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gegenwärtigen Besitzstand an Arbeitern und Arbeiterinnen strengsten» zu respektieren. Arbeitergesuche in der Presse und auf dem Städtischen Arbeitsamt sind unter allen Umständen bis auf Widerruf dieses Beschlusses zu unterlassen. 3. ES wird ein Streikabwehrfonds gebildet in Höhe von 1 Prozent der im letzten Jahre gezahlte» Löhne. Zu demselben wird sofort von den Mitgliedern die Hälfte von der Kasse des Arbeitgeberverbande- eivgehoben.
Pforzheim 1 Nov. Die Ortkverwaltung des deutschen Metallarbeiterverbandes hat ein Flugblatt herausgegeben, da- heute früh verteilt wurde. Dasselbe lautet: Deutscher Metallarbeiterverband, Verwaltungsstelle Pforzheim. An die organisierte Arbeiterschaft der Hauptindustrie! Werte Kollegen und Kolleginnen! Sollten Euch die Unternehmer fragen, ob Ihr organisiert seid, so antwortet: „Nein!" Das empfehlen w!r allen unseren Mitgliedern. Die Ortsverwaltung de- deutschen Metallarbeiterverbander.
Därmst« dt 31. Okt. Der Zar hat, wie die „Darmst. Ztg." berichtet, zum Besten der Wohltätigkeitsanstalten und der ärmeren Bevölkerung FriedbergS und Bad Nauheims 10000 Mark gespendet und diese dem Staat-minister Ewald zur Verteilung übermitteln lassen.
Berlin 1. Nov. In der Leichenfundaffäre hat sich ein Dienstmädchen aus KonradS- höhe bei Tegel gemeldet, das aus einem Ring und der Photographie die Ermordete als ein 17 Jahre alter Mädchen erkannte, das in Konrads- höhe bei einer Produktenhändlerin in Stellung war und seit vierzehn Tagen vermißt wird. Den Ring habe die Ermordete von ihr gegen einen Hut eingetauscht. Er sei früher ihr Eigentum gewesen.
Bremen 1. Nov. Die Rettungsstation Helgoland der deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger telegraphiert: Am 1. November wurden von dem auf der Nordspitze der Düne gestrandeten Leichter „Johanna" drei Personen durch das Rettungsboot „Dora" der Station gerettet. Schwer Sturm au- Südwesten.
Cuxhaven 1. Nov. Seit gestern nacht wütet an der Elbrmündung ein furchtbarer Nordweststurm. Auf Vogelsavd ist ein Segelschiff gestrandet; es gibt Notsignale. Sämtliche verfügbare RrttungSdawpfer sind dorthin ausgelaufen.
Newyork 1. Nov. Der Aus st and der Angestellten der Untergrundbahn und der Transportarbeiter gewinnt immer wehr on Ausdehnung. Die Stadt ist förmlich in Kriegszustand versetzt. Jeder Wagen wird von einem bewaffneten Po
lizisten geführt und von einem berittenen Polizisten eSkordiert. Die Hauptpunkte der Straßenbahn, sowiedie Bureaus der Transportgesellschaften werden von Truppen bewacht. Die Miliz von Hoboken und Jersey City hat Befehl bekommen, sich bereitzuhalte».
Belmont Parc 31. Okt. Die Teilnehmer an der Flugwoche, deLesseps, White und Moisant, flogen gestern über Brooklyn, umkreisten die Freiheitsstatue im Hafen von New-Dark und kehrten auf demselben 16 Meilen langen Wege hierher zurück.
Buenos Aires 1. Nov. I« Uruguay ist die Revolution jetzt vollständig. Alle Telegraphen, Telephon- und Eisenbahnverbindungen sind abgeschnitten. Die Landbewohner suchen Schutz in den Städten. Die Aufständischen wenden sich jetzt der Hauptstadt Montevideo zu. Der Handel ist vollständig lahmgrlegt. Gerüchtweise verlautet, daß die Revolutionäre in verschiedenen Gefechten von den Regierungstruppen geschlagen worden seien. Eine amtliche Bestätigung dieser Meldung steht jedoch noch aus.
Vermischtes.
(Württembergische Finanzen.) Der „Schwarzwälder Bote" bringt über die Lage der württembergische« Postfinanzen im Anschluß an die Nachricht, daß das neue Briefmarkenabkommen gegenüber dem alten insgesamt pro 1911 nahezu 1?/s Millionen weniger einbringen werde, längere Ausführungen, denen wir folgendes entnehmen: Es hat sich leider gezeigt, daß der Post, und zwar auch in Bayern und im Reich!postgebiet durch die Einführung des Postscheckverkehrs, der kaum seine Selbstkosten deckt, namhafte Ausfälle auf anderen Gebieten entstanden. Für Württemberg ist der Rückgang des Wertvaket- und Wertbriefverkehrs noch ein weiterer Schaden. Seit 1. Juli 1907 wird der Anteil der drei deutschen und der österreichisch- ungarischen Posten an der gemeinschaftlichen Fahrposteinnahme aus dem wechselseitigen Verkehr der betreffenden Gebiete an gewöhnlichen und Wertpaketen, sowie Wertbriefen, im Wege von Pauschalvergütunge» verrechnet; für Württemberg wurde für 1907 ein Betrag von 840000 berechnet, den es mit der Wirkung bezahlen muß, daß jede» Jahr für Verkehrssteigerungen je weitere 25 000 ^ zu bezahlen sind, also für 1910 bereit» 915000 Trotzdem das betreffende Abkommen auf 10 Jahre abgeschlossen ist, ist es dringend nötig, daß die württembergische Postverwaltuvg eine Revision auf Grund der außergewöhnlichen Veränderungen, wie sie der Postscheckoerkehr brachte, beantragt. E« wäre dann Sache unserer Vertreter, bei et
waigen Verhandlungen günstigere Bedingungen herauszuschlagen.
— Von der Zeppelin-Werft schreibt man dem „N. Tgbl." aus Friedrichshafen: Neben dem Luftschiff „Ersatz Deutschland", das seiner Vollendung entgegengeht, wird jetzt in der Werft der Zeppelin-Gesellschaft mit dem Bau eines neuen Luftschiffes begonnen. Auch dieses Luftschiff ist ein Paffagierluftschiff für die Deutsche Luflschiffahrts-Aktiengesellschaft und dürfte nach Fertigstellung wohl in Frankfurt a. M. stationiert werden. Ist die Halle in Frankfurt a. M. nächstes Jahr fertig, dann stehen der „Delag" Landungihallen von Süd nach Nord in Friedrichshafen, OoS, Frankfurt a. M. und Düffeldorf zur Verfügung.
Fanatiker der alten Zeit. Wir lesen in den „Hamburger Nachrichten": Von Fremden häufig ausgesucht wurde seit langen Jahren im Kreise Tovdern die kleine Dorfwirtschaft der beiden alten Dorfmusikanten, Gebrüder Dyrbye. Ohne eine Note zu kennen, beherrschten sie die Geige mit einer gewissen Meisterschaft und spielteA mit besonderer Vorliebe uralte Bauerntänze und schleswig-holsteinische Lieder. Was aber ganz besonders die Fremden herbeizog, war die Wirtschaft selbst, in der man sich in längst vergangene Tage zurückversetzt sah. Die beiden Brüder, von denen jetzt der ältere, der 89jährige Hans Dyrbye, gestorben ist, waren in der Nordmark weithin al» Originale bekannt. Sie duldeten nicht» Moderne» in ihrer Behausung. Kein Petroleum wurde gebrannt, kein Streichholz durfte angezündet werden. Zum Anzünden der Tabakspfeife oder der Zigarre standen auf dem primitiven Tisch Fidibusse neben einer brennenden Talgkerze zur Verfügung. Wer trotzdem ein Streichholz anzündete, hatte es mit den biederen Alten verdorben und wurde nicht mehr geduldet. Auf einer Kohlenschippe aber wurden die Reste de» Zündhölzchens hinauSge- schafft, durch das die Räume entweiht waren. Jetzt lebt nur noch der 87jährige jüngere Bruder nebst einer nahezu ebenso alten Wirtschafterin im Hause.
Martztderichte.
Stuttgart 1. Nov Dem heutigen Mo st obstmarkt auf dem Wilhelmsplatz waren 1200 Ztr. zugesührt. Preis 5.90—6.80 ^ per Zentner.
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„Ist er tot?" wiederholte sie drängend, heftig.
„Er ist ein Opfer seiner hehren Mission, ein Märtyrer der Wissenschaft geworden — er starb als ein Held im Kampfe gegen eine« tückischen Neperstamm, das Nähere werden wir erst durch Leopold —"
„Wera!" rief Frau Sekal entsetzt. „O, Papa, schweig, du weißt nicht, was du tust!"
Damit eilte sie voll Angst auf Wera zu, und schloß die fast Zu- fammenbrechende in ihre Arme.
„Komm, komm, mein Kind, erhebe dich!" rief sie mitleidsvoll, „Papa wußte ja nichts davon."
„Von was denn? Sie —"
„Wart einen Augenblick," wehrte die Geheimrätin, worauf sie liebevoll ihre Tochter hinouSgeleitete.
Unruhig schritt Dr. Sekal in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Erst nach einer halben Stunde kehrte seine Gattin zurück.
„Was hat sie den« in aller Welt, Louise?" fragte er seine Frau, indem er trotz aller Besorgnis einen leisen Anflug von Gereiztheit im Tone nicht zu unterdrücken vermochte. „Sie — sie hegt doch nicht eine Neigung für Dr. Hohl?"
„Ich glaube e», Rüdiger — schon vor seiner Abreise nach Afrika legte sie eine schwärmerische Verehrung für ihn an den Tag und die Zeit hat ihre stille Liebe anscheinend eher gestärkt, als verflüchtigt. Sie hat ihn in ihrem Herzen zum Helden ihres Leben» ausgebildet und seine Rückkehr sich oft in glühenden Farben ausgemalt, so daß die lange Trennung in diesem Falle ihres mildernde» Einflusses entbehrt."
„Hm — und davon hast du mir nicht» gesagt?"
„Ich hielt es früher nur für kindliche Schwärmerei — sie war erst siebzehn Jahre alt, al» er abreiste. Erst seit einiger Zeit begann ich ihr Geheimnis zu ahnen — ihre Unruhe, als die vorher in Aussicht genommenen drei Jahre vorübergingen und immer keine Nachricht eintraf, fiel mir auf, doch hielt ich anfangs alle» für Sorge um den Bruder. Erst
später machten einige Aeußerungen mich unsicher — heute aber geht mir alle» klar auf; mit Bestürzung erkenne ich jetzt den wahren Zustand ihre» Herzens."
Der Geheimrat runzelte die Stirn. „Das ist die Folge, wenn Kinder Geheimnisse vor ihren Eltern haben," murmelte er ärgerlich.
Luise zuckte die Achseln. „Die Liebe ist ein zarte», scheues Gefühl, Rüdiger, erst wagt man lange nicht, e» sich selbst zu gestehen, dann zögert man, die heilige Flamme dem Hauch der Oeffentlichkeit auSzusetzev."
„Und du weißt nicht, ob zwischen beiden bereit« volles Einverständnis herrschte?"
„Dr. Hohl war ein zu großer Ehrenmann, als daß er ohne unser Wissen und hinter unserem Rücken da» Herz unseres Kinde» hätte umstricken sollen."
„Allerdings," erwiderte Dr. Sekal finster. „Und doch — das Mädchen ist nun zwanzig Jahre alt und legt so geringe Teilnahme für alle unseren wohlgemeinten Pläne für ihre Zukunft an den Tag — da» ist sonderbar; daß sich da etwa» dahinter versteckt, hätte ich wohl vermuten dürfen."
„Wäre dir Dr. Hohl al« Schwiegersohn nicht angenehm gewesen?" forschte seine Gattin trübe lächelnd.
Dr. Sekal schritt mit trüber Gebärde im Zimmer auf und ab.
„Ich weiß nicht," äußerte er sich nach einer Weile unentschlossen. „An sich war wohl nichts gegen den äußerst tüchtigen und ehrenwerten Mann einzuwenden. Leopold und er hätten sich in den Ruhm und Erfolg ihrer Forschungsreise geteilt. Der Doktor war zwar von Haus allein armer Teufel, stand aber zweifellos vor einer glänzenden Karriere, und Karriere ist da» Zentrum, um da» sich heutzutage alles dreht. Ein solcher Schwiegersohn kann keinem Vater unwillkommen sein, nur hatte ich den Doktor bisher noch nicht in meine Erwägungen eivgeschloffen und war bereits eine« anderen Pfad gegangen, auf dem sich mir nun dieses unerwartete Hindernis entgegentürmt." (Forts, folgt.)