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teruag, eine sehr gute war, und mit Zuversicht sehe» wir dem Jahr 1911 entgegen. Stehen doch nächste« Jahr, durch den Bau eines Hotel« und verschiedener Privathäuser, «och eine größere Anzahl von Zimmern zur Verfügung; denn in der Hochsaison mußten viele Fremden wieder von hier abreisen, weil keine Unterkunft mehr zu finden war.

o Althengstett 26. Nov. Gestern hat ^ durch da« K. Bauamt für da« öffentl. Wasser- versorgungSwesen die Uebernahme der hiesigen Hochdruckwasserleitung stattgrfunden. Der neue Oberamtlvorstand, Hr. Regierungsrat Binder, war anläßlich dieser Gelegenheit zum erstenmal in unserer Gemeinde anwesend und hat die Wasserversorgungsanlage und die sonstigen Einrichtungen der Gemeinde besichtigt. Die neu­gebildete freiwillige Feuerwehr wurde nachmittags 3 Uhr unverhofft alarmiert und in kurzer Zeit war da« stattliche Corps angetreten. Mit sicht­lichem Interesse folgten Hr. Reg.-Rat Binder und die Herren Techniker vom K. Bauamt der Uebung. Der Hr. Oberamtsvorstand sprach sich vor versammelter Mannschaft sehr anerkennend über den Fleiß und Eifer der Feuerwehr aus. Nach der Uebung verteilten sich dre Züge in den einzelnen Wirtschaften und vergnügten sich bei dem von der Gemeinde gestifteten Freibier. Abend« versammelten sich die bürgerl. Kollegien und die Unternehmer der Wasserleitung zu einem Festbankett im Gasthau» zum Adler. Schultheiß Brau» erklärte in seiner Rede, daß der Be­trieb der ganzen Anlage seit Beginn tadello« funktioniere und daß er in der Lage sei, fest­stellen zu können, daß e« in der Gemeinde Alt- hengstett nur noch eine Stimme de« Lobe« der Wafferleitung gebe. Gar mancher früher er­grimmte Gegner der Wafferleitung, der während dem Bau in derben Worten seinem Grimm Autdruck verlieh, sei heute unter dem Eindruck der Ueberzeugung von der Vortrefflichkeit de« Geschaffenen beschämt verstummt. Schultheiß Braun sprach sodann dem K. Bauamt für das öffentliche WafferversorgungSwesen, welches sich bei dem Bau der Wafferleitung besondere Ver­dienste erworben habe, sowie sämtlichen Akkor­danten, und namentlich den Unternehmern Alber u. Reim und Gohl, welche die Grab- und Rohr- legungSarbeiten in kürzester Zeit zur Ausführung brachte« und auch den mitwirkevden Arbeitern den wärmsten Dank au«. Hr. Reg.-Baumeister Hammann erklärte, daß e« nur Pflicht de« K. Bauamts sei, die Arbeit richtig aurzudenken und auszuführen und suchte den Dank auf den Gemeiuderat, durch dessen Beschlußfassung diese Anlage entstanden sei, zu lenke». Hr. Reg.-Rat Binder gab in längerer Rede seiner Freude darüber Autdruck, daß da» Zusammenwirken der bürgerl. Kollegien so harmonisch sei. Er könne zu seiner großen Befriedigung konstatieren, daß die bürgerl. Kollegien in Althengstett große« In­teresse an einer gesunden, fortschrittlichen Ent­wicklung ihrer Gemeinde zeigen und durch ihr harmonische« Zusammenwirken dies Ziel erreichen. Al« Bewei« nenne er die in Ausführung be­griffene Feldbereinigung, die Ausführung der Wafferleitung, Einrichtung von Elektrizität, Be- walzung der Ortsstraßen, Fertigung eines OrtS- bauplan«. Es seien die« lauter Projekte, die mit enormen Geldopfern verbunden sind und zu deren Beschlußfassung und Aulführung große Energie nötig sei. Er glaube nicht fehlzugehen, wenn er den Vorsitzenden de« Kollegiums, Hrn. Schultheiß Braun, als die Triebfeder dieser Energie bezeichne. Ihm sei die Bürgerschaft für seine viele Mühe und Arbeit bei Lösung der großen Aufgaben zu Dank verpflichtet. Sodann brachte er ein begeistert aufgenommene« Hoch auf Schultheiß Braun au». So hat sich gestern die WafferleitungSübernahme ungeahnt zu einem kleinen Wasserfest entwickelt, da« in schönster Weise verlaufen ist. Etwas bedenklich war das unverhofft gekommene Glatteis, mit dem manch ein stillvergnügt spät heimkehrender Feuerwehr­mann noch nahe Bekanntschaft gemacht hat.

Nagold 27. Nov. (Die Nagoloer Hilfsgelder.) Anläßlich der Hebung de« Gasthofe« zum Hirsch durch den inzwischen ver­storbenen Bauunternehmer Rückgauer ist bekannt­lich das Gebäude am 5. April 1906 eingestürzt.

Bei diesem Unglück verloren 51 Menschen ^as Leben. Mehr al» hundert wurden mehr ober weniger schwer verletzt. Die damals eingeleirete Hilfsaktion ergab die hübsche Summe von etwa 140000 Mk. Nach Bezahlung der BeerdigungS- kosten für die Gelöteten und die Kurkosten für die Verletzten u. s. w. blieben noch 108000 Mk. übrig, von welcher Summe dis anfallenden Zinse» als Renten prozentual den Verletzten und Hinterbliebenen Witwen und Waisen zur Verfügung stehen. Zwei der Verletzten haben nun, wie in derFrankfurter Zeitung" berichtet wird, Ende vorigen Jahres an die Stadtgemeinde Ersatzansprüche gestellt und auch 1200 und 600 Mark bewilligt erhalten. Daraufhin traten auch die übrigen Verletzten, im ganzen 58, an die Stadt, die mit 100 000 Mk. gegen Haftpflicht versichert ist, mit EmschädigungSforderungen heran. Die Stadtverwaltung lehnte aber diese Haftung rundweg ab. Die Beteiligten klagten, wurden aber wegen Verjährung ihrer Forderungen vom Landgericht Stuttgart kostenpflichtig abgewiesen. Die Angelegenheit kommt nunmehr am 29. Nov. vor dem Oberlandelgericht erneut zur Verhand­lung, da die Abgewiestnen es bei dem Urteil erster Instanz nicht bewenden kaffen wollten. In einer Bittschrift an da» Hilfskomitee stellten die Verletzten ferner das Verlangen, von den noch vorhandenen 108 000 Mk. den Waisen der so­fort und später mit Tod abgezangenen Opfer 50 000 Mk. in Sparkaffenbüchern anzulegen und den Rest mit 58 000 Mk. an die Witwen und noch lebenden Verletzten zu verteilen. DaS Hilfskomitee ging aber bi« jetzt auf diesen Vor­schlag nicht ein, sondern will es bei dem jetzigen System (Verteilung der Zinsen al» Renten) belasten und das Kapital, wenn sämtliche Renten­empfänger wkggefallen sind, dem Bezirkskranken- haus Nagold überweisen. Die Hinterbliebenen und Verletzten sind aber anderer Meinung und machen geltend, daß die Gelder für die Opfer der Katastrophe, nicht aber für das Nagolder Bezirkskrankenhaus eingegangen seien. Nach Beendigung des Prozesses mit der Stadtgemeinde wollen die Beteiligten bei dem Hilfikomitee weitere Schritte unternehmen.

Stuttgart 26 Nov. (Zur Silber­hochzeit des Königspaares) Wie be­kannt, haben der König und die Königin den Wunsch ausgesprochen, er möge aus Anlaß der Feier der Silbernen Hochzeit am 8. April 1911 von der Darbringung persönlicher Geschenke und von allen größeren festlichen Veranstaltungen und Huldigungen abgesehen werden. Nun aber ist der schon in der Presse laut gewordene Ge­danke eine« da» ganze Land umfassende» Wohl- tätigkeitSakte« in den Vordergrund getreten, das in Stuttgart am 28. Mai d». I». durch den Verkaufttag der Blume der Barmherzigkeit" gegebene Beispiel nochmals und zwar gleichzeitig im ganze» Lande zu verwirklichen. Das Erträg- ni» diese« allgemeinen Blumentage» soll dem König»paare als eine Festgabe de« ganzen Volkes zur Bestimmung de» Wohlfahrt»zweckes, dem e» dienen soll, überreicht werden.

Stuttgart 26. Nov. (Beamtenauf­besserung.) Wie da« Neue Tagblatt au» sicherer Quelle erfährt, ist beabsichtigt, den Ent­wurf zum neuen Beamtenbesoldungkgesetz noch vor Weihnachten, jedenfalls aber spätestens mit dem Etat zu veröffentlichen.

Tübingen 26. Nov. (Scheuende Pferde.) Ein schweres Unglück ereignete sich gestern in der Neckarstraße. Die Pferde eine« Ofterdinger Fuhrwerk« scheuten und die zwei Insassen wurden vom Wagen geschleudert und überfahre». Der eine wurde schwer verletzt in die Klinik verbracht, der andere kam mit leich­teren Verletzungen davon.

Tübingen 26. Nov. (Tübinger Kriegsteilnehmer.) Geheimrat v. Brun», Exzellenz, macht seinen Kriegskameraden von 1870/71 ein hübsches, wertvolles Geschenk. Er hat eine Liste sämtlicher Kriegsteilnehmer aus Tübingen angelegt und wird diese in gefälliger Ausstattung zu der morgen stattfindenden großen Veteranenfeier überreiche». Die Liste enthält 183 Name», davon sind 81 Kriegsteilnehmer noch am Leben. Die übrigen sind schon zur

großen Armee abberufen worden. 9 waren Ritter des eisernen Kreuzes. Bei Villier« fielen 5 Mann, bei Champigny einer, drei starben im Feldlazarett. Die Anlage solcher Listen em­pfiehlt sich eigentlich für alle Orte, denn schnell sind die Name« derer vergessen, die einst aus­gezogen gegen Frankreich, und e« ist doch immer interessant für jede Stadt, diese Namen dem Gedächtnis zu bewahren, zumal da da« Häuflein der Veteranen immer mehr zusammenschmilzt.

Pfullingen 27. Nov. Zwei hiesige Schutzleute waren bei ihren pflichtmäßigen Versuchen, dem Rodeln auf dem Elisenweg zu steuern, abends von übermütigen Burschen schwer gereizt, verhöhnt und, wie es heißt, auch beworfen worden. Sie ließen sich durch ihren berechtigten Grimm verleiten, den Burschen mit Knüppeln auszulauern. Als wieder einige Rodelschlitten daher kamen, schlugen sie in der Dunkelheit blindlings darauf los und trafen ein Fräulein so unglücklich auf den Kopf, daß diese« bewußtlos vom Platze getragen werden mußte. Untersuchung ist eingeleitet.

Eßlingen 26. Nov. (Erwischt.) Gestern wurde in Uhlbach durch einen hiesigen Lantjäger der längstgesuchte, steckbrieflich ver­folgte, rückfällige Betrüger Landvater verhaftet und an das Amtsgericht Stuttgart eingeliefert.

Knittlingen 26. Nov. (Unbegrün­deter Verdacht.) Der frühere Wirt Gustav Brechstein war verhaftet worden unter dem Ver­dacht, den Brand gelegt zu haben, der in der Nacht des 3. Oktober Scheuer und Wohnung des Gemeinderats Goll hier einäscherte. Die Untersuchung hat diesen Verdacht nicht bestätigt. Brechstein ist daher jetzt nach sechswöchiger Unter­suchung auf freien Frß gesetzt worden.

Hall 26. Noo. (Das erste Rodel­unglück.) Gestern nachmittag ereignete sich auf der Rodelbahn am Crailsheimer Tor ein schreckliches Unglück. Ein Au!o wollte einem dahrrrodelnden etwa 12jährigen Knaben auS- weichen. Unglücklicherweise wich diescr nach der­selben Seite aus, wobei ihm das Auto beide Beine abfuhr. Der Zufall wollte, daß sich in dem Auto ei» Arzt befand, der dem Knaben, dem Sohn einer Witwe, die erste Hilfe leistete und ihn sofort ins DiakoniffenhauS verbrachte. Ob der Lenker de« Autos, einen hiesigen Fuhr­unternehmer, oder den Knaben selbst die Schuld trifft, wird sich kaum feststelle« lassen.

Pforzheim 26. Nov. (Arbeiter­bewegung.) Die gekündigten organisierten Goldarbeiter sind gestern und heute vollends au« den Fabriken auSgetretenbezw. ausgesperrt worden. Die Zahl der Ausgetretenen ist so bedeutend, daß eine ganze Reihe von Fabriken überhaupt nicht weiter arbeiten kann. Ueber 60 Fabriken stehen bereit« st'll.

Berlin 26. Nov. (Reichstag) Am Bundesraistisch der Reichskanzler v. Bethmann- Hollweg und die Staatssekretäre Delbrück, Krätke und Lisco. Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung. Auf der Tagesordnung stehl zunächst die Interpellation der Sozialdemokraten betreffend die Kaiserreden. Auf Befragen erklärt sich der Reichskanzler zur sofortigen Beantwortung der Interpellation bereit. In Begründung der Interpellation führteAbg. Ledebour (Soz.)aus: Bet der früheren Interpellation herrschte bei allen Parteien des Reichstags Einmütigkeit in der tief­gehenden Entrüstung über die damalige Kaiserrede und über die Veröffentlichungen imDaily Telegraph". Ein großer Teil des Reichstags verlangte gesetzliche Maßnahmen, nicht bloß die Soz'alisten. Die in­dividuelle Auffassung des Kaisers von seiner staats­rechtlichen Stellung führt zu selbstherrlichen Ein­griffen in die Politik des Landes. Sie schädigt das Ansehen Deutschlands. Fürst Bülow hat sie hier ein Unglück genannt. Schli ßlich hat auch der Kaiser das bindende Versprechen abgegeben, solche Eingriffe nicht zu wiederholen. Das deutsche Volk wurde nun im August dieses Jahres durch die Königsberger Rede überrascht, die eine offene Verkündung des Gottesgnadentums und des persönlichen Regiments war (Sehr richtig! links.) Das hat die gesamte Puffe m't Ausnahme eines Teils der konservativen anerkannt. Tatsächlich ist die Krone gebunden an verfassungsrechtliche Bestimmungen. Mindestens seit 1849 gibt eS kein selbstherrliches GotteSgnadentum mehr. Auch dis Ausführungen über die Stellung