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in der Formgebung ist darauf Wert gelegt, die Abteilungen zu möglichst komfortablen und anheimelnde» Räumen zu gestalten, wodurch da» Reisen in wohltuender Weise erleichtert und verschönt wird. Die technische Ausführung verrät überall eine sehr sorgfältige und gediegene Arbeitsweise. Alles ist blitzblank, proper und apart. Für den äußeren Anstrich wurde eine dunkelgrüne Farbe gewählt und zur Kennzeichnung der Wagenklafskn ist hier erstmals die Verwendung arabischer Ziffern erfolgt, die bisher nur an den Wagen vierter Klaffe anzutreffen waren. Von einem Stoßen und Rütteln wird in diesen neuen Wagen kaum mehr etwas zu verspüren sein.
Stuttgart 16. März. (Der LusthauS- grundstein.) Der am 8. März auf dem Platze de» alten Theater» gefundene Grundstein de» im 16. Jahrhundert erbauten Lusthause» ist genau untersucht worden. Es ist ein über ein Meter langer Sandsteivblock mit zwei zylindrischen Vertiefungen. Die in der einen Vertiefung gefundene Gvßplatte ist, wie man gleich vermutete, die Gründungsurkunde, die folgendermaßen lautet: Der durchleüchtig Fürst so hochgeborn Herr Ludwig Hörtzog auserkohrn.
Zu Würtemberg Fürstlicher Art. und Teck ein Graff zu Mümpelgart Legt hie den Ersten Stain fürwahr Als man zält Fünffzehen hundert Jar Und vier und achtzig, wie ich mein Nach Christi Geburt in Grund herein Am drei und zweinzigsten Tag m Monat Maio wie ich sag. u diesem Baw sein Gnad Gott send Das er zu einem glücklichen End Nach Gottes Willen iverd volbracht.
Dann alles steht in Gottes Macht.
Die in der anderen Vertiefung gefundene Glasflasche enthielt stark mineralhaltiges Wasser, da» allmählich in da» Gefäß gekommen sein kann. Jedenfalls ließ sich nicht sicher sage», ob e» sich ursprünglich um Proben von weißem oder rotem Wein handelt. Auf der Flasche befindet sich folgende Inschrift:
1581
6 (Gott gaeb Gnad?)
Hevrych Fr. Her v. Linden (Linden? Emden?) Die gefundenen neun Münzen gehören der Regierung»zeit de« Herzog» Ludwig an (1586 —1593.) Es wurden gefunden: Ein Goldgulden, ein Guldentaler, einhalb Guldentaler, ein Zehnkrruzerstück, zwei Schilling verschiedenen Datum», ebenso zwei Gröschlein und ei» Pfennig.
Ludwigsburg 16. März. (Prügelei.) Der Arbeiterverein von Pvpprnweiler hatte zu einer Versammlung eingeladen, zu der sich auch viele Genosse» von Oßweil und Neckarweihinge« eingefunden hatten. Nach dem Besuch mehrerer Wirtschaften kam e» zu Streitigkeiten, wobei ei« Arbeiter von Poppenweiler, der au»wärt« Dienste tut, au» der Wirtschaft zum Hirsch ausgewiesen wurde. Im Gasthaus zur Krone hielt der Kirchen
chor ein Kränzchen ab, zu dem »och verschiedene der Versammlungsteilnehmer kamen. Kurze Zeit darauf begann eine regelrechte Holzerei zwischen dem au« dem Hirsch ausgewiesenen und einige» Arbeitern von Oßweil. Dabei wurde der glühende Ofen umgeworfen, leere und volle Bierflaschen wurden al« Wurfgeschosse benützt. Spiegel, Tische und Stühle wurden kurz und klein geschlagen. Mehrere Personen erlitten durch Glasscherben Verletzungen. Der Kirchenchor war an der Sache nicht beteiligt. Untersuchung ist eingeleitet.
Bissin gen OA. Ludwig»burg 16. März. (Schwerer Unfall.) Gestern nachmittag brach am Neubau der Enzgauwrrke ein Gerüst, wodurch 4 Arbeiter abstürzte« und teilweise sehr erhebliche Verletzungen davontrugen. Drei der Verunglückten wurde» durch Mitglieder der Sanität»kolonne Bietigheim in da» dortige Krankenhau» verbracht, während der vierte in seine Heimat übergeführt wurde.
Heilbronn 16. März. (Zur Reichstagswahl.) Eine hier abgehaltene Versammlung der Deutschen Partei beschloß, die Kandidatur des bisherigen Abgeordneten Naumann tatkräftig zu unterstützen.
Heilbronn 16. März. (Ein roher Ehemann.) Der 28 Jahre alte verheiratete Schleifer Julius Hofmann von Bückingen lebt mit seiner Fra« fortwährend im Streit. Am 24. Dezember v. I». gab es wieder einen Wortwechsel, in dessen Verlauf Hofmann seine Frau mit einer Schneiderschere auf den Kopf schlug, sodaß sie blutende Wunden davontrug. Als er deswegen vom Landjäger vernommen wurde, rief er seiner Frau zu: „Wenn da etwas nachkommt, nehme ich ein Rasiermesser und schneide dich zu Ochsrnmaulsalat." Das Schöffengericht hatte den rohen Kerl zu 4 Wochen Gefängnis verurteilt, die Strafkammer aber sah die Sache milder an und verurteilte ihn zu 14 Tagen Gefängnis.
Heilbronn 16. März. (Ein schlechter Trick.) Wege» versuchte» Betrug» stand der Geschäftsreisende Alfred Bolz von Zuffenhausen vor der hiesigen Strafkammer. Der Angeklagte ist Provisionsreisender für ein hiesiges Bildergeschäft und hat al» solcher eine Frau in Nord- Heim OA. Brackenheim bewogen, einen Zettel zu unterschreibe», angeblich, damit er wisse, wie sie heiße. Der Z-tlel war aber ein Bestellzettel und die Frau sollte nun eine Anzahlung von 3 machen, wa» sie aber nicht tat. Die Strafkammer erachtete den versuchten Betrug nicht als erwiesen und sprach den Angeklagten frei.
BechtoldSweiler 16. März. (Unglücklicher Schütze.) Das 11jährige Töchter- chen de» Mauer» Wolf wurde von dem 15jähr. Buchdruckerlehrling Reiber, der mit einer geladenen Pistole hantierte, in den Leib geschaffen. Der
Zustand der Verunglückten ist nicht ungefährlich, wenn auch durch den Arzt die eingedrungene Schlotladung entfernt werden konnte.
Johannestal 16. März. Al» das Luftschiff ? 6 heute nachm. 4°/« Uhr zu einem Passagierflug au» der Halle gebracht werden sollte, wurde er durch einen Windstoß mit dem Vorderteil derart gegen die Halle gedrückt, daß die Hülle teilweise zerriß. Personen wurden nicht verletzt.
Literarisches.
Württembergs Söhne in Frankreich 1870—71. Erinnerungen von Kriegsteilnehmern. Gesammelt und herausgegeben von Paul Dorsch. Mit Titelbildern f Oberstleutnant K. v. Schott Calw und Stuttgart, VereinSbuchhavdlung. Zweite Auflage (5. bi» 8. Tausend.) Stön gebunden 3 Mark.
Das Buch ist gut ausgenommen worden, so daß schon nach einem Vierteljahr eine zweite Auflage notwendig geworden ist. Diese unterscheidet sich nicht wesentlich von der ersten, doch konnte durch teilweise Anwendung eines kleineren Drucks für einige neuen Schilderungen Platz geschaffen werden, ohne den Umfang des Buchs zu erweitern. Wie verlautet, sind noch so viele weitere Beiträge beim Herausgeber eingelaufen, daß eine Fortsetzung des Werks geplant ist. — Die in dem Buch enthaltenen Schilderungen geben ein treues Abbild des Lebens im Krieg und bieten dem Leser reiche Unterhaltung und Belehrung. Besonders erfreut sich an dem Buch unsere Heranwachsende Jugend, die künftige „Wacht am Rhein", und es wird sich empfehlen, einem Sohn oder Patenkind zur Konfirmation neben einem religiösen Buch auch ein solches zu schenken, das dem Andenken der Vorfahren gewidmet ist und den Jüngling zur Pflichterfüllung und Vaterlandsliebe begeistert. Hiefür wird durch den Geschichtsunterricht in unfern Schulen nicht überall genügend gesorgt, und es muß befremden, wie unsere jungen Leute häufig über Kriege und Schlachten der alten Griechen und Römer besser Bescheid wissen, als über die kriegerischen Taten ihrer eigenen Väter und Großväter. — Die Leser des Calwer Wochenblatts werden besonders daraufaufmerksam gemacht, daß Inspektor a. D. Burk, ein Sohn des alten „Christenboten-Burk" S. 271 bis 275 mit „Feldzugsbriefen eines Nachgeschobenen" sehr gut vertreten ist. — Ein häufig gehörter Wunsch geht dahin, daß dem künftigen zweiten Band eine, wenn auch noch so kunstlose. Kartenskizze für das Gelände östlich von Paris, den Schauplatz der bedeutendsten Kämpfe der Württemberger, beigegeben werden möge. v. X.
Gottesdienst«.
S«««t«g Hkuki, 19. März. Vom Turm 30. Der Kirchenchor-. Herr Jesu Christ mein's Lebens Licht. Predigtlied 361: Eines wünsch ich mir rc. 9'/- Uhr - Vormitt. Predigt Dekan Roo 8. 1 Uhr: Christenlehre für die Söhne im Vereinshaus. 5 Uhr Abendpredigt im Vereinshaus, Stadtpfarrer Schmid.
§o»«er»tas> 23. März 8 Uhr abends- Bibelstunde im Vereinshaus. Stadtpfarrer Schmid.
Keleriag Mariä Berlüidiku««, 25. März. 9'/- Uhr : Predigt im Vereinshaus. Stadtpfarrer Schmid.
sofort außer Lande» gehe, eine» anderen Namen annehme und dauernd draußen bleibe. Er unterwarf sich dieser Bedingung, und wir habe» ihn seitdem nie wieder gesehen. Etwa acht Monate später ist er in Sydney wegen Mordes unter höchst widerwärtigen Begleitumständen gehenkt worden.
Dixon und Philipp Doyle stießen gleichzeitig einen Schrei de» Entsetzen» au», wohingegen Eva Rhode» keine Spur von Erregung mehr zeigte.
Lassen Sie mich zu Ende kommen, sagte Thornhill, um Gotte» willen, lasse» Sie mich fertig erzählen, damit ich die schreckliche Geschichte hinter mir habe. Mein Bruder hatte sich den Namen Robert Ames beigelegt und ist al» solcher gestorben. Er hatte wenigstens noch so viel Anstand, den Namen seine» Vaters nicht zu beschmutzen. Er teilte -am Tage seiner Hinrichtung dem Geistliche« den wahren Sachverhalt mit, und dieser schrieb dann meinem Vater; auf diese Weise haben wir Kenntnis davon erlangt. Wir beide hielten e» für besser, die furchtbare Tatsache Gladys zu verschweige», zumal sie bald Mutter werden sollte. Außerdem lag es auch im Interesse unserer eigenen Familie, sie zu verheimlichen; wir sagten ihr also nur, daß ihr Mann gestorben, daß sie wieder frei sei, und beglückwünschten sie dazu. Da» übrige wissen Sie nun alle selbst. Sie fragte mich um Rat, al» sie sich mit dir verlobe» wollte, Philipp, und ich muß leider zugestehen, daß ich ebensoviel Schuld daran trage wie sie selbst, daß dir die Sache nicht mitgeteilt worden ist. Ich hielt ihr Geheimnis für wohlverwahrt. ES war ein schändliche», wen» sie es auch damals selbst nicht in seiner ganzen Ausdehnung kannte. Ich habe, wie ich freimütig zugrbe, meine Einwilligung zu der Verheimlichung erteilt. Sie war jedoch nur wenige Wochen deine Frau, al» wir da» Törichte einsahen; denn wir bekamen bald einen neuen Schrecken. Ein Mitglied der Verbrechergesellschaft, der mein Bruder in die Hände gefallen war, erkannte in
Sydney in dem Mörder Robert Ames meinen Bruder Robert Thornhill und berichtete es pflichtschuldigst au seine Genoffen in England. Infolgedessen find wir, mein Vater, Glady» und ich, schon lange Zeit hindurch systematisch und in der unerträglichsten Weise gepreßt worden, bi» jetzt Herr Beale durch Festnahme der Burschen der Sache ein Ende bereitet hat. Hierdurch hat er verschiedene Tatsachen in Erfahrung gebracht, die direkt mit dem Morde in Zusammenhang stehen. Nun mag er selbst weilerreden.
Beale räusperte sich, warf einen durchdringende« Blick auf Eva Rhode», die keinerlei Erregung zeigte und mit keiner Wimper zuckte, und fing dann an:
Ich will mich kurz fassen. In diesem Zimmer ist ein Brief gefunden worden. Der Inhalt ist Ihnen allen bekannt — er sah Eva Rhode» wiederum scharf an, die jedoch immer »och teilnahmslos war — aber nur einer von Ihne» weiß, wie diese» Schreibe«, das an Herr« Thornhill gerichtet war, ihn aber nie erreicht hat, seinen Weg hierher gefunden hat. Ueber diesen äußerst merkwürdigen Umstand will ich Sie nun aufklären. Mit diesen Worten stand er auf, ging ein paar Schritte vor und rief:
Biddle»! Hierher! Rasch!
Als der unglückselige Bursche vortrat und mit der Hand nach dem Kopfe fuhr, um zu grüßen, öffnete Eva Rhodes einen Moment die Augen und warf ihm einen durchbohrenden Blick zu. Aber gleich schloß sie sie wieder und verfiel wieder in ihren apathischen Zustand.
Beale fuhr weiter fort: Hier in diesem Atelier ist vor »och nicht langer Zeit ein Mord passiert. Biddle», und ich möchte, daß Sie mir alle» erzähle«, wa» Sie darüber wissen.
(Fortsetzung folgt.)