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die» geschah weniger au» freundlicher Zuneigung, sondern es dürften selbstsüchtige Motive mit unterlaufen sein. Die Vorratskammern mögen bei manchem Völkchen schon bedenkliche Leere aufweisen. Darum suchten sie anderwärt» ihre Blöße zu decken, wurden aber bissig von der Türe gewiesen. Versuchte Räubereien auf den Bienenstand Mitte Dezember kommen nicht alle Jahre vor und da» ist gut. Auch da» Bienchen braucht seine Winterruhe.

Pforzheim 23. Dez. (Da» Ende des Streik«.) Obwchl zur Stunde das Gesamtergebnis der Abstimmung der organisierten Arbeiter »och nicht feststeht, und der Metall­arbeiteroerband e» auch heute nicht mehr bekannt geben will, läßt sich jetzt schon mit Wahrschein­lichkeit sagen, daß am 2. Januar 1911 auch die organisierten Arbeiter die Arbeit wieder auf­nehmen wollen. Selbst Landorte, von denen man eine Mehrheit für den Streik erwartete, haben sich für die Wiederaufnahme der Arbeit erklärt und in der Stadt ist die» wohl zweifel­los in «och größerem Maße der Fall. (Pforzh. Anz.)

Leipzig 23. Dez. Nachmittags halb 5 Uhr verkündete der Präsident das Urteil im Spionageprozeß nach anderthalbstündiger Beratung. Kapitän Trench und Leutnant Brandon wurden wegen Spionage zu je vier Jahren Festung unter Anrechnung von je zwei Monaten Untersuchungshaft verurteilt.

Berlin 22. Dez. Im Zusammenhang mit dem Frauenmord wurde ein Mann fest- genommev, der über die LebenSverhältnifse der ermordeten Frau Hoffman» genau Be­scheid wußte und jederzeit Zutritt zu ihrer Wohnung hatte. Er wurde gestern bi» in die Nacht hinein in den Hoffmannschen Wohnräumen einem eingehenden Verhör unterzogen und dann in Polizeigewahrsam genommen.

Johannistal 33. Dez. Der Aviatiker Dorn er stürzte heute bei einem Passagierflug aus einer Höhe von sechzig Meter« ab. Der Motor war durch das Reißen zweier Spann­drähte plötzlich flehen geblieben, sodaß sich der Apparat nach vorn neigte und pfeilschnell zur Erde sauste. Fünfzehn Meter über dem Erd­boden verwickelte sich der Draht in den Propeller, wodurch die Flügel nach oben gerichtet wurden. Dorner und der Passagier, Assessor Sticker, kamen mit geringen Verletzungen davon. Der Apparat ist stark beschädigt.

Calais 22. Dez. Der Flieger Grace, der heute in Dover aufgestiegen und bis zur belgischen Grenze geflogen war, ist auf dem Rückflug nachmittag» bei Calais gelandet.

Calais 32. Dez. Der Flieger Grace ist heute nachmittag 2 10 Uhr zum Rückflug'nach England wieder aufgestiegen.

Chicago 32. Drz. (Furchtbare» Brandu^nglück.')^ Bei einem bei der

Fleischwarenfirma Morris L Comp, aus­gebrochenen Brande sind 3V Feuerwehrleute «ms Lebe« gekommen. Das Feuer war heute Nachmittag» «och nicht gelöscht. Zeitweilig war das ganze Schlachthausgebirt bedroht. Da» Dach fiel auf zwei Kompagnien der Feuerwehr. Die unter den Trümmern Begrabenen wurden buchstäblich zu Tode geröstet. Der Sachschaden wird jetzt auf I V- Millionen Dollar» geschätzt.

. Chicago 22. Dez. Zu dem Brande bei der Firma Morris L Co. auf dem hiesigen Schlachtviehhof wird im einzelnen noch gemeldet: Da» Feuer brach infolge einer Explosion au» und verbreitete sich mit rasender Schnelligkeit. Die Feuerwehrleute standen unter einem Metall­dach am Ostende de» Lagerhauses. Sie ahnten nicht» von der Gefahr, in der sie schwebten, bis da« Dach plötzlich zusammenstürzte und den Führer der Wehr und mehr al» zwanzig Leute unter sich begrub. Die Zahl der Toten wird, wie bereits gemeldet, auf 30 angegeben. Da» Feuer breitete sich trotz heldenmütiger Anstreng­ungen der Feuerwehr und der im Lager beschäf­tigte» Leute, die gerade zur Arbeit kamen, immer weiter au». Die Löschversuche wurde» durch Mangel an Wasser auf» äußerste erschwert. Man glaubt, daß einige von den Leuten, denen durch das Feuer der Ausgang abgeschnitten ist, noch am Leben sind; doch ist unter den ob­waltenden Umständen vorläufig an keine Rettung der Eingeschlofsenen zu denken.

Vermischtes.

Wetterprophezeihung der Madame de Thöbe» für da» Jahr 1911. Mme. de Thäbe», die berühmte Pariser Pythia, die alljährlich die Welt mit ihren Prophezeihungen bedenkt, hat auch in diesem Jahr ihren Almanach herauSgrgebe», in dem Gläubige die Zukunft hüllenlos schauen. Im vergangenen Jahre hatte sie für 1910 eine rege, finanzielle Tätigkeit, die Erhaltung des Friedens, eine Modifikation der französischen Allianzen, schlimmes Wetter und den Tod zweier Könige prophezeit, und da die Laune de» Schicksal» ihr diesmal Recht gegeben hat, mögen auch ihre Voraussagungen für da« Jahr 1911 als eine interessante Kuriosität kurz zusammengefaßt werden. Da» kommende Jahr, so verrät uns die Prophetin, ist einDämme- rungkjahr" und steht unter dem doppelten Ein­fluß von Venus und Mars, unter der Einwirkung der Kraft der Leidenschaft und des kühl berech­nenden Geiste». Da die Dämmerung der Nacht voraufgeht und die Nacht an den Tod gemahnt, gehen wir manchen Bittemissen entgegen; aber nach dem Dunkel kommt die Sonne wieder, und schließlich gibt e» ja auch schöne Nächte; die Menschheit wird auch da» kommende Jahr über­stehen. Für Frankreich prophezeit Mme. de Thöbe» eine Periode, da die Arbeit und der Einfluß der Frauen auf die politischen Kämpfe

einwirken wird,1911 bereitet die Aktion vor, 1912 ist der Beginn großer Dinge, und 1913 der Markstein eine» verwandelten Europa», in dem Frankreich seine moralische Krone wieder­erobert haben wird." Da» kommende Jahr bringt schlechte» Wetier, wenige schöne Tage, wechselnde Temperatur und einen Frühling, der nur eine Fortsetzung de» Winter» bedeutet. Der Sommer verspricht viel Rege». Im August wird das Getreide teuer, die Weinstöcke aber werde» schwere Not erleiden.Trauer in einem lachenden Land. Vo sicht gegen die Berge, die Pyrenäen werden Ueberraschungen bringen. Anzeichen deuten auf Vulkanausbrüche und ge­waltige FeuerSörünsts. Zweimal wird unser Mitleid sich den unschuldigen Opfern großer Naturkatastrophen zuwende». Pari» wird drei Tage trauern, und ein mächtiger und beneideter Mann wird dann empor steigen. Eine Partei, die heute nicht besteht, wird euftreten. Im Auslände, vor allem in Berlin, wird der Zorn groß sei«, das Ausland wird versuchen, eine finanzielle Panik über «n» heraufzubeschwören." Einer schweren Krise, so weiß Mme. de Thöbe», die offenbar die politische Tagesprefse eifrig studiert, zu verraten, geht England entgegen, dasin eine Periode der Umwandlung getreten ist, die zu schweren, aber nicht tödlichen Kämpfen führt. Die K one wird einen neuen Leiter suchen, und eine furchtbare Anklage gegen da» Höchsts Haupt wird die Oeffcntlichkeit beunruhigen. Irland spielt eine Hauptrolle." Aber auch dem deutschen Reiche wendet die Pariser Kassandra ihre gütige Aufmerksamkeit zu und stellt fest, daß Deutschland nicht da» ist, was es zu sein scheint. Sie gibt auch eine nähere Erklärung dieser geistvollen Behauptung.Es ist zu schnell groß geworden, und dem Taumel einer Möglich­keit, die durch eigene Eitelkeit zerstört wurde," werden schwere nationale Prüfungen folgen. Und zum Tröste für alle Neider Deutschland« versichert sie,daß dis Erniedrigung bi» zum Jahre 1913 vollzogen sein wird." Dem Papst ist Mme. de Thöbe» freundlich gesinnt, und auch Oesterreich gewährt sie allerlei schöne Aussichten, vor allem wird sich Wien auf Kosten Petersburgs glänzend entfalten. Denn in Petersburgist alles verurteilt".

Gottesdienste.

Keil. AS««d, 24. Dez. 4 Uhr: Weihnachtsandacht mit Beichte im Vereinshaus, Dekan RooS- HhrlstM, 25. Dez. Vom Turm: 106. Kirchenchor: Freut euch, ihr lieben Christen. Predigtlied 105: Fröhlich soll mein Herze springen re. 9 V« Uhr! Beichte in der Sakristei. 9>/, Uhr: Vorm.-Predigt, Dekan Roos. Abendmahl. 2 Uhr- Nachm.-Pre- digt, Stadtpfarrer Schmid. Das Opfer ist vor- und nachmittags für die wohltätigen Anstalten des Landes bestimmt.

Stephauus-Aeiertag, 26. Dez. 9-/s Uhr: Predigt in der Kirche, Kandidat Werner. Johauuti-Aietertag, 27. Dez. 9-/- Uhr: Predigt im Vereinshaus, Stadtpfarrer Schmid.

mit heiserer Stimme.Du mußt sterben von 'meiner Hand, du kennst mein Geheimui» und niemand darf leben, der sich dessen rühmt."

7^^ Reinhart wehrte sich wie ein Verzweifelter, aber er befand sich in einer für die Verteidigung höchst ungünstigen Situation, da er mit einem Teil seine» Körper« in der Grube lag und infolgedessen von seinen Armen so gut wie keinen Gebrauch zu machen vermochte.

«Hilfe, Hilfe," gellte e» durch die Nacht, während er zugleich eine letzte Anstrengung machte, sich in die Höhe zu arbeiten. Schon fühlte er, wie ihm das Blut siedend nach dem Kopfe stieg und seine Kehle erstickend zusammenschürte der rasende Alte erblickte in ihm infolge einer jener plötzlichen Stimmungrwandlunge», wie sie der Wahnsinn mit sich bringt, einen Todfeind und hätte ihn sicherlich erwürgt, wenn nicht im selben Augenblicke Stimmen laut geworden wären und Schritte sich eilig genähert hätten.

Hier, Reinhart, hier," rief Doktor Frese« von draußen,ich komme schon zum Teufel, wo steckt Ihr denn? Bernewitz, hierher dem Licht"

Sie sind im Tempelchen," gab der Wärter zurück.

Da» kam von unten sie sind alle Wetter, hier ist ein Loch hier hinunter"

Der Irrsinnige erkannte nicht sobald die Stimme des Doktor Frese«, al» er auch von seinem Opfer abließ und sich furchtsam einem ertappten Kinde gleich, in eine Ecke drückte. Reinhart sprang auf und rang nach Atem im selben Moment erschien der Arzt und sein Be­gleiter, der ebenfalls eine Laterne trug, im Innern de» Keller».

Hallo, wa» ist denn hier lo»?" rief der Arzt verwundert. Er leuchtete erst umher, dann Reinhart in» Gesicht.Wie du au«fiehst, Reinhart, was ist denn geschehen?"

Der Unglückliche hätte mich beinahe erwürgt. Der Anfall kam mir zu unerwartet, ich stürzte, und so fatal, daß ich mich seiner nicht er­wehren konnte." . , ^ »

Doktor Frese« fühlte nach RrinhartS Puls, betrachtete fernen Hals. Unglaublich", rief er zornig.Wer hätte da» von dem sonst so friedfertigen Menschen gedacht! Verzeih mir, lieber Junge, daß ich dich in so eine üble Situation gebracht, ich hegte die besten Teufel, unterbrach er sich betroffen, denn in diesem Augenblicke glitt der Freiherr, der bis dahin bewegung»lo» und gesenkten Hauptes an der Wand gelehnt, pfeilschnell zwischen ihnen und dem Wärter hindurch und flüchtete die

Treppe hinauf in« Freie.

(Fortsetzung folgt.)

Humoristisches.

Au» der Jugend. In eine bessere Dorfschenke kommen einige durstige Studenten und verlangen rin paar FlaschenRüde»heimer Berg". Nach einer Weile kommt der Wirt in Eile mit den Flaschen und einem verdächtig au»sehenden Kästchen unterm Arm. Er stellt beides auf den Tisch, öffnet da» Kästchen und sagt:Hier, ich Hab' keine Zeit, klebt Euch druff, wa» er hawwe wollt."

In der Reitschule. Der Rekrut vom Train, namen» Veilchen­feld, macht in Gegenwart de» Unteroffizier» seine ersten Reilversuche. Da» Pferd sträubt sich aber energisch, den Reiter auf seinem Rücke» zu dulden. Nachdem Veilchenfeld einigemale unliebsame Bekanntschaft mit dem Erdboden gemacht hat, sagt er verzweifelt:Herr Unteroffizier, kann ich vielleicht ein anderes Pferd bekommen?"Warum denn?" fragt der gestrenge Herr.Verzeihen der Herr Unteroffizier, aber ich glaub', da» Pferd ist ei« Antisemit!"