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richtet, verunglückte nach Schluß der badischen Korptmanöver bei Neuhausen der Infanterist Karl Bleß von Schwetzingen. Er wurde als- bald hieher verbracht und war seither im hies. Krankenhau». Er ist nun wieder soweit hergestellt, daß er- in de» nächsten Tagen dat selbe verlassen kann. Ein Auge ist verloren, die Nase übel zugerichtet. Wäre es nicht ein Streifschuß gewesen, so hätte der junge Mann wahrscheinlich sein Leben lasten müssen. Da» Unglück soll ein Kamerad verursacht habe», der unvorfichtigerweise eine noch im Gewehre befindliche Platzpatrone zur Entladung brachte.
Vom Lande 30. Okt. (MäßigkeitS- beweg « ng.) Die Er ziehung zur Volksgesundheit mit ihren Warnungen vor allzuvielem Aikohol- genuß macht erfreuliche Fortschritte. Nach den neuesten Produktionlzahlen für Spiritu» ergibt sich, daß der Konsum an Trwkbranntwein von 2 603121 Hektoliter auf 1800 423 Hektoliter zurückgegaugen ist. Dieser Rückgang erstreckt sich nach Detailberichten aus verschiedenen Gegenden Deutschland», speziell Norddeuischland», hauptsächlich auf die Abkehr der Konsumenten vom Fusel und Kartoffelschnaps.
Pforzheim 20. Okt. (Arbeiterbewegung.) In der hiesigen Goldkettenindustrie ist eine sehr bedauerliche Wendung eingetreten. Eine gestern abend stattgefundene, stark besuchte Arbeiterversammlung beschloß, daß sämtliche in der Kcttenindustrie beschäftigten männlichen Arbeiter am nächsten Samttag kündigen und in 14 Tagen die Arbeit niederlegen sollen. (Die Ursache ist bekanntlich die Ablehnung der Verhandlungen wegen allgemeiner Lohnerhöhung.) Wenn nicht binnen 14 Tagen wider Erwarten eine Einigung folgt, wird zunächst die große Kettenindustrie zum Stillstand kommen, denn die Fabrikanten werden die Antwort nicht schuldig bleiben und auch die weiblichen Arbeiterinnen autsperren. Ob e» dann bei der Aussperrung der Kettenarbeiter bleibt, oder ob die Absperrung auch auf die übrige» Bijouteriearbeiter ausgedehnt wird, bleibt abzuwarten.
Berlin 30. Okt. Der seiner Zeit viel genannte „Attentäter" Abraham Eierweiß, der gegen den Kronprinzen bei besten Rückkehr von der Frühjahrlparade eine Konservenbüchse mit Perlbohnen warf und dann zur Beobachtung seines Geisteszustandes einer Irrenanstalt überwiesen wurde, ist jetzt als lästiger Ausländer aus Preußen aukgewiesen worden. Er stammt aus Rußland und hat seinen Wohnsitz nach der Schweiz verlegt.
Berlin 20. Okt. Ueber den Zustand de» schwer erkrankten serbischen Kronprinzen meldet der „Lokalanz.": Der Zu
stand des Thronfolgers läßt wenig Hoffnung, daß er am Leben bleiben wird. Im Konak herrscht große Bestürzung. König Peter und Prinz Georg weilen ununterbrochen am Krankenbett. Der König nahm schon seit 3 Tage« keine Nahrung mehr zu sich und sucht kein Bett auf; gestern nacht schlummerte er erschöpft auf kurze Zeit auf einem Stuhl sitzend ein. Prinz Georg sieht sehr blaß au»; er hörte, daß ein Pariser Arzt ein Serum gegen Typhus entdeckt habe und verlangte, daß e» sofort telegraphisch für seinen Bruder bestellt würde. In der Stadt herrscht ebenfalls tiefe Niedergeschlagenheit, denn der Thronfolger erfreute sich infolge seiner Bescheider heit einer allgemeinen Beliebtheit.
Berlin 20. Okt. Den Ableugnungen der Pariser Blätter gegenüber, daß bei Verdun Schüsse auf den deutschen Ballon „Prinz Adolf" abgegeben worden seien, ermächtigt der Führer des Ballon», Fabrikant Andernach, nach der „Vossischen Zeitung" eine Kölner Korrespondenz zu der bestimmten Erklärung, daß, 3 Km. von Verdun entfernt, ein Wachposten dreimal französisch „Halt wer da", und alt dann „ich werde schießen" gerufen hat. Hierauf wurden drei Schöffe abgefeuert. Die Korbinsaffeu sahen das Ausblitzen der Flammen beim Abfeuern der Schüsse und hörten die Kugeln vorbeisausen. Da» geschah am Sonntag abend 11 Uhr 25 Mn. nach mitteleuropäischer Zeit. Auch die Begleitung versichert auf das Bestimmteste, daß diese Angaben der Wahrheit entsprechen.
Genf 20. Okt. Lrrccheni war seit Montag vormittag wegen eine» Wutanfalls in einer Arrestzelle des Zuchthautkeller» unter gebracht. Den ganzen Nachmittag hörten ihn die Wärter leise singen. Als er gegen 6 Uhr abends verstummte, öffneten sie die Zellentüre und fanden Luccheni tot. Er hatte sich mit seinem Leibgurt an der Luftöffnung erhängt.
Innsbruck 20. Okt. Der weit über Tirol hinaus bekannte Besitzer de» Hotel» „Maria Theresia", Joseph Kramer, hat sich erschossen. Die Ursache ist in finanziellen Schwierigkeiten zu suchen. Das im vorigen Jahre mit einem Kostenaufwand von 1'/- Mill. Kronen erbaute Hotel stand vor dem Konkurs.
London 20. Okt. König Manuel, die Königin-Mutter Amelia und der Herzog von Oporto sind in Begleitung des Herzogs von Orleans gestern abend in Evesham eingetroffen. Sie begaben sich, von der Menge begrüßt, im Automobil nach Schloß Woodnorton. König Manuel sah müd und krank a«S.
New-Aork 20. Okt. Der Dampfer „Trent" mit Wellmann und seinen Begleitern an Bord ist gestern abend hier eingetroffen.
Wellman» äußerte bei seiner Landung, er wolle nach einiger Zeit der Ruhe noch einmal den Flug über den Ozean versuchen. Einen Equi- librator werde er aber nicht wieder benutzen.
Vermischtes.
(Metzgerobermeister und Viehteuerung.) Auf der am 13. Oktober in Stuttgart gehaltenen Versammlung des Bezirksverein» Württemberg im Deutschen Fleischerverband hat Obermeister Häußermann bekanntlich ein Referat über die Lage des Fleischergkwrrbe» im Hinblick auf die Viehteuerung erstattet. Wer sich in den landwirtschafilichen Verhältnissen Württembergs einigermaßen ausk.nnt, den mußten einzelne dieser Aurführungen in hohem Maße befremden, da sie mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht in Einklang zu bringen sind. Wenn der Vortragende darlegte, daß die Viehpreiss für alle Gattungen in diesem Jahre höher seien als im Vorjahr, so sei hier darauf hmgewiesen, daß die Preisvotierungen des Schlachtviehmarktei vom 12. Oklober 1909 im Amtsblatt der Stadt Stuttgart beim Schweine» auf 80—81 und 77—79 ^ pro 50 kss Schlachtgewicht lauten, während am 11. Oktober 1910 (um da» neueste Datum zu wählen) laut Amtsblatt 74—76 und 73—74 ^ bezahlt wurden. Damit ist also bewiesen, daß zu gegenwärtiger Zeit die Preise für diejenige Viehgattung, die den Hauptanteil an der Fleischversorgung der Bevölkerung hat, niederer stehen als im Vorjahr. Ferner äußerte der Vortragende u. o., bei Eröffnung der Stuttgarter Schlacht- und MastoirhauSstellung sei betont worden, daß Württemberg eine große Anzahl von Vieh aus- führe, es hätte aber, sagte der Referent weiter, billigerweise auch gesagt werden müssen, daß wieder eine ganz beträchtliche Menge Vieh nach Württemberg eisgeführt werde. Dadurch, daß ein verschiedene» Bedürfnis für Schlachtware vorhanden sei, komme e», daß ebensoviel Vieh nach Württemberg eingeführt werde, als die Ausfuhr betrage. — So äußerte sich Herr Häußermann. — Was aber hat Finanzrat Dr. Trüdinger auf Grund de» einwandfreiesten statistischen Material» bei der Eröffnung der Schlacht- und Mastviehausstellung tatsächlich vorgetragen ? Lasten wir den offiziellen Bericht im Amtsblatt der Stadt Stuttgart reden. Dort heißt e» wörtlich: „Infolge seines Reichtums an Rindvieh ist Württemberg in der Lage, nicht nur den heimischen Bedarf zu decken, sondern auch einen beträchtlichen Teil seines Rindviehbestandes abzugeben und unser Land gehört darum zu den Rindvieh ausführenden Länder» des deutschen Reiche», d. h. streng genommen zu den mehr aus- als einführenden Länder», denn der Ausfuhr steht auch eine Einfuhr gegenüber. Beispielsweise kommt ei«
mit dem Paar hinüber in sein Zimmer, trat vor da» große Bild seiner ! Gattin, da» über seinem Arbeitstische hing und sagte mit träuenerstickter ? Stimme: Segne Sie, Mutter!"
Und eine heilige Freude senkte sich auf alle nieder.
XVIII.
Die Verlobung wurde vorerst nur im Familienkreise und den näheren Freunden mitgeteilt. Wenige Tage später begann Hugos Gastspiel in Veltheim. Er hatte Eva nicht gebeten, ihn zu begleiten, sie selbst hatte de« Gedanken angeregt mit der Begründung, die Eltern des Geliebten dort kennen zu lernen. Hugo reiste, da eine Vrrständnitprobe unerläßlich war, am Tage vor der erste» Gastrolle mit Hallberg nach Veliheim, während der Justizrat sich frei zu machen und mit Eva am nächsten Tage nachzufolgen versprach.
Da Hugo» Eltern ebenfalls pünktlich eintrafen, hatte er die Genugtuung, alle, die seinem Herzen nahestanden, versammelt zu sehen, wobei er ihn freilich ein wenig bedrückte, daß diese Zusammenkunft in einer fremden Stadt erfolgen mußte. Wie viel glücklicher wäre er gewesen, hätte er de» Geiuigen diesen ersten Beweis seiner Kunst in Kronburg geben können, denn er verhehlte sich nicht, daß da» fremde Ensemble ihm nicht genüge; und da» Gefühl, au« dem Rahmen der Gesamtaufführung gleichsam als Solist herauszutreten, war ihm bereit» bei der Probe recht peinlich gewesen. Da hatte er mit einem Male erkannt, in welch' ernster künstlerischer Weste man in Kronburg arbeite und wie hoch diese Art der Bühvevkuvst über dem landläufigen Thraterbetrieb stehe.
Wa» er in den letzten Wochen unter dem Einflüsse seiner lechzenden Sehnsucht nach öffentliche» Erfolgen beinahe vergessen hatte, da» lernte er durch den Vergleich hier wieder schätzen: Die Vornehmheit der künstlerischen Arbeit, die sorgsame Behandlung aller Einzelheiten, kurz, den inneren Wert de« von Großherzog Hermann Heinrich gepflegten Stils, besten Wesen auf der vorherrschenden, ausschlaggebenden Stellung de» Dichtwerk» beruhte. Doch fand er nicht Zeit, solche» Gedanke» lange
! nachzuhänge», da er genug damit zu tun hatte, sich den Seim gen zu ! widmen. Er sah mit innigster Freude, wie seine Mutter Eva rasch an ihr Herz nahm, wie sein Vater sich mit dem Justizrat in der schlichten Gestalt und süchtigen Kraft der Lebensanschauungen schnell zusammenfand und dabei den Sohn mit Blicken des wortlosen, aber nur um so beglückenderen Vaterstolzes betrachtete. Eva und ihr Vater ihrerseits sahen mit tiefster Befriedigung all' die zarte Liebe, mit der Hugo seine Eltern umgab, und mehr als einmal sagten sie zu einander: „Welch ein guter, herzlieber Mensch er doch ist!"
Herr und Frau Haffner gaben sich gern der frohen Gewißheit hin, den Sohn, besten Laufbahn sie mit so schwerer Sorge erfüllt hatte, nicht nur als Künstler geachtet, sondern auch als Mensch von einem Mädchen wie Eva geliebt zu sehe», und auf Mutter« Frage: „Jetzt weiß man gar nicht, worauf man stolzer sein soll", antwortete Vater Haffner mit jener sicheren, schlichten Ruhe, die ihn nie verließ: „Stolz sein dürfe« wir überhaupt nicht, Mutter, sondem nur glücklich und dankbar dafür, daß aus unserem Jungen wa» rechte» geworden ist. Und wenn ich schon abwägen soll, so ist mir Evas Liebe zu unserem Sohn viel, viel mehr wert, als alle« andere, denn sie beweist un», daß er ein guter Mensch geblieben ist und ick Hab' einmal sagen hören, daß ein honetter Schauspieler zehnmal so viel Achtung verdiene al» ein anderer honetter Mann."
Stimmte Mutter Haffner auch diesen Worten de» Gatten von Herze« bei, so konnte sie sich'» doch nicht versagen, alle Zeitungsnotizen zwanzigmal zu lesen, in denen von dem „Gastspiel des berühmten Heldendarstellers Hugo Haffner, Schauspieler de« Großherzog«" die Rede war. Und sie wurde nicht müde, durch die beiden Hauptstraßen Veltheims zu wandern und in de» Kunsthandlungen die zahlreichen Bilder Hugos in Kostüm und in Zivil zu betrachten. Wenn dann Leute vor dem Schaufenster stehen bliebe« und von ihm erwartungsvoll sprachen, da mußte sie fest an sich halten, um nicht laut zu rufen: „Seine Mutter bin ich!"
(Fortsetzung folgt.)