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Amts- und Aiykigeblatt fiir dm Oberamtsbyirk Calw

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Erscheinungstage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag. Freitag und Samstag. Jnsertionspreis 10 Pfg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk 13 Pfg.

Mittwoch, den 9. November 1910.

Bczugspr.i. d. Stadt-/zjLhrl.m. Träger!. Mk. 1.25. Postbezugspr. r.i>. Orts-u. Nachbarortsaerk. -/,jährl. Ml. 1.20. im Fernverkehr Wk. 1.30. Bestellg. in Württ. 30 Pfg., in Bagern u. Reich 42Pfg.

Tagesuemgkeiten.

* Calw 9. Nov. Der Monat November scheint da« gerade Gegenteil vom Oktober zu werden Wahrend letzterer im Gegensatz zu den vorhergegangenen Monaten schöne« Wetter brachte, zeigt der November bisher ein sehr unfreund­liches Gesicht. Regen und Sturm wechseln miteinander ab und erschweren die Feldgeschäfte. Alle Quellen und Bäche sind stark angeschwollen, von allen Anhöhen kommen Wafsermengen her­unter, die Nagold ist ufervoll und e« fehlt nicht mehr viel, so wird sie au« ihrem Bett heraus- treten. Einen Nutzen werden die starken Regen­güsse wohl bringen. Was Gift und Bazillen nicht vermochten, das wird die Natur besorgen, nämlich die Vertilgung der Feldmäuse. Das Regenwasser dringt nun in alle Gänge und Höhlen auf Aeckern und Wiesen ein und ver­ursacht so den Untergang der massenhaft vor­handenen Nager. Die Wintersaat hat sehr unter den Mäusen gelitten, die Frucht wurde von de« Tieren gefressen und es wird sich im nächsten Frühjahr zeige«, daß manche Saaten sehr dünn stehen. Viele Landleute habe« deshalb von einer Bestellung der Felder mit Winterfrucht abgesehen in der Erwartung eines besseren Frühjahrs.

Neuenbürg 8. Nov. Gestern mittag ist zwischen Calmbach und Würzbach der Fuhrkaecht der NaiSlacher Sägmühle, Karl Rentschler von Altburg, vom Langholzwagen gefallen, unter die Räder geraten und überfahre« worden. Er wurde als Leiche gefunden.

Stuttgart 8. Nov. Direktor v. Strebe! erläßt eine Erklärung zum Fall Kinder­mann. Darnach hat Str. de» bekannte» Brief geschrieben ohne Wissen des Kultministeriums. Kindermann war ortsabwesend (in den Ferien).

Lediglich in der Sorge um die Hochschule Hohen­heim hat Direktor v. Strebe! dem Professor Kindermann wegen verschiedener öffentlicher Aeußerungen Vorstellungen gemacht und ihn er­sucht, künftig sich innerhalb der Grenzen zu halten, welche Pflicht und Stellung gebieten. Eine politische Tätigkeit wurde nicht untersagt, sonder« nur eine Rücksicht auf den Charakter der land­wirtschaftlichen Hochschule verlangt. Von der Annahme einer ReichßtagLkandidatur war in dem Brief gar nicht die Rede.

Stuttgart 8. Nov. In der Wagner- straße in GaiSburg scheute gestern nachmittag ein von einem Metzger geführtes Rind vor einem Straßenbahnwagen und schleuderte den Metzger unter ei» Steinfuhrwerk, sodaß der Mann über­fahren und ihm der linke Oberschenkel abgedrückt wurde. Heute früh erlitt ei» schweres Pferd der Tivoli-Bierbrauerei in der Hirschstraße hier vor dem Consumvereinklade« während der Knecht Bier ablud, einen Herzschlag und verendete alsbald.

Stuttgart 8. Nov. Bei dem gestern vom württemb. Landesverband für Leichtathletik veranstalteten Armeegepäckmarsch um de» Wanderpreis des württ. Kriegsministeriums und den Ehrenpreis des Königs wurde der Schutz­mann Paul Sigle Sieger, welcher die 36,2 km lange Strecke StuttgartKornwestheimLud­wigsburgSolitudeStuttgart in 4 Stunden 48 Min. zurücklegte. Da Sigle schon beim letzt­jährigen Gepäckmarsch Erster geworden war, gingen die beiden erwähnten Preise Heuer end­gültig in seinen Besitz über. Eine halbe Stunde »ach Sigle traf als Zweiter der Soldat Weiler vom Jnf.-Regt. Nr. 180 und kurz darauf als Dritter der Soldat Oesterle vom selben Regiment ein. In 5 Std. 28 Min. kam der Soldat Arnold vom Inf.'Regt. Nr. 124 am Ziel an und als Fünfter traf ein der Soldat Hauser >

vom Grea.-Regt. Nr. 119. Im ganzen haben sich 35 Geher am Marsch beteiligt, von denen aber nur 13 ans Ziel gelangte», während 22 den Marsch, der durch außerordentlich schlechte Wegoerhältnisse erschwert war, unterwegs auf­gegeben hatten. Jeder der 35 Teilnehmer hatte einschließlich des Gewehr« ein Gepäck von 65 Pfund zu tragen. Die Teilnehmer dursten sich von Radfahrern als Schrittmacher begleite» lassen. Start und Endpunkt war da« Schützen­hau» in Heslach.

Tübingen 8.Nov. (Zahnpflege. Versammlung.) Die Bezirktkrankenkaffe hat mit dem zahnärztlichen Institut einen Vertrag abgeschlossen, nach der alle Mitglieder der Kaffe völlig unentgeltliche Behandlung (Plombieren rc. inbegriffen) im UniverfitätSinstitut finden sollen. Diesen Vorteil kann keine einzige Kasse im Lande ihren Mitgliedern bieten. Trotzdem war dagegen von Seiten einiger unzufriedener Mitglieder Protest erhoben worden. Die Generalversamm­lung ging aber über diese Beschwerden zur Tagekordnung über. Die allgemeine Ver­einigung deutscher BuchhandlungSgehilfen hielt ihre Herbstlandesversammlung am Sonntag hier ab. E« sprach Herr Dulle von Berlin über Organisation der BuchhandlungSgehilfen". Der Vorstand wurde einstimmig wieder gewählt. Der Organisation gehören 3000 Gehilfen an. Nach einem gemeinsamen Essen wurde der Nachmittag zu einem Ausflug in die Umgebung Tübingens benutzt.

Göppingen 8. Nov. Es bestätigt sich, daß ein Wächter der hiesigen Wach- und Schließgesellschaft unter der Beschuldigung der Brandstiftung in Haft genommen worden ist. Der Polizei ist e» aufgefallen, daß der Wächter schon bei mehreren kleineren Brände« und auch bei dem Grobfeuer in der Nacht zum Sonntag

Am den Loröeer der Wissenschaft.

7) Roman von Friedrich Thieme.

(Fortsetzung,)

Aber deine Liebe zu uns, zu den Eltern und mir, unterlag diese dem Prozeß der Verflüchtigung nicht?" rief da» junge Mädchen voll sanften Vorwurf».

Das ist etwa» ganz andere» die Kindesliebe ist zu tief und fest eingewurzelt, um dem allgemeinen Gesetz der Vergänglichkeit zu verfallen."

Wera stand auf, und den Bruder mit einem beinahe fremden Aus­drucke messend, sagte sie langsam:

Ich werde nun nicht zu Gertrud hingehen. Du mußt wissen, wa» du zu tun hast und welche Pflichten dein Innere» dir auferlegt; ich wage nicht, den Unglücklichen in« Gesicht zu blicken."

Ohne auf eine Antwort zu warten, ging sie hinaus. Leopold hielt sie nicht zurück, nur einen halb scheuen, halb ängstlichen Blick sandte er hinter ihr her. ES ist nicht angenehm, an der Schwelle eine» neuen Leben» sofort auf Widerwärtigkeiten zu stoßen. Der Name Gertrud Hohl warf einen düsteren Schatten auf den strahlenden Glorienschein, der sein Haupt umleuchtete. Sein glücklicher Erfolg hatte seinen Ehrgeiz verdoppelt, er malte ihm die Zukunft in Rosenfarben, rückte ihm die erhabensten Ziele vor die dürstende Seele. Offen lag vor ihm der glänzende Sieges­pfad; sollte er über den Fuß eines Weibe» straucheln?

Und doch e» wurde in ihm neben der Stimme de« Ehrgeize» noch eine andere laut, die, wenn sie auch nur schwach und kaum ver­nehmbar zu ihm sprach, und ihre Klänge verhallten wie ferne, kaum noch vernehmbare Musik, doch fast mit denselben Worten und denselben Tönen

zu ihm redeten wie seine Schwester. Diese Stimme trat auf als unsicht­barer Anwalt für Gertrud e» fand eine schwache Auseinandersetzung zwischen ihr und der anderen statt, aber da» Plaidoyer de« Ehrgeize« er­schien ihm beredter und überzeugender. Er beschloß, Gertrud Hohl nicht aufzusuchen!

3.

Während de» ganzen Abend» erzählte er den Eltern und der Schwester von seinen Abenteuern. Dadurch erwachte das Andenken der alten Zeit und de» Freunde« wieder lebhafter in ihm, er fragte sich am andern Morgen, ob er sich wohl auch innerlich so kühl von Gertrud ab­gewandt haben würde, wenn Reinhart Hohl am Leben geblieben und mit ihm zurückgekehrt wäre?

Nun wohl, ich werde nachmittag» zu Gertrud gehen", resolvierte er, aber am Nachmittag hielt dieselbe kostbare Equipage vor der Villa, in welcher er gestern mit den Seinigen den Weg vom Bahnhof «ach dem Vaterhause zurückgelegt hatte; Kommerzienrat von Mori» mit Gattin und Tochter sprachen vor.

Alle drei traten Leopold mit begeisterter Freundschaft entgegen, Herma bewunderte ihn geradezu, wie die Mama deutlich durchblicke» ließ, sie sprach seit gestern von nicht» weiter, als dem dunklen Weltteil, von Negern, Krokodilen und Hippopotamen. In der Tat richtete sie Fragen aller Art an den glücklichen Forscher, und er mußte sich gestehen, indem er dieselben beantwortete, daß sie in der Tat ein reizende» und geistvolle» Geschöpf sei. Blond wie Gertrud, mit blauen Auge», aber hoher, statt­licher, als die Schwester Hohl», mit jener Ueberlegevheit in Wesen «ad Haltung, welche die Sorglosigkeit und der Besitz verleihen. Ihre Angen blitzten, während sie sprach. Geist und Temperament sprühten au» ihnen. Gertrud Hohl war passiver im Umgang, bescheidener, liebevoller und sanfter. Und wie einfach sie sich ausnahm neben dieser in Sammet und