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Amts- UN- An^erge-Latt für den O-eramts-yirk Calw.
85. Jahrgang.
Erscheinungslage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und SainStag. Jnsertionspreis 10 Psg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte! außer Bezirk 12 Psg.
AmrtNstze Nsksnntrnachuietze«.
Kgl. Oberamt Calw.
Bekanntmachung.
Der durch Erlaß der' K, Kreisregieiung Reutlingen vom 18. vor. Mts. als Ortsvorsteher der Gemeinde Oberhaugstett bestätigte Johannes Proß, Bauer und Gemeinderat daselbst, ist am 29. vor. Mts. verpflichtet und in das Schulthetßen- amt eingesetzt worden.
Den 2. November 1910.
Reg.-Rat Binder.
An die Ortsschulräte.
Bestellungen auf die „Anweisung zur Leitung einfacher Leibesübungen für Mädchen" von Professor Keßler werden bis 15. November angenommen.
Calw. 1. November 1910.
K. ev. Bezirksschulamt. Schmid.
Tagesuenigketten.
V Calw 2. Nov. Die großen kaufmännischen Geschäfte in den großen und mittleren Städten haben das Bestreben, ihre Geschäftsbetriebe immer weiter auszudehnen und zu vergrößern. Um diesen Zweck zu erreichen, gründen sie Filialen und suchen auch in den kleineren Städten festen Fuß zu fassen und sich eine sichere Kundschaft zu erwerben. Zuerst sind die Warenhäuser überall ausgetreten und nun machen die Großbetriebe in den verschiedensten Branchen diese Geschäftsausdehnung nach. So wird in nächster Zeit eine große, bekannte und leistungsfähige Firma aus der Kolouialbranche in Pforzheim hier in der Badgafse einen Laden eröffnen und sich ansässig mache». Die auS
MMwoch, den 2. November 1910.
wärtige Konkurrenz tritt somit nicht bloß in den Großstädten sondern auch an kleineren Plätzen stark in den Kampf mit den ortseingesessenen Geschäften.
* Calw 2. Nov. Mit dem MonatS- wechsel ist ein vollständiger Witterungsumschlag eingetreten. Der vergangene Oktober gehörte zu den schönsten Monaten des heurigen Jahrgangs und es konnten die Feldgeschäfte aufs beste besorgt werden. Seit dem gestrigen Tage hat sich starker Regen eingestellt; zugleich geht ein orkanartiger Sturm über unsere Gegend hin. Die Nagold ist Lurch die starken Regengüsse hoch angeschwollen. Auch aus andern Ländern berichten die Blätter Gewitter und den Niedergang starker Regenmaffen.
— Im Prüfungsjahre 1909/10 ist vom Ministerium des Innern u. a. dem nachgenannten Kandidaten auf Grund erstandener Prüfung die Approbation als Arzt erteilt worden: Kommerell, Ernst, von Liebenzell.
Freudenstadt 1. Nov. (Militärautomobile für die Türkei.) Von Gaggenau kamen 3 Automobil-Lastwagen, die für die türkische Militärverwaltung bestimmt sind, mit voller Beladung hier an. Mit dieser Fahrt waren die Probefahrten beendigt und die dabei anwesenden türkischen Militärs haben die Wagen abgenommen. Nachdem die Bedienungsmannschaften im Gasthaus z. Engel Mittag gemacht hatten, fuhren die Wagen wieder nach Gaggenau zurück.
Leonberg 1. Nov. (Zur Fleischte» er üng.) Ein hiesiger Metzger machte bekannt, daß er Schweinefleisch zu 80 Psg. auS- haue. Al» ein Versuch, dies zu Hintertreiben, fehlschlug, beschlossen die übrigen Metzger, da» Fleisch für 75 Psg. ausschellen zu lassen, wozu es aber besonderer Umstände wegen nicht kam;
Bezugspr. i. d. Stadt -/,j-ihrl. m. TrLgerl. Mk. i.25. Postbezugspr. 7.d.OrtS-u. Nachbarortsverk. -/.jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr LA. 1.30. Bestellg. in Württ. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42 Pfg.
dagegen ließ der erste Metzger, als ihm die» zur Kenntnis kam, seinerseits das Fleisch zu 74 Pfg. durch die Ortsschelle bekannt machen. Diese Vorgänge wurden von den Konsumenten beifällig ausgenommen.
Tübingen 1. Nov. (Volksunterrichts- kurse.) Die hiesige Freie Studentenschaft will diesen Winter Volksunterrichtskurse veranstalten. Auch Korporationtstudenten sollen sich als Lehrkräfte daran beteiligen. Sehr aussichtsreich ist der Boden hier nicht für derartige Kurse. E» fehlt ja fast ganz die Jndustriebevölkerung, die sonst das Hauptkontingent für diese Kurse stellt.
Stuttgart 1. Nov. Wie der „Staatsanzeiger" mitteilt, ist die Maul- und Klauenseuche in Württemberg in Pinache OA. Maulbronn in 2 Gehöften ausgebrochen. Wahrscheinlich wurde sie vom Schlachthof in München dorthin verschleppt.
Stuttgart. Zur Verständigung der liberalen Parteien schreibt heute der „Beobachter" in Bestätigung der gestrigen Meldung der Württ. Presse-Korrespondenz: „Die Mitteilung, daß die Verhandlungen zwischen der Volkspartei und der Deutschen Partei abgeschlossen seien, ist falsch. Im Anschluß Hiera« möchten wir die Blätter ersuchen, ähnlichen Mitteilungen gegenüber, die von nichtbeteiligter Seite ausgehen und im wesentlichen nur auf Kombinationen beruhen, vorsichtig zu sein. Zu einer gedeihlichen Weiterentwicklung trägt das stete Aufrühren in der Oeffentlichkeit nicht bei, noch dazu, wen« die Angabe» unrichtiger Natur find."
Stuttgart 1. Nov. Vom 1. Januar 1911 an dürfen im AuSlandSoerkehr wie im inneren deutsche« Verkehr zur Versendung
Am den Loröeer der Wissenschaft.
1) Roman von Friedrich Thieme.
1 .
Geheimrat Dr. Rüdiger Sekal verschlang mit leuchtenden Augen die wenigen Worte eines Telegramms, das er in der Hand hielt; dann stürzte er nach der Tür seines Studierzimmer», riß sie auf und ließ seine Stimme laut hinausschallen:
„Mama — Wera — schnell — kommt hieher!"
Gleichzeitig zog er stark an der Klingel, als wollte er seinem Rufe dadurch Nachdruck verleihen. Das war aber gar nicht nötig, Mama und Wera hatten den Ruf schon vernommen und erschienen »ach wenigen Augenblicke» mit bestürzten Mienen vor dem Vater.
„Rüdiger, was ist'»? Doch kein Unglück — o, er ist gewiß —"
„Er lebt, Mutter, er lebt — er ist zurückgekehrt — ist jetzt in Kamerun — hier habe ich ein Telegramm von ihm, worin er seine glückliche Rückkehr anzeigt — unendliche Strapazen und Gefahren hat er überwunden — morgen schon tritt er die Reise nach der Heimat an!"
Der Geheimrat erstattete den Bericht mit freudig verklärten Blicken. Mutter und Tochter stießen einen Jubelruf aus, doch kehrte sofort in die Züge der Mutter ein Ausdruck ängstlicher Besorgnis zurück.
„Und ist er gesund? Steht alles gut?" forschte sie dringend.
„Alles — und morgen ist er schon auf dem Wege hierher", erwiderte der alte Herr triumphierend. „Er kommt, kommt mit Ruhm bedeckt, bekränzt mit dem Lorbeer der Wissenschaft", fügte der Geheimrat mit stolzem Blick hinzu. „Unsägliche Mühsale« und Strapazen ertragend, hat er seine Füße auf einen Boden gesetzt, den «och nie der Fuß eines Europäers betreten — die Erforschung des dunklen Weltteil» gleich
Stanley, Emin Pascha, Wißmann und anderen eine» bedeutenden Schritt weitergeführt!"
„Aber er hat sein Leben dabei aufs Spiel gesetzt", meinte wehmütig und doch ebenfalls beglückt Frau Doktor Sekal; „vor wenigen Wochen noch zweifelten wir an seiner Wiederkehr!"
Geheimrat Sekal antwortete mit bedeutsamem Nicken.
„Was tut es, wen» nur der Ausgang glücklich ist", rief er begeistert. „Genest der Kranke nur, so vergißt er das ausgestandene Leiden gern. Freuen wir «ns der Erfolge unsere« Sohnes! Fast drei Jahre hörten wir nichts von ihm und alle Welt hielt ihn schon für tot — im stillen beweinten wir ihn bereits — nun auf einmal kommt er zurück, ein Triumphator, ein ehrgeschmückter Sieger — Ihr sollt sehen, wie alle Journale und Zeitungen ihn jubelnd begrüßen, wie die Berichterstatter ihn belagern, die gelehrten Gesellschaften ihn feiern! Sein Weg ist gemacht, seine Laufbahn entschieden! Drei solche Jahre werfen ihre Strahlen auf das ganze Leben, den» ewig bleibt er der große Entdecker, der mut- volle Forscher, dem die Wissenschaft Dank schuldig ist; sein Buch wird mit Gold ausgewogen, jeder Schweißtropfen mit Zinsen zurückerstattet!"
„Und wenn da« Kapital, für welche« er die Zinsen einheimst, verloren gegangen wäre? Wenn er gestorben, ermordet worden wäre?"
Dr. Sekal schüttelte mißbilligend den Kopf. „Er ist e« aber nicht, Mama. Und wenn — nun, so zählt er zu den Märtyrer» der Wissenschaft und auch diese leben ewig im Andenken der Gebildeten aller Nationen."
Die Aussicht, entweder ein Held, oder doch ein Märtyrer der Wissenschaft zu werden, erschien dem Geheimrat Sekal al» das höchste Ziel sterblichen Streben». Was bedeutete da» Leben im Vergleich zu solchem Ruhm? Seine an sich ernsten und düsteren Züge blickten förmlich verklärt, wie er jetzt das Haupt und« die dunklen Augen emporhob. Mit seinen sechzig Jahren war der Gelehrte noch ein schöner und kräftiger