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dem kgl. Schloßhof fowie auf den übrigen Seiten des Schloßplatzes nach Regimentern geordnet ein­genommen. Um 12 Uhr erschien der König, der Generalsuniform trug, in Begleitung der Herzöge Albrecht, Ulrich und Robert von Württemberg und des Kriegsministers v Marchtaler. Die sämtlichen Musikkapellen intonierten die Königshymne und unter den begeisterten Hochrufen schritt der König mit Ge­folge die Front der zum Appell aufgestellten Offiziere und Mannschaften ab. Gegen '/-I Uhr nahm der König am Eingang zum Schloßhof stehend, die Parade der einzelnen Regimenter ab. Es war ein schönes Bild, wie die alten Veteranen der einzelnen Regimenter, an der Spitze ihre ehemaligen Offiziere an ihrem Köniz vorübermarschierten. An der Parade nahmen u. a. teil die Generale Pergler v. Perglas, Schott v. Schottenstein, v. Pfaff, v. Sarwey, ferner Graf Zeppelin, Ministerpräsident v. Weiz­säcker, sämtlich Inhaber des Eisernen Kreuzes. Die Köoig'n, die Herzogin Wera und die Herzogin von Urach sahen vom Balkon des RefidenzschlosseS dem Parademarsch der Kriegsveteranen zu. Nach dem Parademarsch, der sich ohne jede Siöruna glatt ? vollzog, rückten die Veteranen nach den Kasernen j und Lokalen ab, in denen die Spüsung der Vete- j rauen stattfand. Der erhebende Verlauf der Hul­digung für den König wird sicher vielen der alten Veteranen unvergeßlich sein. Der König gab abends im Residenzschloß ein großes Paradediner, zu dem die alten Offiziere geladen waren.

Stuttgart 3. Dez. Die Ballon- ! weltfahrt des Württ. Vereins für Luftschiffahrt fand heute mittag trotz des ziemlich nebligen und windigen Wetters statt. Auf dem Gaisburger Füllplatz hatte sich ein zahl­reiche» Publikum eingesunden, darunter ver­schiedene Offiziere und Veteranen, um das immer­hin ungewöhnliche Schauspiel zu genießen. Um 7 Uhr vormittags war mit dem Auslegen er Ballone begonnen worden. Nach dem Füllen und Fertigmachen war der Vormittag vorüber­gegangen und der anfänglich vorgesehene Termin für den Aufstieg de» FuchtballonS (12 Uhr) konnte nickt genau innegehalten werde. Unter dem Jubel der Zuschauermevge stieg Punkt '/-2 Uhr der Fuchsballon Stuttgart der Württ. Verein» ! für Luftschiffahrt unter Alfred Dierlamm« be­währter Führung mit 4 Personen auf; ihm folgte nach 5 Minuten der Ballon U l m unter Führung von Rechtsanwalt Dr. Kahn ebenfalls mit 4 Personen. Al» 3. startete der Ballon Augusta unter Führung von Leutnant Justi (4 Per­sonen), dann folgten die Ballone Schwaben unter Führung von Verlagsbuchhändler Robert Kröner, der seine Alleinfahrt (Führerfahrt) machte, Continental II unter Führung von Hermann Euting (3 Personen) und schließlich Continental I unter Führung von Fabrikant Albert Hirth (4 Personen). Der Start der ! sämtlichen 6 Ballone ging glatt von statten; sie i flogen in der Richtung auf die untere Stadt zu. !

Bekanntlich wird bei der Fuchsfahrt der zu­erst aufgestiegene Fuchsballon, bei dieser Wett­fahrt also der Ballon Stuttgart, von den übrigen Ballons verfolgt. Derjenige Ballon, der in nächster Nähe des Fuchsballons landet, ist erster Sieger. Der Fuchsballon darf höchstens 3 Stunden in der Luft bleiben.

Stuttgart 5. Dez. Die Ballonfahrt de» Württ. Vereins für Luftschiffahrt ist ohne Unfall abgelaufen. DerFuchsballon" landete 4 km südöstlich von Bruchsal, der ihm am nächsten landende Ballon war Kontinental!, der 2 km nördlich von Bruchsal niederging.

Freudenstadt 3. Dez. Ein Stückchen Pünktlichkeit bei der deutschen Reichs­post erzählt derSchwab. Merk.": Vielfach ist die Meinung verbreitet, bei Drucksachen dürfe man 5 Worte schriftlich hinzufügen. Daß das ei» Irrtum ist und 5 Worte nur auf gedruckte« Besuchs- und Glückwunschkarten stehen dürfen, sonst aber streng bestraft werden, muß allgemein bekannt werden. Sandte da vor kurzem ein Lehrer aus treuer Anhänglichkeit seinem früheren Schulinspektor eine« Zeitungsausschnitt von 3 Gramm Gewicht als Drucksache und fügte höf­lich auf de» Rücken de» Umschlags dar Wort Gruß" hinzu. Hätte er dazu eine gedruckte Besuchs- oder Glückwunsckkarte verwendet, so hätte er gar 5 Worte aufsckreiben dürfen. Aber da derGruß" auf dem Umschlag stand, ver­langte die Post 17 Pfg. Strafporto, und selbst die angerufene Oberpostdirektion bestätigte diese Verfügung. Der höflicheGruß" ist somit teuer geworden. Wer also den freundlichen Empfänger vor unangenehmem Strafporto schütze« will, der schreibe zu Drucksachen keinenGruß" oder er tue es auf einer eingelegten gedruckten Besuchs- oder Glückwunschkarte. Da darf er gar 5 Worte aufschreiben.

Hall 3. Dez. (Sherlok.) Gestern mittag traf der Polizeihund Sherlok mit seinem Stuttgarter Begleiter hier ein, um eine Frau zu suchen, die seit zwei Tage» vermißt wird. ES handelt sich um eine israelitische Witwe mit zahlreichen Kindern, namens Sichel, die seit einiger Zeit Spure» von Schwermut gezeigt batte, sodaß die Annahme gerechtfertigt erschien, sie habe Selbstmord begangen. Da» kluge Tier nahm die Spur sofort auf und führte seinen Begleiter und die ihm folgende große Zahl von Neugierigen zunächst nach dem Haalplatz, von dort durch die Ackeranlagen, dann über den Kocher und auf der anderen Seite de» Flusse» wieder der Stadt zu. Unterhalb derRose" machte Sherlok am Ufer Halt, verbellte und legte sich «jeder, zum Zeichen, daß seine Tätigkeit beendet sei. Wenn auch die Leiche der Unglücklichen

noch nicht gefunden wurde, so ist doch als sicher anzunehmen, daß die Frau an der von Sherlok bezeichnet«« Stelle den Tod gesucht hat.

Backnang 3. Dez. Kaufmann Eduard Br eunivger zumGroßfürsten", der von hier gebürtig ist, hat dem Gemeinderat die Summe von 5000 Mk. für eine Veteran enstiftung über­wiesen, deren Ertrag dazu bestimmt ist, den hiesigen Veteranen jedes Jahr am 30. November ein Festmahl zu spenden.

Berlin 3 Dez. (Reichstag.) AmBundes- ratsüsche Kommissare. Der Präsident eröffnet die S tzum; um 11.15 Uhr. Auf der Tagesordnung steht dirBrratung des vou demAbg. v. Normann (kons) und Graf Kanitz (kons.) eingebrachten An­trages betreffend Maßnahmen gegen den Niedergang des Handwerks und gegen die weitere Abnahme der selbständigen Gewerbetreibenden. Äbg. Pauli- Potsdam (kons.): Wenn auch die Gesetze zum Schutze gegen den unlauteren Wettbewerb und der Forder­ungen der Bauhandwerker gut gewirkt hoben, so bleibt doch noch v el -u tun, um dem Handwerk zu helfen Will man zahlungsfähige Staatsbürger er­halten, dann mrß man die Beamten- und Offiziers- konsumvercine, die in gle cher Weife schaden, wie die Kcnsumvereine der Sozialdemokratie, auflösen. Die Polizei muß eine erwe irrte rechtliche Befugnis zur Kontrolle des Baubuches erhalten. (Am Bundes- ratstischs eischeinen der Siaatssekre'är Dr. Delbrück und Ministerialdirektor Kaspar) Auch das Sub- misstonswesen verlangt dringend ein gesetzgeberisches Einichreiten Die Behörden unterstützen vielfach das Unterbieten felb:r. Die Gefängnisarbeit stellt eine Kon­kurrenz dar, die das Handwerk fast völlig ausschaltet. Euler (Ztr.): Wir haben uns seit Jahren be­wirbt, dem Handwerk aufzuhelfen. Verlangt werden muß nach wie vor der große Befähigungsnachweis. Die Bildungrbestrebungen im Handwerk sind zu unterstützen, namentlich für Nachwuchs ist zu sorgen, ebenso wie für Entwicklung des Genossenschafts­wesens. Dem kleinen Kaufmann geht e» übrigens nicht besser als dem Handwerker. Nachdem wir eben die Beamtengehäistr erhöht haben, sollten die Beamten nicht die Warenhäuser durch Einkäufe unterstützen. Pachntcke (fortschr. Vp.): Die Konservativen wollen mit dem Antrag ihre Mittel- standsfreundllchkeit betonen. Positive Vorschläge werden allerdings nickt gemacht, höchstens der Be­fähigungsnachweis. Im übrig-N ist es ein allge­meiner Sturm gegen die Warenhäuser. Der Be­fähigungsnachweis ist von den Handwerkern selbst längst als taube Nuß erkannt. Aehnlich liegt es mit den anderen Fo derungen. Der Bund der Landwirte ist ja selbst ein großes Warenhaus. (Sehr gut links, Lachen rechts.) Wie d'e Konser­vativen für den Mittelstand sorgen, bkweisen der Zolltarif und die Reichssinanzreform. (Sehr richtig!) Die Mittelstandspartei hat sich von den Konser­vativen deshalb abgewendet und ist zum Hansabund Lbergegangen. Es ist zu wünscken, daß die Groß­industrie nicht alle Zweige des Handwerks an sich reißt. Abg. Raab (Wirtsch. Vgg ): Für den Be­

aus der glatten Stirn sich finstere Längsfalten bildeten und Zorn und Aerger sein Antlitz mit brauner Glut überzogen.

Sobald er jedoch zu Ende gelesen, hatte er auch seine äußerliche Fassung wiedererlangt. Er fand es nicht opportun, seinen Besucher zum Zeugen de» seelischen Zustandes zu nehmen, welchen die Lektüre des Artikels bewirkt hatte; den gährendev Groll mit Gewalt zurückhaltend, »ahm er eine verächtliche Miene an und warf das Blatt auf den Tisch.

Pah, der Mensch ist ja verrückt," rief er wegwerfend.

Verrückt oder niederträchtig," brauste der Kommerzienrat auf. Immerhin es gibt einen Eklat, wie er noch nie dagewesen ist; die ganze Wissenschaft ist in Ihnen, der gesamte Kaufmannsstand in mir beleidigt so absurd auch der Angriff ist, e» gibt leider übelwollende Subjekte genug, die darob in die Hände klatschen und sich anstellen werden, als glaubten sie die Verleumdungen, lediglich au» kleinlichem Haß, Neid und Skandalsucht!"

Gewiß, es ist ein unangenehmer Zwischenfall," murmelte der Geheimrat und schritt mit auf der Brust gekreuzten Armen grübelnd auf und ab. ..Der arme Leopold er weiß noch gar nichts davon ich hatte gehofft, der törichte Mensch werde von seiner fixen Idee abgekommen sei» man hat ihn, wie e» scheint, noch viel zu früh au» dem Irren- Hause entlassen."

Sie glauben nicht, daß er ein bewußter Betrüger ist?"

Nein, nein," versicherte Sekal beschwichtigend.Ich kenne ihn schon seit Jahren und habe immer hohe Achtung vor seinem Charakter und seinen Kenntnissen gehegt. Der Vorstoß ist lediglich die Folge seines geistigen Zustande»."

Könnte man nicht die Seinigsn veranlassen, ihn wieder in einer Heilanstalt unterzubringen? Oder Schritte tun, ihn al» gemeingefährlich"

Von AmtSwegen hinzuschaffen, meine« Sie? Das letzte geht keinetfall», Herr Kommerzienrat. Das erstere wäre allerdings das beste und würde alle bösen Zungen am schnellsten zum Schweigen bringe«, ich

zweifle nur, daß die Familie sich darauf einläßt. Wie ich von meiner Tochter hörte, gilt Dr. Hohl wieder für völlig hergestellt, in seinem äußeren Wesen ist er gar nicht verändert; seine AutdruckSweise ist eine durchaus logische und klare. Seine Angehörigen werden ihm daher sicher­lich ihren Glauben nicht versagen."

Was meinen Sie also, wa» zu tun ist?"

Der Geheimrat zuckte die Achseln.

ES wird kaum etwas anderes als die öffentliche Beleidigungsklage übrig bleiben. Fall« Dr. Hohl seine Behauptungen nicht zurücknimmt, kann nur rin gerichtliches Urteil meinen Sohn voll befriedigen."

Ganz meine Ansicht," bestätigte Mori» mit lebhaftem Kopfnicke«. Nur nicht» Halbes es darf nicht der geringste Makel auf Leopold haften bleiben."

Nichts," rief der Geheimrai, dessen Wange» sich dunkel färbten. Ich habe nur für die Wissenschaft und meine Ehre gelebt, und Leopold ist mein Sohn, lieber Kommerzienrat."

Freilich siegt auch manchmal das Unrecht," bemerkte der Kaufherr nach kurzer Ueberlegung nicht ohne Besorgnis.

In diesem Falle brauchen wir wohl hinsichtlich des Ausgang» keine Befürchtungen zu hegen."

Trotz alledem wir müssen auch da» unsere tun, um die öffent­liche Meinung für Leopold zu gewinnen. Dieses launenhafte, verschwom­mene, unwägbare Fluidum, dieses Gemisch des Duftes von jedermann, besitzt trotz de« ihm anhaftenden starken Hochgeschmacks eine schier unüber­windliche Macht, mit der wir rechnen müssen. Sie stellen eine Autorität in der wissenschaftlichen Welt dar" Sekal verneigte sich geschmeichelt ich in der kommerziellen. Scheuen wir keine Mühe, das Publikum aufzuklären cs ist unsere Pflicht," fügte Herr v. Mori« nicht ohne Salbung hinzu.

(Fortsetzung folgt.)