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Pferde plötzlich an und rannte», nachdem das Fuhrwerk an einer abschüssige» Stelle in Lauf gekommen war, davon. Sie bogen in eine Straße ein, auf der mehrere Kinder spielten. Ein drei­jähriger Knabe wurde überfahren und tödlich verletzt. Gegen Jennewei» wurde Anklage wegen fahrlässiger Tötung erhoben und die Strafkammer verurteilte ihn zu 14 Tagen Gefängnis. Ein Verschulden wurde darin erblickt, daß er nicht genügend gebremst und die Stränge nicht aus­gehängt hat.

Stuttgart 10. Nov. Die Maul- und Klauenseuche ist in München neuerdings und zwar im Viehhof sowie in einem Gehöft außer­halb desselben ausgebrochen.

Heilbronn 10. Nov. (Hochwasser.) Infolge der andauernden und kräftigen Regen­fülle der letzten Tage ist der Neckar stark ange- schwollrn und teilweise über seine Ufer getreten. Während er vorgestern schon eine' Steigerung seiner Wassermengen um 75 Zentimeter aufwies, sind diese jetzt um weitere 2 Meter gewachsen. Der Pegelstand betrug heute früh 7 Uhr 3,90 m, dürfte aber seinen Höchststand erreicht haben, es ist ein Stillstand eingetreten. Der Durchlaß beim Kranen ist überschwemmt und abgesperrt, der Verkehr wird über die Schienen geleitet.

Balingen 10. Nov. (Ein Scheusal.) Das hiesige Schöffengericht hat eine Frau, die ihr 5jährigeS Pflegekind längere Zeit hindurch in der grausamsten Weise mißhandelt hat, zu 5 Monaten Gefängnis verirrt-ilt. Das unglück­liche Wese« wurde wiederholt fast ohne jede Ur­sache mit dem Besenstiel und ähnlichen Gegen­ständen malträtiert. Auch stieß ihm die Pflege­mutter beim Anziehen absichtlich die zum Zu­sammenhalten der Kleider bestimmte Nadel in den Leib.

Schramberg 10. Nov. (Flugsport.) Nun hat Schrawberg auch einen Erfinder, der das Fliegen möglich machen will. Er heißt Heinzmann. Nach seinen Mitteilungen beabsichtigt er, einen Sturm' oder Segelflieger zu kon­struieren, um mittelst unserer beträchtliche« Höhen­lagen sowie durch die gewaltigen Gleitflügel, den Wind als Kraft benützend, fliegen zu können. Auch beabsichtigt er, mittels Hebelungen den Tragflächen de» Apparate» den Wind zu nehme» und zu geben und so den Wind, gleich wie die großen Vögel, als Tragkraft auszunützen. Sollte es einem Flugtechniker endlich einmal gelingen, au» einem Gleitflieger einen Segelflieger zu mache», um mit einem solchen Apparat die Wind­energie auszunützen und im Kreis flug oder unter günstigen Umständen auch in geradem Fluge sich dauernd in der Luft ohne Motor, nur durch die Kraft der Windes und durch geschickte Steuerung erhalten zu könne», so wäre da» Höchste in der Fliegekunst erreicht.

Vom Bodensee 8. Nov. (Der Reichs­tag im Zeppelin'schen Luftschiff vor Lindau.) Wer sich an das unvergleichlich schöne Bild noch erinnert, das der Hafen von Lindau und der mit Dampfern, Stgel-, Motor- und Ruderschiffen bedeckte See, mit den schneebedeckte» Vorarlberger, und Schweizer Bergen im Hinter­gründe bot. al« der von der Sonne beschienene Koloß de» Luftschiffes über die Jnselstadt kreisend, sich auf der grünen Seefläche niederließ, um einen Wechsel der ReichStagSabg»'ordneten Passa­giere vorzunehmen, der wird sich von Herze« freuen, daß dieser eigenartige Moment von der Meisterhand eines Zeno Dümer in einem große« Oelbild ausgenommen worden ist. Dar Bist», da» die wunderbaren Farbenspiegelungm des weiße» Luftschiffes und der Dampfer im See widergibt, wurde auf Anregung und dank tat­kräftigster Unterstützung eine» bekannten Kunst­freundes und Gönners der Stadt Lindau in deren Auftrag gemalt und wird dem Reichstag zur Ausschmückung eines der Nebcnräume des ReichStagsgcbäudeL angeboten, sobald der Reichs­tag zusammengetreten ist. Gegenwärtig ist da» Gemälde im großen Rathaussaale zur öffentlichen Besichtigung ausgestellt. Gestern nachmittag wurde es von der Großherzogin-Witwe von Tot- kana und deren Töchtern besichtigt. Nächsten Sonntag wird Graf Zeppelin mit den Herren der Luftschiffbaugesellschaft zu demselben Zweck nach Lindau kommen.

Pforzheim 10. Nov. (Zur Arbeiter­bewegung.) Gestern erfolgten hier zwei Ver­haftungen. Ein Arbeiter wurde fistgenommen, der eine arbeitswillige Fabrikarbeiterin belästigt hatte und ein anderer Arbeiter, ein Streikender, welcher der Aufforderung zum Weitergehe» seitens der Polizei nicht Folge geleistet hatte. Es kur­sieren übertriebene Gerüchte, so z. B. ging da« Gerücht, daß der sozialdemokratische Bezirk»leiter Vorhölzer wegen einer Schlägerei bei der Fabrik von Daub und Rau verhaftet worden sei. An diesem Gerücht ist kein wahres Wort. Ebenso an anderen, z. B. daß in eine hiesige Fabrik geschaffen worden sei. Der gestrige Tag ist ohne Gewalttätigkeiten irgend welcher Art verlaufen.

Sigmaringen 9. Nov. (Tägliche Freiübungen in den Schulen.) Eine eigen­artige Neuerung in dem Schulbetrieb wird durch einen Ministcrialerlaß angeordnet. Er sollen nämlich in allen Schulen künftig an Tagen, wo Turnunterricht oder Turnspiele nicht stattfinden, fünf bis zehn Minuten lang U-bungen vorge- uommen werden, die geeignet sind, den nach­teiligen Folgen des anhaltenden Sitzen» der Schüler und Schülerinnen vorzubeugen. Sie sollen die Atmung vertiefen, die Verdauung und den Blulumlauf beleben, die Haltung verbessern helfen usw. Die Uebunge» sind im Freien vor-

die kgl. Domänedirektion al» höchste Behörde be­auftragte da» Kameralamt Hirsau rrsp. das Ober­amt Lalw mit der Neuverpachtung, wobei seiten« der Domänedinktion ausdrücklich betont wurde, daß sich die beiden Gemeinden Teinach und Zavelstein in dieser Angelegenheit auf freund­liche Weise zu einigen haben. Den Be­mühungen de« Oberamtmannr, Hrn. Reg.-Rat Binder, sowie de« Hrn. LavdtagSabgeordneten Staudenmeyer von Calw gelang es nach langen Verhandlungen, eine Einigung im oben gewünschten Sinn herbeizusührcn. Von de» Turmcinvahmen, die bekanntlich zum größten Teil aus deu Touristenkreisen bezogen werden, erhält die Stadtgemeiade Zavelstein zu Ver­schönerungszwecken innerhalb OrtsctterS ein Fünftel, während die beiden Schwarzwaldbezirks- vereine Teinach und Zavelstein je zwei Fünftel erhalten und angewiesen find, diese Beträge aus­schließlich zu Wegbauten und Wegverbesserungen, sowie Verschönerungen in der näheren Umgebung von beiden Orten zu verwenden. Für die regel­rechte Einhaltung dieser Bestimmungen wurde eine Kommission gebildet, die zu gleichen Teilen aus Mitgliedern von Teinach und Zavelstein unter dem Vorsitz eine« höheren Beamten vom Oberawt Calw besteht. Der Einsender hofft, doß die getroffenen Vereinbarungen dazu beitragev, den in letzter Zeit hie und da gestörten Frieden zwischen den Nachbargemeinden wieder herzu­stellen und dar gemeinsame Zusammenarbeiten dem Fremdenverkehr förderlich wird. 8.

Tübingen 10. Nov. Am 27. Nov. ver­anstaltet der Veteranenverein einen Feld­gottesdienst, Essen und Bankett zur Feier der 40. Wiederkehr der Tage von Champigvy-VillierS. E« heißt, daß der König an dem Feldgottesdienst teilnehmen werde, da er um diese Zeit auf der Jagd in Bebenhauseu weilt. Seit einige« Jahren schon sammelt man hier Beiträge zur Er­richtung eine« Kriegerdenkmals. Ein solches existiert »och nicht; in der Stiftskirche sind auf Tafeln die Namen der gefallenen Krieger von 1870/71 zum ehrenden Andenken ausgezeichnet. E« find nun so große Mittel zusammengebracht worden, daß die Errichtung eine» Kriegerdenkmals gesichert scheint. Er soll in das Seufzerwäldchen hinter die Platanenallee kommen.

Stuttgart 10. Nov. Der König hat dem Schillermusevm in Marbach auf den Geburtstag Schillers ein sein auSgeführte», in Gold gefaßtes Miniaturbildni« Christian Gott­fried Körners von Friedrich Oeser, dem Lehrer Goethes im Zeichnen und Malen, 1784 gemalt, gestiftet.

Stuttgart 10. Nov. (Strafkammer.) Im Juli ereignete sich in Obertürkheim ein schweres Unglück. Der Fuhrmann Jrnnervein dielt mit seinem Fuhrwerk vor einem Hause. Während er einen Sack herausschaffte, zogen die

Heftigkeit ins Wort.Je weniger wir an ihr rühren, je bester für uns beide."

Gertrud ich weiß, e» war unrecht von mir, die Pflichten"

Es war unrecht von mir, zu erwarte», daß jemand ander« handle, al» die menschliche Natur es vn» iu den meisten Fällen gebietet", ant­wortete sie mit Würde.Leben Sie wohl, Herr Doktor."

Und von Wera begleitet, verließ sie eilig da« Gemach.

Die Prophezeiung de» Geheimrat» Sekal fand eine glänzende Er­füllung. Leopold erblickte sich als Held de» Tage». Von allen Seiten brachte man ihm Ovationen dar; angesehene Forscher und Gelehrte suchten ihn auf. die Zeitungen sandten ihre Berichterstatter, Journale begehrten seine Mitarbeiterschaft, Vereine forderten ihn zu Vorträgen auf, die Ge­sellschaft riß sich um ihn. Der glückliche Reisende war viel zu jung und zu ehrgeizig, um sich nicht durch so viel Gunst und Huldigung geschmeichelt zu fühlen, er sonnte sich im Glanze seines Ruhme» und sein ohnehin stark entwickelte» Selbstgefühl gewann mit jedem Tage an Kraft und Umfang.

Neben ihm, wie ein Baum, der im Schatten eine« anderen gedeiht, stand sein Vater, überselig im Mitgenuste der auf seinen Sprößling aus­gestreuten Lorbeeren. Die Mutter freute sich im Stillen, sie empfing mit verklärtem Lächeln jede neue Mitteilung über eine ihrem Liebling ge­wordene Ehrung, in sich selbst nicht ganz die Befürchtung unterdrückend, da« Zuviel könnte seinem ethischen Charakter Schaden zufügen. Geheimrat Sekal dachte nicht so. Jede Auszeichnung nahm er hin, als gelte sie ihm selber, er fehlte nirgends an der Seite de» Sohnes und nur mit Mühe hielt er da» stolze, befriedigte Lächeln zurück, welche« sich unwillkürlich über sein aristokratische» Antlitz verbreitete.

Einer der in den Augen der beiden Sekal» qualitativ wertvollsten Triumphe stand noch au» Leopold sollte in einer außerordentlichen Sitzung de«Verein» für Erdkunde", welcher die Koryphäen der Wissen­

schaft beiwohnen würden, über di« Erlebniste und Ergebniste seiner Forschungsreise Vortrag halten. Der junge Mann traf die sorgfältigste» Vorbereitungen, er befand sich in außerordentlicher Aufregung. Ebenso sein Vater, der wohl wußte, wieviel von dem Erfolg gerade dieser Abends für die Zukunft de» Sohne« abhing.

Die Versammlung fand etwa sechs Wochen nach der Wiederkehr des Reisenden in« Vaterland stand. Eine interessante Ausstellung afri­kanischer Instrumente, Waffen und Werkzeuge war damit verbunden. Vor überfülltem Saale hielt Leopold seinen Vortrag. Der junge Mann war ein vortrefflicher Redner, er besaß das rhetorische Talent seiner Vaters. Seine in den frischesten Farben gehaltenen, lebendigen Schilderungen fan­den rauschenden Beifall.

Al» er geendet, erklärte der Vorsitzende des Vereins, nachdem er in ehrenvolle» und bewegten Worten des unglücklichen Ausgangs de» Dr. Hohl gedacht, der Vortrag gehöre unstreitig zu den gehaltreichste», welche die Gesellschaft seit langer Zeit gehört. Die Errungenschaften der Reise Leopolds reihten sich derjenigen der Nordpolexpedition des kühnen Nor­wegers Nansen würdig an; was der eine für den Nordpol, habe der andere für Afrika geleistet. An physischem Mut, an Aufopferung für die Wissenschaft, an Heroismus und Energie steht er dem Genannten eben­falls nicht nach, er habe eine Aufgabe gelöst, an deren Erfüllung tausend andere verzweifelt wären.

Alle Gefahren de« Klimas und Landes, Fieber, Krankheit und Tod, nicht» schreckte den kühnen Mann zurück; so tief e» zu beklagen sei, daß die geographische Wissenschaft durch die neueste Forschungsreise um eine» edle» Märtyrer bereichert worden, so glücklich dürfe sie sich auf der anderen Seite preisen, den Name« ihrer bedeutendsten Helden und Heroen einen neuen iu höchster Pracht erstrahlenden hinzufügen zu können!

(Fortsetzung folgt.)