dem früheren Musketier Braun zweimal Ohrfeigen gegeben habe». Deswegen hatte er sich vor dem Kriegsgericht zu verantworten. Während der beklagte Oberstleutnant die ihm zur Last gelegte Tat bestritt, hielt Braun, dem von keiner Seite ein gutes Zeugnis aukgestellt wurde, seine Angaben aufrecht. Dar Gericht sprach Oberstleutnant v. Engelman» frei.
Pforzheim 25. Nov. Im Wald zwischen hier und Seehaus ereignete sich ein schwerer Fuhrwerksunfall, der leicht hätte ein Menschenleben kcsten können. Ein leerer Langholzwagen, der bei Nacht ohne Licht durch den Wald Heimsuhr, stürzte über die Felsen hinab in ein Bachbett, den Fuhrmann in der Finsternis unter dev Pferden begrabend. Ein Begleiter des Verunglückten konnte ihn nicht befreien. Zum Glück kam ein Landbriefträger mit Licht, sodaß der Mann, obwohl verletzt, vom Erstickungstod bewahrt werden konnte. Es wurde dann rasch von Seehaus und Würm Hilfe geholt, worauf nach zweistündiger Arbeit Pferde und Wagen geborgen wurden. Die Pferde find v:r- letzt, aber nicht schwer. Der Fuhrmann war bewußtlos, ob er innere Verätzungen erlitten hat, bleibt abzuwarten.
Berlin 25. Nov. (Reichstag.) Am BundesratStisch: Staatssekretär Dr. Delbrück. Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 1.15 Uhr. Die Besprechung der Interpellationen über dis Fleischteuerung wird fortgesetzt. Hildenbrand (Soz.): Die Verbitterung der Arbeiter über die Fleischteuerung wird noch dadurch vergrößert, daß dir Regierung keine Schritte zur Linderung unternimmt. Der Arbeiter hat einen Anspruch auf die Möglichkeit de» Fleischgenufses und verlangt von der Regierung, daß ihm dieser Genuß ermöglicht wird. Wir brauchen nicht nach Schlagworten für die Wahlen zu suchen. Dasür sorgen Sie (nach rechts) und da» Instrument des Himmel». (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Der Reichskanzler versagt als Instrument des Volke». Deshalb muß da» Volk selber die Teuerung beseitigen durch Aufhebung der verteuernden Politik, der indirekten Steuern und Zölle. Weshalb will man denn nicht wenigsten« ausländische» Getreide einlassen? Die ganze Wirtschaftspolitik kommt auf die Politik der Junker hinaus. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Staatisekretär Dr. Delbrück: Die Mehrheit de» Hauses teilt nach dem Ergebnis der Debatte in der Hauptsache den Standpunkt de» Reichskanzler». Der Abgeordnete Wiemer hat mir vorgeworfen, daß ich ol< Staatssekretär ander» gesprochen habe wie früher al» Oberbürgermeister von Danzig. Aehnliche» hat man schon Miguel «achgesagt. Da» beweist, daß ein Minister, bei dem die Sorge für die wirtschaftlichen Interesse» eine» ganzen Reiche» liegt, manches anders avsicht al» ein Bürgermeister, der nur beschränkte Interessen mit allem Nachdruck zu vertreten hat. Da» Rrich»- gesundheitSamt hat nachgewiesen, daß da« von Deutschland benötigte Quantum Fleisch auch vorhanden ist; wenn auch Schwankungen selbstverständlich find, so müssen wir doch alles tun, um einem Rückgang vorzubeugen. Meinungsverschiedenheiten bestehe» aber darin, ob der Reichskanzler Mittel hat, die geeignet find, die vorhandenen Uebrlstände zu beseitigen und ob die Kosten dieser Mittel nicht in einem Mißverhältnis stehen zu dem Erfolg. Die Schutzmaßnahmen müssen aufrecht erhalten werde». Eine wesentliche Erleichterung des Markte» ist durch eine Orffnung der Grenzen nicht zu erwarten. Eine Sicherstellung der Fleischversorguvg für alle Zeiten ist nur zu erwarten, wenn wir der Landwirtschaft eine gewisse Sicherheit und einen mäßigen Gewinn verbürgen und ihr auch den nötigen Schutz gegen Seuchen sichern. Wir würden uns also schlimmen Rückschlägen aussetzen, wenn wir nicht im Lande unseren Bedarf zu decken suchen. Unsere Wirtschaftspolitik soll einseitig agrarisch sein, Zölle und Veterinärpolitik sollen das Volk in unerschwinglicher Weise belasten und doch find zwischen 1840 und 1850 die Lebenrmittel- preise in Hamburg höher gewesen al» jemal» seit dem Bestehen unsere» Zolltarifs. Die Behauptung, daß allein unsere Wirtschaftspolitik
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die Fleischversorgung erschwere, ist mit guten Gründen zuiückgewirsen worden. Der Ausgangspunkt unserer Schutzzollpolitik war übrigens nicht die Landwirtschaft, sonder» die Industrie. E» wäre grundfalsch, aus vorübergehendem Anlaß oder aus theoretischen Erwägungen rütteln zu wollen an einer Politik, die uns hochgebracht Hot. Ich kann nur wünschen, daß da» deutsche Volk die Einsicht besitzen wird, daß auch durch den künftigen Reichstag un» die Möglichkeit gegeben wird, die bisherige Wirtschaftspolitik beizubehalten (lebh. Beifall rechts, Ruf bei den Soz.: Schneiden Sie sich nur nicht!). Wachhorst (natl.): Ich gebe zu, daß eine Preissteigerung für Rind-und Schasfl'isch eingetretrn ist, nicht aber für Schweines! isch. An der Steigerung ist die Landwirtschaft nicht schuld. Durch O-ffnung der Grenzen läßt sich das Nebel nicht beseitigen, sondern nur durch möglichste Hebung der Produktion. Der Bund der Landwirte hat nicht die Verdienste, die er sich zuschreibt, die Konservativen sollten der inneren Kolonisation nicht direkte und indirekte Hindernisse bereiten (Zuruf rechts: Unwahrheit!). Ein solcher Zuruf ist eine Gemeinheit. (Der Redner wird zur Ordnung gerufen.) Die Nationalliberalen sind stets für den Schutz der nationalen Arbeit eingetrcte». (Beifall bei den Nationallib.) Kobelt (wildlib.): Daß eine Fleischteuerung besteht, verspüren wir such in der Reichstags- restauration. (Große Heiterkeit.) Der Land- wirtschafttminister will de» Zwischenhandel aus- schalten. Ist das Mittelstandspolitik (sehr gut! linkt). Der Redner wendet sich gegen die Grenzsperre und sagt e» sei Höchsts Zeit, daß die Regierung etwas tue. (Beifall links.) Linz (ReichSp.): Der Fleischkalamität kann nur durch eine Enquete zur Feststellung der Preisunterschiede zwischen Produktion und Konsumtion abgeholfen werden. Wölzl (natl.) e» ist nicht richtig, daß die Städte durch Erhöhung der Schlachthausgebühren einen Ausgleich für den Wegfall de» Oktroi sich verschaffen wollen. Hahn (B. d. L): Die innere Kolonisation ist auch unser Wunsch. Eine gegenteilige Behauptung ist eine Unwahrheit. Da» Verdienst, die neue Wirtschafttpolitik Bismarcks durchgesetzt zu habe», gebührt zum groß?» Teil dem Zentrum. Die nationalliberale Politik war dabei sehr widerspruchsvoll. Emmel (Soz ): Tatsächlich zahlt die Landwirtschaft die schlechtesten Löhne und die Fleischnot befühl Der deutsche Kaiser selbst hat von Brotwucher gesprochen. Feg-
1 er (Fortschr. Vp.): Auch heute hat Dr. Hahn die gewohnte Verbeugung vor dem Zentrum nicht unterlassen. Was die Fleischversorgung Deutschland» betrifft, so kann eine solche nur durch eine Stärkung der Kleinbauern gewährleistet werden. Löscher (ReichSp): Die Agitation in der liberalen Presse ist übertrieben. Die Fleischteuerung wird, soweit sie befühl, bald vorübergehen. Hierauf wird ein Schlußantrag angenommen. Die Interpellation ist damit erledigt. Morgen Rest der heutigen Tagesordnung, insbesondere Interpellationen über die Kaiserrede.
Hamburg 25. Nov. Um 2 Uhr nachmittags «ahm die infolge Nebel» bereit» unsichtige Luft so an Dichtigkeit zu, daß nachtähnliche Dunkelheit herrscht und allenthalben Beleuchtung notwendig ist.
London 25. Nov. Anhängerinne» de» Frauenstimmrecht», die gestern abend verhaftet worden waren, erschienen heute morgen vor dem Polizeigericht in Bowstreet. Die erste war angeklagt, Steine in die Fenster de» Ministeriums des Innern geworfen zu haben. Sie antwortete dem Richter, sie habe es getan um gegen die Regierung zu protestieren. Der Richter sagte: Ihr Frauen seit zu unzähligen Male« mit Nachsicht behandelt worden. Ich verurteile Sie zu 2 Monaten Gefängnis. Eine andere junge Frau von 22 Jahren sagte, sie habe die Fenster im Ministerium de» Innern eingeworfen, um zu ihrer Mutter zu gelangen, die gestern zu
2 Wochen Gefängnis verurteilt worden sei. Der Richter verurteilte sie zu 1 Monat Gefängnis. Andere erhielten ähnliche Strafen, ausgenommen zwei oder drei, welche zu Geldstrafen und im Nichtbeibringungsfall zu 2 Wochen Haft verurteilt wurden.
Vermischtes.
Meerbebe v. Ueber ein schauerliches Meerbebe», das der von Rotterdam nach Philadelphia verkehrende Dampfer Cardillac durchgemacht hat, werden aus London jetzt nähere Einzelheiten berichtet: Am 20. Oktober befand sich der Dampfer auf hoher See, und um 5 Uhr morgens, gerade bei Anbruch des Tages, bemerkte der Amlvg haltende Offizier ganz ungeheure Wasserwegen, dis sich an das Schiff heranwälzten. Kaum war der Kapitän von dem drohenden Unheil versündigt, und. kaum hatte er sich auf die Kommandobrücke begeben, um das Notwendigste anzuordnen, als auch schon die unübersehbaren Waffermenge», die die Höhe der Mastbäume zu überragen schienen, das schwankende Fahrzeug in ihrer Gewalt hatten. Wie eine Nußschale wurde es turmhoch gehoben, um im nächsten Augenblick in das todverkündende Höllental hinabzugleiten, wobei das Deck vollständig überspült wu de. Alle», was nicht rriet- und nagelfest war, wurde von dm sinnlos wütenden Wellen weggerissin. Als das ärgste Überständer; war, war es klar, daß nur die rechtzeitige Warnung den Dampfer mit der Mannschaft geratet hatte. Noch schien die See, obwohl unvergleichlich ruhiger, in großer Erregung. An vielen Stellen schien sie im buchstäblichen Sinne des Wortes zu kochen und unzählige Wasserhosen bildeten sich und verschwanden wieder. Dabei ließ sich ein fast gebrüllartigss Gedröhn aus der Tiefe vernehmen, das offenbar von einer gewaltigen Erschütterung herrühren mußte. Da« Wasser von einigen der Wasserhosen fiel auf da» Deck der Cardillac und erwie» sich als ziemlich warm. Nach wenige» Augenbl ckm verschwand der stürmische Wind vollkommen, und nur ein widerlicher, schwefelartiger Geruch blüb übrig, der das Aimen erschwerte. Nachher schwammen Tausende von toten Fischen auf der Oberfläche des Meeres, die zweifelsohne Opfer der submarinen vulkanische» Eruption geworden waren.
(Gedenk et der hungernden Vögel.) Wenn die Not auch jetzt noch nicht am größten ist, so soll doch j tzt schon diese Bitte i« die Welt hinaus gerufen werden. Die Vogelschutz- vsreine kämpfen überall gegen die widerwärtige Unsitte des Einfangens urd VerspeisenS unserer Singvögel, wenn wir j tzt schon an alle» Orten Futter für unsere Lieblinge auslegen, tragen wir schon unfern Teil zu diesem Kampfe bei, denn die Vögel kommen au« Feld und Wald in die Nähe unserer Wohnungen. Wo der Fang nicht mehr ausgeübt werden kann, gewöhnen sie sich an un« und siedeln sich schließlich auch immer mehr in unserer nächsten Nähe an, erfreuen uns immer und immer wieder durch ihre« herrlichen Gesang und ihr munteres Wesen und sind unfern Obst- und Gemüsezüchtern werlrolle Bundesgenossen im Kakipfe gegen da« lästige Ungeziefer. Die Amsel z. B. war früher ein scheuer Waldvogel, der ängstlich die Nähe der Menschen mied. Erst durch das Entgegenkommen der Menschen gewöhnte sie sich mehr und mehr an diese und ist heute ebensogut in unseren Gärten rc. zu treffen, wie der dreiste Spatz. Wer freute sich nicht an den Maffen- konzerten unserer gefiederten Mitgeschöpfe, wer freute sich nicht an ihrer Possierlichkeit, an ihrem schönen Gefieder, und mit war lohnen wir? Hier gilt es, eine Dankesschuld abzustatten, darum: Gedenket der hungernden Vögel!
Standesamt Calw.
Geborene.
13. Nov. Karl, S. d. Jakob Fmihmüller, Küfer« gesellen hier.
Gestorbene.
20. N-v, Sofie Berta, T. d. Wilhelm Weiß, Hassers hier, 2 Wochen alt.
23. Nov. Julius Feldweg, Eichmeister hier, 71'/, Jahre alt.
Die hungernden Vögel bitten um Futter!