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Amts- an- Anmgeblatt für dm OderamtsbeM Calw.

85. Jahrgang.

Erscheimingstage: Montag. Dienstag. Mittwoch. Donnerstag. Freitag und Samstag. Jnsertionspreis 10 Pfg. pro Zeile für Stadt u. Bczirksorte; außer Bezirk 12 Pfg

Samstag, -en 26. November 1910

BezugLpr. i. d. Stabt ^jährl.m. Trägerl. Mk. 1.28. PoftbezugSpr. f.d.Orts-u.Nachbarorlsverk. V^jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in LSürtt. 30Pfg., in Bayern u. Reich 42P1g.

Tagesnenigkeiten.

Calw. Die Handwerkskammer Reutlingen schreibt uns: Mit dem Nahen der Weihnachtktage stellen sich auch wieder dis verlockenden Anpreisungen und Kataloge aut- wärtiger Versandtgeschäfte ein, welche durch entsprechende Aufmachung und vielfach auch durch scheinbare Vergünstigungen aller Art auf ein gutgläubiges Publikum zu wirken suchen. Die Käufer bedenken dabei in der Regel nicht, daß viele diesergroßen" Versandhäuser in Wirklich­keit recht bcschlidenen Umfanges sind, meist wesentlich t-urer anbieien als jeder Geschäfts­mann am Platze und daß in letzter Linie die Käufer es sind, welche die ungeheuren Spesen und Unkosten, die Reklame- und Verpackungs­kosten, das Porto und die Nachnahmegebühren und ebenso aber auch etwa angeboteueExtra- Geschenke" und dergl. mehr selbst bezahlen müssen, daß also von einem besonders vorteilhafte» Kauf nicht die Rede ist. Wie dies nicht anders sein krnn, st-rden sich die glücklichen Empfänger beim Eintreffen einer solchen Sendung dann vielfach bitter getäuscht und ärgern sich mit Reckt darüber, daß der erhaltene Gegenstand den gestellten Er­wartungen nicht, oder doch nur teilweise entspricht. Gut zu machen ist ein solcher Schaden in der Regel nicht mehr und wenn diskoulantesten" Bedingungen im Katalog stehen, jedenfalls aber nur mit weiteren nicht geringen Spesen. Aber auch die Lust am Kaufen und Schenken ist damit verloren. Um vieles besser ist es deshalb, am Platze oder wenn die betr.ffende Branche nicht vertreten sein sollte in der Nachbarstadt zu kaufen. Dadurch, daß der Käufer die Mög­lichkeit hat, sich.von Aussehen und Qualität des Gegenstandes persönlich zu überzeugen, nach Ge­schmack, Preis oder anderen Rücksichten persönlich aurzuwählen, ist er deu obenerwähnten unange­nehmen Ueberraschungen nicht ausges-tzt. Sollte sich einmal ein Mangel Herausstellen, so kann er die Ware Umtauschen; denn der ansässige Ge­schäftsmann ist ganz anders als der auswärtige daran interessiert, daß der Kunde wieder kommt. Er wird ihm auch sonst in jeder Weise gerne entgegenkommen und dadurch, daß sich seine Aufträge mehren, in Auswahl und Preis immer leistungsfähiger werden. Dies zu fördern liegt in der Hand dls Publikums. Zu alledem ist der ansässige Geschäftsmann meist Fachmann in seinem Spezialfachs; seine Warenkennlnifse und seine Erfahrungen setzen ihn in den Stand, dem Käufer mit praktischen Ratschlägen an die Hand zu gehen. Deshalb: Wer ohne Aerger und Enttäuschungen seine WeihnachtSeinkäufe machen und zu angemessenem Preise gediegene Ware erhalten will, der kaufe in leistungsfähigen Geschäften am Platze.

* Calw 26. Nov. Der Winter setzt mit großer Heftigkeit ein; gestern früh zeigte da» Thermometer 8 Grad Celsius. Auf den Waldortrn und an den Abhängen gegen das Tal konnte der Schlitten gebraucht werden und die Jugend ließ eS sich nicht nehmen, sich dem großen Vergnügen bis spät in den Abend hin zugeben. Ein schwacher R gen machte die Bahn spiegelglatt, so daß die Fahrt lustig bergab ging. Für dis Pferde war der schlüpfrige Boden weniger angenehm, die Hufeisen waren noch

nicht gesp'tzt und mehrere Pferde kamen zu Fall. Bei manchen kostete es große Anstrengung, bis sie wieder auf die Beine gebracht werden konnten. Auch heute sind die Straßen mit Glatteis be­deckt und der Verk.-Hr zu Wagen und Fuß schwierig.

Die Kgl. General ircktiou der Posten und Telegraphen bat die Postgehilfin Anna Schmidt in Calw auf Ansuchen entlassen.

Stuttgart 26. Nov. Nach einer neuer­dings erfolgten Auslegung des Aufrufs zum Appell der Kriegßveteranen können an dieser Veranstaltung, wie derStaattanzeiger" meldet, nicht nur die eigentlichen Kriegsteil­nehmer von 1848, 1866 und 1870/71, sondern auch diejenigen O festere, Unteroffiziere und Mannschaften, welche 1870/71 nur in der Gar­nison einberufen waren ur.d im Besitze der Krngidenkmünze von Stahl für Nichtkombaltanten sind, teilnehmen. Diejenigen Mannschosien dieser Kategorie, welche vom Präsidium deSWürtremb. Kriegrrbundes schon eine Abweisung erfahren haben, sind ohne weiteres in die Lfftr der ange­meldeten Teilnehmer ausgenommen worden, etwaige Neuanmeldungen müßten umgehend erfolgen.

Stuttgart 25. Nov. Wie die Stutt­garter Fleischerinnung mitteilt, ist ek jahre­lange Uebung, daß die Fleischverkauftpreise am 1. und 15. eine» Monat», wenn Veranlassung vorliegi, neu geregelt werde». In der ersten Hälfte des laufenden Monats haben nun die Schweinepreise gerade gegen die Mitte des Monats wieder angezogen, sodoß für die Herab­setzung de» Lader flsisckpreise» am 15 November keine Begründung vorhanden war. Eine Aende- rung kann erst wieder auf 1. Dezember erwartet werden.

Stuttgart 25. Nov. (EineBallon- wettfahrt in Stuttgart.) Ei» seltene» Schauspiel wird die Einwohnerschaft von Groß Stuttgart am Samstag, 3. Dezember d. I, ge­nießen: eine Ballonweilfahrt des Württ. Verein» für Luftsch ffahrt mit 6 Ballons. Wie die Württ. Automobil- und Luflschiffahrtr-Korresponbenz mit­teilt, handelt e» sich bei dieser Veranstaltung, die eine interne Wettfahrt ist, um eine sogenannte FuchSfahrt. Der zuerst aussteigende FuchSballon wird von de» übrigen Ballon» verfolgt und der­jenige Ballon, der in möglichster Nähe de» Fuchs­ballons landet, ist erster Sieger. Als Fuchs­ballon wird der Ballon Stuttgart de» Württ. Vereins für Luftschrffuhrt an dem genannten Tage vom Füllplatz de» Verein» in Gaisburg mittags 12 Uhr aussteigen. Die übrigen Ballon» werden etwa 5 Minuten nach der Abfahrt des FuchSballon« rasch nacheinander abfahren Die Bedingungen für den FuchSballon lauten dahin, daß er mindesten» 2'/- Stunden in der Luft sein mi ß, höchsten» aber 3 Stunden in der Luft bleiben darf. Eine längere Fahrtdauer ist für Fuchsfahrten im allgemeinen nicht üblich. Führer des Fuchsballons ist Herr Alfred Die klamm, Führer der übrigen Ballons sind die Herren Fabrikant Albert Hi,1h, Rechtsanwalt Dr. Kahn, Hermann Euting, Leuinant Justi und Verlag»- buchhändler Robert Kiöner.

Stuttgart 25. Nov. (Luftschiffahrt

und Aviatik.) Auf dem Cannstatter Wasen wird gegenwärtig eine weitere Aeroplanhalle für einen Zweidecker gebaut. Der Konstrukteur des Apparate», ein Remstäler, Herr Heinkel, ist wohnhaft in Stuttgart.

Stuttgart 25. Nov. (Bedauerliche Vor­kommnisse 2 Selbstmorde von Frauen an einem Tage.) Eine Frau, die heute früh vom 2. Stockwerk eines Hause« der M litärstraße in den Hof sprang, ist kurz darauf ihren Ver­letzungen erlegen. In einem Hause der Olga­straße in Cannstatt stürzte sich heute vormittag eine 53 Jahre alte Frau in selbstmörderischer Absicht vom zweiten Stock in den Hof und war sofort Lot.

Stuttgart 25.Nov. (Strafkammer.) Ein Gipser war vom Schöffengericht wegen Vergehens gegen ß 153 der Gewerbeordnung zu 5 Tagen Gefängni» verurteilt worden. Er hatte während de» Gipserstreik« einen Arbeits­willigen durch beleidigende Aeußerungen und Drohungen zu bestimmen versucht, die Arbeit niederzulegen. Gegen da» Urteil hatte der An­geklagte Berufung eingelegt, die jedoch von der Strafkammer kostenpflichtig verworfen wurde.

Eßlingen 25 Nov. (Zeitungswesen.) Mit dem heutigen Tage erscheint dieSchwab. Rundschau", Amtsblatt für den Oberamlsbrzirk Eßlingen, unter dem NamenEßlinger Tagblatt".

Eßlingen 25. Nov. (Die Nemesis.) Von 5 ledigen Fabrikarbeitern von Denkendorf, die vor einigen Wochen einen Schutzmann, der sie zur Ruhe wie», mit Stöcke» und M ssern derartig traktierten, daß er schwer verletzt wurde und mehrere Wochen lang dienstunfähig war, wurde der eine zu einer Gefängnisstrafe von 4 Monaten und zur Tragung der Kosten ver- § urteilt. Einer wurde sreigesprochrn. Die 3 andere», die sich zur Zeit beim Militär befinden, wurden den betreffenden Kriegsgerichten zur Aburteilung überwiesen, wo sie einer strengen Strafe entgegensehen.

Eningen «. A. 25. Nov. (Aufhebung der Bürgernutzungen.) Die bürgerlichen Kollegien haben in ihrer letzten Sitzung mit Stimmenmehrheit beschlossen, die Bürgernutzungen aufzuhrben. Viel war e» schon jetzt nicht mehr, was die ältere« Bürger an Nutzungen zugewiesen halten: einige Viertel bi« herab zu einem halben Viertel Almandteile, für die ein Rekognition»zin» von 15 Pfennig für ein halbes Viertel zu zahlen war. Die Almandteile werden den j-tzigen Be­sitzern zwar noch gelaffen, jedoch ist dafür ein jährliche» Pachtgeld von 50 Pfennig zu bezahle».

Göppingen 25. Nov. (Schwerer Unfall) Auf der Strecke SüssenGingen wurde der Bahnarbeiter G. Vetter von Gingen, al» er einem Arbriterzuge auSweichen wollte, von drm im selben Augenblicke von Göppingen heran- fahrevdcn Schnellzuge erfaßt und die Böschung hinabgeworfen. Dabei erlitt er einen schweren Oberschenkelbruch und schwere Verletzungen am Kopfe, die seine Urberführung in da» Geislingrr Krankenhaus nötig machte».

Ulm 25. Nov. (Ohrfeigen oder nicht?) D rr Ober stleutnant v. Engrlman» vom Infanterieregiment Nr. 120 soll seinem Bursche»,