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warme Vertrauentknndgebunz in Form einer Adresse dar.
Stuttgart 14. Nov. (Steuerdefrau- datione») Im Etattjahr 1909 sind im Gebiet der direkten Steuern 3538, in dem des indirekten Steuerwesen» 3849 Straffälle mit einem Gesamtstrasenansatz von 160939 Mk. erledigt worden. An erster Stelle steht die K^pitalsteuer mit mit 93 863 Mk. in 967 Fällen, an zweiter die Einkommensteuer mit 38816 Mk. (165) Dann folgen Branntweinsteuer mit 9131 Mk. (417), Umgeld 7164 Mk. (1102), Wandergewerbesteuer 5709 Mk. (1343), Wechselstempelsteuer 2104 Mk. (205), Umsatzsteuer 1514 Mk. (48), Zigarrtten- steuer 985 Mk. (411)^ Reichtstempelabgaben 720 Mk. (121), Schaumweinsteuer 514 Mk. (41), Salzsteuer 400 Mk. (124), Biersteuer 389 Mk. (173), Erbschaft«-und Schenkung»steuer 363 Mk. (42), UebergangSsteuer 163 Mk. (97), Zölle 133 Mk. (81). Züvdwarensteuer 65 Mk. (16), Tabacksteuer 33 Mk. (24), Grund-, Gebäude und Gewerbesteuer 8 Mk. (4), Leuchtmittelsteuer 4 Mk. (5).
Stuttgart 14. Nov. (Schwurgericht) Die Leonberger Wildereraffäre beschäftigte heute das Schwurgericht Angeklagt waren wegen Jagdvergehen» der ledige 23 Jahre alte Schneider Karl Josenhan», der ledige, 30 Jahre alte Gipser Paul Bachhofer und der verheiratete 30 Jahre alte Maurer Gottlob Schach von Leonbrrg. Bei Josenhans lautete die Anklage außerdem noch auf versuchten Totschlag Am Abend des 24. Juli sahen der von Kommerzienrat Scharrer bestellte Jagdaufseher Kaiser und der Feldschütz» Böckle von Ettringen bei Begehung des Waldteils „Wanne" am Waldrand einen Mann mit einem Gewehr stehen. Kaiser sprang mit dem Rufe „Gewehr weg oder ich schieße", auf den Mann zu. Dieser flüchtete in den Wald und als sich Kaiser anschickte, ihn zu verfolgen und kaum in den Wald hineingesprungen war, erhielt er aus nächster Nähe einen Schrotschuß in die linke Schläfe. Er stürzte zu Boden und erlitt dabei noch einen Bruch de» rechten Wadenbeines. Der Schuß kam von unten nach oben. Die Angeklagten waren mit Abschraubgewehren und Munition ausgerüstet in den Wald gegangen; die Gewehre gehörten Josenhan«. Die Ermittlung der Wilderer erfolgte mit Hilfe ins Polizeihundes Sherlock. Die Angeklagten hatten anfänglich geleugnet, gewildert zu haben. Josenhan» gab in der Voruntersuchung zu, daß er in knieender Stellung einen Schuß auf einen in den Wald hineinspringenden Mann mit einer grünen Jacke abgefeuert habe. Er habe Kaiser nicht treffen wollen. Bei einer späteren V rnehmung gab er
an, er habe nur einen Schreckschuß abgeben wollen, er habe abgefeuert, ohne sich zu besinnen. Bei der Verhandlung trat er mit der Behauptung auf, der Schuß sei zufällig losgegangen. Josenhans und Bachhofer räumten ein, daß sie, als Schach sie auf einen Rehbock aufmerksam gemacht habe, sich entschlossen hätten, denselben zu jagen. Schach blieb dabei, daß sie in den Wald gegangen seien, um Eulen zu schießen. Der Angeklagte Josenhans ist wegen unberechtigten Jagens vorbestraft. Der Sachverständige, Hof üchsenmacher Wilcke, hielt es nicht für wahrscheinlich, daß der Schuß von selbst losgegangen ist. Kaiser wurde schwer verletzt. Die Ohrmuschel war zerfetzt, ein Teil des SchädelknochenS lag frei. Ee schwrbte längere Zeit in Lebensgefahr. Im Krankenhaus traten bei ihm zweimal epileptische Anfälle mit ausgesprochener Geistesstörung auf. Der ärztliche Sachverständige sprach sich dahin au», daß eine Wiederholung der Anfälle nicht ausgeschlossen sei. Kaiser befand sich bis heute im Krankenhau», er kam von dort zur Verhandlung. Die Geschworenen bejahten bei sämtlichen Angeklagten die auf Jagdvergehen lautende Schuldfrage und sprachen Josenhans außerdem noch des Widerstands gegen die Staatsgewalt schuldig in Verbindung mit Körperverletzung mittel» einer Schußwaffe. Da« Gericht erkannte gegen Josenhans au? 4 Jahre Gefängnis, unter Anrechnung von 3 Monaten 15 Tagen Gefängnik, gegen Bachhofer auf 3 Wochen und gegen Schach auf 6 Wochen Gefängni». Die Strafen gelten jedoch bei Beiden als durch di« Untersuchungshaft verbüßt. Bei Bemessung der Strafe zog das Gericht bei Josenhan» die schweren Folgen de» Widerstands in Betracht und daß Kaiser in eine Krankheit verfallen ist, die an Siechtum grenzt.
Stuttgart 12. Nov (Strafkammer.) Einen ungewöhnlich starken Hang zum Verbrechen zeigte ein noch nicht ganz 14 Jahre alter Kauf- man»»lehrling, der wegen schweren Raubs, schweren Diebstahls und Betrug» voraeführt wurde. Der Angeklagte war am 17. Oktober durch da» Fenster in eine Buchhandlung einge- stiegen und hatte die Ladenkaffe ihres Inhalt» von 7 ^ beraubt. De» weiteren erbrach er in einer Hofeinsahrt den Tisch einer Blumenhändlerin, ohne jedoch das erhoffte Geld vorzufinde». In einer großen Anzahl von Fällen hatte er Kindern, die zu einem Einkauf auf die Straße geschickt waren, unter irgend einem Vorwand das Geld abgenommen; in 3 Fällen, in denen ihm der Betrug nicht gelang, entriß er den Kleinen gewaltsam da» Geld. Da» Gericht billigte dem Angeklaaten, dem Sohn achtbarer Eltern, angesichts seiner Jugend mildernde Umstände zu und
erkannte auf 3 Monate Gefängni», abzüglich 15 Tagen Untersuchung»haft.
Unterjettingen OA. Herrenberg 14. Nov. (Unfall.) Der Bauer Jak. Haag wurde von einer Kuh, die er nach Nagolr führte, zu Boden geworfen und getreten, sodaß er mittels Fuhrwerk nach Hause gebracht werden mußte. Der Arzt konstatierte einen komplizierten Unterschenkelbruch.
Sulz a. N. 14. Nov. In einer gestern staitgehabten VertrauenSmännerversammlung der fortschrittlichen Vo!k<partei des 8. Reichttag»- wahlkreises wurde beschlossen, den Landtags- abgeordneten Liesching-Tübingen als Kandidaten für die nächste Reichstagswahl auszustellen und dem jetzigen Abgeordnete», Privatier Herw. Wagner in Calw, der aus Gesundheitsrücksichten eine Wiederwahl abgelehnt hat, den Dank für seine bisherige Tätigkeit und das Bedauern über seinen Rückttitt auSzusprechen.
Benningen 14 Nov. Dem lljährigr« Sohn Max de» Friedrich Schwinghammer hier, der einen 6jährigen Knabe» vom sicheren Tod de» ErtränkenS gerettet hatte, indem er zweimal in den reißenden Neckar gesprungen war, um den Knaben ans Land zu bringen, ist vom Ministerium des Innern die Verleihung der Rettung» Medaille in Silber nach zurückgelegtem 18. Lebentjahr in Aufsicht gestellt worden.
Holz heim OA. Göppingen 14. Nov. (Eine alte Frau.) Die älteste Frau der Gemeinde und der weiteren Umgebung, Rosine Keßler, hat gestern mittag im Alter von 100 Jahren und 3 Monaten ihre Augen für immer geschloffen.
Crailsheim 14. Nov. Eine eigenartige Ursache soll der in Grimmschwinden auSgebrochene Brand gehabt haben, bei dem ein Wohnhaus mit 2 Scheunen eingeäschert wurden. Bei den AbräumungSarbeiten fand man nämlich auf dem Vrandplatz eine nahezu zentnerschwere Gesteins- maffe, die vielfach für einen Meteorstein gehalten wird. Da von mehreren Personen kurz vor dem Ausbruch des Brande» eine Art Meteor, nach anderen Mitteilungen auch ein Kugelblitz beobachtet wurde, wäre es nicht uninteressant, wenn von sachverständiger Seite eine nähere Untersuchung vorgenommen würde.
Pforzheim. (Auto verbrannt.) Ein harter Schlag traf einen hiesigen Automobil- besitzer. Er fuhr am Samstag mittag etwa um halb zwei Uhr von hier nach Höfen, um dort Leute abzuholen. Auf der Strecke zwischen dem Birkrnfelver Bahnhof und der Birkenfelder Mühle schlug plötzlich eine hohe Flamme aus dem Wagen.
„Gott l-gt es mir auf, er wird mir Kraft geben, es durchzuführen," versetzte sie mutig.
„Wie stark du bist, wie entschlossen!" rief Wera bewundernd, den Arm um sie schlingend.
„Vielleicht bin ich nur resigniert —"
„Nein, ich kenne dich besser. Du edle» Herz, du bist soviel bester und aufopfernder al» ich! Nicht wahr, ich darf dich unterstützen? Ich kann kommen, und dir deine Pflichten erleichtern helfen?"
Gertrud lächelte gerührt.
„Was willst du tun, Wera?"
„Kann ich nicht — deine Mutter pflegen, wenn deine Pflicht dich zu ihm ruft und die Arbeit dir keine Zeit übrig läßt?"
„Nun wohl, so komme nur immer, so oft es dich drängt."
Damit schieden die jungen Mädchen. Gertrud kehrte zu ihrer Beschäftigung zurück. Doch sollte ihr keine lange Ruhe heute vergönnt sein. Nach kaum einer halben Stunde klingelte es von neuem, sie beeilte sich, zu öffnen, in der sicheren Erwartung, Dr. Fresen draußen zu finden.
Sie hatte sich getäuscht — Leopold Sekal stand vor ihr.
Gertrud preßte die Lippen fest aufeinander und hielt den Atem an, um der sich ihrer bemächtigenden Erregung Herr zu werden. Und doch gelang e» ihr nicht, sie wollte sprechen, aber die Stimme versagte ihr, sie warf nur einen verwundert fragenden Blick auf ihn und senkte dann die Auge«.
„Verzeihen Sie mein unberufene« Eindringen, Fräulein Gertrud", begann er in der Weise eine« alten Freundes, der absolut keine Veranlassung hat, verlegene Scheu an den Tag zu lege».
Gertrud starrte ihn betroffen an — war er so sehr jeder Scham bar, daß er vergesse», wa« zwischen ihnen vorgegangen? Oder verstand er nur zu sehr, sich zu beherrschen, und merkte man ihm die Ueberwindung, welche der Besuch ihn kostete, nicht an? Aber weshalb kam er den« überhaupt?
Er las die ?rage auf ihrem Gesicht und antwortete selbst darauf.
„Sie sind erstaunt ob meines Besuches, nicht wahr? O, glauben Sie nicht, daß e» mir leicht geworden — aber es handelt sich um meinen Freund, den treuen Gefährten meiner unvergeßlichen Reise" —
Alio da» war es? Er hing also doch mit seinem Herze« an Rein-- hart, und die Sorge um ihn ließ ihn jede andere Rücksicht vergessen Das junge Märchen fühlte sich bewegt.
„Treten Sie näher," erwiderte sie leise.
„Es liegt mir am Herzen, zu vernehme»», wie es ihm geht — und ob er sich von de» Folgen seines gestrigen Anfalles schon wieder ganz erholt hat.
„Erholt? Er liegt schwer darnieder —"
„Um Gotte»willen — und ich freute mich so, ihn zu erblicken — für mich war er direkt vom Tode erstanden — kan» ich ihn sehen?
Sie schritt ihm voraus in da; Zi rmer Reinhart». Leopolv betrachtete einige Augenblicke die verzerrten Zuge mit dem Ausdruck inniger Teilnahme, dann sank er ergriffen auf de» am Bett stehenden Stuhl nieder.
„ES ist schlimmer, als ich fürchtete", sprach er mehr vor sich hin als zu der Dame. „Viel schlimmer. Wa» für ein Unglück hat ihm dieses Unternehmen gebracht! Vom ersten Tage a», kann ich wohl sagen, bemächtigte sich da» Fieber seiner widerstandslosen Notar — o Fräulein Gertrud, ich — ich — nein, ich kann nicht in Worte fassen, wa» ich empfinde."
Er ergriff erschüttert die au» den Kiffen hervorragende Hand de» Kranken und hielt sie an sei« Ohr, um die Pulsschläge zu zähle». Auf einmal ließ er sie sinken und warf wie von einem plötzlichen Schwindel erfaßt, den Kopf zurück.
„Was da» nur ist — ich bin selber noch zu schwach für solche Eindrücke — haben Sie nicht einen Schluck Wasser, Fräulein Gertrud?"
(Fortsetzung folgt.)