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Erscheinungstage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag, Jnsertionspreis IS Pfg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.

Nreitag, den 16. Dezember 1910.

Bezugspr. i. d. Stadt>/Zi!hrl. m, Lrägerl. Mk. 1.2S, Postbezugspr. r.d. Orts-u. Nachbarortsverk. '/.jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Württ. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 4L Pfg.

A«rttt«tze Vskarentinachulieg»«

Die Schultheitzeuämter

werden veranlaßt, die Anträge auf Verleihung des Feuerwehrdieustehreuzeichrus spätestens bis 31. Dezember 1910 unter Beachtung des Ministerial­erlasses vom 1. November 1906, Mtn.-Amtsblatt S. 32l. beim Oberamt ein;ureichen.

Calw, 14 Dezember 1910.

K. Oberamt. Amtmann Rippmanu.

Politische Umschau.

Von den Bürgerausschußwahlen nehme» mit Recht diejenigen der Landeshaupt­stadt allgemeines Interesse in Anspruch. Dies­mal noch im besonderen, denn sie erweisen, daß auch in Stuttgart, dem Konzentrationspunkt der roten Flut", die sozialdemokratischen Bäume nicht in den Himmel wachsen.Stillstand ist Rückschritt", bas Wort hat sicher auch bei de« Genossen Geltung, wenigsten« nehmen sie es sonst allweg in Anspruch. Wenn sie es diesmal nicht anerkennen wollen, so tut es seiner Bedeutung keinen Eintrag. Aus dem stillen Ingrimm der Schwab. Tagwacht" geht jedenfalls zur Genüge hervor, daß sie mit dem Ausfall unzufrieden ist. Verdenke« können wir ihr das nicht, hat es doch ihren Redakteur Westmeyer, den Führer der radikalen Richtung, der aas dem Parteivorschlag an erster Stelle stand, nicht einmal zu einem Sitze gelangt. Aus der Tatsache, daß die Sozial­demokratie selbst im gegenwärtigen, ihr gewiß nicht ungünstigen Stadium, nur ihre« Besitzstand zu behaupten vermochte, geht jedenfalls zur Evi­denz hervor, daß es um die bürgerliche Sache noch lange nicht so schlecht bestellt wäre, wie ge­meinhin glauben gemacht wird, wenn sich ihre Träger zum Zusammenhalt aufzuraffen vermöge».

Die große Etatsrede des Reichskanzlers v. Bethmann-Hollweg im Reichstag steht in überragender Position vor uns. Wer ehrlich sein will, muß anerkennen, daß der Kanzler alle kleinlichen Gesichtspunkte in den Hintergrund gestellt und sich zu dem Grundsatz offener, ge­rader Politik nach innen und außen bekannt hat, und namentlich seine nicht zu bemäkelnde Erklä­rung, sich unter allen Umständen über den Parteien zu halten, verdient rückhaltslose An­erkennung. Allein der feste Wille ihrer Durch­führung wird viel dazu beitragen, eine Ge­sundung unser gesamten Politik in die Wege zu leiten. Der ehrliche Wille auf der andern Seite dazu ungeachtet aller Parteigegensätze und die Hoffnung auf diese Gesundung wird unser ganzes politisches Leben erfrischen. Und was der Kanzler über unsere auswärtige Politik zu sagen wußte, über unsere Beziehungen zum Drei­bund, zu England und Rußland rc., da klang doch ein ganz anderer Unterton durch, als in Zeiten, di« «ns noch gar nicht so fern liegen.

Eine innere Krisis macht gegenwärtig wieder der österreichische Staat durch, der durch seine feste Politik nach außen sein Ansehen in den letzten zwei Jahren ganz bedeutend ge- kräftigt hat. ES ist der alte unselige Nationali- tätenhader, unter dessen Druck das ganze Staats­wesen seit Jahrzehnten krankt. Das Ministerium Bienerth schien dazu berufen, diese Krankheit zu

kurieren und es war ihm auch bi» zn einem ge­wissen Grade gelungen, aber im letzten Moment, da es galt, in Böhmen den Ausgleich zwischen den widerstreitenden deutschen und tschechischen Interessen vollends durchzuführe», versagt auch seine Kunst an den harten Köpfen in beiden Lagern zum Schaden der schönen wirtschaftlichen Kräfte, die in diesem Lande schlummern. Den direkten Anstoß zum Bruch, d. h. zum Sturz de» Ministeriums Bienerth gaben allerdings die Polen, weil die Regierung deren sehr kostspielige Kanalforderungen für Galizien ablehnte, aber wenn Deutsche und Tschechen nicht schon vor­her uneins gewesen wären, hätte dieser Vorstoß dennoch versagt. Nun kann die Sisyphusarbeit, die widerstreitenden Köpfe zu dämpfe», wieder von vorne beginnen.

Von den englischen Wahl en ist immer noch nichts Endgiltige» zu vermelde», aber e» steht heute schon fest, daß eine durchgreifende Aenderung de» seitherigen Kurse» nicht ein- treten wird.

In den Vereinigten Staaten hat wie bei uns auch eine Volkszählung stattgefunden. Darnach hat das kontinentale Gebiet jetzt 91973 266 Seelen, was einer Zunahme von 20°/° gleichkommt.

Tagesueuigkeiteu.

Calw. (Postsache.) Wege» de» Weih­nachtsverkehrs ist der Postschalter am Sonntag, den 18. Dezember, außer der Zeit von 1112 Uhr morgen» auch von 34 Uhr nachm, geöffnet.

A- Liebenzell 15. Dez. Bei der gestern stattgefuvdenen Bürgerausschußwahl habe» von 163 Wahlberechtigten 134 Wähler 82°/o, von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Von zwei Vereinigungen oder Richtungen waren Wahlzettel und Flugblätter auigegeben. Eine» der Flugblätter war mitWahlkomitee der bürger­lichen Parteien", da» andere mitbürgerliche« Wahlkomitee" unterzeichnet. Für erstere wurden 59, für letztere 48 unabgeänderte Wahlzettel abgegeben. Gewählt wurden: Wilhelm Schaible, Maurermeister mit 76, Gustav Hafner, Ketten­macher mit 71, Karl Bauer, Zimmermeister mit 70, Apotheker Mohl mit 70, Ernst Rembold, Ortssteuerbeamter mit 67 Stimme». Die Wahl des letzteren wurde durch da» Lo» entschiede», da er mit Küfermeister Killinger gleiche Stimmen­zahl hatte. Von den 5 Gewählten standen 4 auf dem Wahlzelle! der zuerstgenannten Richtung.

Herrenberg 15. Dez. Bei der Visi­tation der hiesigen Metzgereien wurde das Färbe« der Würste mit Farbstoff beanstandet, da es nach einem bestehenden Reichsgesetz ver­boten ist. In Bondorf hat ei» Einwohner dem Schultheißenamt einen Geldbeutel mit 60 abgeliefert, den sein Knabe auf der Straße ge­funden haben wollte. Nun stellte e» sich heraus, daß der Bub da» Geld in einem Nachbarhaus dem Vater seines Kameraden aus der Kommode genommen hat, um sich einen Finderlohn zu verschaffen.

Stuttgart 15. Dez. Der König hat der Tierärztlichen Hochschule da» Recht gewährt, die Würde eine» Doktor» und eine» Ehrendoktor» der Tierheilkunde voetor me-

äieinak vetsrinariatz (abgekürzte Schreibweise vr. M6ä. vst.) auf der vorgelegten Pro­motionsordnung zu verleihen.

Stuttgart 15. Dez. Bei der heutigen Ziehung der Oberdischinger Kirchenbaulotterie fiel der Hauptgewinn von 15000 auf Nr. 23 703, oer zweite Gewinn von 5000 auf Nr. 29830, der dritte Gewinn von 2000 auf Nr. 49 780, je 1000 ^ fielen ans Nr. 16488, 88 296, je 500 auf Nr. 3623, 74624. (Ohne Gewähr.)

Stuttgart 15. Dez. (Strafkammer.) Eine unüberlegte Handlung führte einen Hilfsgerichtsdiener vor die Strafkammer. Er gab sich in einer Wirtschaft in Winnenden einigen Gästen gegenüber, mit denen er in Streit gerate» war, als Kriminalbeamter au», legte eine» Revolver und eine Fessel auf den Tisch und drohte einem der Gäste, er werde ihn fest­nehmen, wenn er nicht ruhig sei. Der Ange­klagte schützte Trunkenheit vor. Die Straf­kammer verurteilte ihn wegen Amtsanmaßung zu 10 ^ Geldstrafe.

Vaihingen a. E. 15. Dez. (Mar­garine-Vergiftung.) Nach dem Genuß von mit Margarine zubereiteteu Speisen find in Hohenhaslach 4 Familien schwer erkrankt. Unter­suchung ist eingeleitet.

Heilbron« 15. Dez. (Der Fall Bauer.) Der Mitteilung, daß der frühere Schultheiß von Ochsenburg, Jmanuel Bauer, wegen eine» Vergehen» der Untreue und Unter­schlagung von 17196 ^ von der Strafkammer des hiesigen Landgerichts gestern zu der Ge­fängnisstrafe von 9 Monaten verurteilt und als­bald verhaftet worden ist, haben wir als Er­gänzung folgendes »achzutragen: Bauer wurde im April 1903 im Alter von 34 Jahren (!) zum OrtSvorsteher von Ochsenburg gewählt und besaß beim Antritt dieser Stelle kein Vermögen. Da­gegen verursachte ihm seine Wahl nach seinen eigenen Angaben etwa 1500 Trinkschulden. Da sich Bauer nun bald der Jagdleidenschaft hingab, teure Hunde und Gewehre, Fuhrwerk und Schlitten anschaffte, so reichte sein Einkommen, da» er selbst auf 1800 ^ jährlich beziffert, nicht au» und so fing er im Juli 1906 an, au» der Kaffe de» DarlehensvereinS Ochsenburg, die er als Rechner diese» Verein» verwaltete, Geld für Privatzwecke zu entnehmen, obwohl ihm von Seiten de» Vereins nur ein Kredit von 2000 eingeräumt und dieser von ihm bereit« erschöpft worden war. Der ersten Kredrtüberschreitung folgten bald zahlreiche weitere, die bi» zum Juli 1910, wo Bauer'S Veruntreuungen zufällig aus Tageslicht kamen, die stattliche Höhe von 17196 ^ erreichte». Der Angeklagte Bauer verteidigte sich nun gestern dahin, daß seine Kreditüber­schreitung lediglich als eine vom Standpunkt de» Kaufmann» aus zu tadelnde OrdnungS- widrigkeit, nicht aber al» Unterschlagung oder gar Untreue im Sinne des Strafgesetzbuches auf- gefaßt werden könne, zumal er jederzeit in der Lage gewesen wäre, seine Schuld gegenüber der Darlehenskaffe alsbald zu begleichen und das Geld nicht für Privatzwecke, sondern, um als Darlehen wieder auszuleihen, verwendet habe. Diese Art von Verteidigung fand aber beim Gericht nicht die Würdigung, die der Angeklagte