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Amts- and A«)kigebliltt für den Oberamtsbyirk Calw.
85. Jahrgang.
Erscheinungstage: Montag. Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag. Jnsertionsprcis 10 Pfg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Samstag, den 8. Oktober 1910.
Tagesnemgkeiten.
Zuffenhausen 7. Okt. (Einbruch.) In der vergangenen Nacht wurde in das Wohnhaus des Uhrmachers Beuerle emgebrochen. Der Dieb stieg von der Veranda aus durch da» Küchenfenster ein, erbrach eine» in der Küche stehenden Kleiderschrank und entwendete daraus einen Sommer- und einen Winteranzug. Er hatte es jedenfalls auf die Uhren und Schmucksacheu im Laden abgesehen, wurde aber allem Anschein »ach durch das Anschlägen des dort befindlichen Hunde» verscheucht. Von dem Täter hat man keine Spur, doch soll der Stuttgarter Polizeihund Sherlock, der sich heute in Vaihingen a. F. befindet, auf die Fährte de» Täters gebracht werden.
Stuttgart 7. Okt. Wie der „Staatsanzeiger" hört, hat das Ministerium des Kirchen- und Schulwesen» angeordnet, daß vom Frühjahr 1911 an die 6jährige Ausbildungszeit für die Lehrer der Volksschule eingeführt wird. Die neue Ordnung soll in der Weise ins Leben treten, daß die Zöglinge, die 1911 oder später in die Lehrerbildungsanstalten ausgenommen werden, 6 Jahre in diesen Anstalten zu verbleiben haben, während die früher Aufgenommenen wie bisher «ach Sjähriger Ausbildung in den Schuldienst eintreten. Vorbehalten bleibt, die 1811 aufgenommenen Zöglinge statt im Frühjahr 1917 schon im Herbst 1916 aus dem Seminar zu entlasten, wenn der Lehrermangel dies nötig machen sollte.
Stuttgart 7. Okt. I» letzter Zeit sind wiederholt ungenügend beaufsichtigte Kinder von Bahnwärtern durch Züge überfahre« und getötet worden. Die Wärter sind deshalb unter eindringlichem Hinweis auf die bestehenden Schutzvorschriften angewiesen worden, für ausreichende Beaufsichtigung ihrer Kinder und insbesondere für deren Fernhaltung von den Bahngleisrn zu sorgen.
Stuttgart 7. Okt. Au» dem hiesigen Untersuchungsgefängnis sind heute nacht 3 Gefangene ausgebrochen. Zwei davon, der angebliche Architekt Karl Engel von Leipzig und der Kellner Eduard Zerbrach sind kürzlich von der Strafkammer wegen Betrugs zu längeren Gefängnisstrafen verurteilt worden. Der dritte, ein hiesiger Kaufmann, befand sich in Untersuchungshaft.
Stuttgart 7. Okt. (Strafkammer.) Die 18 Jahre alte Frida Flaig von hier veranstaltete im März im Christlichen Vereinshaus Vortragsabende über Haarpflege. Sie gab Prospekte au», in denen sie Reklame für ihre Vorträge machte, es war darin u. a. von tausenden von Dankschreiben, die über ihre Erfolge vorliegen, die Rede. Die Anpreisungen waren nicht wahr. Ein hiesiger Friseurmeister stellte gegen die Haarkünstlerin Strafantrag wegen unlautere« Wettbewerbs. Ihre Wissenschaft hat die Angeklagte au» Büchern geschöpft. Die Strafkammer erkannte gegen sie auf 10 Mark Geldstrafe. Abschreckend wird dieses Urteil schwerlich wirke».
Obertürkheim 7. Okt. AndemBahn- übergang in der Nähe der Kestelfabrik von Wagner und Eisenmann wurde der 50 Jahre alte, in der Maschinenfabrik Eßlingen beschäftigte Arbeiter Friedrich Herzog von Wangen von einer allein
fahrenden Maschine überfahren und sofort getötet. Der Verunglückte war auf dem Weg zur Arbeitsstätte. Da die Hauprschranken geschloffen waren, benützte er den für Fußgänger bestimmten Seitenweg. Da» Unglück ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß der Getötete schwerhörig war und daß ein starker Nebel den Weitblick verhinderte.
Großbottwar 7. Okt. Schon seit längerer Zeit schweben zwischen dem Bezirksrat in Marbachund dem Elektrizitätswerk Beihingen-PleidelSheim Verhandlungen wegen de» Abschlusses eines Vertrag» zwischen dem Werk und den einzelnen Gemeinden des OberamtSbezirks wegen deren Versorgung mit Elektrizität. Daß Elektrizitätswerk ist de» Wünsche» des Bezirksratsrat nunmehr entgegen- gekomme». Der Bezirksrat hielt diese Zugeständnisse für annehmbar und erhob gegen de« Vertragsabschluß keinerlei Einwendungen mehr.
Rottweil a. N. 7. Okt. Im Pfarr- weiler Altstadt ist gestern um die Mittagsstunde ei« dem Landwirt Markus Bader gehöriger S tro h wag e'n vollständig niedergebrannt. Der Brand dürfte durch zündelnde Kinder verursacht worden sein. Dem raschen Eingreifen einiger Nachbarn ist es zu danken, daß da» Feuer keine weitere Ausdehnung annahm.
Pfullingen 7. Okt. Nachdem vor einiger Zeit die Uebernahme der katholischen Konfessionsschule auf die Stadt von de» bürgerlichen Kollegien abgelehnt worden war, teilte uunmehr das katholische Stadtpfarramt in Reutlingen der Stadtgemeinde Pfullingen mit, daß jetzt die gesetzlichen Unterlagen zur Uebernahme, nämlich über 60 steuerpflichtige katholische Familie» in Pfullingen vorhanden seien. Die Stadlpflege glaubte aber feflzustellen, daß einige von diesen Familien als steuerpflichtig nicht in Betracht kommen. Die bürgerlichen Kollegien habe» deshalb mit allen gegen eine Stimme die Uebernahme wiederholt abgelehnt.
Gmünd 7. Okt. (Lohnbewegung.) Von dem Arbeitgeberverband der edlen und unedlen Metallindustrie und dem deutschen Metallarbeiterverband haben in der schwebenden Lohnbewegungsfrage gestern nachmittag Verhandlungen stattgefunden. Der Erfolg wird heute abend in Vollversammlungen der beiden Organisationen den Mitgliedern unterbreitet. E» ist anzunehmen, daß e» zu einer Verständigung kommt.
Ellwangen 6. Okt. (Schwurgericht.) Strafsache gegen Heinrich Strohm, Schreiner in Fleinheim, wegen Mord» und Brandstiftung. Vertreter der Anklage Oberstaatsanwalt Eberhardt. Verteidiger Rechtsanwalt Storz, al« Sachverständige sind Dr. Paulus und Dr. Burk von Heidenheim gezogen, als Regierungsvertreter ist Landgerichtsrat LetzguS erschienen; 57 Zeugen find geladen. Am Abend des 24. Mai wurde die Tochter de» Altschult- heißen Häuf in Fleinheim, die 28 Jahre alte Babette H., in ihrem Elternhaus vermißt und im ganzen Ort vergeblich gesucht. Die Schwester der Babette Häuf, die Katharina Häuf, wußte nun, daß Heinrich Strohm nach 9 Uhr abends bei ihrer Schwester Babette gewesen und mit ihr hinter da« Hau« gegangen sei. Dann habe ein Mann von außen den Fensterladen ihres
Schlafzimmer« geschloffen. Nach etwa 10 Min. habe sie mehrfache» Stöhnen vernommen und etwas später einen gräßlichen Schrei. Auf diesen sei sie aufgesprungen, habe da» Fenster auf- geriffen und zu ihrem Schrecken gesehen, daß da» Hau» ihre« Vetter» Baier brenne. Am anderen Morgen, al» der Abgebrannte mit dem Schultheißen Lanziger die Braadstatt besichtigte, fand sich unter dem Schutt der Holzhütte die halbverkohlte Leiche der Vermißten. Die Sektion ergab unzweifelhaft, daß da» Mädchen sich in gesegneten Umständen befunden hatte. Der Staatsanwalt hob hervor, die Vorgefundene Leiche weife auf den Brandstifter hin. Die Häuf habe nach den Erklärungen der Sachverständigen den Tod durch Ersticken gefunden; es sei unglaubwürdig, daß sie in die brennende Hütte einge- Lreten sei. Die Lage der Leiche spreche dafür, daß sie von anderer Hand hineingelegt worden sei. Interesse an der Beseitigung habe aber nur der Anglklagte gehabt. Die Geschworenen verneinten die Frage auf Mord, nahmen jedoch Totschlag und Brandstiftung an, worauf da» Gericht auf eine Zuchthausstrafe von 12 Jahren und 10 Jahre Ehrverlust erkannte.
Saulgau 7. Okt. (Ein schwerer Verlust.) Al» der 8jährige Knabe de» Söldner» Angele auf der Anhöhe beim sog. tiefen Weg die Kühe seine» Vater» hütete, gerieten diese an einen steilen Abhang, stürzten ab und erlitten so schwere Verletzungen, daß sie sofort geschlachtet werde« mußten. Der Unglücksfall trifft Angele und seine zahlreiche Familie um so härter, als er nur diese beiden Kühe besaß.
Frankfurt a.M. 7.Okt. Ein Dienstmädchen au» Münster hatte vor 5 Monaten seinen 4*/- Jahre alten Knaben getötet und die Leiche verbrannt. Sie war daraufhin al» geisteskrank in eine Anstalt eingeliefert worden, au» der sie aber entfloh. Da» Mädchen kehrte nun zu seiner frühere« Herrschaft, einem hiesigen Agenten zurück. Gestern nachmittag stellte da» Mädchen in der Parterrewohnung die Asche seine» Kindes auf, drang in den ersten Stock, wo der Agent auf einem Sopha lag und erschoß diesen. Dann stieg sie wieder in da» Parterre hinab und brachte sich selbst zwei Schüsse in die Schläfengegend bei.
Köln 7. Okt. Einem raffinierten Betrugs Manöver ist eine hiesige Bank zum Opfer gefalle». In dem Bureau traf ein Brief eine» industriellen Werke» ein, der eine Anzahl Wechsel im Gesamtwerte von 45 000 ^ enthielt, mit dem Ersuchen, sie zu diskontieren. Dieser Auftrag wurde von der Bank prompt erledigt. Wie in dem Schreiben gleichzeitig bemerkt war, würde ein livrierter Bote auf der Bank erscheinen, um den Betrag in Empfang zu nehmen. Bald aber stellte e» sich heraus, daß dieser Bote ebenso wie die Bank da» Opfer zweier Schwindler geworden sind, die einstweilen mit dem Gelde verduftet find.
Berlin 6. Ott. Nach einem Telegramm des Gouverneur» von Südwestafrika aus Windhuk revoltierten bei Wilhelmstal am 4. Ott. die Transkaykaffern der Baufirma für den Umbau der Strecke Karibib—Windhuk. Die Revolte wurde sofort mit Hilfe des Militär» unterdrückt. Zwölf Eingeborene wurden ge-