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Stuttgart erfolgt um 12 Uhr 5 Min. nachm. Empfang und Begrüßung erfolgt vor dem Haupt­portal der Kirche.

Schwenningen 4. Nov. (Unfall.) Beim Staaisbohnhof Troffingen passierte gerade ein Möbeltransportwagen des Güterbeförderers Martin da« Gleis der elektrischen Bahn, als ein Wagen dieser Bahn im schnellsten Tempo daher­gesaust kam und zwei Pferde im Werte von 3000 ^ überfuhr. Ei» Pferd war sofort tot, das andere in kurzer Zeit darauf. Die das Fuhr­werk begleitende» Personen kamen mit dem Schrecken davon.

Friedrichshafen 4. Nov. (Fischerei.) In zwei Eisenbahnwagen kamen 10 500 junge Madüe Maränen hier an; es ist « eine Felchenart, ein guter Fisch, der sehr schnell wächst und größer al« unsere Blaufelchen wird. Die Eier sind aus den Seen in Rußland bezogen und werden in der bayrischen Fischzuchtanstalt aurgebrütet. Die jungen Fischchen, einsömmerig, ca. lO Centimeter lang, kamen hier sehr gut an und wurden sofort nach Ankunft unter Aussicht des K. HofgarteninspektorS Ammon am Schloß­hafen in den See gesetzt. Es ist zu hoffen, daß damit das gleich günstige Resultat erzielt wird, wie in den Seen von Oberbayrrn.

Friedrichshofen 4. Nov. (Defraudant) Der 17 Jahre alte Buchhalter Georg Geiger von Riedlingen, dem im Kurgartenhotel hier die Führung der Kaffe anvertraut war, ist spurlos verschwunden und mit ihm der Kaffenbestand von etwa 950 Mark. Wohin sich der jugendliche Defraudant gewendet hat, ist noch nicht bekannt.

München 4. Nov. Der Prinzregent hat an den Staatsminister des Inner«, v. Brett­reich, folgendes Handschreiben gerichtet:Als ich vor zehn Jahren Kunde von Vorbereitungen für die Feier meiner 80. Geburtstage» erhielt, habe ich ausgesprochen, daß es meinen Gefühlen wider­strebt, diese» Tag mit außergewöhnlichem Ge­pränge zu begehen. Dem gleichen Empfinden möchte ich he>te Ausdruck geben, nachdem ich erfahren habe, daß ein Landesausschuß zusammen- getreteu ist, und Einleitungen zur festlichen Be­gehung meine» 90. Geburtstage« getroffen hat. So sehr mich da» Bewußtsein, daß nach einem Dezennium die gesamte Bevölkerung mir neuer­liche Beweise unverminderter Liebe und Anhäng­lichkeit entgegenbringen (will, mit Freude und aufrichtiger Genugtuung?erfüllt, ist e» doch mein dringender Wunsch, daß die in Autsicht genom­

meine Landerfeier sich in schlichter Weise ohne prunkvolle Feste vollziehe, daß insbesondere von der Darbringung von Geschenken und Huldi­gungsgaben abgesehen werde und daß eine ge­sonderte Feier meiner 25jährigen RegentschaftS- jubiläum» nicht stattfinde. Indem ich Sie, mein lieber Staatsminister v Brettreich, ersuche, diese meine Willensmeinung öffentlich bekannt zu machen, erteile ich gern die von dem Lande«au«schuß er­betene Genehmigung zur Veranstaltung einer LandeSsommlung kür wohltätige und gemein­nützige Zwecke. Mit huldvollen Gesinnungen, Berchtesgaden, den 2. November 1910, Ihr wohl­geneigter Luitpold, Prinz von Bayern.

Wildpark 4. Nov. Der Kaiser von Rußland traf um 10 Uhr hier ein. Zu seinem Empfang hatten sich auf dem Perron de» in russischen und deutschen Farben geschmückten kaiserliche« Sonderbahnhofs eingefunden die Prinz-n des königlichen Hause» und regierender deutscher»ser, das Hauptquartier, die Gene­ralität, die Admiralität, der ruffische Botschafter, Graf v. d. Osten Sacken, mit den Herren seiner Botschaft, der Reichrkanzler v Bethmann-Hollweg, der Staatssekretär de« Aurwärtigen v. Kiderlen- Wächter, KriegSminisier v Heeringen und Staats­sekretär v. Tirpitz. Die Herren des Ehrendienstes waren dem Kaiser von Rußland entgegengefahren. Um halb 10 Uhr erschien Kaiser Wilhelm in der Uniform des ruff. Leibgrenadierreaiment» Friedrich Wilhelm III, dessen Chef er ist, und begrüßte die Anwesenden. Um 10 Uhr lief der ruff. Sonderzug ein. Die Musik spielte di« rnss. Hymne. Der Zar, in der Uniform des Kaiser Alexander Gardegren Rats, mit der Bleckmütze und dem Band des Schwarzen Adlerorden» ent­stieg dem Salonwagen. Die Monarchen um­armten und küßten sich wiederholt. Der Kaiser stellte dem Zaren die Prinzen, den Reichskanzler und das Gefolge vor, der Zar dem Kaiser sein Gefolge. Die Fahrt nach dem Neuen Palai» erfolgte unter Eskorte einer Schwadron vom Regiment der GardeS du Corp». Die Musik- korp» der spalierbildenden Truvpen spielten die ruffische Hymne. Das Publikum begrüßte die Monarchen. Beide Kaiser dankten freundlich.

Berlin 4. Nov. Bei der Kriminalpolizei erschien gestern ein älterer Mann, der sich Hajick nannte und voraab, in dem böhmischen Städtchen Kerbowitz einen Raubmord verübt zu baben. Er sei nach der Tat nach Brasilien geflohen, habe aber dort keine Arbeit finden können, weil er der spanischen Sprache nicht mächtig sei. Darauf habe er sich al» Kohlentrimmer auf einem

Dampfer nach Europa zurückgearbeitet und sei zu Fuß nach Berlin gepilgert. Da er auch hier vergebens versucht habe, Arbeit zu erhalten, stelle er sich der Polizei.

Rendsburg 4. Nov Parseval VI traf gegen 2 Uhr 30 hier ein und landete auf bem Exerzierplatz. Nach etwa ^stür.digem Auf­enthalt, während dessen ein Passagierwechsel vor­genommen wurde, erfolgte die Rückfahrt nach Kiel.

Kiel 4. Nov. Parseval VI ist um 3 Uhr 40 hier wieder eingetrcffen und nach einer Fahrt über Stadt und Hafen vor der Ballon­halle gelandet.

Bern 4. Nov. Die Stationen des Appen­zeller Landes, Einsiedeln, Engelberg und auch Grindelwald melden eine Schneehöhe bis zu 30 Zentimeter.

Innsbruck 4 Nov. Im Schnellzug zwischen Waidbruck und Bozen sind einer Dame 30000 Kronen gestohlen worden. Der Dieb ist spurlo» verschwunden.

Genua 3. Nov. Eine heftige Sturm­flut richtete an der Riviera großen Schaden an. In Voliri wurde die Werft Costaguta zer­stört. Die hohen Wogen zwangen die Küsten­bewohner, ihre Häuser zu verlassen. In Pegli überschwemmte daS Meer die Parterre- und Kellerräume des niedergelegenen Stadtteil». Ein Bergsturz sperrte stundenlang den Verkehr.

Newyork 4 Nov- In Brooklyn gerieten durch ein Groß feuer, da» in dem fünfstöckigen Gebäude einer Korkenfabrik ausbrach, 300 Mäd­chen in Lebensgefahr. Sie flohen in wilder Panik. Viele sic len zu Boden und wurden von den anderen getreten. Zahlreiche erlitten schwere Verletzungen.

GtemdeSsrmt EalB.

Geborene.

28. Okt. Emil August, S. d. August Steng, Landjägers hier.

27. Ludwig, S d. Matthäus Waidelich, An­

kupplers hier.

Gestorbene.

30. Okt. Dorotea Aichele, geb. Mornhinweg, Schuh­machers Witwe, 65 Jahre 3 Monate alt von Deckenpfronn.

Reklameteil.

üeoegii'L

Voi^ügliLNe 3 u. 5 ?fg. ciggrsttL.

Am den Lorbeer der Wissenschaft.

4) Roman von Friedrich Thieme.

(Fortsetzung.)

2.

Der verklärende Schimmer der Nachmittagssonne erfüllte die freund­liche Leipziger Südwestvorstadt, al» eine prachtvolle Equipage, von zwei wertvollen Rappen gezogen, vor dem villenartigev Gebäude der Karl- Tauchnitzstraße, in welchem Geheimrat Sekal residierte, geräuschlos anhielt. Dem luxuriöse» Gefährt entstiegen zwei Herren und zwei Damen in eleganter Kleidung, der Geheimrat mit seiner Frau, seiner Tochter Wera und seinem glücklich heimgekehrteu Sohne.

Dr. Leopold Sekal präsentierte sich gleich der Schwester als Eben­bild des Vater». Hier wie dort dieselbe hohe Gestalt, dieselben dunklen Augen mit stolzem Ausdruck, der nicht ganz frei von Uebrrhebung war oder doch ein ausgeprägtes Selbstbewußtsein bekundete. Mänrliche, edle Züge, eine Nase von edler Form, buschige, etwas zusammengekniffene Brauen, wie sie Denkern und Forschern eigentümlich find. Den weißen Teint aber hatte die glühende Sonne des schwarze» Erdteil» gebräunt, die blühenden Wangen waren eingefallen, so daß die Knochen hervor­traten und die Nase viel größer geworden zu sein schien. Auch lagen die Augen tief in den Höhlen und der dunkle Schnurrbart sah noch immer etwa» wirr und ungepflegt au», da er sich nicht so schnell wieder der glättenden Hand fügen wollte.

Die Mutter war auch beim ersten Anblick ihre« geliebten Kindes nicht wenig erschrocken gewesen.

Mein Gott, Leopold, wie krank du ausfiehst"

Keine Sorge, Mama, ich befinde mich ganz wohl. Die afrikanische Sonne hat mich etwa» zusammengedörrt, da» ist alle»."

Du siehst viel älter au», al» du bist, wer sollte dich jetzt noch für 28 halten?"

Das wird sich alles wieder geben ich habe ein wenig da» Fieber gehabt, die Heimatluft wird mich bald ganz wieder Herstellen."

Ein wenig, Leopold?"

Er lachte.

Wie man's nimmt, er hat mich derb abgeschüttelt. Ich war nur noch Haut und Knochen, und dachte damals wohl kaum, euch j^ wieder­zusehen. Doch genug davon, liebe Mama, ich bin wieder da, wir wollen uns die Freude der ersten Zusammenkunft nicht durch trübe Erinnerungen verkümmern." , ^ ^

Eltern und Sohn strahlten noch in der erhebenden Empfindung des dem jungen Forschungsreisenden gewordenen Empfange«. Auch Wera fühlte sich beseligt, aber ihre Freude trübte ein anderes Gefühl, dar sie vergebens wenigsten» aus ihrem Antlitz zu verbannen suchte.

Der Geheimrat sprang zuerst aus dem Wagen, er wandte sich zu dem in reicher Livree einherstolzierenden Diener, dem er ein reiches Trink­geld mit den Worten einhändigte:

Nochmal» meine Empfehlung dem Herrn Kommerzienrat mit dem Ausdruck meines tiefgefühltesten Dank-S für seine lieben»würdige Auf-

nerksamkeit." ^

L-opold führte die Mutter, der Vater ergriff den Arm Wera», so raten sie, während die übrigen Hau bewohncr und ein Teil der Nachbarn .ffen oder verstohlen au» den Fenstern nach ihnen hinüberblickten, in »a» Haus. . - . . .

Welch ein begeisterter Empfang, Leopold," rief Dr. Sekal rm llachhall seiner freudigen Erregung.

Gelt, das hättest du nicht erwartet? Von einer ganzen Anzahl lamhafter Gelehrter gleich bei der Ankunft in deiner Vaterstadt begrüßt u werden, das Wartezimmer für vornehme Gäste geöffnet und dekoriert u finden, eine große Menge teilnehmender Menschen deiner harrend zu Micken und die Hochrufe, die Beglückwünschungen! Lieber Sohn, >u bist wie ein Fürst bewillkommnet worden und wie liebenswürdig >on Herrn Kommerzienrat v. Moris, mit Gemahlin und Tochter persön- ich zu deiner Begrüßung zu erscheinen und darauf zu bestehen, daß wir tatt in einer Droschke in feiner kostbaren Equipage nach Hause fuhren! kein, e» war erhebend, rührend!

(Fortsetzuna solat.)