Stuttgart 26. Oil. Kürzlich wurde in der Schießstraße einSchulmädchen bei einem Unfug abgefaßt, der auf starke Verwahrlosung der jungen Geschöpfe« schließen läßt. Das Mäd­chen harte ein Gesangbuch in oer Hand und suchte damit vorbeigehenden Damen die Kleider zu streifen. Bei genauer Untersuchung des Buches fand sich darin ein zugefpitzteS Instrument, mit dem da» Mädchen die Kleider Vorbeigehender zu zerreißen suchte. Leider wurde versäumt, das Mädchen der Polizei zu übergeben.

Stuttgart 26. Okt. In dem Schaden- ersatzprozeß des bei der Katastrophe von Echterdingen verunglückten früheren Mecha­niker» Böhler gegen Graf Zeppelin fand heute vor dem K. Obcrlandesgericht die Ver­handlung in der Berufung des Klägers gegen da» Urteil der Zivilkammer de» K. Landgericht- Stuttgart statt, das bekanntlich auf Abweisung der Klage lautet, weil eine GrfährdungLhaftung für den vorliegenden Fall nicht anerkannt werden könne und weil es teils an einem Verschulden de» Beklagten, teils an einem ursächlichen Zu­sammenhang zwischen den dem Grafen Zeppelin und dem Oberingenieur Dürr zur Last gelegten Unterlassungen und dem Unfall des Klägers fehle. In der heutigen BrrufungSverhandluvg stellte der Vertreter de» Grafen Zeppelin, Rechtsanwalt Dr. Dieterlen-Raven-burg, den Antrag, die Be­rufung des Klägers gegen das Urteil der Land­gericht» kostenfällig zu verwerfen. Vor Eintritt in die Verhandlung fragte der Vorsitzende de» Gericht», ob ein Vergleich nicht in Autficht zu nehmen sei. Der Vertreter de« Kläger», Rechts­anwalt Dr. Lindenmaier, erwiderte, daß sein Mandant da» ihm nach Erlaß de» erstinstanzlichen Urteil» vom Grafen Zeppelin gemachte Anerbieten auf Zahlung einer Summe von 10000 ab­gelehnt habe, mit Rücksicht darauf, daß ihm durch die ä-ztliche Behandlung und durch den Prozeß schon so hohe Kosten erwachsen seien, daß die 10000 ^ eine nennenswerte Entschädigung nicht darstellen würden. Böhler habe den Vorschlag gemacht, Graf Zeppelin solle ihm, dem Kläger, der nebenbei bemerkt im 47. Lebensjahr steht, statt einer Barzahlung von 10000 ^ eine Jahresrente von 2000 ^ au»setzen. Dieser Vorschlag de» Klägers sei aber vom Beklagten abgelehnt worden. Der Verteidiger de» Grafen Zeppelin erklärte im Namen des Grafen, daß dieser den Vorschlag Böhler« nicht annehmen könne. Der Vorsitzende bemerkte, daß von Seiten de» Gericht» ei» höherer Vergleich als 10 000 ^ nicht vorgeschlagen werden könne. Der Anwalt de» Kläger» stellte schließlich de» Antrag, daß der Beklagte dem Kläger den gesamten Schaden, der diesem durch den Unfall bisher ent­standen sei (r» wurde die Summe von 12 031 ^

! genannt) und noch DUM« werde, zu ers^^i habe. Nach der VerleWU der Protokolle Wer das Ergebnis der Beweisaufnahme und der Sach­verständigengutachten, die über 2 Stunde» in Anspruch nahm, begründete der Vertreter des Klägers die Berufung. Er bezog sich dabei in der Hauptsache auf seine in den früheren Ver­handlungen gemachten Ausführungen und ver­suchte, den Nachweis zu führen, daß in einem in der Frankfurter Zeitung erschienenen Artikel von Dr. Hugo Eckener-Friedrichshafen, in dem die Katastrophe de» Militärluftschiffs 2II bei Limburg erörtert wurde, der Militärverwaltung dieselben Vorwürfe gemacht worden seien, die von dem Kläger Böhler in seinem Prozeß hinsichtlich der Echterdinger Katastrophe gegenden Grafen Zeppelin erhoben werden. Demgegenüber wirs der Vertreter de» Grafen Zeppelin, Rechtsanwalt Dr. Dieterlen, darauf hin, daß di; zitierte Aeußerung von Dr. Eckener sich loch selbstverständlich auf die zahl­reichen Erfahrungen stützte, die man seither, d. h. seit der Katastrophe von Echterdingen, mit de» ZkppeliwLuftschiff-n gemacht habe. Für den vorliegenden Fall sei mit dem Artikel Dr. Eckener» gar nichts erwiesen. Der Beklagte habe vielmehr vom Standpunkt der damaligen Erfahrungen au» zur Verhütung der Katastrophe von Echterdingen alle» getan, wozu er nach menschlicher Voraus­sicht verpflichtet war. Eine Gefährdung-Haftung sei auch in dem erstinstanzlichen Urteil nicht an­erkannt worden. Dis klägerischr Partei Habs als weitere Sachverständige Hauptmann Hildebrandt, Major Parseval, -Major Groß und Oberleutnant Stelling benannt. Dem Grafen Zeppelin sei jeder dieser Sachver­ständigen recht, besonders Parseval und Stelling, die selbst Fernfahrten aus geführt haben, dürften am besten in der Lage fein, ein sachverständige» Urteil abzugeben. Die Entscheidung des Ober­landesgerichts wird am Freitag, 4. November, vormittags 9 Uhr, verkündet werden.

Plieningen OA. Stuttgart 26. Okt. (Bekämpfung der Mäuseplage.) Beider hiesigen Gemeindepilsge wurde» in den letzten Tagen 36 000 Feldmäuse abgeliefert und dafür per Stück 1 Pfennig bezahlt. Von vielen Land­wirten wird nebenbei noch die von der K. w. Anstalt für Pflanzenschutz in Hohenheim herge­stellte Mäusetyphurkultur, womit der Hafer ge­beizt wird, angewendet. Damit find gute Erfolge erzielt worden. E« wäre sehr zu empfehlen, daß überall planmäßig mit dem Au»legen des Hafer» vorgegangen würde, damit der Mäusrplag« Ein­halt getan wird. Die Kultur ist von der An­stalt billüDu beziehen.

Eßlingen 26.Okt. (Arbeiterbewegung.) Heute nachmittag wurde in einer imParodie»" abgehaltenen Versammlung eine Einigung in dem

beinahe 4 Wochen andauernde» Streik i» der Lederfabrik von I. Roser erzielt. Nachdem den Arbeiter« im Stundenlohn wesentliche Zugeständ­nisse gemacht worden waren, gaben bei der Ab­stimmung 98 für und 20 gegen die Aufnahme der Arbeit ihre Zettel ab. Die Aufsahm; soll sofort erfolgen und sämtliche Arbeiter nach Be­darf der Firma wieder eingestellt werden. Als letzter EinstrllungLLag wurde der 28. November festgesetzt.

Eberrbach a. d. F. 26. Okt. In einem hiesigen Sandbruch wurde der verheiratete Ar­beiter Ha idle von Jgelsberg von einer herab- stürzcndenErdmafse verschüttet und getötet. Seine Frau befand sich im Augenblick de» Un­glück« in nächster Nähr.

Reutlingen 26. Okt. Eine 14 Meter lange und mehrere Meter breite Tropfstein­höhle wurde in Honau in dem Steisbruch von Heinrich Harr entdeckt.

Reutlingen 26. Okt. In der gestrigen Mitgliederversammlung des hiesigen fortschritt­lichen Volksvereins wurde offiziell bekannt gegeben, daß sich der langjährige Vertreter des 6. württ. Rrichstagswahlkreises, Fried. Payer, in Rücksi« auf dis politische Lage der Gegen­wart wieder bereit finden ließ, für die im No­vember n. Is. zu erwartenden Reichtztagswahlrn zu kandidieren.

SH^r OA. Saulgau 26. Okt. (Eine Heldin.) Fabrikarbeitersehefrau Karolma Kienle war Hje ganze Nacht mit Waschen be­schäftigt. Der Ernährer der sehr großen Familie ' ist seit längerer Zeit infolge Krankheit arbeits­unfähig, weshalb die brave und fleißige Matter, obwohl Herzleiden!), über da» Maß ihrer Kräfte hinaus arbeitete, um den nötigen Lebensunterhalt für sich', ihre« kranken Mann und ihre 7 Kinder zu veHienen. Durch hie Ueberanstrengung er­litt sie einen Schlaganfäll und war sofort tot.

Ravensburg 20. Okt. (Schmuggler.) Der Saccharivschmüggel aus der Schweiz blüht immer noch, obgleich die Aufsichtsbehörden ihn schon seit mehreren Jahren durch verdoppelte Wachsamkeit ungemein schwierig gemacht haben. Dieser Tage gelang e» hier, einen solchen Schmuggler festzunehmen, der aus der Richtung von Singen mit zwri Paketen Saccharin im Gewicht von 56 Pfund angekommen war.

Berlin 26. Okt. Zu den wenige» Zeugen des Todessturze», de» der Wngth- pilot Oberleutnant Mente in Magdeburg er­litten hat, gehörte seine Frau. Als er unter den Trümmern hervorgezogen wurde, gab er kein Lebenszeichen mehr von sich. Aus einer Kopf­wunde und aus dem Munde quoll Blut. Er

Königliche Hoheit lassen die Herren Hallberg und Haffner ins Residenz- schloß zum intimen Tee bitten. Ich werde die Ehre habe«, die Herren zu führen" sagte er salutierend. Hallberg schaute den Freund erstaunt und fragend an, der aber sprach voll tiefster Freude:Ja, das ist Hermann Heinrichs Art!"

Und sie gingen zum Schlosse hinüber.

XXI.

Der Herrscher erwartete die Gäste in seinem kleines Salon, wo eine Tafel für drei Personen gedeckt war. Ohne alle Zeremonien begann da» Mahl, das nach höfischer Gepflogenheit sehr schnell serviert wurde. Der Fürst war in bester Stimmung, sprach allen Gerichten tüchtig zu und sagte in freundlichem Lachen:Wie seltsam sich doch die Gegensätze berühren! Ich bin nie besser bei Eßlust al» nach einer tiefen, seelischen Erregung künstlerischer Art, wie ich sie heute gehabt habe." Die beiden Gäste speisten rasch und offenbar unter dem Druck; einer Erwartung, so daß der Großherzog nach höfischem Brauche die Koste» der Unterhaltung fast ganz allein bestritt.

Al» der Champagner aufgetragen war und die Dienerschaft sich entfernt hatte, hob der Fürst sein Glas und sprach:

Ich weiß nicht, ob ich mit meiner Einladung Ihnen heute einen Gefallen getan habe, meine Herren. Aber nachdem ich einer der gewal­tigste« Kunsteindrücke meine» ganzen Leben» erhalten hatte, wollte ich meine Erkenntlichkeit den beiden Künstlern bezeugen, die mir an diesem Tage so viel gegeben haben. Zunächst Ihnen, Herr Hallberg, Sir sind ein Dichter von Gotte» Gnade» und sollen noch viel Schöne» in Zukunst schaffen. Damit Sie da» können, Hab' ich mir etwas aurgedacht. Ich brauche bei der großen Bibliothek unseres Hauses einen Herr«, der sie gut in Stand hält, übersichtlich ordnet, mit gutem Grschmacke ergänzt und mir von den Neuheiten des Büchermärkte» diejenigen bezeichnet, die ich unter allen Umständen gelesen haben muß. Ein wicktiges Amt, da» ein

gut Teil Arbeit von seinem Inhaber fordert, aber ihm doch hofferrtlich auch Zeit genug für den Dienst der Muse übrig läßt. Nehmen Sie die Stellung an, Herr Hallberg, und Sie werden mir damit einen Dienst erweisen."

Königliche Hoheit, ich wage kaum" stotterte der Dichter. Hermann Heinrich weidete sich mit gutmütiger Freude an seiner Verwirrung und sagte lachend:Sie müsse»'» mir zu Liebe schon wagen. Denn Sie sind wem Laudeskind, da» legt mir die Verantwortung für Sie auf, und Sie doch nicht wollen, daß ich später in der Literaturgeschichte bei dem Kapitel Hallberg schlecht wegkomme. Auch tut ein Amt mit einem bestimmten, kleinen Kreiß von Pflichten euch Herren Poeten ganz besonders gut, den» e» Hilst euch über die Zeiten hinweg, in denen das Brünnlein der Dichtung nur spärlich fließt und ihr ohne Beruf-Pflicht leicht auf allerlei geniale Streiche verfallt. Sie müsse« sich also schon von mir regiere» lassen. Und übrigens werden Sie in meinem ganz persönlichen Dienste stehe» und mit dem höfischen Wesen, gar nicht» zu schaffen haben. Bloß einen Titel müssen Sie sich gefallen lassen. Und da derHofdichter" einen byzantinischen, für mich und Sie gleich unangenehmen Beiklang hat, so werde ich Sie al» meinen Hofbibliothckar bezeichnen, die GehaltSfrage und Ihre Dienstanweisung wird mein Obet-ofmarschall mit Ihnen morgen vereinbaren, ich wollte mich heute nur gleich fbre» Einverständnisses ver­sichern. Hab' ich das?"

Hallberg war zu beglückt, um Worte zu finden. Der Fürst machte seinen fragmentarischen DankeSäußerunge» rasch ei» Ende durch den Zu­satz:ES ist übrigens eine Bedingung dabei, denn ich bin, wie Sie wissen, in Kunstdinge» ein kaltherziger Egoist. Die Avstellungßurkande wird von mir nur vollzogen, wenn Sie sich verpflichten, alle Ihre künftigen Bühnen­werke zuerst meinem Theater anzubieten; wollen Sie das?"

ES wird meine Ehrenpflicht sein und mich glücklich machen", sagte der Dichter, der sich unterdes ein wenig gesammelt hatte.

(Fortsetzmsg folgt.)