Aber treiben es die Leute nicht zu arg im Walde?" meinte Leßner, als zwei erwachsene, kräftige Burschen ganze schlanke Birkenstämme vorbeischleppten, stattliche Bäumchen, deren un­tere Zweige abgehauen waren, so daß nur die Krone noch ihren grünen Blätterschmuck behal­ten hatte,das sind doch keine Reiser mehr zum Schmuck der Zimmer."

Dorchen sah ihn lachend an.Das sind ja Matbäume," sagte sie lustig.

Wozu dienen sie denn?"

Et nun, die Burschen tragen sie jetzt wohl heim, aber morgen vor Tagesanbruch steht je­der Baum vor dem Hause, in welchem der Schatz eines jeden Burschen wohnt, das ist eine große Aufmerksamkeit gegen Mädchen."

Und was folgt dann darauf?" fragte Leßner. Das Mädchen lachte wieder.O", sagte sie,der Bursche Hai dann das Recht, an den Feiertagen nur mit dem Mädchen, vor dessen Thür er den Maibaum gepflanzt hat, zu tanzen und sie ins Freie führen zu dürfen, vorausge­setzt, daß das Mädchen ihm zu erkennen gibt, daß sie erraten hat, von wem der Maibaum kommt, und daß sie es gern sieht."

Und was folgt dann weiter darauf?"

Dorchen legte den Kopf auf die Seite und sah den Professor forschend an; foppte er sie wohl ein bischen? Nein, er sah sehr gütig, aber doch ernst aus, vielleicht sogar ein wenig traurig. Was er nur für hübsche Augen hatte und einen so schön geschnittenen Mund, als sollte der nur Gutes und Kluges sprechen. So blickte sie von ihm weg und sagte einfach:Ge­wöhnlich gibt es dann bald Hochzeit." Sie wollte ernst bleiben, aber sie mußte lachen und Hans Leßner lachte auch, und wie verabredet stengen sie an zu laufen, der Wald lag nahe vor ihnen, sie liefen eine Strecke hinein, dann hielt Dorchen an einer mächtigen Buche an, lehnte sich einen Augenblick an den Stamm und setzte sich dann auf das Moos am Boden nie­der.Ach wie dumm", sagte sie,so zu laufen." Und dann lachte sie wieder, zog den Handschuh ab und patschte mit den weißen Fingerchen in das dichte Moos.

Hans Leßner nahm seinen Hut ab, warf ihn in die Höhe und fieng ihn wieder auf, da­rauf ließ er sich auf den Waldboden nieder, gab seinem Hute einen tüchtigen Patsch und warf ihn von sich, dann zupfte er Moospflänz­chen aus, betrachtete sie und fieng an, sie mit gelehrten Namen zu benennen und dann von verschiedenen Moosarten zu erzählen. Es war ganz hübsch, ihm so zuzuhören, er sprach von Gebirgsmoosen und von der Alpenwelt, wie auch von den seltenen Flechten fremder Zonen. Ach, wie gelehrt sind doch oft die Männer", sagte Dorchen nachdenklich,und wir Mädchen wissen gar nicht viel."

Aber das von dem Maibaume haben Sie doch gewußt und ich nicht", sprach Leßner.

Dorchen nickte nur was sollte sie auch sagen?

Jst's auch sicher mit der Hochzeit, die darauf folgt?" forschte der Professor Wetter und sah dem schönen Mädchen scharf in die Augen, kommt eS nicht oft vor, daß alle Jahre ein anderer Bursch' den Maibaum aufstellt?"

Dorchen schüttelte den Kopf.Nein", sagte sie nachdenklich,das Mädchen, welches einen Maibaum bekommt, das weiß wohl gut Bescheid und läßt sie den Baum stehen, so weiß der Bursche, daß er gern gesehen ist; ein Maibaum, der von einer Hand gepflanzt ist, die dem Mädel nicht gefällt, den läßt sie kurzweg Umschlagen, wenn sie es nicht gar selbst thut".

So, so", sagte der Professor nachdenklich; er nahm seinen Hut und betrachtete ihn er hatte ihm vorhin doch einen ordentlichen Knick beigebracht.Der arme Hut", sagte er,so geht's, wenn man zu lustig ist."

Wir wollen ihn verzieren", tröstete Dor­chen und zog einen Garnknäuel aus der Tasche, ich winde einen netten Kranz, wir wollen Blu­men holen."

Sie holten Blumen und zartes Laub, der Kranz war bald gewunden; bewundernd hatte Hans Leßner den eifrigen Fingerchen zugeschaut, denen er nicht schnell genug die Blumen zu­reichen konnte. Als Dorchen ihm den Hut zurück­gab, hielt er als Dank murmelnd die kleine Hand fest und küßte sie.

Leise entzog ihm das Mädchen die schlan­ken Finger, einen Augenblick hielt sie dann die gefalteten Hände mit den letzten Anemonen im Schoß, Hans Leßner sah die gesenkten Kelche der zarten Blüten in ihren Händen leise zittern, er sah auf das verlegen errötende, liebliche Mäd­chengesicht, welches sich von ihm abneigte und er mußte der kleinen Anemone gedenken, die ihm gestern auf seiner Wanderung das Herz bewegt hatte.Ja, wir wollen nun wohl heim", sagte er und stand auf.

Eine kleine Verlegenheitspause war bald überwunden und sie plauderten wieder fröhlich mit einander. Hans Leßner erfuhr auf diesem kurzen Heimweg viel von des lieben Mädchens Vergangenheit, sie erzählte unbefangen und hatte nichts zu verheimlichen, und wieder mußte der Professor an seine alten Kindermärchen denken.

Im Pachthause fanden sie schon den heim- gekehrten Werner; er entschuldigte sich nochmals gegen Leßner wegen seiner notgedrungenen Ab­wesenheit, doch dieser wollte von keinem Grunde zu Entschuldigungen hören.Ich war prächtig aufgehoben", sagte er begeistert, und dann, als später die Frauen hinausgegangen waren, fieng er an, seine junge Begleiterin zu loben, daß der dicke Pächter meinte, Hans Leßner habe die kleine Schwägerin wohl durch eine goldene Brille angefchaut, sie sei zwar ein liebes, aufgewecktes, pfiffiges Mädel und gewiß auch hübsch und brav, und zu allem Guten und Verständigen ange­leitet, aber vonzauberhafter Anmut" und holdem Zauber unbewußter Unschuld" und sol­chem Unsinn mehr Härte er noch nicht viel an ihr gesehen.

Werner bündelte später alle die begeisterte« Lobreden seines Freundes zusammen und gab sie in lakonischer Kürze weiter an seine Fra«, die er in der Vorratskammer aufsucht, um ihr inS Ohr zu flüstern:Du, Lina, der Leßner ist aber riesig in das Dorchen verschossen!" eine Be­merkung, die die junge Frau sichtlich zu inte­ressieren schien und die dann später während des Mittagessens Veranlassung zu einer aus­giebigen Telegraphie zwischen den jungen Ehe­leuten wurde, ohne daß jedoch der Professor und Dorchen etwas davon merkten.

Nach Tisch verschwanden die beiden Frauen» um die letzte Hand an das Festgebäck für das eigene Haus zu legen; die Männer rauchten ihre Cigarren und schwatzten, sie hatten sich viel zu erzählen; aber immer, wenn sie noch eben sich in Erinnerungen an vergangene Jugend­zeiten ergiengen, kam Werner wieder mit einem raschen Sprunge zu seinem Glück der Gegenwart zurück und Leßner ließ sich Alles davon erzäh­len, wie der rundliche Landmann sein Frauchen zuerst kennen gelernt hatte und wie dann nach und nach ihm das ganze reiche Glück erblüht sei.

(Fortsetzung folgt.)

Vermischtes.

(Treffende Antwort.) Ein Reisender für eine Kunst-Dünger-Fabrik sucht in einem Dorf- Wirtshaus die anwesenden Bauern für sein Fa­brikat zu gewinnen. Reisender:Die Chemie ist jetzt so weit vorgeschritten, meine Herren, daß ich überzeugt bin, ehe ein Jahr vergeht, trägt jeder Bauer seinen Dung für seinen Korn­oder Waizenacker in der Westentasche hinaus auf's Feld." Bauer:Und dann die Ernte in der andern Westentasche heim."

(Eine geistreiche Dame) unterhielt sich einst mit einem nicht sehr bedeutenden Schriftsteller über das Kapitel: die Todesfurcht.Auch ich fürchte den Tod," sagte der Dichter,ohne doch genau sagen zu können, warum."Das will ich Ihnen sagen," erwiderte die Dame, Sie fürchten den Tod, weil Sie ganz leer in der Ewigkeit aukommen würden, da man nichts mitnimmt, als seine guten Werke."

(Das böse Gewissen.) Eine New-Iorker Zeitung schreibt:Dieser Tage wartete eine junge Dame vor dem Kapitale in Washington auf einen Abgeordneten, den sie, wie sie sehr offen erzählte, mit einer Reitpeitsche durchprügeln wollte. Den Namen des Volksvertreters, dem diese Ueberraschung zugedacht war, nannte die Dame nicht. Dieselbe war so dicht verschleiert, daß man ihr Gesicht nicht erkennen konnte. Nach Schluß der Sitzung hörten die Herren Abgeordneten von der Anwesenheit der ergrimm­ten Unbekannten, und merkwürdiger Weise trug ein Jeder Bedenken das Kapitol zu ver­lassen !

Für die Redaktion verantwortlich: W. Rieker in Altenstaig

nicht weiter darüber nach es war mir natürlich völlig gleichgiltig, ob es bekannte oder unbekannte Personen waren.

Wie unvernünftig die Leute doch sein können," sagte die alte Frau, als sie wieder etntrat.Diese beiden Damen wollten absolut, ich sollte ihnen bis morgen nachmittag zwei große Ballkränze versprechen."

Das müssen Damen vom Lande gewesen sein," meinte Constanze.

Sie scheinen Sie übrigens zu kennen, denn die Eine fragte, ob Sie nicht Student Müller wären."

Das Interesse jener Damen war mir natürlich mehr als gleich­gültig. Nachdem wir noch einige nichtssagende Höfltchkeitsphrasen ge­wechselt, verabschiedete ich mich und trat in mein Zimmer.

Ins Bett gieng ich diese Nacht nicht. Ich warf mich aus einer Ecke des Sophas in die andere und zählte die Viertelschläge der Kirchen- glockc. Wiederholt öffnete ich das Fenster und starrte hinaus in die Nacht. Der neue Tag begann bereits zu dämmern, aber in der Ferne glaubte ich noch einzelne Töne des Kontrebafses zu hören. Ich entdeckte jedoch bald, daß das ein Irrtum war; sie kamen von einem Nacht Wächter, der drüben auf der Treppe des Lichtziehers seinen Morgen­schlummer hielt. Inmitten meiner Verzweiflung konnte ich nicht umhin zu lächeln, ärgerte mich darüber, schlug das Fenster zu und warf mich wieder auf das Sopha. Endlich fiel ich in Schlaf. Die Träume führ­ten mich auf den Ball. Aber er fand draußen auf dem Rittergute statt, wo ich Flora zuerst gesehen, nicht im Hause des Kaufmannes. Ein Orchester hatten wir nicht, aber mein Freund und Tanzmeister stand als Figurant mitten im Zimmer und zählte: eins, zwei, drei eins, zwei, drei", und so gieng es ausgezeichnet. Ich tanzte mit Flora und meine Füße berührten gar nicht den Boden. Wir waren mitten im

Cortillon. Auf einmal standihr Kousin, der Leutnant", den ich nie gesehen, mit zwei verschleierten Damen vor mir.

Wollen Sie mit einer Hexe oder mit einer Nachtmar tanzen?" fragte er.Danke, mit keiner von beiden!" antwortete ich und wollte mit meiner Flora davon schweben: aber er hatte sie mir fortgeschnappt und mir nur die Wahl zwischen der langnasigen Tante Malwine und der schiefen Adelhaid überlassen. Sie standen in weißen, tiefausge­schnittenen Ballkleidern vor mir, beide mit großen Ballkränzen geschmückt und fragten mich mit ausgestrecktem Zeigefinger, wie ich in dem Kostüm auf den Ball gekommen sei. Ich blickce an mir hinab o Schrecken! ich hatte die zerrissene Hose an. Der kalte Schweiß lief mir von der Stirn herab und ich erwachte.

Als ich die Augen aufschlug, saß mein treuer Freund auf einem Stuhl neben dem Sopha, bleich, bestaubt, mit zerknittertem Halskragen. Ich sah, daß er direkt vom Balle kam.

Ich hatte nicht das Herz, Dich aus Deinen süßen Träumen zu wecken," sagte er mit kläglicher Miene.

Sie waren eher alles andere, als süß," versicherte ich.

Aber jedenfalls schöner, als die Wirklichkeit!" seufzte er.Armer Freund, bist Du gefaßt?"

Worauf?"

Auf das Schlimmste! Fräulein Flora kam sofort auf mich zu und fragte nach Dir. Ich konnte ihr doch nicht die Geschichte von den Pantalons erzählen, und so sagte tch blos. Du seiest plötzlich unwohl geworden, just in dem Augenblick, als Du im Begriff gewesen wärst, wirk­lich zu kommen. E.st ward sie erschrecke, aber als ich sie versicherte. Du wärest außer Gefahr, war es, als gieng ihr ein Licht auf."

(Fortsetzung folgt.)