1230

beide» letzten Wochen kamen sehr viele Arbeits­willige, die jedoch stet« von den Posten stehenden Streikenden nach Aushändigung einer Rückfahr­karte zur Umkehr veranlaßt wurden. Gestern mittag kamen nun aus Altona gegen 70 Arbeits­willige hier an. Der Bahnhof wurde von einem starken Schutzmann- und Gendarmerieaufgebot besetzt. Sämtliche Streikende, die von dem Ein­treffen unterrichtet waren, hatte» sich zum Empfang eingefunden und vom Bahnhof bis zur Fabrik Aufstellung genommen. Mit einem ohren­betäubenden Lärm wurde» die Arbeitswilligen empfangen. I» geschloffenem Zuge, unter starker polizeilicher Deckung, marschierten diese durch die schreiende und schimpfende Menge zur Fabrik. Das starke Polizeiaufgebot verhinderte, daß e« zu Tätlichkeiten kam. Für die Arbeits­willigen sind in der Fabrikkantine Betten auf­geschlagen; auch werden sie dort gespeist, damit sie die Fabrik nicht verlassen müssen.

Nürnberg 28. Nov. In einem in der belebtesten Stadtgegend gelegenen Juwelier- geschäft wurde heute Nacht ein Einbruch verübt und Uhren, Ringe und Edelsteine im un­gefähre» Werte von 40 000 Mark g«stöhlen. Die Täter von denen man noch keine Spur hat, hatten sich aus dem darüber gelegenen Stockwerk nach Durchbrechen der Decke in den Laden herab­gelassen.

M.-Gladbach 28. Nov. Bei einer Frau namens Neunzig, die Geldsachen versetzte, fand die Polizei bei der Haussuchung für 20 000 Mark Juwele». Sir stammen au» einem Ham­burger Einbruch, wobei für 150 000 Mk. Juwelen gestohlen wurde». Ein Sohn der Hehlerin wurde als mutmaßlicher Einbrecher verhaftet, der zweite Sohn wird gesucht.

Berlin 29. Nov. (Reichstag.) Am Bundesratstisch Minister v. Breitenbach, Staats­sekretär Delbrück. Präsident Graf Schwerin- Löwitz eröffnet die Sitzung um 1.20 Uhr. Ein- gegangen ist eine Vorlage betr. die Präsenz­stärke de« deutschen Heeres. Die erste Beratung über dar Schiffahrtsabgabengesetz wird fort­gesetzt. Abg. Dr. Zehnter (Ztr.): Grund­sätzliche Bedenken gegen die Schiffahrtsabgabe» haben wir nicht; doch muß eine gründliche Kor­rektion de« Oberrheins erfolgen. Wir erkennen an, daß dieser neue Entwurf wesentlich bester ist als der frühere. Die Verhältnisse des Obcr- rheins uvd seiner Nebenflüsse erheischen dringend eine Fürsorge, damit ein gerechter Ausgleich durch die Schaffung eines SchiffahrtSwegeS von Speyer bis Basel erreicht wird. Hierbei sollte man mit Oesterreich und der Schweiz ein ein­heitliches Projekt zu erlange» suchen. Baden und Elsaß Lothringen sind in den Stromaus­

schüssen nicht genügend berücksichtigt worden. Abg. Dr. Wagner-Sachsen (Kons.): Die sächsischen Mitglieder der rechtsstehenden Parteien haben mich beauftragt, zu erklären, daß sie gegen die Vorlage stimmen werden. Die Abgaben auf dem Elbschiffverkehr würden durchaus nicht so klein sein, wie der Minister meinte. So würde «in Elbkahn von Sachsen bi» Hamburg 800 Mk. zu bezahlen haben. Abg. Korfanty (Pole): Im Interesse der oberschlesischen Industrie werde» wir gegen die Vorlage stimmen. Abg. Stolle (Soz.): Nur um Marine und Heer zu fördern, sollen neue Opfer qegracht werden. Man sollte den Verkehr entwickeln und nicht hemme». Kein Land ist so interessiert an Abgabenfreiheit wie Sachsen und Thüringen, selbst in ihrer Land­wirtschaft. Die Industrie würde geradezu kon­kurrenzunfähig gemacht werden. Die in Aus­sicht gestellte Vertiefung der Elbe hat auch große Nachteile. Die Abgaben würden de» auf­blühenden österreichischen Handel geradezu rui­nieren (Bravo bei den Soz.). Junk (natl.): Ein Teil meiner Freunde hat lebhafte Bedenken gegen die Vorlage, die in der Kommission zer­streut werden wüsten. Wir stehen mit unserer Gegnerschaft auf durchaus nationalem Boden. Die Aenderung des Art. 54 der ReichSverfastung bedeute doch wohl eine Verfassungsänderung. Die Einmütigkeit, mit der der Bundrsrat der Verfassungsänderung zugestimmt hat, rührt uni nicht. Interessant wäre für uns, zu wissen, ob die Staaten, die sich anfangs ablehnend ver­hielten, überstimmt oder überzeugt worden sind Wenn der Kanal Halle-Leipzig als Lockvogel dienen soll, so ist diese Zusage mit größter Vor­sicht aufzunehmen. Denn wenn e» schließlich dazu kommt, dieses Projekt auszuführen, dann ist eine Verdoppelung oder Verdreifachung der Abgaben nötig, so daß schließlich Leipzig selber darauf verzichten wird. Die zwischenstaatlichen Strombouverkände halten wir für entbehrlich. Die Erhebung der Abgaben ist zu kostspielig. Eine große nationale Wasterstraßenpolitik würden wir gern unterstützen. Diese wird aber nicht inauguriert. Es ist geboten, die Vorlage mit Rücksicht und Sorgfalt zu behandeln. (Beifall bei den Natl.) Haußmann (fortschr. Vp ): Die Vorlage ist nicht spruchreif, aber immerhin verbefferungSfähig. Gegenüber der Moselkanali- sierung hat der preußische Eisenbahnminister sowohl fiskalische wie preußische Gesichtspunkte aufgeführt. Das paßt nicht zu den nationalen Gesichtspunkten, die gestern der Reichskanzler so scharf betonte. Richtig ist, daß Preußen in seiner Verkehrs- xolitik oft weitsLauender war als andere deutsche Staaten. Die Verbesterung der Schiffahrtswege wird schließlich den Warenbezug verbilligen. (Während der Rede fällt mit großem Gepolter

versuchen ich gehe morgen früh schon hin zu Leopold und rede mit ihm. Zeigt er sich reuig und ehrlich, so will ich mit ihm selbst beraten, wie wir die Angelegenheiten so arrangieren, daß sie ihm und den Seinen am wenigsten zum Nachteil gereicht.

Doch dort ist unser Haus und ich erblicke am Fenster die teuren Züge unserer Mutter nun fort mit den trüben Gedanken. Ihr Lieben, der heutige Tag sei der Freude des Wiedersehens geweiht also kein Wort mehr von dem verlorenen Buch und Leopold und von meinem Vorhaben!"

Der Wagen hielt an, Reinhart sprang wieder ganz elastisch und frisch, zuerst Hera«» und der Mutter in die zärtlich geöffneten Arme; Brust lagen sie an Brust und mischten ihre Tränen mit einander. Rundum standen mehrere Freunde Reinharts und auch teilnahmsvolle Nachbarn und Bekannte hatten sich eingefunden. Von allen Seilen regnete es Be­grüßungen. Glückwünsche. Tiefbewegt dankte Reinhart fast nur mit. Händedrücke» und Verneigungen sein volles Herz floß in Tränen, nicht in Worten über.

Hierauf ging es ins Haus durch die schön geschmückte Pforte die trauliche Wohnstube und da« gute Zimmer, der sogen. Salon, ein Ueberrest aus de« wohlhabenden Tagen der Familie, verbargen ihre Ta­peten unter einer Fülle von Blumen, Tannenzweigen und Blattpflanzen. Von der Mitte der Decke hing eine große, aus Blumen und Zweigen künstlich geflochtene Ampel herab, mit einem Schilde in der Mitte, das die Aufschrift:Willkommen!" in roten Buchstaben trug.

So hielt Dr. Reinhart Hohl in derselben Weise seine« Einzug im elterlichen Hause wie Leopold Srkal eine Anzahl Monate vorher ; ihm war, als käme er eben erst von seiner großen Reise zurück, alles Da­zwischenliegende erschien ihm wie ein banger, wirrer Traum.

Umflorten Blickes überschritt er die Schwelle doppelt feierlich erschien ihm alles in der Flut des glänzenden FrühlingSlichtS, die sich silbern und strahlend über das Zimmer ergoß, die Bilder in blanke

ei« Pultkasten zu Boden.) Ich glaubte, er sei die sächsische Regierung, die umgefallen ist. (Große Heiterkeit.) Ueber die Verhandlungen mit dem Ausland müssen wir genau unterrichtet werden. Die Grundlagen des Gesetzes bringen wichtige Verbesserungen; wir werden es wohlwollend und eingehend prüfen. (Bravo rechts.) Minister v. Breitenbach: Die von Zehnter ausgestellte Bilanz für Baden ist nicht ganz richtig. Jedes Land am Oberrhein hat Vorteile durch die Ka­nalisierung. Eine Erhöhung der Frachten ist durch die Schiffahrtsabgabe« nicht zu erwarten. Ein wechselnder Wasterstand schadet mehr als alle Abgaben. DaS Gesetz ist keinesfalls ein Kampf gegen Handel und Industrie. Die Bau­lasten sollen von den Interessenten, nicht allein von den Steuerzahlern getragen werden. Die Vorlage beweist, daß wir durchaus auf dem Bo­den der föderativen Prinzips des Reiche« stehen. Unsere ErtragSberechnung ist sthr vorsichtig auf­gestellt. Fiskalische Gesichtspunkte sind nicht aus­schlaggebend gewesen. (Bravo.) Gersten- berg er (Zentr.) bestreitet, Sonderinteresten zu vertreten. Wir vertreten das ganze Land, in­dem wir den Anschluß von Württemberg und Bayern an den Weltverkehr erstreben. Die An­nahme des Gesetzes kommt dem ganze» Reiche zugut und damit unserem Ansehen in der Welt. (Bravo im Zentrum.) Abg. Hahn (Kons.): ES handelt sich hier nicht um eine Steuer, sondern um eine auf Leistung und Gegenleistung be­ruhende Gebühr. Preußen hat die einzelnen Staaten im BundeSrat nicht vergewaltigt. Andere dritte haben im eigenen Interests zugestimmt. Lehmann-Wiesbaden (Soz.): Für un« bleibt die Vorlage unannehmbar. Wetze! (natl.): In Süddeutschland finden sich trotz mancher Bedenken gegen unsere innere Politik Tausende, die für jedes wirtschaftliche Entgegenkommen dankbar sind. Wenn der BundeSrat sich einstimmig für die Vorlage ausgesprochen hat, so müssen wir uns auch einigen können. Darauf verweist das Haus die Vorlage an eine Kommission von 28 Mitgliedern und vertagt sich auf morgen 1 Uhr.

Berlin 29. Nov. Durch da« gestrige Großfeuer in Boxhagen-Rummelsburg waren bis gegen 11 Uhr nachts drei große und vier kleine Benzintanks ausgebrannt. Die Feuer­wehr mußte ihre Tätigkeit lediglich darauf be­schränken, die noch nicht brennenden Tank» unter Master zu halte». Da sehr lange Schlauch­leitungen nötig waren, um bi« zur Spree zu gelangen, stellte sich Schlauchmangel ein, dem durch Nachbeorderung eines weiteren Schlauch­wagens abgeholfen wurde. Das Feuer dürfte noch bis in den heutige« Vormittag hinein weiter- brennen. Die zerstörten Werte sind ganz be­deutend. Man spricht von 3 Millionen Mar

Spiegel verwandelnd fast geblendet schloß er einen Augenblick die Lider nun hob er sie wieder und trat bestürzt einen Schritt zurück. Vor ihm erhob e» sich leuchtend und hoheitSvoll eine weiße, duftige Gestalt, ein tiefdunkles Augenpaar blitzte nach ihm hin, eine marmor­zarte Hand streckte sich nach ihm aus und ein weiche«, süßes, melodisches Organ erbebte, einer beseelten Saite gleich in dem einen Wort:

Reinhart."

Wera ist« wahr du kommst, mich zu begrüßen?"

Nur da« Gegenteil sollte dich erstaunen lasten," versetzte sie lächelnd und scheu. Zugleich standen beide, Hand in Hand gefaßt, dicht vor einander und einen Augenblick schien es, als wolle die Liebe jeden äußere« Zwang durchbreche« und nach der langen Trennung, dem un­geheuren Weh, ihre heiß ersehnte Rechte fordern, aber schüchtern irrte Wera« Blick seitwärts zu den übrigen Anwesenden, und Reinhart, dessen Glut bereits in einer ungestümen Bewegung sich Last machte, fühlte ur­plötzlich einen Stich in seiner Brust; mit einem Schlage stand die ganze traurige Wahrheit vor ihm da und eine mahnende Stimme seines Innern erhob die Frage, ob er ein Recht habe, da« Begrüßungswillkommen der Liebe zu heischen, bevor noch entschieden sei, ob er ihr Freund oder Feind werden könne.

Die Gegenwart seiner Angehörigen und des Arztes überhob ihn einer Erklärung und seiner Verlegenheit nur die Augen der Liebenden hinge» noch einige Sekunden an einander, mit einem schimmernden, wehmutsvollen Glanz, als ob die geheimnisvollen Kristalle in ihrer Mitte in diesem Augenblick die Träger ihre« innersten Seelenleben» seien, dann lösten sich die verschlungenen Hände und der junge Mann flüsterte mit weicher Stimme:

Ich danke dir, Wera deine Hand hat mich empfangen an der Pforte des neuen Lebens, obwohl dir alles Vergangene ein Recht ver­lieh, alles zu vergessen."

(Fortsetzung folgt.)