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Kind) Ei« fremde» Kind, ein eiwa 3 Jahre alte» Mädchen, stand gestern einige Stunde« lang in der Eberhardstraße hinter einem Hause und wußte auf Befragen nicht anzugeben, wem es gehöre oder wo e» zu Hause sei. In halb­erstarrtem Zustande wurde e» von einem mit­leidigen Nachbarn ausgenommen und der Polizei von demFund" Anzeige erstattet. Sachdien­liche Mitteilungen, die zur Aufklärung dienen können, werden erbeten.

Stuttgart 17. Nov. (Strafkammer.) Vor die Strafkammer waren wieder über 70 Wirte geladen, die Geldspielautomaten ausgestellt halten. Auch diese wurden wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels zu je 1 Tag Ge­fängnis verurteilt. Bi« jetzt wurden über 700 Wirte verurteilt. Der wegen Betrug vorbe­strafte ledige Kaufmann Gotihilf Hoch von Dettingen bedient sich bei seinen Betrügereien de« Telephons. Er läutete hiesigen Hoteliers unter der Maske eine» Fabrikanten telephonisch an, sie möchten einem Reisenden, der unterwegs sei, ein Darlehen von 20 Mark auf den Bahn­hof schicke». Ein Hotelier schickte 20 Mark in die Bahnhofwirtschast, wo sie der Angeklagte als der angebliche Reisende am Büffelt in Empfang nahm. In zwei Fällen blieb es beim Versuch. In Reutlingen bestellte er telephonisch bei einer Firma unter dem Namen eines Fabrikanten eine Auswahlsendung Gummimäntel. Er ließ die Auswahlsendung von einem Dienstmann auf den Bahnhof bringen, als er aber sah, daß ein An­gestellter der Firma milkam, zog er es vor, zu verschwinden. Einem Wirr telephonierte er als angeblicher Geschäftsfreund, er möchte einem jungen Mann, der bei ihm erscheinen werde, 20 Mark geben. Nach einiger Zeit kam der Angeklagte und ließ sich da» Darlehen geben. Außerdem erschwindelte er Darlehen unter dem Vorbringen, er sei auf der Reise und sei augenblicklich in Geldverlegenheit. Die Strafkammer schloß in Anbetracht seiner viele» und erhebliche» Betrugs­strafen mildernde Umstände au» und verurteilte ihn zu 2 Jahren Zuchthau» und 5 Jahre» Ehrverlust.

Stuttgart 17. Nov. Gestern abend 10'/« Uhr fuhr ein 43 Jahre alter Milchhändler, der mit seinem Handwagen auf dem Bahnhof Eannstatt Milch geholt hatte, über dis König- Karl-Brücke. Er wurde hierbei von einem Auto, das in sehr raschem Tempo hinter ihm herkaw, überfahren und getötet. Die Schuld an dem Unglücksfall dürfte den Chauffeur treffen; dieser ist ermittelt.

Eßlingen 17. Nov. (Vergiftung. Auszeichnung.) Infolge des Genusses von gelben Rüben erkrankte eine hiesige Familie

unter Vergiftungserscheinungen. Lebensgefahr ist nicht vorhanden. Die Maschinenfabrik Eßlingen hat auf der Internationale» Eisen­bahn- und Verkehrsmittelausstellung in Buenos AyreS, auf welcher sie eine Anzahl Abbildungen von Berglokomotioe« ausgestellt hatte, da» Ehreudiplom bekommen. Die Maschinenfabrik Eßlingen hat schon vielfach derartige Lokomotiven, die eine Spezialität von ihr sind, nach Süd­amerika geliefert und auch gegenwärtig ist wieder eine Anzahl für die Ueberschienung der Anden in Arbeit.

Reutlingen 17. Nov. Auf dem Hoch- reservoir unserer Wasserleitung gerieten dieser Tage die Schwimmerventile mitten in der Nacht in Unordnung Infolgedessen zeigte« sich in Lindach bei einigen Häusern Erschütterungen, die die Fenster zum Klirren und die Ofentüren zum Klappern brachten. Die Einwohner wurden aus dem Schlafe geweckt und in den Glauben versetzt, daß ein Erdbeben angebrochen sei. Der Schaden ist wieder behoben.

Gmünd 17. Nov. (Eine mißliche Verwechslung) Dieser Tage wurde abend» em hiesiger Bürger von einem armen Reisenden auf dem Marktplatz um eine Unterstützung an­gesprochen. In der Dunkelheit widerfuhr dem Manne das Mißgeschick, daß er dem Handwerks­bursche« statt 1 Fünf- und 1 Zweipfennigstück 2 Zehnmarkstücke gab. Der so auf einmal reich gewordeneKunde" bedankte sich laut RemS- zeitung aus die überschwenglichste Weise und verschwand schleunigst mit dem Geld. Erst

später dachte der Geber über die auffallende ! DankeSbczeugrmg nach und als er nach seinem § Gelbe sah, machte er die Wahrnehmung, daß er irrtümlicher Weise 20 Mk. gegeben hatte. Gestern nacht gelang es nun der hiesigen Polizei, den Beschenkten in einem hiesigen Gasthaus fest­zunehmen. Er ist ein Bierbrauer und stammt aus Nördlingm. Von dem Geld hatte er in­zwischen den größten Teil verbraucht. Der

Rest wurde dem Geschädigten eingehändigt. Der Glückliche" wurde wegen Bettels und Unter­schlagung ans Amtsgericht eingeliefert. Er war erst aus dem Zuchthau» Ludwigsburg entlassen worden.

Heilbronn 17. Nov. (Gefaßter Ausreißer. Sherlok.) Der 17 Jahre alte Lehrling Max Mählert war von seinem Prinzipal mit 20000 ^ zur Bank geschickt worden. Er hatte den Betrag unterschlagen und das Weite gesucht. Gestern gelang es nun, seiner in Hamburg wieder habhaft zu werden, wobei der Geldbetrag bis auf einige 100 ^ noch in seinem Besitz* vorgefunden wurde. Der KriminalhundSherlok" wurde heute hier­

her gebracht, um nach dem vermißten 12jährige« Volkischüler Thumm zu fanden. Ueber den Erfolg seiner Tätigkeit ist noch nicht» bekannt.

Oedheim OA. N:ckarsulm 17. Nov. (Historischer Fund.) Einen interessanten, historisch wichtigen Fund machte gestern Land­wirt Hofmann auf seinem imMauerich" ge­legenen Grundstück. In geringer Tiefe stieß er auf zwei Aschenurnen, von'denen die eine un­versehrt zutage gefördert wurde, während die andere leider in Stücke ging. Außerdem wurden Reste einer schönen flachen Schüssel mit gut­erhaltenem Töpfersiegel und Bruchstücke eines Kruges aufgefunden. Die durch schöne Form sich auszeichnende, mit Knochen und Aschenresten gefüllte Urne trägt, wie dieUnterländer Volks­zeitung" meldet, zwei Eingravierungen: I XIII und k N Xlttll und dürfte eine Bestätigung der Annahme sein, daß die XIII. römische Legion am unteren Kocher stationiert war. Weitere Nachforschungen werden dartun, ob man es mit einer größeren römischen Begräbnisstätte z« tun hat.

Von der Jagst 17. Nov. (Verhaf­tung. Obstbäume statt Reben.) Der Besitzer des am Montag früh nach 7 Uhr in Jagsthausen abgebrannten Wohnhauses mit Scheune ist wegen Verdachts der Brandstiftung in Haft genommen worden. In vielen Wein­bergen werden jetzt Obstbäume angepflanzt, denn der kalkhaltige Boden und die sonnige Lage be­fördern das Gedeihen der weit dankbareren Früchtcspender. Wenn diese groß geworden sind und zu viel Schatten für die undankbare« Reb­stöcke spenden, dann räumen diese freiwillig den Platz.

Oberndorf 17. Nov. (Unfall.) Ein Knabe, der sich in Wössingen mit Arnchmst- schießen vergnügte und dabei auch mit einem Schuhnagel schoß, traf mit diesem einen 6jähr. Nachbarsknaben ins Auge, da» so schwer verletzt wurde, daß es wahrscheinlich verloren ist. Der Verletzte wurde in die Klinik nach Tübingen übergeführt.

Ulm 17. Nov. (Schwindler.) Eine Manns- und eine Frauensperson, die mit einer dritten, nicht ermittelten Person im Bayrischen einen Waggon Obst aufgekauft, aber nicht bezahlt hatten und da» Obst hier abfetzten, sind ver­haftet worden.

Ulm 17. Nov. (Vergiftung) Infolge des Genusses von Leberwurst sind hier gestern in 78 Familien Personen erkrankt. Eine der Kranken schwebt in Lebensgefahr. Die ein­geleitete Untersuchung wird Licht in die Sache bringe».

zu sehen wünsche. All sie bejahte, erklärte er dem alten Herr», die Dame wünsche da« Schloß zu besichtigen, wozu der Pseudoprinz huld- vollst seine Einwilligung erteilte. Nachdem sie noch einen schmerzlichen Blick auf Reinhart geworfen, der sie gar nicht beachtete, folgte sie dem freundlichen Arzt in da» AnstaltSgebäude, um das kleine Gemach zu be­trachte», worin ihr Bruder seine Tage zubrachte.

Sie dürfen freilich nicht deshalb erschrecken, weil die Fenster ver­gittert sind," bereitete Fersen sie vor.Da» ist mit allen Fenstern der Anstaltszimmer der Fall. Ihr Bruder ist durchaus kein Gefangener, sondern ein lieber Patient, für den alle» geschieht, was Wissenschaft und Humanität nur in Bereitschaft haben."

Da» weiß ich," entgegnete tieferschüttert die junge Dame.So entsetzlich es ist, so gibt mir Gott doch den Trost, meinen teuren Rein- hart in so liebevollen Händen zu sehen. Ich danke Ihnen von ganzem Herze», Herr Doktor Sie haben so viel für ihn getan wie sollen wir es Ihnen je vergelten? Wir find jetzt nicht einmal imstande"

Lasten Sie doch," unterbrach er sie verlegen.Ich handle au» Interesse für den armen Doktor, mit ihm allein habe ich e» zu tun Sie und die Ihrigen find mir gar nicht« schuldig."

O, Sie versuchen damit nur, sich unserer Dankbarkeit zu ent­ziehen"

Doktor Fresen schüttelte ungeduldig den Kopf.Wer weiß, viel­leicht bin ich egoistischer, al» Sie denken," versetzte er mit flüchtigem Erröte», da» in Gegenwart Gertrud» befremdlicherweise so häufig sein volle» Antlitz heimsuchte.Ich tue nur meine Pflicht. Soll ich gleich­gültiger sein al» die übrige Gesellschaft? Ruft nicht das tragische, Schicksal Ihre» Herrn Bruders überall die innigste Teilnahme hervor?'

Gertrud erkannte, daß da« Thema ihm peinlich war. Nach kurzem Schweigen zu einem anderen Gegenstand übergehend, erkundigte sie sich, wer der Unglückliche sei. der sich einbilde, ein Prinz zu sein.

Ein Freiherr Theo von Ottstädt-Stohringen au» sehr guter

Familie. Der Unglückliche bildet sich ein, er sei ein Prinz Kasimir und der Sohn eines mächtigen Königs, der Erbe heute dieses, morgen jenes Reiches. Im übrigen ist er, sofern er nicht außergewöhnlich gereizt wird, rin harmloser, gutmütiger Mensch, der niemanden ein Leids tut."

Ist sein Leiden heilbar?"

Der Doktor verneinte.

Wie traurig, wie erschütternd," rief Gertrud teilnahmsvoll.Ich möchte nicht in die Notwendigkeit versetzt sein, immer unter diesen un­glücklichen Menschen oder eigentlich nur Schatten von Menschen zu verweilen. Wahrlich, ich beneide Sie nicht um Ihren Beruf und Ihre Aufgabe."

Gewohnheit erleichtert ste," erwiderte Fresen ernst.Und es fft notwendig für da» Leiden. Was sollte aus de« Kranken werden, wenn ihr weiches Empfinden die Gesunden verhinderte, sie zu pflegen und um sie zu sein? Deshalb braucht man noch nicht abzustumpfev, man befreit sich nur von der allzugroßen Sensibilität; da» Mitleid und die Teilnahme bleiben unangetastet"

Auf den ersten Blick hielt ich den Freiherr« nicht für einen Geisteskranken, er brachte einen durchaus normalen Eindruck hervor. Al» ich ihn jedoch näher fixierte, bemerkte ich ein eigentümliche» Flackern in seinen Augen."

Er war heute ganz besonders aufgelegt," bestätigte der Doktor.

Sein Anzug sah einigermaßen abgetragen au»," bemerkte das junge Mädchen.Er ist wohl arm?"

Der Doktor lachte.

Arm? Hat jährlich 15000 Mark Zinsen zu verzehren, da» ,ft doch ein hübsche« Sümmchen. Nein, da» ist so die Art dieser Kranken, sie werden in Bezug auf ihre Toilette äußerst nachlässig. Der Freiherr macht infolge der Besonderheit seiner fixen Idee eigentlich noch eine rühmliche Ausnahme."

(Fortsetzung folgt.)