Amts- rmd Anzeigeblatt str dm Oberamtsbezirk Calw

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Erscheinungstage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag. Freitag und Samstag. Jnsertionspreis 16 Pfg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.

Montag, den 12. Dezember 1910.

Bezugspr. i. d. Stadt>/,jährl. m. Trägerl. Mk. I.SS. Postbezugspr. t.d.Orts-u.Nachbarortsverk. '/.jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. I.M. Bestellg. in Württ. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42Pfg.

»«rtlksH« VerainrtnrachittrK*«

Aufforderung zur Anmeldung der Wander- gewerbevetrtebr behufs der Besteuerung und Erteilung der Wandergewerbefcheine für das Kalenderjahr 1911.

Gemäß Z 12 der Verfügung der MlMerien des Innern und der Finanzen, betreffend den Vollzug des Gesetzes vom 15 Dezember 1899 über die Wandergewerbesteuer (Reg.-Bl. S. 1185 ff) werden alle diejenigen Persoaen des Oberamtsbezirks, welche beabsichtige» im Kalenderjahre 1911 das Wandergewerbe zu betreiben, ausgefordert, sich behufs der Besteuerung (Ausstellung des Steverscheins) und Erteilung des Wandergewerbe» scheins für das Kalenderjahr 1911 bei den OrtS- sieuerämiern ihres Wohnorls bezw. bei dem Unter­zeichneten Bezirkssteueramt und dem Oberamt rechtzeitig anzurnelden.

Der Besteuerung nach Maßgabe des Wander- gewerbesteuergesetzes vom 15. Dezember 1899 unter­liegen bezüglich ihres Gewerbebetriebs:

Alle Personen, welche in Württemberg außer­halb ibres Wohnorts ohne Begründung einer ge­werblichen Niederlage und ohne vorgängige Bestellung im Umherziehen

1) Waren feilbteten (Hausierer, Inhaber von Wanderlagern),

2) Warenbestellungen bei Nichtkaufleuten aufsuchen (Detailreisende) oder Waren bet anderen Per­sonen als bei Kaufleuten oder an andern Orten als in offenen Verkaufsstellen zum Wieder­verkauf ankaufen,

3) gewerbliche Leistungen anbieten (Scheeren- fchleifen, Schirm- und Keffelflicken, Photo­graphieren, Dreschen mit Maschinen und ähnliches).

4) Mustkaufführungen,Schaustellungen.iheatralische Vorstellungen und sonstige Lustbarkeiten ohne daß ein höheres Knust» oder wissenschaftliches Interesse obwaltet, darbieten wollen.

Der Beginn mit dem Wandergewerbebetrieb

ohne Steuerjchein ist strafbar und nur ans Grund des Steuerscheins darf ein Wandergewerbeschein ertrilt werden.

Wandergewerbesteuerpflichtig ist nicht «sd bedarf daher leines Steuerscheins:

1) wer selbstgewonnene oder rohe Erzeugnisse der Land- und Forstwirtschaft, des Garten» und Obstbaus, der Geflügel- und Bienenzucht, der Jagd und Fischerei feilbietet;

2) wer m der Umgegend seines Wohnortes bis zu 15 icm Entfernung felbstdereitete, bezw. selbst­verfertigte Waren, weiche zu den Gegenständen des Wocheumarktverkehrs gehören (Butter, Schmalz, Brot, Fleisch und Fletschwaren rc.), feilbtetet oder gewerbliche Leistungen, hinsicht­lich deren dies Landesgebrauch ist, anbietet;

3) wer auf Messen, Jahr- und Wochenrnärkten Waren zum Verkauf anbietet.

Die Ortssteuerämter find angewiesen, auf Ersuchen nähere Auskunft zu erteilen.

10. ISIO.

K. Oberamt. K. Kameralamt.

Amtm. Ripp mann. Finanzamt»!. Dreiß.

Bekmrrrtnmchrmg,

betr. die Ausstellung von Gewerbe-Legitimations- karten für das Jahr 1911.

Nach Z 42 der Vollzugsverfügung zur Ge­werbeordnung vom 9. November 1883 erfolgt die Ausstellung der Legitimationskarte nur auf Antrag des Inhabers des stehenden Gewerbebetriebs.

Für diejenigen, für welche die Karte ausge­stellt werden soll, ist dem Oberamt ein Zeugnis des Ortsvorftehers des Wohnorts desselben darüber vorzulegen, ob ihm über denselben keine der in 8 57 Ziff. 14 und 8 57 d Ziff. 2 der Gewerbe­ordnung bezeichnten Tatsachen zur Kenntnis ge­kommen sind. In dem Zeugnis muß auch der Ge­burtsort des betreffenden Reisenden angegeben sein.

Calw, 10. Dezember 1910.

K. Oberamt.

Amtmann Rippmann.

An die Ortsbehörde«

betreffend rvandergewerbefcheine.

Unter Bezugnahme auf den gemeinsamen Er­laß des K. Oberamts und K. Kameralamts vom 10. Dez. d. I-, werden die Ortsbehörden veranlaßt bei dem Antrag auf Erteilung eines Wauder- gewerbescheins nach den Bestimmungen des 8 1 der Vollz.Verf. zur Gewerbeordnung vom 31. Jan. 1898 (Reg.-Bl. S. 36) zu verfahren und womöglich sämtliche Anträge gesammelt zu gleicher Zeit hieher einzusenden. Bezüglich des Sportelansatzes wird auf 8 22 der Min.-Verf. vom 24. Januar 1900, Reg.-Bl. S. 61, hingcwiesen.

In zweifelhaften Fällen wird sich die OrtS- behörde die Sporteln hinterlegen lassen.

Calw, 10. Dezember 1910.

K. Oberamt.

Amtmann Rippmann.

Die Ortsbehörde«

werden darauf aufmerksam gemacht, daß die Aeuderungsprotokolle zum Primärkataster für den Jahrgang 1910 auf 31. Dezember d. I. ab­zuschließen und mit den beigebrachten Meßurkunden längstens bis 5. Januar 1911 an die K. Bezirks­geometerstelle einzusenden sind.

Calw, 10. Dezember 1910.

K. Oberamt.

Amtmann Rippmann.

Tagesueuigkeiteu.

Calw. Vom Montag, 12. ds. Mts. ab werden die Züge Nr. 900 Calw ab 5.30 Uhr, Pforzheim an 6.30 Uhr vorm, und Nr. 929 Pforzheim ab 5.53 Uhr, Calw an 7.02 Uhr nachm, werktags wieder regelmäßig ausgeführt.

Calw 12. Dez. Einen hohen, reinen Genuß gewährte den Freunden kirchlicher Musik die gestrige Aufführung derSchöpfung" von Jos. Haydn durch den hiesigen ev. Kirchen-

Z(m den Lorbeer der Wissenschaft.

33) Roman von Friedrich Thieme.

(Fortsetzung.)

Gericht und Recht waren bisher für ihn, wie für die meisten Menschen, die mit der Justiz «och nicht in persönliche Berührung geraten sind, ganz dasselbe was wußte er von den Jrrtümern und Mißgriffen der mit einer Augenbinde abgebildeten Göttin des Rechts? Wie oft ist die Rechtsprechung ein Lotteriesprel, wie alles andere im Leben, und manchmal kan« man den Interessenten noch gratulieren, wenn sie nicht» Schlimmere» ist. Richter sind Menschen, Zeugen find ebenfalls Menschen, uud selbst das lauterste Bewußtsein und die strengste Objektivität schließen die Selbsttäuschung und den Irrtum nicht aus!

Angesichts der bevorstehenden Verhandlung begann er zuerst tiefer in das Wesen der menschlichen Gerichtsbarkeit einzudringen. Bald fühlte er sich im Vertraue» auf seine gute Sache beruhigt und mutig, bald erfaßte ihn eine namenlose Angst, er vermöge die Richter nicht zu über­zeugen und muffe unterliegen! Am Abend vorher war er fieberhaft auf­geregt, am Morgen wieder ruhig, und erst als er durch die Pforte de« ansehnlichen Gebäudes trat, worin das zur Aburteilung zuständige Schöffen­gericht seine Sitzungen abhirlt, fühlte er, der doch so mutig den Gefahren der Wüste getrotzt, der sein Leben schon Hundertemal aufs Spiel gesetzt hatte, sein Herz klopfen und seine Brust sich zusammenschnüren!

Leopold war mit seinem Anwalt bereits zur Stelle, begleitet von seinem Vater und Schwiegervater in sxs. Sein bleiches Antlitz bildete den Widerglanz der Farblosigkeit seines Widersachers; au« dem persön­lichen Verhalten der streitenden Parteien hätte kein noch so geübter Psycholog eine» einigermaßen treffenden Schluß auf die Rechtmäßigkeit

ihrer Ansprüche zu ziehen vermocht. Zeugen gab e« nur wenige, wo sollte man sie auch hernehmen. Dagegen marschierte» eine Reihe von Sachverständigen vor dem Gerichtstische auf, medizinische und geographische Autoritäten ersten Range», berufen, in diesem Falle die fehlenden Zeug­nisse durch ihre sachkundigen Aussprüche zu ersetzen.

Die Verhandlung fand nicht in dem gewöhnlichen Schöffengericht«, zimmer, sondern im großes Schwurgerichtssaale statt, wie das der Be­deutung de« Falle» und dem Andrange des Publikums entsprach. Dr. Hohl war der Verklagte, eine Tatsache, geeignet, von vornherein dem Verfahren eine Richtung von für ihn deprimierender Wirkung zu ver­leihe«. Er stand vor Gericht nicht als der Uebervorteilte, Benachteiligte, der sein gute« Recht von der Wahrheit fordert, sondern als der Jnkulpat, von welchem Rechenschaft verlangt wird!

Unter lautloser Stille de» Auditoriums erfolgte die Verlesung der Anklage und die Vernehmung des Beschuldigten. Nach Feststellung der Persönlichkeiten, der Daten de« Antritts und der Beendigung der Reise, sowie der hieran sich anschließenden Begebenheiten, richtete der Vor­sitzende an Reiuhart die Frage, ob er noch immer auf den in seinem Artikel «iedergelegten Ausführungen beharre?

Gewiß, Herr Amtsrichter, mit gutem Gewissen und voller geistiger Klarheit über das, wa» ich gesagt," antwortete laut uud fest der Jnkulpat.

Erzählen Sie un» also den Verlauf der Expedition, wie sich der­selbe nach Ihren Behauptungen zugetrage».

Doktor Hohl gab eine« kurzen, aber ausreichenden, alle bemerkens­werten Momente in sich fastenden Bericht.

Er erzählte, wie Leopold in Besitz seiner Reiseaufzeichnungen ge­langt sei, wie er sich de« als einzigen Beweis in seiner Hand zurück­gebliebenen zweiten Buche« bemächtigt; warum derselbe mutmaßlich von