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M. 57

Aklmstaig, Donnerstag den 15. Mai.

1884.

Deutscher Reichstag.

In der Donnerstagsfitzung des Reichstages brachte der Staatssekretär v. Bötticher einen Gesetzentwurf ein, welcher bestimmt ist, dem Kaiser 135 000 Mark als Staatsgeschenk für die Mitglieder der Cholera-Kommisston zur Verfügung zu stellen. Darauf trat das Haus in die Beratung des Sozialistengesetzes. Fürst Bismarck erschien während der Verhandlungen im Hause, entfernte sich jedoch bald wieder, ohne das Wort genommen zu haben. Abg. von Stausfenberg (deutsch-freisinnig) war der erste Redner gegen die Vorlage; Abg. Minnigerode (konservativ) trat entschieden für die Vorlage ein; Windthorst (Zentrum) empfahl seine Ab­änderungsanträge ; Marguardsen (nationalliberal) erklärte, die Gründe, die zu dem Erlaß des Sozialistengesetzes geführt haben, seien noch vorhanden und deshalb werde seine Partei für die Verlängerung der Wirkungsdauer dieses Ge­setzes stimmen; Frohme (Sozialdemokrat) er­klärte namens seiner Parteigenoffen, daß sie an der Spezialdebatte nicht teilnehmen würden, seine Partei würde unwandelbar auf ihren Grund­sätzen beharren; Abg. Graf Vehr-Behrenhoff (freikonservativ) hält namens seiner Fraktion die Verlängerung des Gesetzes für notwendig; fie würde aber, wenn die Windthorst'schen Zu­satzanträge angenommen würden, gegen das ganze Gesetz stimmen. Abg. Winterer (Elsässer) erklärte mit dem Zentrum stimmen zu wollen. Darauf wurde die Debatte vertagt.

In der Freitagssitzung des Reichstages nahm zuerst Abg. Richter-Hagen gegen die Vor­lage das Wort. In längerer Rede legte er seinen Standpunkt zur Sache dar und bekämpfte die Vorlage als zwecklos, ja sogar zweckwidrig, da die Agitation der Sozialdemokraten von der Oberfläche verdrängt werde und im geheimen viel schlimmere Folgen haben könne, als wenn fie offen betrieben würde. Ob das Gesetz an­genommen oder abgelehnt werde, die jetzige Re­gierung und die konservative Partei seien nicht im stände, der sozialistischen Bewegung einen Damm entgegensetzen zu können. Sodann sprach Minister Puttkamer für die Verlängerung des Gesetzes, welches durch die Dynamit-Vorlage keineswegs überflüssig geworden, sondern ange­sichts der drohenden Gefahren nur noch not­wendiger gewordm wäre. Der Reichskanzler, der darauf das Wort nahm, unterstützte diese Ausführungen; er gab dem Reichstage Kenntnis von den Verhandlungen mit den übrigen euro­päischen Mächten bezüglich des Erlasses eines internationalen Gesetzes gegen den Fürstenmord, zeigte, daß die Mächte bis auf Rußland ein Eingehen auf diese Idee abgelehnt haben, und besprach alsdann die russischen Verhältnisse, indem er betonte, daß es daselbst sich nicht um die Arbeiter handle, welche fast durchweg gut kaiserlich gesinnt seien, sondern um die Nihilisten, die meist aus dem Gebildetenproletariat bestän­den. Demnächst besprach er die Aufgaben der Gesetzgebung, deren Erfüllung die Ausbreitung der Sozialdemokratie verhindern würde und tadelte namentlich die Verschleppung der Be­ratung des Unfallgesetzes im Reichstage. Er erklärte schließlich, daß er, falls der Reichstag das Sozialistengesetz ablehne, mit den verbün­deten Regierungen darüber einig sei, den Ab­geordneten Gelegenheit zu geben, sich mit ihren Wählern darüber auseinanderzusetzen und schloß feine Rede mit der Warnung an die Wähler, daß wenn fie die Sozialistengefahr los sein wollen, sie keine fortschrittlichen Abgeordneten wählen dürfen. Nachdem die Abgg. v. Treitschke, Rittinghausen und v. Köller gesprochen, ergriff Abg. Richter-Hagen zum zweitenmale das Wort,

um die Angriffe des Reichskanzlers gegen die Fortschrittspartei zurückzuweisen. Er rechtfer­tigte den Reichstag gegen den Vorwurf der Verschleppung des Unfallgesetzes und behauptete, daß die Sozialdemokratie in Deutschland gerade so alt sei, wie das Ministerium Bismarck, wel­ches dieselbe großgezogen habe. Er schloß mit der Behauptung, daß es sich nicht um die So­zialisten, sondern um einen Kampf gegen die Fortschrittspartei handle und um die Frage, ob der Liberalismus in nächster Zeit noch eine Zukunft in Deutschland habe, oder ob es dem Reichskanzler gelingen solle, dem Liberalismus die Zukunft zu rauben. In seiner Erwiderung sprach Fürst Bismarck die Ueberzeugung aus, daß der Liberalismus, wie ihn der Abg. Richter verstehe, das heißt die fortschrittliche Demokratie, die parlamentarische Herrschaft, keine Zukunft habe, und erklärte es für seine Lebensaufgabe, diesen Liberalismus zu bekämpfen, soweit sein letzter Atemzug reiche. Demnächst erklärte der Fürst, daß er das Recht auf Arbeit unbedingt anerkenne und daß er mit dieser Anerkennung auf dem Boden des preußischen Landrechts stehe. Mit dieser Rede provozierte der Reichskanzler einen Protest Windthorsts gegen die Verwend­ung des Welfensonds und eine Verwahrung des Abg. v. Forckenbeck gegen den Vorwurf, es habe die Berliner Arme» - Verwaltung Leute Hungers sterben lassen, welche Behauptung durch gerichtliches Erkenntnis als Verleumdung charak­terisiert worden sei. Fürst Bismarck forderte darauf den Oberbürgermeister von Berlin auf, ihm Einsicht in das Erkenntnis zu gestatten.

In der am Samstag stattgehabten Sitzung des Reichstags wurde zuerst das Gesetz betr. die Ehrengabe von 135000 Mark an die Mit­glieder der wissenschaftlichen Kommission zur Erforschung der Cholera in Egypten und Ost­indien in erster und zweiter Lesung ohne Debatte angenommen. Sodann trat das Haus in die Speztaldiskusfion über die Verlängerung des Sozialisten-Gesetzes ein. Die Sozialdemokraten hatten beantragt, den § 1 der Vorlage, den Kern des Gesetzes selber, zu streichen, zogen diesen Antrag jedoch zurück. Das Haus beriet sodann die Zusatzanträge des Abg. Windthorst, welche in erster Linie die Bestimmungen des Gesetzes über sozialdemokratische Vereine und Versamm­lungen mildern sollten. Nach einer Verteidigung seiner Anträge durch den Antragsteller und einer Entgegnung durch den Abg. v. Minnigerode wurden sämtliche Zusatzanträge zu den ersten vier Paragraphen gegen die Stimmen der bei­den konservativen und der nationalliberalen Par­tei angenommen. Dasselbe geschah nach un­wesentlicher Debatte mit der zweiten Gruppe der Windthorst'schen Zusatzanträge zu jenen Paragraphen des Sozialistengesetzes, welche sich auf das Verbot von Vereinen und Versamm­lungen und auf die sozialdemokratische Presse beziehen; dagegen wurden die Abänderungs-An­träge Windthorsts, welche die Zusammensetzung der Beschwerdekommission und die Beschränkung des kleinen Belagerungszustandes auf Berlin und dessen Umgebung betreffen, vom Hause ab­gelehnt. Nunmehr erklärte der Abg. Hänel, daß er gegen das solchergestalt umgewandelte Gesetz im ganzen stimmen würde und da in­zwischen eine namentliche Abstimmung beantragt war, zog Abg. Windthorst seine sämtlichen an­genommenen Zusatzanträge zurück, die auch von keiner andern Seite wieder ausgenommen wur­den. Die Vorlage wurde bekanntlich in der von der Regierung vorgeschlagenen Form mit 189 gegen 157 Stimmen, also mit einer Mehrheit von 32 Stimmen angenommen.

Bei der dritten Beratung des Sozialisten­

gesetzes im Reichstag am Montag nahm Bebel nochmals in längerer Ausführung die Sozial­demokratie gegen die jvorgeworfenen revolutio­nären Bestrebungen in Schutz und kritisiert das Verhalten der Parteien bei der Debatte und Abstimmung. Redner wendet sich speziell gegen das Zentrum und die deutsch-freisinnige Partei. Die Sozialdemokraten würden sich die Lehren merken und sie bei dm nächsten Wahlen aus­nutzen, in die sie in ganz anderem Umfange als bisher eintreten werden. Bamberger spricht im Sinne der treulichen Ausführungen v. Stauf- fenberg's gegen das Gesetz uns verteidigt seine Parteigenossen, die in den Jahren 1878 und 1881 für das Sozialistengesetz gestimmt, jetzt aber gegen dasselbe stimmen, gegen die von Bebel ihnen vorgeworfene Inkonsequenz. R i ch- ter erklärt, er habe erst nach der Vereinigung erfahren, daß eine Anzahl Sezessionisten für die Verlängerung des Gesetzes stimmen wolle; vor­her habe er nichts davon gewußt. Dieselben Würden niemals für eine weitere Verlängerung stimmen und hielten ihr ablehnendes Votum für eine Parteisache. Nach Beendigung der Spezial­diskussion wird das ganze Gesetz angenommen. Windthorst zieht seine Resolution wegen Uebergangs zum gemeinen Recht bei Bekämpf­ung der Sozialisten zurück und begründet nur die Resolution auf Freigebung der kirchlichen Kräfte, soweit solche durch Partikulargesetze ge­hindert find. Stöcker begründet eine ähnliche von ihm eir-gebracht; Resolution. Günther, Meyer-Jena und Wendt sprechen gegen beide Resolutionen, ebenso Richter-Hagen, worauf die Resolution Windthorst mit 178 gegen 115 Stimmen abgelehnt wird. Die Resolution Stöcker wird ebenfalls verworfen.

Landesmchrichtell.

Altenstaig, 13. Mai. Letzten Sonntag Nachmittag fand im neuen Schulhaus hier wie­der eine Lehrlings-Prüfung statt, au welcher sich von 5 angemeldeten Lehrlingen 4 beteiligt haben. Die Namen der Geprüften und der Lehrmeister sind:

Christian Kalmbach, Zimmermann; Lehr­meister: Adam Kalmbach in Spielberg;

Karl Birkle, Zimmermann; Lehrmeister:

Fritz Henßler hier;

Karl Brösamle, Schmied; Lehrmeister:

Schmied Brösamle in Spielberg;

Karl Pfeifle, Bierbrauer; Lehrmeister:

Blumenwirt Peifle hier.

Die Prüfung bestand in: Aufsatz, Rechnen, Lesen, theor. und prakt. Befähigung. Die auf­gelegten Zeichnungen der 3 Erstgenannten waren durchschnittlich sauber ausgeführt und verdienen das Zeugnis »gut"; 1 Lehrling bestand alle Fächer »durchaus gut", während den übrigen im Aufsatz und Rechnen das Zeugnis »zg.g." und in den andern Fächern »gut" ausgestellt werden konnte. Nach stattgefundener Prüfung gab Hr. Stadtpfarrer Mezger den Geprüften in einer Ansprache noch eine gutgemeinte Mahnung auf den Weg, indem er u. a. ausführte, daß wenn sie sich jetzt da und dorthin wenden, um die Kenntnisse ihrer Lehrlingszeit zu verwerten, daß es ihre beständige Sorge sein solle, die­selben nicht nur zu erhalten, sondern auch zu vermehren, damit sie fortschreiten zur Tüchtig­keit. Und weil wirklich so viele Handwerks­burschen auf den Straßen herumlaufen, die meistens nichts gelernt haben, und well auch das Angebot der Arbeitskräfte viel größer als der Verbrauch sei, hätten Gesellen, welche Tüch­tigkeit mit Redlichkeit vereinigen, immerhin dm Vorzug. Wenn sie sich tüchtige Kenntnisse sam­meln, auf gute Sitten, Fleiß und Sparsamkeit