sich mit der neuen Rechtschreibung bekannt zu machen. Nach einigen einleitenden Gesängen hielt zunächst Herr Schullehrer Schittenhelm von Altenstaig eine Lehrprobe, in welcher er den Schülern die hauptsächlichsten Veränderungen der alten gegenüber der neuen Schreibweise vor­führte. Sodann hielt Hr. Oberlehrer Kästle von Haiterbach einen mit viel Humor durch­würzten Vortrag, in welchem er die Unterschiede zwischen alter und neuer Schreibweise, sowie auch mancherlei Mängel der letzteren hervorhob. Herr Schullehrer Finkh von Altenstaig re­ferierte über die methodischen Grundsätze der neuen Rechtschreibung, an welch letzteres Referat sich eine sehr lebhafte Debatte knüpfte; dieselbe bezweckte, daß dem Lehrer unbedingte Freiheit im Behandeln und Einüben der neuen Schreib­weise gestattet wurde. Fremdwörter sollen in der Schule bloß gelegentlich behandelt werden. Start durch viele Regeln soll der Stoff den Kindern durch Uebung eingeprägt werden. Am Schluß der Debatte einigte man sich durch Ab­stimmung dahin, daß ein Wörterverzeichnis her­gestellt werden solle, das die, durch die neue Schreibweise geänderten Wörter enthalten und jedem Schüler in die Hand gegeben werden soll. Zur Fertigstellung dieses Verzeichnisses wurde eine Kommission eingesetzt. Nach Beendigung der Tagesordnung vereinigte man sich zu einem ge­meinschaftlichen Mittagessen im Gasthaus zum Waldhorn.

Besenfeld, 19. April. Am Ostermon­tag brachte der mit Futterschneiden beschäftigte, 17 Jahre alte Knecht eines hiesigen Bauern die rechte Hand in die Maschine, wobei ihm dieselbe bis zur Hälfte stückweise abgeschnitten wurde. Dem Bedauernswerthen mußte noch am gleichen Tage der Arm oberhalb des Ellenbogens ab­genommen werden. Es ist dieser traurige Un­fall eine erueute Warnung, die Futterschnetd- maschinen doch ja recht vorsichtig zu handhaben.

Nach einer Mittheilung desSt.-Anz." wären im vorigen Jahre etwa 12 000 Personen aus Württemberg ausgewanderr und zwar größtentheils nach Nordamerika.

Mit dem Letzten ds. Mts. hört auch im Bezirk Herrenberg die Natural-Vcrpflegung armer Reisender aus.

Stuttgart, 18. April. Von der Größe der Meinungsverschiedenheit der Interessenten über den dem Reichstag zugegangenen Gesetz­entwurf, -betr. den Feingehalt der Gold- und Silberwaaren legte die gestern hier abgehaltene Versammlung von süddeutschen Gold- u. Silber- waarenfabrikanten, die aus Gmünd, Pforzheim, Stuttgart und Heilbronn besucht war und der 7 schwäbische und 4 norddeutsche Retchstagsab- geordnete anwohnten Frhr. v. Wöllwarth, der Vorsitzende der Reichstagskommisston, präst- dirte ein eklatantes Zeugniß ab. Die langen Debatten lassen sich dahin zusammenfassen, daß die Exporteure nach außerdeutschen, besonders überseeischen Ländern und diejenigen Fabrikan­ten, welche feinere Maaren fabriziren, sich für

den Entwurf aussprachen, während als Gegner des Gesetzes namentlich Fabrikanten von Pforz­heim und Gmünd auftraten, wo bekanntlich mehr Mittelgenre für den allgemeinen Konsum fabrt- zirt wird. Anhänger und Gegner des Gesetzes scheinen es aufgegeben zu haben, sich gegenseitig durch weitere Erörterung der Frage für ihren Standpunkt gewinnen zu wollen; das geht da­raus hervor, daß als die erst später eingetroffe­nen Gegner des Gesetzes in der Versammlung erschienen, sämmtliche Anhänger desselben mit der Erklärung, daß eine Einigung doch nicht möglich sei, ziemlich ostentativ den Saal ver­ließen. Ob die Herren Reichstagsabgeordneten, die eigens gekommen waren, sich Klarheit in der Frage zu verschaffen und sich durch Anwohnung bei den Verhandlungen ihre Entscheidung zu er­leichtern, ihren Zweck erreicht haben, ist zum mindesten sehr zweifelhaft.

Stuttgart, 19. April. Eine unliebsame Erscheinung war der heute früh auf den Dächern liegende Schnee; man hätte ihn lieber im Januar, Februar und März gesehen. Ueber den Schaden, den diese ungewöhnliche Tempera­tur-Erniedrigung (hier bis auf 0,6 °C. gehend), herbeigeführt hat, ist es im Augenblick noch nicht möglich etwas zu sagen. Man hat schon erlebt es wird an die Jahrgänge 1834 und 1847 erinnert daß Schneefälle die Ende April eintraten, durchaus nichts geschadet ha­ben. Hoffen wir, daß noch alles gut vorbetgeht.

In Hirrlingen hatte Schulamtsver­weser Bosch einem Knaben wegen eines groben Vergehens Schularrest über die Mittagszeit diktirt. Bald darauf kam die Mutter und holte unter Lärmen und Schimpfen ihr Söhnlein aus der Schule. Hiefür erhielt sie lautN. B." vom Schöffengericht Rottenburg eine Gefängniß- strafe von 8 Tagen, unter Verfüllung in die Kosten.

In Rottweil wird gegenwärtig das Aeußere des Rathhaufes einer durchgreifenden Restauration unterworfen. Dasselbe soll ähnlich dem Freiburger und Konstanzer Rath­hause mit Malereien geschmückt werden, eine Arbeit, die um den Preis von 5000 M. einem Freiburger Meister übertragen ist.

In der Riedlin ger Amtsversammlung am 15. ds. kam die Frage über die Fortdauer der Naturalverpflegung zur Berathung. Von allen Seiten wurden Klagen darüber laut, daß noch nie so viele betrunkene Handwerksbursche gesehen wurden und noch nie so viele und grobe Ausschreitungen vorkamen, wie seit dem Be­stehen des genannten Instituts. Dasselbe ist deßhalb nach 2jähriger Dauer wieder abgeschafft worden.

Von der Bott war. 17. April. Gestern wurde in dem nahen Höpfigheim wiederum ein Veteran, der die Kriege von 1867 und 1870 - 71 Mitgemacht hatte, zu Grabe getragen. Wie bei einzelnen dieser Krieger bedenkliche Spuren dieser anstrengenden und die Gesundheit auf­reibenden Märsche rc. zurückgeblieben, so wurde

auch der Verstorbene hievon ein Opfer. Nach seiner Rückkehr gründete derselbe einen eigenen Herd; bald aber wurden seine Glieder lahm, so daß er nur au Krücken sich weiter bewegen konnte. Zuletzt trat sogar auch Erblindung ein. Nach siebenjähriger unausgesetzter Krank­heit verfiel sein noch junges Leben dem Tode. Vier Kriegervereine aus der Nachbarschaft er­schienen mit ihren Fahnen und erwiesen dem Kameraden die letzte Ehre.

(Selbstmord.) In Weingarten machte am Mittwoch Morgen ein Musketier durch Erhängen seinem Leben ein Ende. Die Angst vor einer wegen Diebstahl in Aussicht stehenden Untersuchung und Bestrafung scheint ihn in den Tod getrieben zu haben.

(Unglücksfälle und Verbrechen.) In Heilbronn hatte ein 17 jähriger Zim- mergeselle das Unglück, beim Ausräumen von altem Bauholz auS dem zweiten Stock eines Fabrikgebäudes auf das Pflaster herabzustürzen, wobei er Hände und Füße verstauchte und am Kopf ziemlich schwer verletzt wurde. Einem Steinbrecher daselbst wurde vor einigen Tagen im Steinbruch von einem Stein, den er aufwinden wollte, der Fuß an zwei Stellen abgedrückt, so daß eine Amputation nöthig war. Ein Bür­ger von Balingen fand den etwa 60 Jahre alten Jenter von Heselwangen todt an der Straße in der Nähe des Ortes liegen. Wie anzuneh- men, ist der an Kräften sehr herabgekommene Mann hingefallen und an Erschöpfung gestorben. Spuren verübter Gewalt sollen an der Leiche nicht gefunden worden sein. In Ulm wurde am Donnerstag ein 34jähriger verhetratheter Taglöhner verhaftet, der sich eines schändlichen Verbrechens gegen sein 12 jähriges Stiefkind schuldiggemacht hat. -- In Etnstngen verun­glückte ein Arbeiter in einer Ziegelei. Derselbe hatte eine Maschine zu bedienen, wurde erfaßt, ihm die Weichtheile am rechten Arm abgerissen, so daß der Knochen bloßgelegt wurde. Der Verunglückte mußte ins Krankenhaus nach Ulm verbracht werden.

Deutsches Reich.

Eine Probe-Mobilmachung des Ostsee- gcschwaders wird dem Vernehmen nach wahr­scheinlich am 21. d. M. stattfinden. Nach er­folgtem Generalmarsch muß in ungefähr drei Stunden die Besatzung sämmilicher Schiffe an Bord sein. Der Chef der Admiralität wird zu dieser militärischen Uebung in Kiel erwartet.

Die feit 5. ds. Mts. in Hetdelberg im Schloßhotel weilende Kaiserin von Oesterreich hat sämmtliche Räumlichkeiten des genannten Gasthofes, dem E. v. W. zufolge, für die Dauer von 20 Tagen um die Summe von 60 000 M. gemiethet. Ueberdies ließ sich die hohe Frau einen besonderen Pferdestall und eine Fechthalle erstellen. Verköstigung wird durch die eigene Dienerschaft besorgt, so daß der Gasthofbesttzer, Herr Albert, sich lediglich auf die Überlassung

(Nachdruck verboten.)

Novelle von E. Klee.

(Fortsetzung.)

Aber, wenn sie es war, wie kam sie hierher? Stand nicht in meiner Erinnerung neben ihrem lieblichen Bilde das eines schönen, in voller Lebenskraft blühenden Mannes, voll Jugendfrische und Jugend- muth von welchem sie mir mit solchem Glück erzählt; und hatte nicht meine Hoffnung diese Liebesblüten lange schon mit dem Grün der Myrte umkleidet?

Und während ich also sann, trat ein Tag aus jener Sommerszeit wieder vor meine Seele. Ich saß auf der Ruhebank am Saume des herrlichen Schloßparks. Durch das dicht in einander sich schlingende Gezweig spielte die Morgensonne und küßte den Blumen und Gräsern ringsumher die Thautropfen fort. Vom nahen Rasenabhange erscholl lustiges Singen und Jodeln und das Schleifen der blanken Sensen, -- im Schatten der Kastanien hüpften und haschten fröhliche Kinder im Ge­büsch umher. Vor mir breitete sich eine weite grüne Matte aus, bis hin zum Oertlein Oberweiler, welches sich an die hohe Waldwand schmiegt aus deren Dunkel eine Ruine hervortaucht, die Neuenburg. Ich malte mir eben die Vergangenheit aus, da trat ein junges Mädchen an meine Bank heran.

Habe ich noch Platz?" fragte sie bescheiden.

Ich freute mich bald ihrer Nachbarschaft das runde, ausdrucks­volle Gestchtchen mit den Hellen braunen Augen hatte noch ganz den Zauber jener Zeit, wo Kindheit und Jugend einander grüßen und halb bang und scheu, halb sehnsuchtsvoll sich von einander scheiden. Zutrau­lich und herzlich schloß sich das Mädchen bald an mich an. Bet einer

Pathe wohnte sie hier, mir ganz nahe, wir hielten von nun an auch treulich zusammen, und es währte nicht lange, so wußte ich ihre ganze Geschichte.

Mitten im Schwarzwald, im Fabrikstädtchen H., war sie geboren

ihr Vater war Direktor einer Holzschnetdefabrik. Da er viel zu thun und die Mutter durch Kränklichkeit viel zu leiden hatte, so waren Babet und ihre Schwester Kreszenz in großer Freiheit aufgewachsen. Bald an der Kinzig heiterm Strand, bald in des Waldes tiefem Dickicht hatten sie sich in fröhlichem Spiele getummelt, Luftschlösser gebaut und von der großen weiten Welt und zukünftigen Zeiten geträumt. Gelernt hatten sie aber auch; der Vater hatte sein Möglichstes gethan und von Karlsruhe seine Nichte, ein gar gescheites Pfarrerstöchterlein, geholt.

Die hatte den beiden Mädchen nicht nur manches Wissen, auch Liebe und Lust zur Arbeit beigebracht aber auch noch mehr, sie hat in ihre jungen Herzen den Samen einer reinen, echten Frömmigkeit ge­senkt und bei demArbeite" dasBete" nicht vergessen. Das alles konnte man von dem Stadtlehrer nicht sagen, er war einStock­gelehrter", nicht einmal seinem einzigen Jungen verstand er die Schule lieb zu machen.Und doch," so erzählte Babet.ist der Karl gar gescheit, bat nicht blos den hübschesten, nein, auch den besten Kopf von allen Buben im Ort. Er ist den Büchern immer gut gewesen, aber er mochte sie nicht in der engen, dumpfen Schulstube, zwischen Tische und Bänke eingeengt, lesen, sondern nahm sie lieber mit hinaus in den Wald hoch oben auf einem Baume mitunter. Da hat r arg viel gelesen, und ward er's satt, so holte er seinen Stift hervor und zeich­nete o, das waren wundernette Bilder, oft gar kurios und neckisch,

oder er nahm sein Messer und schnitzte, das timt er ge-n. ^nd mein Vater sagt, er versteths gut. Erst waren es immer Geigen uno Flöten,