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Erscheinungstage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag. Jnsertionspreis 10 Pfg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Mittwoch, -en 28. Dezember 1910,
Bezugspr.i.d. Stadt r/ijährl.m. Trägerl. Mk. I.2S. Postbezugspr. f.d.OrtS-u.Nachbarortsverk. ^jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. BesteÜg. in Württ. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42Pfg.
Tagesneuigkerten.
/X Calw 27. Dez. Wie herkömmlich hielt am Stephansfeicrtage abends der Liederkranz im Badischen Hof seine Weihnachtsfeier ab, mit der zugleich die provisorische Einweihung des neuen Saales verbunden war. Unter Leitung von Hauptlehrer Stirmlinger gelangte ein gediegen zusammengestelltes Programm zur Abwicklung. Zum Eingang der Darbietungen trug AmtSgerichtSschreiber I. Siber eine» selbst verfaßten Prolog vor, der in sinniger Weise auf eine Doppelfeier des Abends hinwieL und in herrlichen Klängen die Bedeutung des deutschen Liedes hervorhob. Eröffnet wurden die Aufführungen mit zwei stimmungsvollen Chören: „O Schutzgeist" von Mozart und „Hymne an die Nacht" von Beethoven. Großartig hallten die Gesänge durch den weiten Saal, der eine vortreffliche Akustik besitzt und zur Abhaltung größerer Festlichkeiten und Versammlungen sich vorzüglich eignet. Von den weiteren Chören nennen wir den imposante«, patriotischen und höchst wirksamen Männerchor „Friedrich Rotbart" von PodbertSky, da» kräftige und doch wieder zart anmutende Lied „Jock von Hazel- dean" von I. Sturm, das flott einherschreitende Lied „Unter dem Helme, unter dem Schild" von Wagner und das lockende, schelmische Lied „Braun ElSchen" von Meyer-OberSleben. Die Chöre gingen sehr gut und da» vortreffliche Material, über das der stark besetzte Liederkranz verfügt, kam wieder zur volle» Geltung. Da» größte Interesse de» Abends beanspruchte die Gesangssolistin Frl. Hildegard Schumacher au» Karlsruhe. Der Liederkcanz hat mit der Gewinnung dieser Künstlerin einen außerordentlich glücklichen Griff getan. Die Sängerin verfügt über eine sehr umfangreiche Sopran
stimme von edlem Vollklang und Wohllaut. De» reichen stimmlichen Mitteln entspricht eine gleich wertvolle Feinheit und Klarheit des Vortrags und eine prächtige Tonbildung. Der Vortrag ist durchaus natürlich, frei von jeder Affektiertheit und in jeder Hinsicht packend und hinreißend. Die Sängerin sang Lieder von Cornelius, Zureich, Schubert, Brahms, Löwe und Rummel und entzückte die Zuhörer durch die feine Empfindung und da» künstlerische Verständnis, da» der Sängerin eigen ist und da» brausenden Beifall hervorrief. Stürmisch verlangte die Versammlung noch eine Dreingabe, die wiederum von jubelnde« Zurufen begleitet war. Der Sängerin wurde vom Vorstand des Vereins ein schöner Blumenstrauß überreicht. Unter den gesungene» Liedern möchten wir besonder» hervor hebe« eine Komposition von dem früheren Dirigenten des Liederkranzes, Bruno Rummel- Karlsruhe „Hildegundens Klage, an» Webers Dreiz-Hnlinden", die den feinfühlenden und volkstümlichen Komponisten verrät und große Schönheiten in der Auffassung und Aufführung kundgibt. „Hildegunden» Klage" mit dem ansprechenden Text, der melodischen Flüssigkeit und der äußerst gelungenen Tonmalerei hatte einen durchschlagenden Erfolg In dankenswerter Weise hatte Otto Pfau zwei Violinflücke übernommen, „Cavatine" von I. Raff und „Walthers Preislied" a. R. Wagners Meistersängern von Wilhelms. Die beiden Stücke wurden mit süßem, einschmeichelndem Ton, mit einer guten Auffassung und famoser Technik wiedergegeben und fanden verdientesten, lebhaftesten Beifall. Ebenso günstig wurden 2 sehr schöne Zithervorträge unter Leitung von Frl. Maisevhelder ausgenommen. Zur Aufführung kam sodann noch ein Theaterstück „D'Verdienst-Medaille", ein Schelmenstück
von August Reiff. DaS Stück ist durchdrungen von köstlichen humorvollen und ergötzlichen Episoden und bringt die schwäbische Gemütlichkeit und Einfachheit recht drastisch zum Ausdruck. Die Darstellung war hochgelungen, überaus spannend und wurde durch großen Beifall ausgezeichnet. In die Klavierbegleitung zu den Solo- vorträgen teilte» sich Frl. Emilie Schwämmle, Stadtlehrer Rummel und Hauptlehrer Stirmlinger. Mit der Feier war zugleich die Ehrung eines Mitgliedes der Sänger verbunden; Uhrmacher Zahn erhielt vom Verein für 25jährige treu geleistete Dienste den golsenen Sängerring. Die übliche WeihnachtSlotterie sorgte schließlich noch für die nötigen Unterhaltungen. In seiner Schlußansprache gab der Vorstand Präzeptor Bäuchle, der auch die Festrede gehalten und dabei die Bedeutung des Weihnachttfeste» als Freuden- und Friedensfest hervorgehoben hatte, der allgemeinen Befriedigung über das Gebotene Ausdruck und sprach sämtlichen Mitwirkenden für ihre Bemühungen, den Abend unterhaltend, genußreich und anregend zu gestalten, die verdiente Anerkennung und herzlichen Dank aus.
Calw. (Weihnachts-Verkehr.) In der Zeit vom 15.—24. Dezember d». I«. sind bei dem hiesigen Postamt 4242 Pakete aufgeliefert worden und 3486 Pakete angekommen.
Calw 28. Dez. Seitens de« Württ. Tierschutzvereins wurde dem Jakob Dürr, welcher seit einer Reihe von Jahren als Knecht bei Geschwister Nüßle in Simmozheim im Dienst steht für langjährige treue Dienstzeit und insbesondere für gute Behandlung der ihm anvertrauten Tiere ein Ehrenbrief und eine Gabe von 10 ^ zuerkannt. Beide» wurde demselben am 24. ds. durch den Bezirksvertreter de»
Am den Lorbeer der Wissenschaft.
46) Roman von Friedrich Thieme.
(Fortsetzung.)
Nur durch Blick und Händedruck vermochte Frau Sekal ihre Dankbarkeit und Zustimmung auSzudrücken. Ja solchen Momenten treten auch die Gesetze des gesellschaftlichen Zeremoniells außer Kraft. Schweigend verließ Herr von Langen und seine Gemahlin das Zimmer.
Gleich darauf erschien der Arzt, Dr. Hertlich, ein junger Mediziner, der sich erst kürzlich im Orte etabliert hatte. Sein Gesicht zog sich bei der Prüfung der Verletzung in immer bedenklichere Falten.
„DaS muß ein heftiger Angriff gewesen sein", äußerte er sich kopfschüttelnd. „El ist fast ein Wunder zu nennen, daß der Tod nicht auf der Stelle eingetreten ist. Da die» jedoch nicht der Fall gewesen, ist »och Hoffnung, das entfliehende Leben zu retten."
„Und ist e» wirklich wahr, daß mein Sohn das Opfer einer ruchlosen Tat geworden?" erkundigte sich Frau Sekal erschüttert.
„Diese Frage ist nicht ohne weiteres zu entscheide», gnädige Fzau, da eine Verletzung durch eine stumpfe Gewalt vorliegt. Worin nun da» stumpfe Werkzeug bestanden, ob in einem von oben herabfallenden Stein oder in einem Hammer oder der flachen Seite einer Axt oder einem Knüttel, da» ist au» der Beschaffenheit der Wunde nicht so leicht zu ersehe». Ihr Herr Sohn kann ebensogut da« Opfer eines auf ihn fallenden schweren Steines geworden sein, wie die Möglichkeit vorliegt, daß er gestürzt und gegen einen Stein oder Balken unglücklich gefallen ist. Gegen elftere Annahme spricht höchstens die Oertlichkeit der Wunde; diese befindet sich vorn auf der linken Stirnseite, dicht über den Augen, wenn also ein Stein oder Werkzeug von oben hätte einwirken sollen, so mußte der Herr Doktor das Gesicht nach oben gewendet haben. Uebrigen« kenne
ich die Stelle wo der Verwundete gefunden worden ist — eS find in der Tat daselbst keine Steine vorhanden, sondern ganz weicher Boden, und Häuser, aus denen etwa» herabfallen könnte, ebenfalls nicht. Die Wahrscheinlichkeit spricht daher für einen Mordanfall, und zwar möchte ich au» der Beschaffenheit der Wunde noch am ersten auf die Benutzung einer Axt schließen."
Wera warf einen scheuen, zögernden Blick auf die Wunde, eine fast rechteckförmige, stark blutunterlaufene Stelle an der Stirn — o Gott, wie wenig hätte gefehlt, und sie wären vorhin in Unfrieden von einander geschieden! Mit geheimem Grauen gestand sie sich, daß ihre Worte fast eine prophetische Bedeutung gehabt hatten — und doch waren dieselben nicht etwa der Ausfluß einer Ahnung, sondern lediglich die Wirkung mädchenhafter Besorgnis und Aengstlichkeit. Nicht einmal eine Stunde lag zwischen dem Abschied Leopolds und seiner Wiederkehr — wer hätte denken können, daß sie ihn so bald und unter so gräßlichen Umständen wiedererblicken würde?
Inzwischen traf eia Polizeikommisiar mit mehreren Beamten ein, auch der Baron, doch ohne seine Gattin, kehrte zurück. Zahlreiche Neugierige führte die Kunde von dem geschehenen Verbrechen vor und in da» Hau». Ein aufregendes Leben entwickelte sich. Zum Geheimrat Sekal und Kommerzienrat von MoriS sandte Gärtner Heber sofort Boten, auch sie trafen in unglaublich kurzer Zeit ein, wenigsten« kam es Wera so vor, der alle Ereignisse dieses entsetzlichen Abends in einen einzigen Augenblick zusammenzurinnen schienen.
Der GerichiSarzt bestätigte die Diagnose seine» jungen Kollegen in allen Stücken. Nur erklärte er mit Bestimmtheit die Wunde für das Produkt einer bewußten Gewalt. Seine reiche Erfahrung gab ihm einen scharfen Blick für derartige Verletzungen, ohne daß er immer imstande war, seine Folgerungen hinreichend äußerlich zu begründen. Auch er war