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Amts- und Aryngedlatt für dm Mrramtsbezirk Calw.

85. Jahrgang.

Erscheinungstage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag. Jnsertionspreis 10 Psg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.

Mittwoch, den 12. Oktober 1910

Bezugspr.i.d. Stadt ^jährl.m. Trägerl. Mk. 1.25. Postbezugspr. v.d.Orts-u.Nachbarortsverk. ^/^jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Württ. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42Psg.

AMttkche BskanntmachES»«.

Bekanntmachnng des K. Ministeriums des Innern, vetr. Danksagung für die Aufnahme der Truppen des Königlichen Armeekorps während der diesjährigen Herbstübungen.

Der kommandierende General des 13 (K. Württ) Armeekorps hat mitgeteilt, daß die Truppen während der Herbstübungen überall eine freundliche Aufnahme und proßes Entgegenkommen seitens der Bevölkerung gefunden hätten. Es sei dies um so dankbarer empfunden worden, als die schlechte Wit­terung den Truppen mehrfach außerordentliche An­strengungen auferlegte u.rd die zu Notguartieren bestimmten Ortschaften, um den Truppen weitere Märsche zu ersparen häufig sehr stark belegt werden mußten. An diese Mitteilung hat der kommandie­rende General das Ersuchen geknüpft, es möchte den beteiligten Zivilbehörden und Quartiergebern sein wärmster Dank ausgesprochen werden. Indem hie­von den betreffenden K. Oberämtern und Ortsvor­stehern mit besonderer Befridigung Eröffnung gemacht wird, erhalten dieselben zugleich den Auftrag, Gegenwärtiges durch Abdruck im Bezirksamtsblatt, beziehungsweise durch ortsübliche Bekanntmachung zur Kenntnis der Quartiergeber zu bringen.

Stuttgart 1. Oktober 1910.

Pischek.

Die in Betracht kommenden Schultheißen­ämtern werden heauftragt. Vorstehendes in orts­üblicher Weise zur Kenntnis der Gemeindeeinwohner zu bringen.

Calw. 11. Oktober 1910.

K. Oberamt.

Binder.

K. Oberamt Calw.

Auf die Kgl. Bauhandwerkerschulen inBiberach, Hall und Rottweil werden die Interessenten htemit aufmerksam gemacht.

Näheres im Gewerbeblatt Nr. 41.

Das Gewerbeblatt kann u. a. bei den Schultheißenämtern eingesehen werden, welche zu diesem Zwecke hiemit angewiesen werden, den Gewerbetreibenden auf Wunsch Einsicht in das ihnen mit dem Staatsanzeiger zugehende Grwerbeblatt zu gewähren.

Den 11. Oktober 1910.

Reg.-Rat Binder.

K. Oberamt Calw.

Bekanntmachung, betr. Offenhattung des A. Landesgrmerbemufeums tu Stuttgart und -er mit demselben ver­bundenen Bibliothek.

Während des Winters sind geöffnet: die Sammlungen der Kunstgewerblichen und der Technischen Abteilung des Landesgewerbe­museums an den Wochentagen von 1012'/, und 24 Uhr, an den Sonntagen von 113 Uhr, außer­dem (vom 1. November bis 31. März) an den Dienstagen und Freitagen abends von 89'/-Uhr, die Sammlung der Gipsabgüsse an den Wochentagen von 10-12'/- Uhr, an den Sonntagen von 113 Uhr,

die Bibliothek mit Lesesaal, Zeichenfaal und Zeitschriftenzimmer an den Wochentagen von 10 bis 12 und 26 Uhr (Samstags bis 5 Uhr), außerdem Dienstags und Freitags von 810 Uhr abends, an den Sonntaren von 111 Uhr.

An den höchsten Festtagen (Neujahrsfest, Er­scheinungsfest, Palmsonntag, Karfreitag. Osterfest, Himmelfahrtsfest, Pfingstfest, Weihnachtsfest) sowie am Haupttag des Volksfestes bleiben die Samm­lungen geschloffen. Am Geburtsfest Seiner Majestät des Königs find dieselben unter Beschränkung auf > die sonntäglichen Besuchsstunden geöffnet. Der! Eintritt ist jedermann unentgeltlich gestattet. !

Die Patentauslegestelle mit den deutschen i Patentschriften und sonstigen Veröffentlichungen deS t Reichspatentamts über Patent-, Muster- und Zeichen- !

wesen, ferner die Sammlung ausländischer Patent­beschreibungen usw. und die Sammlungen von Adreß­büchern, Ausstellungskatalogen, Preislisten und ähnlichem Nachschlagmatertal find während der Kanzleistunden (an Wochentagen von 812 und 26 Uhr) zur Benützung zugänglich (Bureau links vom Haupteingang).

Ausgeliehen werden innerhalb Württembergs Bücher und Vorbilder der Bibliothek sowie (auf kurze Zeit) Patentschriften, ferner auch Gegenstände aus den übrigen Sammlungen, soweit nicht bei einzelnen derselben aus besonderen Gründen ab­weichende Bestimmung getroffen ist. An Sonntagen können Bücher weder aus der Bibliothek entlehnt noch dahin zurückgegeben werden.

Motoren und Maschinen werden auf Wunsch in Betrieb gesetzt.

Größere Gruppen vou Besuchern, können, so­fern ein Beamter frei ist, auf dem Bureau des Museums einen Führer erhalten.

Den 12. Oktober 1910.

Reg.-Rat Binder.

Kulturelle uud wirtschaftliche Kerhöltuiffe im Kezirk Calw

im Vergleich zum übrigen Württemberg.

Dem soeben erschienenenStatistischen Handbuch für das Königreich Württemberg für 1908 und 1909" entnehme« wir eine Reihe wichtiger Angaben für unsre» Oberamtsbezirk und Württemberg.

1. Bevölkerung. Die Bevölkerung stieg in Württemberg von 1570 282 im Jahre 1834 und 1818 539 im Jahre 1871 auf 2 338 010 bei der Berufszählung am 12. Juni 1907. Im Bezirk Calw waren es Einwohner 1834: 25402, 1852: 24770, 1871: 27 705, 1890: 25408, 1907: 27 222. Von letzteren gehören an a) im Hauptberuf, k) im Nebenberuf und als Dienst-

Beifall.

Eine Novelle von F. A. Geißler.

(Fortsetzung.)

Mußte Hugo sich doch, wenn er ehrlich sein wollte, selbst ein­gestehen, daß er eigentlich nicht gekommen war, um Wartners freundschaft­lichen Rat einzuholen, sondern um Gerda zu sehen. So weit war er also schon. Er strich mit einer charakteristischen Handbewegung das Haar aus der Stirn, barg den Brief wieder sorgsam und ließ sich auf den Stuhl vor Wartners Schreibtisch nieder. Das Bild des Großherzog» schaute ihm gerade ins Gesicht. Halblaut las er die mit leichter, etwas phanatastischer Handschrift geschriebene Widmung:

Große Kunst muß uns einsam machen, damit sie recht beglücke« kann. Denn sie gleicht der Natur, deren Herrlichkeit vor der Menge sich verhüllt, um sich dem Einsamen zu offenbaren."

Ein gutes Wort, das recht glaubhaft klang. Ja, wie oft war er al» Knabe einsam hinausgelaufen in Wald und Heide und wie war aller Zauber aus der Natur gewichen, sobald er sie in Gemeinschaft mit anderen genießen sollte. Der edle Fürst hatte von seinem Standpunkt ans sicherlich Recht. Aber konnte das, was für den fürstlichen Kunstfreund, für de» Empfangenden unstreitbar erschien, auch vou den Gebenden, von den Künstlern gelten? Das war die Frage, auf die er eine Antwort zu finden hatte.

An ihres Gatten Seite erschien Frau Gerda, wundersam verschönt von Freude und Liebe und der Erregung de» so lange schmerzlich ent­behrten Wiedersehens. Während ihr Mund freundliche, aber doch ganz harmlose Begrüßungsworte sprach, liebkoste sie mit süßen, heißen Blicken den Gast, was sie noch nie zuvor getan hatte. Aber heute glaubte sie ein Recht dazu zu haben, dann er kam ja zu ihr, von ihr gerufen dnrch

jenen Brief, der das stumme Bekenntnis ihrer Liebe enthielt. Und er hatte es verstanden, hatte es durch sein Kommen erwidert, das geheime Einverständnis war hergestellt, der ersehnte, erträumte Sieg errungen. Das machte sie stolz und glücklich. Hoch trug sie ihr Haupt mit den wundervollen blonden Flechten, und «m ihre Lippen spielte da« Lächeln seliger Zuversicht. Hugo sah sie mit langen Blicken an und gestand sich daß sie schön, sehr schön sei.

Man setzte sich zwanglos, und Wartner legte mit kurze» Worten dar, um was er sich handelte.Der Großherzog erwartet morgen Ihre Antwort, lieber Freund. Sie müssen also heute zu einer Entscheidung kommen. Meine Anschauung kennen Sie. Aber ich würde zu ihr keinen Kollege» zu bekehren suchen, von dessen innerem Wert ich nicht überzeugt wäre. Bei Ihnen ist'S mir Bedürfnis, zuznreden. Denn ich habe Sie lange genug beobachtet, um zu wisse», daß Sie trotz Ihres himmelstürmenden Talents und gelegentlichen Jähzornes ein weicher, mit reichem Innenleben begabter Mensch sind, de» das Handwerksmäßige an unserer Kunst ab­stößt und die tausend Härten und Schärfe» de» Theaterlebens immer aufs neue verwunden. Glauben Sie mir, für Ruhm und Volkstümlichkeit müssen wir unser eigenste» Wesen hingeben, muffe» dem großen Publikum gehören und nicht mehr uns selbst. Früher als jemals einem Mitgliede unserer Bühne zeigt Ihnen unser gütiger Fürst den Weg zur Freiheit, zur Selbstbestimmung, zur künstlerisch reinen Entfaltung und Betätigung Ihres Talents. Darum fasse» Sie vertrauensvoll die Hand, die er Ihnen vertrauend auf Ihren Wert als Mensch und Künstler entgegen­streckt, beharren Sie mit der Bitte, die Ihne» Ihr guter Genius in glücklicher Stunde eingab. Damit hält' ich Ihnen meinen Rat gegeben. Meine Frau mag Ihnen nun alle Gegengründe aufzuzählen."

Lächelnd wendete er sich zn ihr, aber Frau Gerda sagte mit an­mutigem Ernst:Wie käm' e« mir zu, unsere« Freundes Entschluß beein­flussen zu wollen? Gewiß werd' ich, wie Hunderte von Theaterbesuchern,