gemeldet, daß nun die Hoffnungen geschwunden find, welche man auf eine falsche Absendung der Kiste setzte. Die Kiste ist tatsächlich ge­stohlen. Die Nummern der 35 Tausender-Noten sind auf dem Postamte nicht gebucht. Es er­wächst den Dieben also nicht die geringste Schwierigkeit, dieselben auszugeben.

Paris, 17. Jan. Die ErklärungCastelars, daß Spanien moralisch eine französische Provinz sei, hat die hiesigen chauvinistischen Kreise sehr befriedigt; selbst die eifrigsten Anhänger der Patriotenliga hatten nicht geglaubt, daß ein Spanier die Politik Ludwigs XIV. und Na­poleons I. gegenüber Spanien mit einer solchen Hintansetzung der Interessen des eigenen Landes rechtfertigen würde. DteRegierungspresse schweigt noch über die Auslassungen Castelars.

Paris, 18.Jan. (Deputirtenkammer.) In den Couloirs herrscht große Aufregung we­gen der Arbeiterfrage. Clemenceau und andere Mitglieder der äußersten Linken sind sehr be­stürzt infolge der mit den Delegirten der Ar­beiter stattgehabten Zusammenkunft. Ferry erklärte in Gegenwart des Tony Revision: Man wolle den Arbeitern etwas Arbeit ver­schaffen. indem zur Möblirung der neuen Lyceen u. Posthäuser baldigst geschritten wird. Arbetter- Delegirte sagten in einer Unterredung mit Cle­menceau und Revision, daß sie nur Arbeit suchen und wünschten und keineswegs einen politischen Streich zu thun beabsichtigten.

Paris, 18. Janr. Die äußerste Linke hat heute beschlossen, die Kammer zu ersuchen, daß, angesichts der herrschenden allgemeinen Ge­schäftsstockung alle zu berathenden Gesetzentwürfe, welche die sociale und Arbeiterfrage betreffen, zuerst auf die Tagesordnung gesetzt werden.

Handel n»d Berkehr.

Tübingen, 18. Jan. (Hopfen.) Gestern kamen wieder 15 Ballen Hopfen zur Stadt­wage, für welche 180 M. p. Ctr. bezahlt wurde. Auch jetzt halten einzelne Eigner noch zurück, um einen noch höhern Preis zu erzielen.

(Die Rindereinfuhr aus den Vereinigten Staaten) nach England beläuft sich in dem vergangenen Jahre auf 155,000 Stück mit einem Fleischgehalte von 112 Mill. Tonnen. Daneben hat die Einfuhr von gefrorenem Fleisch aus Australien gleichfalls sehr zugenommen. Im Jahr 1880 wurden 400 eingeschlachtete Ham­mel in gefrorenem Zustande eingeführt; im Jahre 1883 in 31 Schiffsladungen nicht weni­ger als 193,645. Drei Schiffe brachten das Fleisch in schlechtem Zustande, 7 in mittelgutem, 21 in vortrefflichem. Die erzielten Preise be­wegten sich je nach der Qualität zwischen 40 75 Pfg. per Pfd.

Vermischtes.

(Nach 54 Jahren.) Von Köslin wird ge­schrieben: Ein vor 54 Jahren (1829) nahe bei Leba gestrandetes englisches HandelsschiffWa- lace," welches als Wrack an der Küste sich tief in den Sand grub, ist durch die neuerlichen Stürme bloßgelegt, so daß gegenwärtig die Strandbewohner die zum Theil noch wohler­haltene Ladung (Talg und Hanf) bergen.

(Das ungeheure Wachsthum der Stadt London) ergibt sich am besten durch den Nach­weis, daß sie sim Jahre 1560 nur 2 englische Quadratmeilen bedeckte, 1818 6, 1834 16, und augenblicklich 70 bis 80 engl. Quadratmeilen.

(Berliner Humor.) Belauschtes Gespräch aus den Kreisenfür Alles".Karline", fragte

Auguste,wie gefällt Dir denn von Deiner neie Herrschaft der Herr?"Det kann ich noch nich wissen. Die Olle is ja noch nich een Mal aus­gegangen, also waren wir ooch noch nich alleene zum ordentlich aussprechen."

(Wie unsere Voreltern straften), ist genug­sam bekannt; daß sie aber auch zu lohnen wußten, ergibt sich daraus, daß im Jahre 1698 der Stadtrath zu Darmstadt dem Rathsdiener ein Geldgeschenk für einen neuen Rock bewilligte, dafür,daß er sich das Branntwetntrinken ab­gewöhnt und sich ferner dessen zu enthalten ver­sprochen hatte."

(Verwechselung.) Der Herr Professor ist eben in Berechnungen über das Wtedererscheinen eines Kometen vertieft, da stört ihn die Stimme des Stubenmädchens:Gnädige Frau läßt fragen, wann die Suppe aufgetragen werden soll?"Ja, wann? wann?" erwidert der Professor, träumerisch aufblickend.Warten Sie einen Augenblick." Er schreibt einige Ziffern und sagt dann plötzlich:Am 27. September 1915, Morgens 7 Uhr 16 Min. 3V. Sekunden!"

(Vor dem Balle.) Frau:Aber du kannst doch eine rechte Freude haben über deine fünf Töchter, eine schöne als die andere." Mann (verdrießlich): O ja, aber auch eine lediger als die andere.

(Die Klage des Advokaten.) DasDeutsche Mont.-Bl." bringt folgende Anekdote: Ein un­beschäftigter Advokat wird auf der Straße von einem alten Bekannten augehalten und mit der Frage begrüßt:Wie geht es Ihnen, und waS macht der Beruf?"Ich danke", erwiderte der Advokat,ich habe nicht zu klagen!"

nicht Hinhalten zu lassen; Deine Mutter ist filzig; ich bin Dein Mann und meine es gut mit Dir! Man muß sich sehen lassen in der Welt, wenn man etwas gelten will, Du hast's ja! Auf simpel Papier gebe ich Dir tausend Gulden!"

Mit solchen und ähnlichen Redensarten lockte der Versucher den jungen Burschen in die Falle; dieser unterschrieb dassimple Schein­ehen," das er kaum durchlas, empfieng das Geld und spielte eine Zeit lang den Flotten.

Bald nachher stellte derfreundliche Helfer" sich wieder ein, und da Franz'l das Darlehen nicht baue zurückerstatten konnte, mußte er dem Wucherer das schönste Feld um einen Spottpreis verkaufen, dazu großen Zins bezahlen und noch einen Schadenersatz geben für den Ge­winn, den der Wucherer hätte machen können,wenn er sein Geld ge­habt hätte;"sonst," sagte er,mach ich Dir's entzwei, wenn Du auf die Freieret gehst, sage es Deiner Mutter, oder ich mach' Dir die Schande und stelle Dich vors Gericht."

Der Schullehrer, der zufällig von dem Handel gehört, mochte sagen, was er wollte, es half nichts; Franz'l blieb dabei,der Mann meine es gut, er wolle ihm helfen."

Einer schmucken Dirn' in der Nachbarschaft, Anne-Marie, war Franz'l besonders gut und hätte sie gern heimgeführt. Das Mädchen war zwar arm, aber brav und bildschön. Seine Mutter hatte gesagt: Das Geld thut's nicht, wir haben zu leben; aber eine christliche Haus­frau muß es sein."

DerFreund" Wucherer aber sagte:Du mußt Deiner Liebsten ein Präsent machen; man darf sich nicht lumpen lassen. Ich kenne die Anne-Marie u. lege ein gut Wort für Dich ein. Laß mich nur machen, Du kriegst das Mädchen. Aber ehe man heirathet, muß glatte Bahn sein. Du hast nochso einige Plackschulden; ich leihe Dir eine runde Summe und Du thust Alles ab; Du brauchst Dich ja von Dem und Dem umsdie paar Gul­den nicht placken und ansehen lassen!"

Franz'l lief in die Falle, hetrathete die Anne-Marie, und nun gieng ein Tanz los, der kein Ende nehmen wollte. Der Mutter und der jungen Frau blieb es natürlich nicht verborgen, in welchen Handel sich Franz'l eingelassen, aber weder die Vorwürfe der Mutter, noch die Reue des Mannes konnten die Sache ändern. Um aus der Handschrift eine Hypothek zu machen, ward vor Gericht nur ein Urtheilchen genom­men,das gar nicht viel kostete." Franz'l traute seinen Ohren nicht, als der Wucherer erklärte, nicht tausend sondern zehntausend Gulden vorgestreckt zu haben und dies vor Gericht auch derEhre wegen" be­schwor und zwanzig Eide darauf abzulegen bereit war, denn der Schein lautete wirklich auf zehntausend! Der junge Mann verlor fast den Ver­stand und wußte sich nicht zu rathen und zu helfen; um nicht Kosten auf Kosten vor Gericht zu haben, mußte er schreiben und wieder schrei ben, so oft der Wucherer wollte. Ein Acker nach dem andern gefiel diesem; er kaufte sie dem gefesselten Bauer ab, und der Schande wegen verpachtete er sie wieder an den nemlichen Franz'l, der dann seinen Zins vom Kapital und den Pachtzins von seinen Aeckern bezahlen mußte. Baar Geld erhielt er natürlich für den verkauften Acker nicht, und die Schuld blieb nach dem Verkauf doch so groß wie vorher. Die Mutter grämte sich und weinte Tag und Nacht, ihr Sohn ging wie gebrochen umher, und die arme junge Frau, die ihm mit der Zeit ein Mädchen und ein Bübchen geschenkt, sparte und arbeitete, und bot Alles auf, um ihren schwer geprüften Mann auszumuntern.

Wir kommen auf keinen grünen Zweig, Anne-Marie," sagte die­

ser,ich bin verrathen und verkauft; den hohen Zins kann ich nicht einmal beibringen."

Was half auch alle Arbeit, aller Fleiß? Hatte Franz'l eine Kuh zu viel, so durfte kein anderer Käufer in den Stall, er mußte sie dem Wucherer abtreten um jeden Preis; die Frucht mochte gelten, was sie wollte, dem Wucherer mußte er sie geben, wenn dieser wollte; kurz, Franz'l fühlte, daß er von Jahr zu Jahr nicht nur mehr ruinirt werde, sondern daß er total verloren sei und an den Bettelstab gebracht werde. Schwermuth und Trübsinn stellten sich bei ihm ein; aus dem einst so munteren Burschen war ein elender, geknickter Mann, ohne Math, ohne Hoffnung, ohne Thatkraft geworden, es schien, als gehe ein böser unheimlicher Geist in dem Hause um, der Alles verderbe und tödte.

Und die lange gefürchtete Katastrophe trat, nachdem der unglück­liche Bauer wie eine Cttrone ausgepreßt war, ein; es gieng an die Zwangsversteigerung von Haus und Hof des Betrogenen. Der Wucherer sprengte freilich aus, daß Franz'l sein Anwesen eigentlich wieder zurück­erhalte um den Steigerungsprets,und die Leute möchten doch nicht bieten, um den armen Mann nicht noch ärmer zu machen." Und stehe da der Wucherer erhielt nun auch noch obendrein Haus und Gut und Möbel, Vieh und Aecker um eine Spottsumme, um das Angebot! . . .

Franz'l sah man seit der Stunde nicht mehr, seine Mutter irrte mit brennend-rothen aber thränenleeren Augen durch das Haus, durch das Dorf; seine Frau rang die Hände. der Aermste blieb verschwun­den.Er war leidmüthig und ganz durcheinander," sagten die Leute, er wird sich ein Leid in der Verzweiflung angethau haben."

Und so war es; am zweitfolgenden Tage fand man die Leiche Franz'ls im Mühlenbach tief unten im Thale. . .Der liebe Gott mögs ihm nicht anrechnen," sagte der alte Pfarrer,Franz'l war nicht mehr bet Verstand; er war kein böser Mensch, nur leichtgläubig und so wurde er die Beute des Wucherers. All' sein Fleiß, all' die Jahre an­gestrengter Arbeit konnten das nicht wieder gut machen, was Franz'l in einem schwachen Augenblicke gefehlt hatte, indem er dem Wucherer sich verkaufte!"

Acht Tage später es war au einem Novembertage und die ersten Schneeflocken spannen ein Leichentuch um Berg und Thal erschien der Wucherer vor Sonnenaufgang im Dorfe und ließ die Frauen auf die Straße setzen. Ob die junge Frau lamentirte, die Kinder jammerten die alte Großmutter um Gotteswillen bat, es half nichts!Ich muß mein Geld haben!" sagte der Wucherer kalt und legte mit triumphiren- dem Schmunzeln seine schmutzigen Finger auf das Schloß der Haas- lhüre, als wolle er sagen:Jetzt bin ich hier Herr!"

Und die Lindenbäuerin steckte etwas Brod in einen blechernen Kessel und nahm in die zitternde Rechte den Wanderstab; die junge Wittwe raffte einige Habseligketten zusammen, die sie auf dem Rücken^ der schwerer unter der Last des Grames, als unter der Last der Sachen zu tragen hatte, fortbringen konnte, und dann verließen sie das Dorf, das ihr Heim nicht mehr war und schritten mit wankenden Knieen hinab ms Thal ... in die Welt.Wohin?" fragte sich die Großmutter, als sie die Brücke überschritten und die Frau ihres unglücklichen Sohnes, mit der Rechten auf die Schulter der Alten sich stützend, nocheinmal zurück­blickte nach dem Orte, wo ihr Lebensglück begraben war,wohin?" sie wußte es nicht. Da unten im Thale viele Meilen weit, wohnt ihr alter Bruder. Sie will versuchen, ob der sie aufnehmen kann, bis der Tod sie erlöst von ihrem Schmerze.