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Von der oberen Nagold.

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Ar. 62.

Menkaig, Dienstag den 27. Mai.

1884.

2 Die nächsten Aufgaben des Reichstages.

Das nahestehende Pfingstfest hat beim Reichstage eine längere Ferienpause eintreten lasten, die um so erwünschter sein mußte, als durch die Schlußverhandlungen über das So­zialistengesetz eine geradezu fieberhafte Stimmung erzeugt war und eine allgemeine Abspannung befürchtet werden mußte. Erst am 10. Juni treten die Reichsbvten wieder zusammen und ihrer harrt noch ein ansehnliches Arbeitspensum.

Zunächst wird das Haus über den Antrag Ackermann zu beraten und beschließen haben, nach welchem nur den Jnnungsmeistern das Recht zustehen soll, Lehrlinge zu halten. Dieser Antrag ist ein Stück aus der 1881 von der Regierung vorgelegten Gewerbeordnungsnovelle, welches damals vom Reichstage abgelehnt wurde. Sollte, wie kaum erwartet wird, die Reichstags­mehrheit jetzt anderer Meinung geworden sein, so würde jene in unsere gewerblichen Verhält­nisse tief eingreifende Aenderung wohl zum Gesetz werden.

Nächstdem kommt die Beratung eines zwei­ten Antrages Ackermann wegen Errichtung von Gewerbekammern; die Sozialdemokraten werden auch die Bildung von Arbetterkammern bean­tragen und die Deutschfreistnnigen die Vertretung der Arbeiter in den Gewerbekammern verlangen. Herr Windthorst wünscht sodann den Antrag auf Aushebung des Expatriierungsgesetzes zur Verhandlung gebracht zu sehen; dieser Antrag hat wohl Aussicht auf die Mehrheit im Reichs­tage, nicht aber auf Zustimmung durch den Bundesrat und die Reichsregierung.

Die Beratung des Gesetzentwurfs wegen Reichsunterstützung für Dampfer-Verbindungen mit Ostasten und Australien wird die Partei­gegensätze scharf aneinandergeraten lasten, denn die ursprüngliche dem Projekte günstige Stim­mung ist in der deutsch-freifinnigen und Zen­trumspresse ins Gegenteil umgeschlagen.

Die bedeutendste Vorlage, auf deren Durch­beratung die leitenden Kreise das höchste Ge­wicht legen, ist zweifellos die Unfallversicherung. Soweit sich dies aus den Kommisstonsverhand­lungen darüber ersehen läßt, wird das Zentrum für die Vorlage stimmen und damit erschiene ihre Annahme durch den Reichstag gesichert. Indessen hat die Kommission mehrfache Aender- «ngen beliebt, welchen die Reichsregierung nicht zustimmen zu können meint und wenn sich nicht zur rechten Zeit ein Kompromiß einstellt, so ist das Zustandekommen des betr. Gesetzes noch sehr fraglich.

Das Gesetz, betr. Versorgung der Hinter­bliebenen von Militärpersonen wird jedenfalls auch im Plenum zur Verhandlung kommen, aber das Zustandekommen ist nicht wahrscheinlich; das Kriegsdepartement lehnt es beharrlich ab, die unverheirateten Subalternoffiziere zu den Beiträgen für die Versorgung der Hinterbliebe­nen ihrer Kameraden heranzuziehen. Aus ähn­lichem Grunde werden die Penstonsgesetze stecken bleiben; die Regierung will die Kommunal­steuerfreiheit auch nicht für das Privatvermögen der Offiziere aufgeben.

Eine überaus umfangreiche Vorlage bildet schließlich noch das neue Akttengesetz, an dem die betr. Kommission, nachdem sie die grund­legenden Paragraphen durchberaten, mit wahrer Dampfgeschwindigkeit arbeitet. Zwar ist das Interesse an dem Zustandekommen dieses Ge­setzes ein ziemlich von allen Parteien geteiltes, Ä>er es ist zweifelhaft, ob dem gegenwärtigen Reichstage noch Zeit zur Beratung bleiben wird; derselbe müßte bis gegen August hin tagen, wollte er sich noch dieser Aufgabe erledigen.

In den heißen Sommermonaten dürfte es aber doch schwer fallen, das Haus beschlußfähig zu erhalten.-

Das find in großen Umrissen die Arbeiten, die den Reichstag noch beschäftigen sollen; im Herbst haben wir dann das allgemeine Ver­gnügen der Neuwahlen.

Laudesuachrichteu.

Altenstatg, 26. Mai. Vom Jagdglück besonders begünstigt waren dieser Tage die hies. Fischwasterpächter. Sie fiengen nämlich 4 statt­liche Forellen ein, welche zusammen ein Ge­wicht von 9 Pfund repräsentieren. Gestern mittag brachten mehrere Gewitter ausgiebigen Regen und angenehme Abkühlung. Ein ge­stern abend durch die ganze Stadt verbreitetes Gerücht, als sei bei der Völmlensmühle ein hiesiger Schuhmacherssohn von einem Blitzstrahl getroffen worden, und es liege der junge Mensch im Sterben, hat sich glücklicherweise nicht be­stätigt. Der Knabe, welcher sich in Begleitung seines Vaters befand, wurde blos von einem plötzlichen Unwohlsein befallen, und der Anlaß von phantasievollen Leuten benützt, sich einen so schauerlichen Unfall auszumalen und zu ver- ' breiten.

In Liebenzell ist am Sonntag den 18. ds. Mts. der ledige 24 Jahre alte Goldarbeiter Jakob Tiefenbach von Schömberg, OA. Neuen­bürg, beim Nachhausegehen nachts 11V» Uhr die Treppe heruntergefallen und erlitt neben an­dern Verletzungen einen Schüdelbruch, welcher nach zwei Tagen den Tod des Unglücklichen zur Folge hatte.

Herrenalb, 22. Mai. In dem Befin­den des Herrn Schultheißen und Landtagsab­geordneten Beutter ist in den letzten Tagen eine erfreuliche Wendung zum Besseren einge- treten.

Nach einem amtlichen Bericht des Justiz- Ministeriums waren im Jahr 1882 in Würt­temberg bei den Amtsgerichten 882 Konkurssachen anhängig, gegen 1123 im Jahre 1881. Eröffnet find solche im Jahre 1882 484, gegen 568 des Vorjahres und 3051 des Jahres 1878, also eine erfreuliche Abnahme. Durch die Amts- und Schöffengerichte wurden verurteilt 12549 Per­sonen u. freigesprochen 3072, gegen 11798 bezw. 2864 im Jahre 1881. Von den Strafkammern wurden in erster Instanz verurteilt 3769 Per­sonen, freigesprochen 403 Personen, gegen 3439 bezw. 338 im Vorjahre. Von den Schwurge­richten wurden verurteilt 274, freigesprochen 54, gegen 265 bezw. 56 des Vorjahrs. Es wurden 3 Todesurteile gefällt, nämlich gegen Johann Georg Stoll von Stgmarswangen, O.A. Sulz, gegen Jakob David Reichardt von Entringen, OA. Herrenberg und gegen Leonhard Heßelmaier von Hellberg, Gemeinde Büklerthann, OA. Ell- wangeo, sämtlich wegen Mords. Die beiden Erstgenannten wurden zu lebenslänglicher Zucht­hausstrafe begnadigt, der letztere wurde ent­hauptet.

Reutlingen, 21. Mai. Die hiesige Handels- und Gewerbekammer hat laut »Sch. M." am 10. ds. Mts. an die K. General- direktion der Posten und Telegraphen eine Pe­tition gerichtet wegen Einführung eines einheit­lichen Packetporto's und Ermäßigung der Nach­nahmegebühren auf Postsendungen. Der Handels­stand wünscht für ganz Württemberg ein ein­heitliches Porto von 25 Pfg. für Pakete von 5 Kilogr., ohne Unterschied der Entfernung (für den Oberawtsbezirk wie bisher 15 Pfg.) und begründet dies damit, daß ein Packet von 5 Kilogramm z. B. von Reutlingen nach Ell- wangen, Hall, Friedrichshofen u. s. w. 40 Pfg.

kostet, während ein Packet vom gleichen Gewicht nach Hamburg, Breslau, Königsberg u. s. w. nur 50' Pfg. kostet. Der Ausfall für die Postkasse dürfte nicht von Belang sein, well es verhältnismäßig nur wenige Stationen find, welche in die zweite Zone fallen, sollte aber gegenüber der wesentlichen Erleichterung für den Verkehr überhaupt nicht in Betracht kommen. Bei der bisherigen Berechnung der Nachnahmegebühren ist dasjenige Publ6 kum zu schwer belastet, welches vollständig mittellos und ohne Kredit nur gegen Nachnahme kaufen kann. Ein Packet von 5 Kilogr. und eine Nachnahme von 45 M. kostet z. B. von Reutlingen nach Hall, Gewichtsporto 40 Pfg., Nachnahmegebühr ä 2 Pfg. 90 Pfg., zusammen 1 M. 30 Pfg. Dies ist zu viel. Der Einzug der Nachnahme dürfte der Postverwaltung kaum mehr Mühe verursachen als eine Posteinzahluug und diese kostet bis zu 100 M. nur 20 Pfg. Auch bei Eisenbahnsendungen wird nur ein Pro­zent des Betrags der Gebühr erhoben. Aus diesen Gründen dürfte es der Billigkeit ent­sprechen, bei einer Nachnahme bis zu 10 M. mindestens 10 Pfg., bei einer solchen über 10 bis zu 100 M. aber 20 Pfg. Nachnahmegebühr wie bei Postanweisungen erheben zu lassen.

In Ner es heim fand am Mittwoch tu dem Keller des Apothekers Schimpfs eine Ex­plosion statt, indem sich ein Ballon Benzin ent­zündete. Herr Schimpff selbst erlitt bei dem Versuch, das Feuer zu löschen, Brandwundm an der Hand. Erst nachdem mit Sand und Mist sämtliche Oeffnungen des Kellers verstopft waren, gelang es, das Feuer zu ersticken.

Backnang, 18. Mai. Am letzten Mitt­woch wurde unvermutet eine Untersuchung der zu Markt gebrachten Butter vorgenommen und dieselbe bet 16 Verkäuferinnen zu leicht gefun­den; bei einer fehlten sogar an einem Bällchen gegen 100 Gramm. Zwei Käuferinnen fanden ihre Butter mit Baumwollfäden vermischt, so daß derselbe ungenießbar war.

Ulm, 22. Mai. Vorgestern wurde hier ein Pärchen getraut, gegen welches der hiesige Gemeinderat wegen der von den Brautleuten erstandenen vielen Vorstrafen die Ausweisung aus hiesiger Stadt beantragt hatte und welche auch rechtskräftig geworden war. Das neue Ehepaar ließ eS sich mit seinesgleichen wohl sein, und sich schließlich noch in offenem Wagen in der Stadt herumführen. Als gestern die Ausweisung vollzogen werden sollte', erklärte der Ehemann, daß er nicht bälder zu gehen ge­sonnen sei, bis ihm von der Armenbehörde die Drittel zur Weiterreise verwilligt seien. Auch ein Zeichen der Zeit.

Deutsches Reich.

Die Frage betreff, die Entschädigung unschuldig Verurteilter scheint jetzt doch zu einer Entscheidung im Sinne der für dieselbe Plai- dierenden kommen zu sollen. Die Kommission zur Beratung des diesbezüglichen Gesetzes hat tn dieser Woche ihren Bericht an das Plenum des Reichstags festgestellt. Die ersten drei Para­graphen des Gesetzes, wie sie von der Kommis­sion festgestellt worden find, teilen wir am besten im Wortlaute mit. Sie besagen: »§ 1. Dem Angeklagten, welcher wegen einer nach der Straf- prozeßordnuvg zu verfolgen gewesenen strafbaren Handlung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden und dieselbe ganz oder teilweise verbüßt hat, ist, dafern er im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens wegen dieser Handlung freige­sprochen worden, für den durch den Strafvollzug in Bezug auf seine Vermögensverhältniffe, seinen Erwerb oder sein Fortkommen erlittenen Schaden