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naten Gefängnis und 4 Wochen Haft. In nichtöffentlicher Verhandlung wurde der ledige Schuhmacher Alois Spielmann von Roßberg wegen Zuhälterei mit 6 Monaten Gefängnis bestraft.

Stuttgart 7. Dez. (Strafkammer.) Ei» frecher Raub wurde am 9. November abend» V-8 Uhr auf dem Leonhardsplatz auS- geführt. Einem Fräulein näherte sich von hinten ein Mann und entriß ihr mit starkem Ruck das Handtäschchen. Der Täter wurde von Paffanten verfolgt und festgehalte«; e» war der erst 17 Jahre alte Zimmermann Gustav Weiß von Weinsberg. In dem Handtäschche« befand sich ein Geldbeutel mit 10 Mk. Inhalt. Die Straf­kammer verurteilte den jugendlichen Räuber zu 4 Monaten Gefängnis, unter Anrechnung von 3 Wochen Untersuchungshaft. Der Angeklagte wurde durch eine gewisse Notlage er hatte keine Arbeit zu der Tat veranlaßt.

Obertürkheim 7. Dez. Nachdem hier die Geflügelcholera auSgebroche» ist, ist das Durchtreiben von Gänsen durch den Ort ver­boten und die Durchführung von lebendem Ge­flügel auf Wagen durch Geflügelhändler nur unter der Bedingung erlaubt, daß jeder Aufenthalt vermieden wird.

Ludwigsburg 7. Dez. (Da« neue Weingesetz.) Gegen eine Reihe Wirte au» der Umgebung find Untersuchungen im Gange wegen Verfehlungen gegen da« Weingesetz, da­durch begangen, daß neuem Tiroler, überhaupt ausländischem Wein, welcher zum Ausschank ge­langt, oder dazu bestimmt ist, Zucker zugesetzt wurde. ES handelt sich fast durchweg um faß­weise bezogene, selbstgekelterte Trauben; die Zuckerzusätze wurden anläßlich der Kellerrevisionen entdeckt und den Polizeiorganen angczrigt.

Eßlingen 7. Dez. (Reichstags­kandidat.) Nach demEßlinger Tagblatt" wurde in der am letzten Sonntag abgehaltenen Wahlkreisversammlung de» 6. württewbergische« Wahlkreises der Kandidat für die nächste Reichs- tagSperiode aufgestellt. ES handelt sich um einen auch in weiteren Kreisen bekannten und geachtete» Namen, der bekannt gegeben wird, wen« sich der Kandidat über die Annahme der Wahl schlüssig gemacht hat. (Nach Informationen de» 8. 0. handelt es sich um Rechtsanwalt Z i st- Reutlingen).

Weil im Schönbuch 7. Dez. In der Nacht zum Samstag sind hier bei der Krämers­witwe Nest el auf erschwerte Weise 600^ gestoh­len worden. Die Täter, als welche 4 italienische Erdarbeiter in Betracht kommen, sind durch ein Fenster in den Kaufladen eingestiegen und hatten diesen ausgeraubt.

Göppingen 7. Dez. Heute früh '/»4 Uhr ist in der Leimfabrik G. Fetzer Groß­feuer auSgebroche», da» den ganze» großen Komplex binnen zwei Stunden zerstörte. Nur die angebauten Wohnräume konnten gerettet werden. Die Entstehungsursache ist noch un­bekannt. Der Schaden an Gebäuden, Maschinen, Fabrikaten und Rohmaterialien ist sehr hoch.

Göppingen 7. Dez. Bei dem große« Brand in der Leimfabrik von G. Fetzer konnte da» Wohngebäude gerettet werden, das aber bedeutenden Wasserschaden erlitt. Auch da» Kesselhaus, da» SiedhauS und die Mühle konnten gerettet werden. Der Schaden beträgt ca. 2300000 Mark.

Heilbronn 7. Dez. (Aviatik. Zum Streik.) Die drei Heilbronner Flieger Utz, Rech er und Leidig haben gestern nach­mittag auf dem Exerzierplatz die ersten Versuche mit ihrem selbstgebaute» Doppeldecker vorgenommen. Durch die Kraft de» Motors getrieben, sauste der Aeroplan mehrmals über den Exerzierplatz hin, erhob sich aber leider nicht vom Bode». Der Flugapparat wird »och weiter ausprobiert. Als gestern abend 6 Uhr ein in Bückingen wohnender Arbeitswilliger seine Arbeitsstätte bei der Firma Glaß und Co. verlassen wollte, ver­folgten ihn Streikende, so daß die Polizei ein- schreiten und ihn zur Wache bringen mußte, bi» sich die Menge wieder verlaufen hatte.

Heilbron» 7. Dez. (Tödlicher Sturz.) In einem Hause der Paulinenstraße ist ein Dienst­mädchen so unglücklich aus dem Fenster gestürzt, daß sie einen Schädelbruch erlitt und alsbald starb. Dar Mädchen, die 19jährige Friederike Rupp aus Verrenberg, hatte einen Lappen, der vor dem Küchevfenster hing, hereinholen wollen und dabei das Uebergewicht bekommen.

Vom Aalbuch 7. Dez. (Ra uh reif.) Gegenwärtig herrscht hier oben starker Nebel. Er verwandelt sich am kalten Erdboden zu einer Eiskruste, die für Fuhrwerke und Fußgänger recht gefährlich werden kann. Die Obst- und Waldbäume ächzen unter ihrer schweren Bürde, die ihnen der Nebel in Form von Reif oder Dust aufgehävgt hat. Bleischwer senken sich Neste, Zweige und Kronen zur Erde nieder. Aber viele Bäume müssen de» Schmuck mit dem Leben bezahlen. Welcher Schaden durch den Nebel avgerichtet werden kann, beweist die Tatsache, daß 6 Telephonstangen auf der Strecke WeißensteinBöhmenkirch geborsten find. Auch in der Nähe von Schnittlingen ist eine Telephon­stange zweimal hintereinander geborsten.

Pforzheim 7. Dez. (Volkszählung) Bei der Volkszählung ergaben sich 33 664 männ­liche und 35 359 weibliche Personen, zusammen

69 023 OrtSanwesende. Die» bedeutet eine Zu­nahme von 9634 seit 1905.

München?. Dez. Zur Schreckensfahrt de« BallonsTouring-Club" wird den M- N. N. aus Kirkwall auf den Orkney-Insel» ge­meldet: An der Gartentüre einer Villa in Berkstone bei Kirkwall ertönte Sonntag abend gegen 10 Uhr lautes Klopfen. Auf die er­staunte Frage der Bewohner nach den nächt­lichen Störenfrieden erklang in gebrochenem Englisch die Antwort:Wir sind hierher ver­schlagene Luftschiffer. Ist die» England?" Man öffnete die Türe: Da standen zwei schmutzbedeckte Menschen, die sich kaum noch aufrecht erhalten konnten. Man führt sie ins Haus, sie wärme« sich an einem schnell bereiteten Grog und können nun erst erzählen, wie schreckensvoll ihre Fahrt war, wie furchtbar der Moment, da den Kame­raden eine Woge au» ihrer Mitte riß:Gleich nach dem Aufstieg in Augsburg geriet der Ballon in dichte» Nebel. Wir glaubten, wir flögen über die Schweiz nach Frankreich. Sonntag früh 7 Uhr zerriß der Nebel, wir sahen unter uns die vom Sturm gepeitschten, weißschäumenden Wogenkämme der Nordsee. Manchmal, wenn der Wind dev Nebel zerriß, gewahrten wir Dampfer und Segelschiffe unter uns, aber alle An- strengungen, uns diesen bemerkbar zu machen und ihre Hilfe anzurufen, waren vergeblich. Der Ballon fiel rapid auf Wasser, die Gondel sank tief unter. Dann hob sich der Ballon wieder, die Gondel tauchte aus dem Wasser und unser Kamerad Ernst Metzger fehlte. Wir sahen nichts mehr von ihm. Der Ballon stieg höher und höher, ein willenloses Spiel de» Sturm». Stets waren wir gewärtig, plötzlich in das unter uns rollende Meer geschleudert zu werden. Alles nur irgend Denkbare mußten wir nach und nach über Bord werfen; nur so ge­lang es uns immer wieder, hoch zu kommen. Sonntag abend, schon war der bleiche Schimmer der untergehrnde» Sonne fern am Horizont ver» schwunden, da sahen wir plötzlich Land unter uns. Wir rissen die Reißleine, aber der Sturm trieb den Ballon vor sich hin, über Bäume und Felsen. Dann und wann schlug die Gondel auf. Endlich blieb der Ballon hängen, wir stiegen aus. Ein Wunder, daß wir unverletzt gerettet wurden. O unser armer Kamerad!" Die Bewohner von Bergstone nahmen sich der Luftschiffer auf» gastfreundlichste an.

Berlin 6. Dez. Am 20. Nov. vor. I«. fanden in Aachen Stadtverordnetenwahlen statt, die aber alsbald von einigen Wählern als rechtsungültig angefochten wurden. Der Lustkreuzer Zeppelin III war die unschuldige Ur­sache dieses Streitpunkte». Er war gerade wäh­rend der Wahlhandlung über der Stadt erschienen

Am dm Lorbeer der Wissenschaft.

30) Roman von Friedrich Thieme.

(Fortsetzung.)

Daß der Prozeß Staub aufwirbeln würde, dicken Staub auch im besten Falle, daran zweifelte er keinen Augenblick! Und da» war es eben, wa« er fürchtete. Gerade jetzt, wo er dem Höhepunkt seiner ehr­geizigen Bestrebungen näher als je gekommen, wo er durch seinen Sohn der nächste Verwandte eines vielfachen Millionär», eine» einflußreichen Geldfürsten zu werde« hoffte, und aus dem Glanze dieser Verbindung, die seinen Gelehrten-Ruhm in noch hellere» Licht stellte, bereits ein Adelsdiplom für sich selbst hervorleuchten sah!

Geheimrat von Sekal warum es ihn nur allemal so wunderbar durchzuckte bei diesem Gedanken! Diese drei bescheidenen Buchstaben vor seinem Namen, was für ein geheimnisvoller Zauber war in ihnen ent­halten, der alle seine Sinne gefangen nahm, seine Brust schon im fernen Vorgefühl zu tiefen, geräuschvollen Atemzügen hob und feine Augen in einem wahrhaft elektrischen Glanze erstrahlen ließ.

Und nun schien da» alle» in Frage gestellt, denn wer konnte im voraus sagen, was der Prozeß für einen Ausgang nahm? Wütend knirschte Sekal mit den Zähnen! Gewiß mußte alle» für Leopold getan werden denn auch seine, de« Vaters Ehre stand auf dem Spiele und mit ihr alle von der Zukunft erhofften Siege! Bester wäre e» freilich gewesen, die Sache hätte sich au» der Welt schaffen lasten sicher war sicher! Gab e» denn kein Mittel, die» zu erreichen? Doktor Hohl war ein ehrenwerter, gutmütiger Mann, er war ein Freund der Familie, und «och mehr liebte seine Tochter! War e» nicht vielleicht möglich, ihn durch de« Hinweis auf die Unmöglichkeit eine» Betrugs und die unüber- steigliche Schranke, die er durch sei» Verhalten zwischen sich und der Ge­

liebten aufrichtete, von der Torheit seines Verhaltens zu überzeugen und zur Zurücknahme seiner Behauptung zu veranlassen?

Der Geheimrat atmete auf.

So geht es, muß e» gehen," murmelte er befriedigt,ich werde mit Doktor Hohl reden. Er wird sich dem Gewicht meiner Gründe nicht verschließen."

Reinhart war nicht wenig erstaunt, als er schon am nächsten Vor­mittag den Besuch de» distinguierten Gelehrten erhielt. Und nicht er­staunt allein, er war betroffen und verlege«. Wie allen bescheidenen Naturen kam es ihm fast wie Unrecht vor, daß er es wagte, andere Mensche» zu beunruhigen und anzufeinden; er mußte sich immer wieder daran erinnern, daß er ja nur von dem Rechte der Notwehr Gebrauch machen und daß er es vielmehr sei, dem das himmelschreiende Unrecht zugesügt worden.

Dazu kam, daß seine Stimmung eher alle» andere wie kampfes­freudig oder zuversichtlich zu nennen war.

Bereits die ersten Schritte auf der eingeschlagenen Bah« hatten ihn belehrt, wie schwer es ist, jemanden etwa» abringen zu wolle», von dem er schon Besitz genommen, und an da» sich die Welt gewöhnt, bereits al» sein Eigentum zu betrachten. Die Aussichtslosigkeit eines solchen Unterfangens steigert sich noch, wenn der Jemand eine mächtige Persön­lichkeit ist oder doch die Protektion mächtiger, da» heißt, reicher oder ein­flußreicher Persönlichkeiten genießt.

Bevor Doktor Hohl den entscheidenden Schritt unternahm, suchte er einige Freunde auf, sich mit ihnen zu beraten. Wen« er indessen gehofft, sie würde« begeistert und rückhaltslos seine Partei ergreifen, so irrte er sich gewaltig. Der einzige, der überhaupt an ihn glaubte, war Astestor von Höchter, doch wies ihn dieser in seiner Eigenschaft als Jurist auf die Schwierigkeiten hin, welche der Ausführung seines Vor­haben» im Wege stehen würden. (Fortsetzung folgt.)