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in der Oberamttstadt will verdienen, der Großhändler will verdienen, dann aber kommt auch noch der Metzger der daran verdienen will. Was Wunder, wenn dann die Konsumenten sehr hohe Preise bezahle» muffen, die aber dem Produzenten absolut nicht zugute kommen. Ebenso ersolgt der Absatz de« Rindvieh» fast ausschließlich nur an Zwischenhändler. Dutzende solcher Zwischenhändler fitzen oft in einem Bezirk, die sich mit ihrer Familie, ihrem Schmuser, den sie milführen, und ihrem Fuhrwerk fast ausschließlich von dem Gewinn an einem Wagen Fettvieh, den sie alle 8 oder 14 Tage auflaufen und in Mannheim vsw. wieder absetzen, ernähren müsse». Da sich nun sehr viele Zwischenhändler in Produktionsgebiet zu teilen haben, so ist die Folge, baß sie womöglich einen hohen Gewinn au« einem Stück Vieh erzielen müssen, deshalb suchen sie die Preise mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln herunterzudrücken. Auch die Verweisungen auf die Preitnotieruugen im landwirtschaftlichen Wochenblatt fruchten nicht«. Verständige Landwirte mit gesunden Ansichten sehen schon längst ein, und auch die Zentralstelle hat sich jetzt zu diesem Standpunkt bekannt, daß diesem ungesunden Zustand de« Zwischenhandel« einmal abgeholfen werden muß. Entweder sollen die Preise, die der Konsument bezahlen muß, auch wirklich dem Produzenten zugute kommen, oder aber soll der Konsument keinen entsprechenden höheren Preis bezahlen müssen, al« der Produzent bekommt. Ein» von beiden.
Ludwigsburg 29. Dez. (Eine Erinnerung) In aller Stille ist hier letzter Tage der vormalige PrivatirrenanstaltSbefitzer Hermann Krauß, der vor einigen Jahren den Anlagenportier Dambach erschoß, begraben worden. Krauß ist seinerzeit wegen geistiger Unzurechnungsfähigkeit nicht vor Gericht gestellt worden und verbrachte seine letzte« Lebensjahre in der Heilanstalt Winneatal.
Kirchheim u. T. 29. Dez. (Bubenstreich — Einbruch.) Nachts wurde an der Bahnlinie Kirchheim—Jesingen am Bahnübergang Kirchheim—Nabern eine Läutetafel herautgeriffen und vom Täter quer über den Schienenstrang gelegt, so daß am 26. ds. Mt«, der Frühzug von Weilheim nach Kirchheim auf freier Strecke anhalten mußte. Nach dem Täter wird gefahndet. — In der Nacht vom 27/28. ist in der Hirschwirtschaft in Je sin gen eingebrochen und für etwa 20 Krisch und Wurfiwaren, zwei große Krüge gefüllt mit Wein, etwa 80 Stck. Zigarren, 8 Fläschchen Limonade, 1 Schnitzlaib und eine Metzgermütze gestohlen worden. Der noch am gleichen Abend von Stuttgart beigezogene Polizeihund „Sherlok" hat am Ort der Tat
Witterung genommen und hat die Spur der Täter von da au« über die Lindachbrücke, dem Fluß entlang, durch die Jefinger Halde und über den Steinriegel bi« an die Waldenmaier'sche Wirtschaft nach Kirchheim verfolgt, wo er dann die weitere Spur verloren hat.
Heilbronn 29. Dez. (Wahl.) Als Kandidat der Landwirte für die Landtagsersatzwahl im Bezirk Heilbronn-Amt wurde Wein- gärtner Haag hier ausgestellt. Gleichzeitig ist Haag von den landwirtschaftlichen Vereinen der Weinbau treibenden Bezirke auf 3 Jahre in den au« de« landwirtschaftlichen Bezirksvereinen Besigheim, Heilbronn, Neckarsulm und Weinsberg gebildeten Wahlbezirk al« Vertreter in da« Kuratorium für die Weinbauschule in Weinsberg gewählt worden.
Ulm 29. Dez. (Ueberfahren und getötet.) Gestern nachmittag fünf Uhr geriet der verheiratete Kutscher Ziegler in dem Walltunnel der Stuttgarter Bahnlinie unter einen Nachtschnellzug. Der Verunglückte passierte mit einem Verwandten, einem Bahnwärter, den Tunnel, und ist anscheinend in der Ueberstürzung in de» Zug hineingerannt. Ziegler war sofort tot. Er stand bei Kommerzienrat Wieland im Dienst.
Ehingen 29. Dez. (Eine Ehrengabe.) Durch die Bemühungen de« Bezirksobmannes, Professor Baur, konnten vom Bezirk an zwei ledige Veterauentöchter, deren längst verstorbene Väter in den Freiheitskriegen mitgekämpft habe», Weihnachtsgaben von 10 ^ verteilt werden. Der Väter mutige« Kämpfen und Siegen für Deutschland« Ehre und Freiheit ist nach fast 100 Jahren noch nicht vergessen worden.
Brötzingen 29. Dez. (Eisenbahnunfall.) Die Maschine und der Packwagen de« um 10.15 Uhr von Calw hier eint effenden Zuge« 936 sind entgleist. Al« Ursache ist anzunehmen, daß die Weichen durch den rasch fallenden Schnee eingedeckt waren. Verletzt ist niemand, auch der Materialschaden ist nicht sehr bedeutend. Der Verkehr wurde durch Umsteigen aufrecht erhalte«.
Pforzheim 29. Dez. (Das Ende de« Streik«.) Die Delegiertenoersammluvg der Organisierten hat jetzt auch beschlossen, vom 2. Januar an zu arbeiten.
München 28. Dez. Ein ganz gefährlicher Gauner, der steckbrieflich verfolgt wird, ist der Münchener Polizei in die Hände gefallen. In dem Zuge, der von Zürich nach München fuhr, bemerkte ein Reisender plötzlich, daß ihm die Hintere Hosentasche ausgeschnitten und die Geldbörse entwendet worden war. Der Dieb
wurde bald unter den Mitreisenden entdeckt und in München der Polizei übergeben. Diese erkannte in dem Spitzbuben den vor einigen Tagen aus einer Strafanstalt in der Schweiz entwichenen Gauner und Mädchenhändler Ludwig Haidach er, der zuletzt in Frankfurt a. M. unter dem Namen eine« stuck, uieck. Baron Jean v. Palffy sich in einem feinen Pensionat eingemietet und dann nach Verübung verschiedener Schwindeleien ohne Begleichung seiner Rechnung mit einer Bardame flüchtig gegangen war. Vermutlich hat er diese verkuppelt. ES b-steht der Verdacht, daß er schon seit längerer Zeit Mädchenhandel nach Argentinien treibt. Die weiteren Recherchen der Münchener Polizei haben nun ergeben, daß der „Herr Baron" mit Vorliebe Pariser Mädchen zunächst nach Deutschland lockt und von hier au« über Holland und die Schweiz nach Argentinien exportiert. Da dort die Kontrolle kaum eine sehr scharfe ist, so weiß der gefährliche Bursche allein um die Zahl der Unglücklichen, die jetzt durch seine Schuld in den verrufenen Quartieren von Buenos Aires und anderen südamerikanischen Haferstädten schmachten.
Berlin 29. Dez. Durch Selbstmord hat ein Graf aus einem alten schottischen Adelsgeschlecht seinem Leben ein Ende gemacht. Einige Tage vor dem Weihnachttfest reiste er von Berlin nach Heiligenstadt in Ostpreußen zum Besuch. Am 23. Dezember verabschiedete er sich anscheinend in bester Laune von seinen Gastgebern und vergiftete sich dann in seiner Wohnung mit Cyankali.
Berlin 28. Dez. Au« Pari« werde» über den Todessturz des Fliegers Lass out und seines Mitfahrers Pola noch nachstehende Einzelheiten berichtet: Laffovt hatte seit langem schönes Weiter ersehnt, um seinen Flug nach Brüssel auszuführen. Heute früh schiene« die Aussichten für den Flug günstig zu sein. Der Himmel war heiter und der Wind schwach. Um 7 Uhr erschien Loffont mit seiner Gattin und seinem Freund Pola, den er al« Paffagier mitnehmen wollte, auf dem Manöverfeld von Jffy. Sofort wurde sein Antoinetteeindecker durch dre Mechaniker in Bereitschaft gesetzt, und zunächst stieg Laffont allein zu einem Probeflug auf, der ihn voll befriedigte. Dann nahm auch Pola seinen Sitz ein. Beide verabschiedeten sich von den ihnen Glück wünschenden Anwesenden, Laffont besonders herzlich von seiner Gattin, dann ließ er den Apparat anlaufen. Der Eindecker schoß in die Luft und stieg in Bogen bi» zu einer Höhe von 50 Meter. Al« eben eine neue Wendung vorgenommen werden sollte, sah man plötzlich, wie sich der rechte Flügel des
— und was jetzt bevorsteht, ist nichts für dich — e» ist Keffer, du wirst nicht Augenzeuge de» Kommenden. Doktor Hohl» Schicksal kannst du doch nicht wenden."
„Der Arme, der Unschuldige", schluchzte Wera, ihren Jammer nicht mehr zurückhaltend.
Frau Sekal erhob sich und legte mitleidig ihre Hand auf Weras Schulter.
„Mein armes Kind, komm mit mir — ich weiß ja nur zu gut, wa» in dir vorgeht", flüsterte sie. im Innersten bewegt. „O, e« ist ein erschütterndes Los, da» dir zugefallen — dein Herz ist so gut und treu
— komm hinaus, wir wollen jetzt nicht über da» Geschehene rede». Geh schlafen, mein Herz, ich wache bei Leopold."
Willenlos folgte Wera der alten Dame hinaus, ihr eigene» kleines Gemach aufzusuchen. Kummervoll weinend, sank sie in die weichen Kiffen, aber der Schlaf mied ihren Gram, jeder Stoß de» Sturmes, der gegen die Fenster wütete, mischte sich mit ihrem Schluchzen, und da» Licht der matt brennenden Lampe reflektierte in dem Naß der tränenerfüllten Augen, die sich bald in den Händen bargen, bald zum Himmel schauten. Zuweilen faltete sie wie in unwillkürlicher Andacht ihre weißen Hände und ein inbrünstige» Flehen stieg zu Gott empor, dessen Namen sie rief, zwischen Verzweiflung und Vertrauen schwankend. Immer aber blieb der Refrain ihrer Gebete, ihrer Seufzer derselbe: „Er ist unschuldig, mein Gott, er ist unschuldig! O, schütze ihn, Vater im Himmel, der schon so unendlich gelitten hat und noch leidet!"
15.
Zeitig am Morgen mußte Dr. Hohl, nachdem er in einer Zelle de» UatersuchuvgSgefängniffe» eine völlig schlaflose Nacht verbracht, vor dem Staatsanwalt zur Vernehmung erscheinen.
Staatsanwalt Gründler war einer der ältesten und erfahrensten Beamten de» Landgericht», aber er trat mit einer vorgefaßten Meinung
vor den Angeklagten. Noch am Abend hatte sich die Nachricht von dem Mordanfall in der Stadt verbreüet und große Sensation erregt, die sich noch steigerte, als kurz vor Mitternacht auch der Name de» Täter» in den mit zahlreichen Gästen gefüllten Restaurant« und Cafe» bekannt wurde. An der Richtigkeit der Angaben hegte niemand einen Zweifel. E« war so selbstverständlich, daß Dr. Hohl, der in dem Prozesse unterlegen war, seinen Gegner haßte und nach Revanche für seine Niederlage dürstete — und dann galt er ja auch nicht für völlig normal. Was lag näher, als daß er die Handlung vielleicht in einem Paroxy»mu», in einem erneuten Anfalle seiner Krankheit begangen hatte?
Letzterer Meinung neigte auch der Staat«anwalt Gründler zu, der bisher den vielgenannte« Forscher nur vom Hörensagen kannte und sich nun wunderte, einem so klare», ruhigen Auge und einer so überaus freien, edlen und »»verstörten Physiognomie zu begegne». Leidend und bleich sah der Angeklagte allerding» au«, eine Folge der unerhörten Alteration der letzten Tage, des entbehrte» Schlafe« und der Einwirkung einer so fürchterliche» Beschuldigung, aber da« Nachdenken der Nacht hatte doch die segensreiche Wirkung gehabt, daß Reinhart sich mit sich selber in Harmonie zu setzen und seine Gedanken zu ordnen vermochte.
(Fortsetzung folgt.)
kln Llnaenblatt kana ich lm Such . . .
Von Mathilde Minuth, geb. Blaich, von Hirsau. Zur Zeit Grand Häven, Michigan (Nordamerika).
(Eingesandt von E. B.)
6in Linäenblstt ianä ich im Such, vertrocknet unck verüorrt:
6inst nahm ich's mit, schon lang ist's der, vom lieben öeimatort.
3ch nahm es leise in ckie Osnä, üies Llättchen zart uncl lein, geheimnisvoll erzählte mir's von meinem Mütterlein, vom lieben, alten Oeimatlanä, von Kindheit umi von glück,
Und zärtlich trug's !m Leiste mich weit übers Meer zurück, wo Oaideröslein, ginster blüht, wo Nschtigallenssng, wo rannen rauschen, Linden wehn! 0 süsser beim schlang!