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unter Beweis zu stellen. — Bestimmte Anträge find vorerst von der Verteidigung nicht gestellt, e» scheint sich mehr um eine Demonstration gehandelt zu haben.
Paris 15. Dez. In der heutigen Sitzung der Kammer erstattete Dumont seinen Bericht über die Steuer auf automatische Feuerzeuge und beantragte deren Annahme. Trotz des Widerspruchs mehrerer Redner wurde die sofortige Beratung beschlossen. Die beiden ersten Paragraphen der Vorlage wurden angenommen. Sie gestatten auf Antrag die Herstellung von automatischen Feuerzeugen. Apparate aus gewöhnlichem Metall bis zu 10 em Länge Breite und Stärke werden nach einem Antrag des Abg. Flandin mit 2 FrS. das Stück besteuert (der Berichterstatter hatte 2 V- FrS. beantragt), silberne mit 5 FrS. und solche aus Gold oder Platina mit 20 FrS. Die Steuer auf größere Apparate bewegt sich zwischen 5 und 40 FrS. Die übrigen Paragraphen enthalten die Bestimmungen über die Anwendung der Gesetzes, da« sodann im ganzen mit 383 gegen 196 Stimmen angenommen wurde.
Pari« 14. Dez. (Hoteldieb verhaftet) Der deutsche Dolmetscher Heinrich Meyer wurde gestern wegen verschiedener Hoteldiebstähle verhaftet. Er entstammt einer der angesehenste« Familien des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin. Er begann seine DiebeS- Laufbahn in Deutschland, wo er bereits zweimal vorbestraft ist. Dann arbeitete er zunächst in Frankreich mit einigem Erfolge in der Provinz und ging dann nach Paris, wo er sich auf die Ausräubung der größeren Hotels legte. So begab er sich vor einige« Tagen in ein großes Hotel der ChampS Elysee, wo der neue griechische Geschäftsführer Romanow Wohnung genommen hatte. Er drang in dessen Zimmer ei« und stahl dort einige Geldsachen. Dann begab er sich noch in das Zimmer eines reiche« Südamerikaners, wo ihm eine wertvolle Krawattennadel in die Hände fiel. Er versuchte dann die Sachen zu Geld zu machen, was ihm aber nicht gelang. Nach einigen Tagen stellte er sich dann selbst der Polizei.
Lodz 16. Dez. Auf dem hiesigen Bahnhof entstand, als 5 langgesuchte Banditen verhaftet werden sollten, eine Schießerei, bei der ein Offizier und ein Polizeiagent erschossen, ein Gendarm und ein Kaufmann schwer verwundetwurden. Die Banditen entkamen in der Verwirrung.
London 16. Dez. Die infolge der Regengüsse entstandenen Ueberschwemmungen in der Grafschaft Somersrtt nehmen eine große Ausdehnung an. Der Bahnverkehr ist beträchtlich
gestört. Die Gleise befinden sich an einigen Stellen mehr wie drei Fuß unter Wasser. Die Lage erscheint sehr ernst. Von der Küste wird ei« starker Sturm gemeldet. Ein Dampfer des Kanaldienstes vermochte wegen des Sturmes nicht auSzulaufen, was in seit Jahren nicht der Fall war. Die Insel Wight ist an mehreren Stellen überschwemmt. Die Hauptstraße von Cowe» ist mehrere Fuß unter Master.
Vermischtes.
Die Stadt Lindau hat dem Reichstag ein Bild gestiftet zum Andenken an den 4. September 1909, den Tag, an welchem die Mitglieder des Bundesrats und de» Reichstag», einer Einladung de« Grafe« Zeppelin Folge leistend, an den Bodensee kamen und mit dem 2 III Paffagierfahrten unternahmen. Um diesen denkwürdigen Vorgang, der sich wohl nicht so leicht in der Geschichte de« Reichstags wiederholen dürfte, im Bild für alle Zeiten festhalten zu lasten, hat die Stadt Lindau mit Unterstützung einer Gönner» durch Prof. Zeno Diemer in München ein ohne Rahmen 3 Meter breites und 1,5 Meter hohe» Oelbild male» lasten und dem Reichstag gewidmet mit der Bitte, e» im Reichstagsgebäude aufhängen zu lasten. Prof. Diemer hat, wie bekannt, vor kurzem im Auftrag de« Privzregenten von Bayern auch ein die Landung Zeppelin» in München darstellendes großes Bild für das Deutsche Museum in München gemalt. Sein jetziges Bild, da» vor einigen Wochen im Lindauer Rathau» und im Münchener Kuvstverein ausgestellt war, fand dort allenthalben ungeteilten Beifall. Graf Zeppelin war entzückt von dem Bild. Gleichzeitig mit der Eingabe, in der der Lindauer Magistrat dem Reichstag diese Mitteilung machte, schickte er eine kleine photographische Reproduktion de» Bildes ein. Die Eingabe wurde im Reichstag im Wortlaut verlesen und der Präsident erklärte, daß der Reichstag da» Bild mit Dank annehme. Er werde da» Bild an einem würdigen Platz im Hauptgeschoß des Reichstagsgebäudes anbringen lasten.
(Untergang eine» Hamburger Dampfers.) Wie schon gemeldet wurde, ist der Dampfer „Palermo" der Reederei Rob. M. Slomav jun. in Hamburg auf der Ausreise von Malaga über Santa Eugenia gescheitert. Anfang» hieß e», die Reisende» und die Mannschaft seien gerettet. Leider ist dem nicht so, denn nach einer gestern an die Reederei gelangten Drahtmeldung sind die 19 MannBe- satzung und 5 Reisende, sämtlich Verwandte des Firmeninhabers, bei dem Unglück ertrunken. Da» Schiff ist voll
ständig verloren. Der Dampfer „Palermo" wurde im Jahre 1876 au» Eisen erbaut und hat eine Tonnage von 1107 Registertonne». Wie au» Madrid gemeldet wird, geschah der Schiffbruch unterhalb Corrubedo in der Nähe von Villagarcia an einer gefährlichen Stelle, wo schon mehrere Schiffbrüche vorgekommen sind. Die vom Meer an» Ufer geworfenen Waren werden von Zollwächtern und Gendarmen bewacht, um Plünderungen zu verhüte». Mehrere Dampfer sind nach der Unfallstelle abgegangen. — An» Villagarcia wird gemeldet: Das Meer schwemmte mehrere Leiche« an, die vermutlich zu der Besatzung de» untergegangene« Dampfer» „Palermo" gehörten. Die eine Leiche dürfte die Fra« de» Kapitän» sei».
Calw 17. Dez. 1910.
Rathausbericht.
(Sitzungen vom 8. und 15. Dezember.)
AuS dem Nachlaß der Frl. Marie Haydt wurden erworben die Parz. Nr. 2077 und 2078, 86 L 82 4M, Wiesen im Kapellenberg um 2360 Mark. — Gesuch der Vereinigten Deckenfabriken, A.-G, um Genehmigung eines Spinnerei-Gebäude« dem K. Oberamt befürwortend vorgrlegt; Gesuch des Fuhrmann» Kek um Genehmigung eine» Scheuern- Gebäudes genehmigt vorbehältlich der Zustimmung de» Verwaltung»»««» der Gebäude- verficherungSavstalt. — Vergebung zweier Familiengräber. — Die Einsprache gegen da» WasterbaukonzessionSgesuch de» „Gemeindeverband» Elektrizitätswerk für den Bezirk Calw" wird zurückgezogen, nachdem der Verband die beantragte Turbinenregulierung zugestanden hat. — Besprechung zeitweiliger Schwierigkeiten in der Abfuhr der Latrine. — Der Maschinensaal de» Elektrizitätswerks erhält einen Dauerbrandofen vom K. Hü.tenwerk Wafferalfingen (C. Herzog, hier) zum Preis von 160 — Maschinen
meister Feldweg ist am 15. Dezember 1910 in den Dienst der Stadt übergetreten. — Am 15. Dezember abends wurde zum erstenmal die Turbine und eine Dynamo Maschine im städt. Elektrizitätswerk in Betrieb gesetzt und die Zentrale beleuchtet. — Auf Weihnachten wurden vom Stiftungsrat 360 Mark 71 Pfg. und von der OrtSarmenbrhörde 337 Mark 29 Pfg. zusammen 698 Mark Stiftungsgelder verteilt.
Staudesami Lai».
Geborene.
11. Dez. Karl Hermann, S. d. Karl Rägle, Schuhmachers hier.
14. „ Erwin August, S. d. August Füll, HilfS-
bremserS hier.
So die Gegenwart — aber erst die Zukunft? Sie schauderte, nur einen Blick vor sich zu werfen. Alle» dunkel, in tiefschwarze Nacht gehüllt, und wo war die Sonne, welche diese Nacht in Tag verwandeln sollte? E» gab ja gar keine» Ausweg au« diesem Labyrinth! Einen, ja! Entsagen! Aber dieser eine war gleichbedeutend mit Selbstvernich- tung! Außerdem hieß entsagen ihn verkästen, ihn, den Unglücklichen, der ein treue» Herz um so nötiger bedurfte! Und sie liebte ihn doch so unendlich!
Sie wies die Gedanken einer Entscheidung in dem Streite zwischen ihm und Leopold weit von sich! Wie durfte sie sich vermesse», einem von beiden unrecht zu tun? Verklagte Reinhart in der Tat ihren Bruder fälschlich — und sie fühlte doch immer als Schwester für ihn! — so mußte er sich wehren mit aller Kraft und e» geschah ihm bittres Leid; behauptete Dr. Hohl die Wahrheit, so stand er um ihn fast noch schlimmer! Auf jeden Fall blieb er aber ein bemitleidenswerter Unglücklicher, auch wenn er irrte, den» seine Illusionen glichen den Luftspiegelungen der Wüste, an welche das Auge der Sehenden glaubt.
Konnte er nur krank sein und sprach doch so schön, so klar?"
Nein, nein, e» war schon da« Beste, wenn sie eine zeitlang den Schauplatz floh, auf welchem die Tragödie ihre» jungen Lebens sich abspielte. Fast erblickte sie in der Aufforderung der Freundin eine Fügung de» Geschicks und auch ihre Eltern begrüßten die Gelegenheit mit Freuden. Sie sahen, wie da» schöne Mädchen sich in Kummer und Tränen verzehrte und hofften alles von einer Trennung, die nicht allein durch die Entfernung, sondern mehr noch durch die Zeit beruhigend wirken mußte! Mehrere Monate würden vergehen bis zur Rückkehr der Tochter, dann hatte ihr Herz sich an die durch die Verhältnisse geschaffene Situation gewöhnt, da» Bild des Geliebten begann zu erblassen, und wer weiß, was sonst «och inzwischen geschah — Zeit gewonnen alles gewonnen!
So dachte indessen auch Wera, sie erhoffte von den Monden, in denen sie in der Ferne weilte, eine wohltätige Klärung! Vielleicht ver
söhnen sich bis dahin diejenige», die so lange unzertrennliche Freunde gewesen; jedenfalls gedachte sie vor ihrer Abreise Reinhart zu schreibe», weshalb sie sich zu diesem Schritt entschlossen. „Ich gehe," wollte sie ihm zurufen, „um einer Situation mich zu entwinden, deren Entsetzlichkeit du begreifen wirst. Ich stehe zwischen dir und den Meinigen und fühle doch für Euch beide. Ich werde fortfahren, dich zu lieben, Reinhart, du wirst mich am Tage meiner Rückkehr so wiederfinden, wie ich dich verlasse». Damit ist freilich alle» gesagt. Wa» werden soll, weiß allein —"
Wera schrie plötzlich laut auf-
Während sie solcherart ihren trübsinnigen Gedanken nachhing und im Geiste den Brief an den Auserwählten ihre» Herzen» konzipierte, hatten ihre Augen sich unwillkürlich in die Ferne gerichtet. Das heißt, sie starrte gerade vor sich hin, denn ihr Sehkrris endete naturgemäß am Fenster des kleinen Gemachs, da die herrschende Dunkelheit jedes Weiterdringen de» forschenden Blickes unmöglich machte.
(Fortsetzung folgt.)
Humoristisches.
(Hänschen'« erster Aufsatz: Der Soldat.) „Der Soldat ist rot und blau. E» geht ihm schlecht. Manche Menschen find keine Soldaten. Sie sind zu schlecht dazu. Der Soldat ißt Suppe und schießt. Er schießt nicht auf alle Leute. Am liebste» schießt er auf Franzose«. Oft ist der Soldat krank. Dann kommt er in ein anderes Hau». Viele Soldaten wüsten gehen und laufen. Viele Soldaten haben Kanonen und Flinten mit. Die Kanonen gehören aber den Soldaten nicht. Der Soldat kommt einmal wieder nach Hause. Mein Emil ist auch Soldat. Er nimmt mich auf die Achsel. Er trinkt gern Bier. Am Morgen, wenn ich in die Schule muß, dann schläft er."