280. Amts- und AyMgeölM für den Oderamtsliyirk Calw. 85. Jahrgang.
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Erscheinungstage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag, Jnscrtionsxreis IS Psg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Mittwoch, den 30. November 1910
Bezngspr.i. b. StadtVjjährl. m, Trägerl. Mk, I.2S, Postbezugspr. t.d.Orts-u. Nachbarortsverk. -/,jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Württ. 30 Pfg., in Bagern u. Reich 42 Pfg.
Tagesuenigkeiten.
-X- Calw 30. Nov. Mit der Erbauung des städtischen Elektrizitätswerkes ist eine ! Verlegung der Pumpstation im Bischofs verbunden. ! Die Gradarbeiterr sind gegenwärtig im vollen Gange. Die Verlängerung der Wasserleitung j erstreckt sich dem Waldhorn entlang bis in das neue Elektrizitätsgebäude. Die Unterbringung der Pumpstation in diesem Gebäude bedeutet eine große Ersparnis. Während bisher bei dem Gasmotor in der Pumpstation im Bischofs ein Mann fast beständig beschäftigt war, besorgt jetzt der Maschinenmeister des Elektrizitätswerks neben den anderen Geschäften zugleich auch die Bedienung der Pumpe, Von hier aus wird nun das Wasser des Bischoffrbrunnsns in das Wasserreservoir bei d:m Felsenweg getrieben. Die alte Pumpstation bleibt neben der neuen Kraftstation bestehen, was den Vorteil hat, daß, wenn an einer Pumpe ein Defekt entsteht, die andere Pumpe in Betrieb gesetzt werden kann. Dadurch ist es möglich, den oberen Stadtteilen jederzeit Wasser zuführen zu können. Die notwendigen Gradarbeiten konnten erst jetzt ausgesührt werden, da infolge des Neubaus des ElektrizitätSgebäudes der Zugang zum Werk durch Lagerung von Baumaterialien und dergleichen Gegenstände gesperrt war.
— Infolge der am Seminar Nagold abgehaltcnen ersten Dicnstprüfung sind u. a nachstehende Lehramts- ! Kandidaten zur Versetzung unständiger Lehrstellen an Volksschulen für befähigt erklärt worden:
Dingler, Richard, aus Gechmgen, Mcmminger, Eugen, aus Wildberg Mötz, Pan , aus Schömberg,
Süßer, Otto, aus Alrhengstett Veyl, Jakob, an» Deckenpfronn,
Stuttgart 29. Nov. (Zum Veteraven- appell.) Die am 4. Dezember an dem großen
Apprll teilnehmenden Veteranen sammeln sich um Vsll Uhr vormittags auf den für die einzelnen Regimenter oder Abteilungen bestimmten Plätzen, beim Kaiser Wilhelms-Denkmal, im Akademiehof, auf dem alten Schloßplatz, bei der Garnisonskirche, im Hof der großen Jnfauteriekaserne, im Marstallhof, auf dem Gewerbrhalleplatz, beim Jnterimtheater und auf der unteren Königstraße. Am Sonntag abend findet im Weißen Saal des ResidenzschloffeS Paradetafel zu 200 Gedecken statt, zu der die aktiven und inaktiven Veteranen- osfiziere Einladungen erhalten haben.
Stuttgart 29. Nov. (Strafkammer.) Der Juwelendiebstahl auf dem Bahnhof in Eßlingen beschäftigte heute die Strafkammer. In der Nacht zum 12. September wurde dort einem Reisenden ein Koffer, in dem sich Juwelen und Goldwaren im Werte von 17000 Mark befanden, gestohlen. Als der Täter wurde der ledige Taglöhner Eugen Canova von Mantua ermittelt. Bei der Verhandlung war Canova durchaus geständig. Der größte Teil der gestohlenen Sachen wurde wieder beigebracht, Canooa hatte sie in den königlichen Anlagen vergraben, wo sie von einem Bahnarbeiter gefunden wurden. Es fehlten 47 goldene Ringe. Die Strafkammer verurteilte den Angeklagten Canova zu 1 Jahr 6 Monaten Zuchthaus.
Ludwigsburg 28. Nov. Vorgestern abend ^6 Uhr wurde, laut „Post.", ein aus Neckarwestheim gebürtiger, auf der hiesigen Bahnstation angestellter junger Mann in dem Augenblick, als er da» Gleis passierte, um in den »ach Bietigheim fahrenven Zug zu steigen, von einer in die Station einführenden Maschine erfaßt und mitten durchschnitten, so daß der Tod sofort eintrat.
Vom Zabergäu 29. Nov. Der große Kampf in der Pforzheimer Goldwarenindustrie scheint für einzelne Gemeinden des Zabergäu» nutzbringend werde« zu wollen. Nachdem in MeimSheim die dort schon länger ansässige Firma Frcy aus Pforzheim von einer kleinen Filiale in einen großen Geschäftsbetrieb mit eigenem Fabrikbau umgewandelt wurde, sucht sich in Brackenheim eine weitere Firma der Bijouteriebranche niederzulassen. Auch für Güglingen sind Unterhandlungen im Gavge, die auf Gründung einer Goldwarenfabrik abzielen.
Crailsheim 29. Nov. (Die rätselhafte Brandursache.) Bei einem Brande in Grimmschwinden sind bekanntlich vor kurzem ein Wohnhaus und zwei Scheuern nebst Zubehör eingeäschert worden. Ueber die EntstehungS- msache ließen sich keine bestimmten Angabe» machen. ES wurde angenommen, daß das Feuer durch einen Meteor entzündet worden ist. Die Un ersuchung eines Teils der fragliche», etwa einen Zentner schweren Gesteinsmasse in München hat jedoch ergeben, daß die Annahme irrig war.
Pforzheim 29. Nov. (Gräßliche» Unglück.) In dem Hause Reuchlinstraße 2 hatte die Frau des Hausdiener» Johann Fritz einen Ausgang gemacht und ihre drei Knaben von 2/«, Z und 5 Jahren eingeschloffen, erstere» in der Wohnung, letztere zwei in der Küche. Dort zündelten die beiden und brannten einen Korb mit Wäsche an. Als die Mutter heimkam, lagen die zwei Knabrn, im Rauch erstickt, tot unter dem Tisch. Auch eine in der Küche befindliche Katze war erstickt.
Aus Baden 29.Nov. (Streikbewegung.) In Rastatt streiken mit Ausnahme der Lackierer sämtliche Arbeiter der Waggonfabrik. In den
Zlm den Lorbeer der Wissenschaft.
23) Roman von Friedrich Thieme.
(Fortsetzung.)
„Aber du, Reinhart, läßt ebenfalls einen wichtigen Umstand außer acht," mischte sich Gertrud hier ein. „Gesetzt, Leopold hätte dir da» Buch gestohlen — würde er nicht schleunigst die Gelegenheit wahrgenommen haben, den Inhalt als von ihm herstammend zu veröffentlichen, um dadurch nicht allein den unzweifelhaften Nachweis zu führen, daß er in der Tat die Reisen ausgeführt, sondern dir auch die Möglichkeit zu entziehen, da» Buch und seine Notizen gegen ihn in die Wagschale zu werfen?"
„Auch daran habe ich bereits gedacht, Gertrud, und mich verwundert gefragt, warum Leopold das nicht getan hat. Doch die Antwort darauf ist nicht schwer. Der Inhalt des Buches ist von so großer Wichtigkeit, daß niemand verstehen würde, warum der zurückgekehrte Reisende mit der Veröffentlichung wenigstens eines Auszug» daran» so lange gezögert habe. So gut wie er gleich in den ersten Tagen die Quintessenz seiner angeb liehen Reiseerlebnisse in die Welt sandte, mußte er auch von diesem Material einige Andeutungen der ausführlichen Darlegungen vorausschicken. Er hat es nicht getan — niemand würde die Unterlassung verstehen. Die verspätete Publikation könnte ihm daher weit mehr schaden als nützen."
„Ganz meine Meinung," stimmte Fresen lebhaft bei. „Sicherlich ist die Beseitigung des Buches für ihn nützlicher al« die Veröffentlichung. Die Reise bringt ihm an sich Ruhm genug. Wenn aber, woran ich nun selbst nicht zweifle, da» Buch nicht mehr vorhanden ist, wie wollen Sie für Ihre Behauptung den Wahrheitsbeweis anirete«?"
„Ich weiß e» nicht. Ich muß jedenfalls de» Versuch machen, auch
ohne da» Buch meine Rechte zu vertreten. Was sollte ich sonst tun? Ich müßte dann ja für immer schweigen," versetzte der junge Forscher nachdrucktvoll.
„Sehr wahr."
„Uebrigens stellen wir uns die Schwierigkeiten größer vor, als sie sind. Leopold Sekal hat sich meine Lorbeeren auf» Haupt gesetzt, weil er mich tot wähnte — er hat bisher bei seiner Anmaßung beharrt, weil die Verhältnisse ihn unterstützten, weil mein Geist umnachtet war und er hoffen dulfte, ich würde nie unter die Menschen zurückkehren, um Zeugnis gegen ihn abzulegen und mein Eigentum zurückzuforder»! Sieht er sich in dieser Voraussetzung getäuscht, so bleibt ihm nichts übrig, als ei« kläglicher Rückzug — ich bin überzeugt, er wird nicht so weit gehen, mir ins Gesicht auf seinen Lügen zu beharren!"
„Ich will es um Ihretwillen wünschen, lieber Reinhart," erklärte Fresen, nachdenklich seinen runden Kopf wiegend und die Oberlippe nagend. „Sie selbst betonten freilich vorhin, wie viel für Sekal auf dem Spiel steht —"
„Trotz alledem — er unterlag einer sehr naheliegenden Versuchung — nun, er wird sie auch im günstigsten Falle teuer genug büßen — eine» direkten Schurkenstreiche» möchte ich ihn nicht eher für fähig halten, bi» mich sein Beginnen dazu zwingt."
„Wat du auch unternimmst, Reinhart," flehte Gertrud, „denk an Wera! Verfahre mit so viel Schonung al» du vermagst!"
Reinhart legte sanft seine Hand auf die Schulter der neben ihm sitzenden Schwester.
„Meine liebe Gertrud, wenn jemals eine Mahnung fruchtbaren Boden fand, so gewiß diese. Ich müßte Wera nicht halb so lieben, als es geschieht, wenn mein Herz nicht blutete bei jedem Schritt, der ihr zartes Gemüt verwunden konnte. Selbst Leopold wollte ich um ihretwillen verzeihen! Um ihretwillen will ich auch anfangs alle» in gutem