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T Tübingen 2. Dez. Die Strafkammer verurteilte den Müller Johann Calmbach von Mnderibach OA. Nagold zu 6 Monaten Gefängnis. Der Verurteilte hatte am 2. Juni im Verlauf eine» Streites den 64 Jahre alten Schuster Jakob Faßnacht von Mindertbach in der Lammwirtschaft dorten derart in den linken Daumen gebissen, daß bösartige Eiterung und Blutvergiftung eintrat und der Daumen abgenommen werden mußte. Der Verletzte ist so dauernd in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt.
Vaihingen a. E. 1. Dez. Ein sehr seltsames schreckliches Unglück traf gestern abend den verheirateten 34 jährigen Landwirt Wilh. Gerl ach vom nahen Nußdorf, der in der hiesigen Wirtschaft zum „St. Peter" eingestellt hatte. Kurz vor der Abfahrt macht sich der Mann an der neben dem Hause stehenden steinernen historischen Bildsäule St. Peters zu schaffen, die plötzlich abstürzte und dem Unglücklichen da» Gesicht zerschmetterte Stirnbein, Nase, Kiefer wurden völlig zei drückt. Auf dem Transport in» Krankenhau» starb der Schwerverletzte, der eine noch junge Frau und vier kleine Kinder im Alter von 9 Monaten bis zu 5 Jahren hinterläßt.
Heilbronn 28. Nov. In einer Verhandlung der hiesigen Strafkammer gegen den de« EinbruchSdiebstahlS angeklagte» Fabrikarbeiter Karl Köhler in Kleinglattbach, OA. Vaihingen, erschien der Stuttgarter Polizeihund Sherlock sozusagen als Hauptbelastungszeuge. Der Hund hat seinerzeit die Spur des Einbrechers von der beraubte» Geldkassette au» zunächst nach einer Wirtschaft verfolgt und dort einen Stuhl verbellt, auf dem der Angeklagte gesessen hatte, und nahm dann seinen Weg direkt nach dem Hause und Schlafzimmer des Angeklagten. Vor dem Gericht mußte der Hund eine Probe seiner Findigkeit ablegen, die überraschend gut gelang. Der Verteidiger de» nicht geständigen Angeklagten weist darauf hin, daß der Hund sich nachweislich schon einmal geirrt habe, und das Gericht beschloß auf seinen Antrag, die Verhandlung bis 30 . Nov. zu vertagen und in der Zwischenzeit die Akten de» betreffenden Falls vom Landgericht Rottenburg herbeischaffev zu lasten. Man darf auf den Weitergang gespannt sein.
Heilbronn 2. Dez. (Schwerer Unfall.) I» der mechanischen Zwirnerei in Sontheim geriet ein junger Man» mit dem linken Arm in eine Maschine, wodurch ihm der Arm am Ellenbogen abgerissen wurde. Der Verletzte mußte ins hiesige Krankenhaus übergeführt werden.
Heilbronn 2. Dez. (Notstandsarbeite».) Der Gemeinderat hat den Stunden- lohn für die Notstandsarbeiten bei der Stadt
festgesetzt auf 28 Pfg. bei lOstündiger Arbeitszeit, 30 Pfg. bei 9 ständig er Arbeitszeit und 32 Pfg. bei 8stündiger Arbeitszeit.
Bad Mergentheim 2. Dez. (Mahnung zur Vorsicht.) Vor einigen Tagen wurde ein hiesiger Geschäftsmann im Hofe einer Wirtschaft in einem benachbarten Orte von einem in seiner Hütte liegenden Bernhardiner angefallen und an beiden Beinen durch Niste ziemlich schwer verletzt. Da eine Warnung vor dem Hunde weder an besten Behausung noch an der daneben befindlichen Stalltüre angebracht war, wird der Eigentümer für die Folgen zu haften haben. _
Au» Hohenzollern 2. Dez. (Liebst a h l.) Im Gasthaus z. Sonne in Gammertingen wurden 800—900 Mark au» einem Schreibtisch entwendet. Ebenso wurde aus der Metzgerei im gleichen Hause eine für eine Hochzeitsgesellschaft hergerichtete, gefüllte Kalbsbrust gestohlen. Dem Täter soll man auf der Spur sein.
T Karlsruhe 2. Dez. Von der hies. Metzgerinnung wurde das Pfund Kalbfleisch um 2 A das Ochsen- und Rindfleisch um je 4 A und da» Schweinefleisch um 6^ herabgesetzt. — Auch in Mannheim sanken die Preise beim Ochsenfleisch um 4 A beim Rindfleisch um 6 c), Kalbfleisch um 10 ^ und Schweinefleisch um 5 das Pfund.
Heidelberg 1. Dez. Mit dem heutigen Tage haben die hiesigen Metzger einen erheblichen Preisabschlag auf Fleisch eintrete» lassen. Rindfleisch und Hammelfleisch ist um 6 c), Ochsenfleisch um 8 §), Kalbfleisch um 10 ^ und Schweinefleisch um 16 ^ dos Pfund heruntergegangen. — In einer Versammlung haben die hiesigen organisierten Bäckergehilfen eine Erklärung angenommen, in der der Reichstag ersucht wird, einen wöchentlichen Ruhetag von 36 Sunden für da» Bäckergewrrbe festzulegen.
Berlin 2. Dez. Im Laufe de« gestrigen Nachmittags und Abends konnte der Benzin- brand an der Köpenicker Chaussee nicht gelöscht werden. Die Annahme verstärkt sich, daß von den andere« Tanks beständig Benzin nach drm brennenden Tark zufließt. Gestern nachmittag wurden 500 Kilogramm Tetrachlorkohlenstoff in Gasspritzen gefüllt und mit Kohlensäure in den brennenden Tank gespritzt, um die Last abzu- schneiden. Der Versuch hatte keinen Erfolg.
Berlin 2. Dez. (Reichstag.) Am BundeSratStisch Staatssekretär Dr. Delbrück. Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 1.15 Uhr. Die Besprechung der Interpellation betr. die Rebfchädlinge wird fortgesetzt. Rösicke (Kons.): Während e» ge
lungen ist, die Reblaus in Schach zu halten, ist eS noch immer nicht erreicht worden, die ungeheuren Schäden, die der Sauerwurm anrichtet, hintanzuhalten. Da» Reich sollte nicht erst zu Maßnahmen schreiten, wenn e» zu spät ist. Höffel (ReichSp.): Elsaß-Lothringen ist in seinem großen Weinbau stit Jahren viel schwerer in Mitleidenschaft gezogen, als irgend ein anderes Land. Das Reich wird dazu übergehen wüsten, die Anpflanzung von Amerikareben zu beginnen. Die Sache gehr da» ganze Reich an. Frhr. v. Wolsf-Metternich (Ztr.): Auch an der Mosel bestehn große Notstände. Die Winzer find auße^ Stande, Zinsen zu bezahlen. Ungerecht ist esi daher, ihnen auch noch eine Weinsteuer aufzuerlegen. Man sollte für erfolgreiche Bekämpfung des Sauerwurm» eine Prämie aus- setzen. Del sor (Elsäßer): Wir tun im Elsaß da« Möglichste zur Bekämpfung der Rebkrank- heiten. Man sollte den Winzern nicht nur zinslose Vorschüsse, sondern auch Zuschüsse zu den Kosten geben. Schüler (Ztr.): Die Bekämpfung der Schädlinge muß einheitlich erfolgen. Die Einführung der weniger empfindlichen Amerikarebe empfiehlt sich, wenn sie auch keinen besonderen Wein gibt. Beck (Soz.): die Frage der Rebfchädlinge kann nur international gelöst werden. Die Amerikaverrebe wird jetzt von den Bauern selbst verlangt. Ja Frankreich und Elsaß-Lothringen ist man mit Erfolg dazu übergegangen. Der Winzerstand ist durch die unwirtschaftliche Produktion selbst mit schuld an seiner schlechte» Lage. Vielfach ließe sich ein genossenschaftlicher Betrieb einrichten, der dem Winzer ein gesicherte» Einkommen gewährleistet. Kommissar zum Bundesrat Frhr. v. Stein: Der Reichsetat weist für Bekämpfung der Reblaus nur geringe Beträge auf. Aber die Bundesstaaten haben auf Grund des Reichsgesetze» im Laufe der Jahre einige zwanzig Millionen dafür aufgewendet. Die Folge unserer ReblauS- bekämpfung ist die, daß unser Rebbau besteht, während der aller anderen Staaten unter der Plage zusammengebrochen ist. Der Anbau der Amerikarebe ist viel schwerer, als der der einheimischen. Wir behalten aber ihre Anpflanzung fortgesetzt im Auge. Vogt- Hall (wirtsch. Vgg.) r Die Veredelung der amerikanischen Rebe ist für die Zukunft die wichtigste Aufgabe für den Weinbau. Von den Einzelstaaten muß dem Weinbau weitgehendste» Entgegenkommen gezeigt werden. Wallenborn (Ztr.): Der Rotwein- bau an der Ahr ist geradezu dem Untergang geweiht. Ich bitte die Regierung, möglichst weitherzig den Wünschen entgegenzukommen. Pauli- Kochem (Ztr.): Die jetzige Höhe der Weinpreise kommt den Winzern nicht zugute, denn die Ernte ist minimal. Der Winzerstand hat den Staat
Bestürzt hörte Wera ihn an, ein forschender Blick flog erst zu ihm, dann zu Gertrud hinüber, die ihr in schweigender Bestätigung der Ausführungen de» Bruder» zunickte. Doktor Hohl erklärte ihr darauf in ebenso logischer wie schonender Form ausführlich die ganze Situation.
Sie bedeckte gramvoll ihre Auge» mit der weißen Hand.
„O Reinhart, da» ist entsetzlich," rief sie aufgeregt. „Beide mir so teure Wesen — du, der höchste Schatz und Preis meines Herzen», den ich mich gewöhnt, al» den Träger meines zukünftigen Glücks, den Hort meines Lebens zu betrachten — Leopold, mein Bruder, den ich von Kindheit auf mit unsagbarer Liebe umfaßte! Kan» ich ihm eine so schurkische Handlungsweise zutrauen? Und doch weiß ich auch, daß du mich nicht betrügst. Dein Auge ist rein wie der wolkenlose Himmel — auch an deiner vollen Zurechnungsfähigkeit vermag ich nicht zu zweifeln. Du sprichst ja so klar, so edel zu mir — o, Reinhart, wa» soll ein armes Mädchen in solcher Lage tun?"
„In der Tat, ein fürchterliche» Dilemma," betonte Dr. Hohl mit leidvollem Ernst. „Für dich und mich! Wa» soll ich tun, liebe Wera? Mein Recht behaupten, heißt einen Skandal herbeiführe», besten Folgen, wie er auch ausgehen möge, nicht abzusehe» find! Einer von uns beiden, dein Bruder oder ich, ist verloren, denn die Niederlage in diesem Streit zieht zugleich die wissenschaftliche und gesellschaftliche Aechtung und Isolierung nach sich! Und doch, soll ich preisgebe», worauf ich ein heilige» Recht besitze? Wofür ich mein Leben, alle meine Kräfte eingesetzt? Wa» rätst du mir, mein Lieb? Soll ich darauf verzichte», den falsche« Lorbeer von Leopolds Stirn zu reißen, mich mit dem untergeordneten Ruhm de» zweiten Akteur» zu begnüge« und in deiner Liebe für die schmerzliche Enttäuschung Ersatz zu suche«? Ich habe lange über alle» nachgrdacht, Wera — sprich zu mir, wie dein Herz es dir eingibt! Um deinetwillen könnte ich alle» tun, sogar die größte heroischste Entsagung de» Lebens üben. Keine andere Macht als diejenige der Liebe wäre imstande, mir dieses Zugeständnis abzuringen! Bedenke, daß nur dieser
eine Weg unser Glück zu begründen vermag! Wähle ich den Kampf, streite ich für mein Recht, so droht da» Unheil in jedem Falle, auch dem des Siegers! Entweder man glaubt mir nicht und schmäht und spottet mich au» dem Betätigungskreise meiner Wissenschaft heraus in Verachtung und Einsamkeit, oder ich erobere meinen Preis zurück und verliere dein Herz — denn wie könnte die zärtliche Schwester je das Weib des Mannes werden, der ihren Bruder ewiger Schmach überantwortete?"
Wera richtete sich auf und legte sanft ihre Hand auf seine auf dem Tisch vor ihr ruhenden Rechte.
„Mein Herz verlierst du nicht," sprach sie leise, aber bestimmt, „meine Hand aber könntest du nie gewinnen. Wäre ich bereits deine Gattin, so stände ich dir näher als den Meinigen, jetzt aber bin ich noch die Tochter und Schwester und die Ehre meiner Familie ist auch die meine."
„Wera." -
Eine heftige Wallung Ms Blute» nach dem Hrrzen preßte den teuren Namen gleich einem Angstruf aus seinem Munde. Doch er bezwang sich sogleich.
„Du hast recht. Wera, e» kann nicht ander» sein. Ich weiß, daß deine Liebe echt und treu ist, ich vertraue dir so fest, wir du mir vertraust!"
„Du darfst es!"
„Und weil e» so ist, darfst du so zu mir sprechen. Verstehe ich dich recht: Du forderst von mir die Schonung der Ehre deines Bruders, gleichviel, wie sich unser eigene» Schicksal dadurch entscheidet?"
„Nein, Reinhart," erwiderte sie edel. „ES wäre erbärmlich von mir, so zu Handel», und ich würde e» nicht, wenn auch unsere Verbindung dadurch über alle Zweifel gesichert erschiene."
„So soll ich Vorgehen, kämpfen, handeln?"
„Du mußt e«, Reinhart, wenn du dich in deinem Rechte fühlst. Jede» Recht bedingt eine Pflicht! Du hast auch Pflichten gegen dich