kopf gegen ihn.

Ach Sie sind es," sagte sie gepreßt und hielt den Baum mit beiden Händen fest, ihre Augen senkten sich und sie errötete.

Lassen Sie den Baum stehen, Fräulein Dorchen, seien Sie nicht so hart!" bat der Pro­fessor dringend, und sein Gesicht wurde bleich.

Dorchen sah ihn schelmisch an.Ich will ihn wohl stehen lassen," sagte sie langsam,aber er selbst will ja gehen; sehen Sie nicht, er will ja nach einer Seite Umfallen."

Leßner atmete froh auf, er legte auch seine Hand an den wankenden Baum.Ja, ich habe ihn wohl schlecht eingesetzt," klagte er reumütig.

Haben Sie es gethan, wirklich?" fragte Dorchen und reichte dem Verlegenen die eine Hand,o, ich danke Ihnen."

Ich habe es nicht gut gemacht, ich habe es ungeschickt angefangcn," sagte der Professor.

O, man braucht nicht alles zu verstehen," tröstete Dorchen,wir machen ihn wieder fest."

Soll er stehen bleiben, Fräulein Dorchen," fragte Leßner und sah dem Mädchen kühner ins Gesicht.

Gewiß, das soll er," lachte Dorchen,aber wir müßten ein Beil oder so etwas haben, wir können ihn doch nicht hier immer halten."

Aber wenn er stehen bleibm darf," sagte der Professor lächelnd,dann dann tanzen wir heute und morgen zusammen."

Das Mädchen bog den Kopf etwas zur Seite und schwieg, die kleinen Hände hielten noch immer den Baum umschlossen und Hans Leßners Hände lagen daneben.

Ich kann tanzen, Fräulein Dorchen," sagte der Professor leiser,ich habe immer ganz gut getanzt, ich glaubte gewiß, ich kann noch jung sein, wollen Sie meine Tänzerin sein?"

Sie flüsterte leise:Ja!" Er sah sie mit leuchtenden Augen an; da stand sie vor ihm. Gesicht gegen Gesicht, ganz so nahe hatte er sie noch nie ansehen dürfen, er sah die lichten Löck­chen hinter den kleinen rosigen Ohren, und den sanften Mund, er sah, wie lieblich und jung sie war, und er o vermessene Gedanken ...

Um sie her wehte der Wind die flatternden, bunten Bänder, sie standen und wagten sich nicht anzusehen und hielten die wankende Birke in ihren Händen.Dorchen," sagte endlich Leßner mit etwas unsicherer Stimme,wie war es doch, was Sie mir von dem Maibaum erzählten? Wenn er also stehen bleiben darf, dann führt der Bursche sein Mädchen zum Tanz, und sie ist sein allein während der frohen Festtage, war es nicht so ? Und was sagten Sie doch, was dann folgt?

Wieder hörte man nur das Rauschen der Bänder und das Jubeln der Vögel ringsumher.

Eine Hochzeit sollte folgen, nicht, Fräulein Dorchen? so sagten Sic doch gestern?"

Das Mädchen sah, wie die Hände des Mannes zitterten, sie erhob schüchtern den Blick zu seinem Gesicht und bemerkte, wie es vor tiefer Bewegung erblaßt und verstört war, leise wollte sie ihre Hände von dem weißen Stämm- chen lösen, doch Leßners Hände legten sich auf die ihren u. hielten sie mit sanftem Druck gefangen.

Dorchen, ach, Sie wissen nicht, wie un­endlich lieb ich Sie habe," sagte der Professor aus voller Seele.

Das Mädchen legte die Stirn an den Stamm des Bäumchens, und ein paar Helle Thränen- tropfen fielen schillernd von ihren Wangen.

Dorchen, sagen Sie mir ein gutes Wort, daß Sie mir nicht zürnen, daß Sie es vielleicht verstehen können, wie ich ich alter-"

Die blauen Augen sahen zu ihm einen Augenblick auf, es lag etwas darin, was Hans Leßner ermutigte, weiter zu sprechen.Ich bin sehr einsam gewesen, aber gewiß mein Herz ist nicht stumpf und kühl geworden in den Jahren; die ewig leise darin flüsternde Sehnsucht nach einem anderen Dasein, nach einem neuen, iüßen

Glück,-ach, Dorchen, dieses Glück, von

dem ich in einsamen Stunden träumte, es er­schien mir so groß und so heilig, daß ich nicht wagte, kalt und berechnend danach mich umzu­schauen und es aufzusuchen, wie die Menschen um mich her es machten, wohl dachte ich an Liebe und an an ein Weib für mich, Dor­chen, aber ich wußte, die Ahnung, die Gewiß­heit solchen Glückes müsse über mich kommen

von außen her, so wie das Glück den Menschen kommt, unerwartet, berauschend, überwältigend. So also suchte ich nicht, ich wartete."

Hans Leßner schwieg ein Weilchen, und Dorchen hörte die tiefen Atemzüge seiner Brust. Dorchen, ich liebe Sie, ach, sagen Sie mir daß mein Glück gekommen ist."

Neue Thränen perlten nieder, und dann wurde das Köpfchen 'leise ein wenig gehoben, und die weiße Stirn legte sich auf des Mannes Hand. Da hob Leßner zärtlich die andere Hand und fuhr zärtlich über das hübsche Köpf­chen, und sein Herz zitterte vor großer Freude. Und dann küßten sie sich, herzlich, innig, im Vollbewußtsein tiefen, wahren Glückes.

Psch! psch! nießte es hinter ihnen.

Erschrocken sahen sie auf, da stand Peter, der Knecht, und sah mit seinem dummen Ge­sichte schlau zu ihnen hinüber. Ein Heller Strahl von Jubel und Freude fuhr über Dor­chens Gesicht.Komm, Peter", rief sie,hilf uns, der Maibaum will ja Umfallen."

Peter kam langsam näher, ja, er war ei» Pfiffikus, ihn nahm sobald nichts wunder. Er hatte schon vorgestern zum Milchmädchen ge­sagt:Der fremde Herr macht Augen zu un- serm Fräulein." Jetzt rückte er nur leise au der Mütze, rüttelte ein wenig an dem wanken­den Bäumchen, murmelte etwas vonStadt­herren" u. machte sich daran, mit seinen breiten Füßen das Erdreich um den Baum festzastampfen.

Die Beih.cn aber, deren Hände nun frei waren, liefen ins Haus, dort sahen sie sich glückselig in dis Augen, und Hans Leßner wußte es nun, daß sein neues Glück gekommen sei, und daß es immer bei ihm bleiben wollte.

Für die Redaktion verantwortlich: W. Rieker

in Altenkaig

(Aus Oberbayer».) Euer Wohlge­

boren! bestätige ich, in Erwiederung Ihrer ge­ehrten Zuschrift v. 15. d. M., daß ich Ihre sog. Schweizerinnen schon seit Jahr und Tag in meiner Familie eingeführt und solche mir und meiner Frau ganz vorzügliche Dienste ge­leistet haben. Dieselben sind bei Störungen der Verdauung und des Skuhles, ebenso bei Kopfschmerzen und Schwindelanfällen, welche Folgen dieser Störungen sind, von ausgezeich­neter Wirkung und haben den eminenten Vorzug, daß sie nicht im Gerinasten belästigen oder quälen und auch mit Leichtigk.it von jedermann genom­men werden können. Ich benütze dieselben zeit­weise auch ohne weitere Veranlassung als Kur in der Art, daß ich alle 23 Monate acht Tage lang täglich abends vor dem Schlafen­gehen 1- 2 Stücke nehme. Die Wirkung ist eine treffliche. Bet mangelndem Appetit gibt es nichts Besseres als solch' eine Kur. Ihr er- gebenster C. Goez, königl. daher. Notar. Buchloe, den 5. 1. 1884.

Man achte beim Ankauf genau darauf, daß jede Schachtel als Ecikett ein weißes Kreuz in rotem Felde und den Namenszug R. Brandt trägt. Erhält!. L Schachtel M. 1 in den Apotheken.

dessen Erfüllung durch Mühe und Anstrengung zu erkaufen; sie war

gewöhnt worden, ihren Willen als den Willen aller und ihre Laune

als die einzig berechtigte Stimmung zu betrachten; und deshalb glaubte sie sich in ihrem guten Rechte, jeden Wunsch, der mit dem ihren nicht harmonierte, für unvernünftig und jeden Widerspruch für Chikane zu halten. Daß ihre Forderungen, die stets respektiert, ja erfüllt wurden, ehe sie ausgesprochen waren, von der ganzen Welt befolgt werden müß­ten das zu bezweifeln fiel ihr niemals ein; aber daß dis Welt auch Ansprüche an sie hatte, das hatte sie bis zu ihrem zwanzigsten Jahre

niemals erfahren, und geschah es einmal, daß ich aus Unerfahrenheit

Ausdrücke gebrauchte, wie:das oder das sollte sie doch thun," oder: auf Herrn Hinz und Frau Kunz müßte sie doch ein klein wenig Rück­sicht nehmen," so warf sie nur ihren reizenden Kopf in den Nacken und blies mit einem lächelndenAbah" meine Ermahnung fort, als wär's eine Seifenblase gewesen.

Dies alles hatte ich, wie gesagt, früher nicht bemerkt, weil ich sie nur von Ferne als Göttin oben auf ihrem Piedestal gesehen, und als solche kleidete ihre olympische Rücksichtslosigkeit sie ganz bezaubernd: allein jetzt, da ich sie unten an der Erde unter uns gewöhnlichen Menschen umhergehen sah, begannen ihre göttlichen Vorrechte mir zuweilen als Anmaßungen vorzukommen. Dagegen war jedoch nichts zu thuu, so lange sie sich noch im Heiligtum des elterlichen Hauses befand; denn der alte Vater, ihr Hohepriester, und die sechs Tanten, ihre fanatischen Priesterinnen, würden mich augenblicklich als Gotteslästerer aus dem Tempel gestoßen haben, wenn ich es gewagt bätte, einen Zweifel an Flora's Vollkommenheit oder eine Anspielung zu äußern, es könnte Fälle geben, wo es ihre Pflicht sei, auf einen Wunsch zu verzichten. Ich mußte also meine ganze Hoffnung auf den Ehestand setzen und das that

nh denn auch. Endlich erschien derschönste Tag meines Lebens". Schon früh morgens ließ mich der Kaufmann rufen. Als ich ia sein Zimmer trat, öffnete er mir sein ganzes Herz. All' die verwirrenden, rollen und zum Teil erdichteten Geschichten, welche die Ogrenbläzer und Klatschbasen seit dem Verlobnngstage ihm von mir erzählt harten, kamen jetzt zum Vorschein, und ich hatte meine liebe Not, den Al:en zu be­ruhigen, und die Erzählung auf ihren wahren Wer: zu reduzieren. Der arme Mann war so verliebt in seine Tochter, daß er mich eher als einen Nebenbuhler betrachtete, der ihn seiner Liebe berauben wollte, denn als einen Bräutigam, der sie nur glücklich zu machen wünschte. Sein Alter, seine rührende blinde Vaterliebe und meine persönliche Ehrerbietig­keit und Dankbarkeit gegen ihn gestatteten ihm so ziemlich alles zu sagen, und er ließ sich sein Recht in dieser Hinsicht auch nicht verkümmern. Es war eine lange peinliche Rede, die mir der alte Mann hielt, uns sie wurLe doppelt peinlich, weil dieselbe Petäts rückst hc, die mir gebot, sie bis zu Ende anzuhören, mir fast verbot, darauf zu antworten.

Am Nachmittag fand die Trauung mit großer Feierlichkeit in der schönsten Kirche statt. Als ich meine anmutige Braut, vielleicht das schönste Mädchen in der Stadt, zum Altar führte, war die Kirche ge­drängt voll von teilnehmenden Freunden und Verwandten und neugie­rigen Zuschauern; aber wohl kaum war auch nur einer unter ihnen, der mich als den beneidenswertesten Bräutigam betrachtete; und dennoch selbst diesen Augenblick konnte man nicht umhin, Mir zu ver­bittern! Der alte Vater und die sechs schrecklichen Tanten hatten einen allzu rührenden Abschied von meiner Braut genommen; iure Lagen waren so rot, daß sie dieselben kaum vom Boden aufzuschlag u wagte.

(Fortsetzung folgt.)