5H S?N
SM
NNSüU
--« 225.
Amtr- und Anzeigeblatt für den GberamkbeM Calw.
83. Iichrgr«tz-
»«»»»! «vati-z, »t,u«tag, «Itt»»«, -,»r«r»L, «v» »am«tas.
- °j«4. xrs z,il« fl« Ttadt«. »qkltmt»; außer »,,irt » Ms».
Dienstag, den 27. September 1910.
AvrLllche Vekanntmachnng»«.
Bekamttmachuug, betr. Bekämpfung übertragbarer Krankheiten.
Durch Verfügung des K. Ministeriums deS Innern vom 9. Februar 1910 (Reg.-Bl S. 84) wurde neben den Krankheiten, für welche fchon reichsgesetzlich die Anzeigepflicht besteht, nämlich für Aussatz (Lepra), astatische Cholera, Fleckfieber (Flecktyphus), Gelbfieber, P-st (orientalische Beulenpest), Pocken (Blattern) und Milzbrand, die Auzeigepflicht noch für folgende Krankheiten eingeführt:
1) Diphtherie (Halsbräune, echter Croup), 2) Fleisch-, Wurst-, Fisch-, Käse- und Konservenvergiftung, 3) Frieselfieber, 4) übertragbare Genickstarre, 5) Ktndbsttfieber (Wochenbett-, Puerperalfieber), 6) Körnerkrankheit (Granulöse, Trachom), 7) Rotz, 8) Rückfallfieber (?ebr>8 recurrens), 9) übertragbare Ruhr (Dysenterie), 10) Scharlach, 11) Tollwut (Lyssa), sowie Bißverletzungen durch tolle oder der Tollwut verdächtige Tiere, 12) Trichinose, 13) Typhus (Unterleibstyphus, einschließlich des Paratyphus, gastrischem Fieber, Nerven-Schleim- fieber u. dergl.), 14) Wurmkrankheit lAnchylosto- miasis)
Jeder Fall der Erkranlang oder des Todes an einer der vorbezeichnete« Kranlheite«, sowie der Wechsel der Wohnung oder des Aufenthaltsorts durch eineu Erkrankte« ist unverzüglich der zuständige« Ort-polizeibehörde anzuzeige«. Der Wechsel de» Aufenthaltsort» ist auch -ei der OrtSdehörde de» neuen Aufenthaltsort» zur Anzeige zu -ringe«. Auch bloße BerdachtSfälle find anzuzeigen bei: Kindbettfieber, Rotz, Rückfallfieber, Tollwut und Typhus.
Weiterhin ist anzuzeigen jeder Wohnungswechsel einer an vorgeschrittener oder offener Lungen- oder Kehlkopftuberkulose erkrankten Person und jeder Todesfall an Lunge«- oder Kehlkopftuberkulose. Dieselbe Anzeigepflicht besteht auch für diejenigen Fälle, in welchem Kranke mit offener Lungen- oder Kehlkopftuberkulose ihre Um
gebung infolge enger oder sonst unzureichender Wohnungsverhältnisse gefährden.
Zur Anzeige find verpflichtet:
a) bei Verdachts- oder Krankheitsfällen, sowie bei
Wohnungswechsel:
1. der behandelnde Arzt,
2. jede sonst mit der Behandlung oder Pflege des Erkrankien gewerbs- oder berufsmäßig beschäftigte Person,
3. der Haushairungsvorstand,
4. derjenige, in dessen Wohnung oder Behausung der Verdachts- oder Erkrankungsfall sich ereignet hat;
b) bei Todesfällen: der Leichenschauer.
Die Verpflichtung der unter Buchstabe 3 Ziffer 2—4 genannten Personen tritt nur dann ein, wenn ein in einer vorausgehenden Ziffer genannter Verpflichteter nicht vorhanden ist.
Die OrtSpolizetbehörde« werden beauftragt, diese am 1. Mai ds. Js. in Kraft getretenen Vorschriften wiederholt ortsüblich bekannt zu geben.
Calw, 26. September 1910.
K. Oberamt.
Amtmann Rippmann.
Tagesrremgreiten.
Calw 26. Sept. Der hies. Schwarzwaldverein hat gestern eine vom besten Wanderwetter begünstigte Fußtour auf die „Teufelsmühle" zur Teilnahme an der EinweihuugSfeier der dort neu erbauten Schutzhütte ausgeführt. Wenn auch der grauende, neblige Morgen mit wenig Wahrscheinlichkeit auf eine größere Teilnehmerzahl rechnen ließ, so waren wir nicht wenig erstaunt, als sich bei Abfahrt des Zuge« 5.18 Uhr doch 35 Personen, darunter 6 Damen, einge- fundeu hatten. Der Zug brachte uns zunächst nach Calmbach, von wo aus die Wanderung sofort bei scharfer Steigung bergann begonnen wurde. Auf gute» und schlechten Wegen ging erlauf der Höhe munter vorwärts, bis wir um
11 Uhr das Hochplateau, die Teufelsmühle, erreicht hatten. Auf 12 Uhr war die Weihe der Hütte vorgesehen, wir hatte» also noch Zeit unsere Rucksäcke leichter zu mache«. Da, um
12 V« Uhr ein Trompetensignal, alles rennt und begibt sich in die unmittelbare Nähe des Turme», von dessen Freitreppe aus der Vorstattd der Sektion Gernsbach die zahlreich erschienenen Wanderer begrüßte. Der Erbauer der Hütte, Stadtbaumeister Schnaittmann-Herrenalb, übergab hierauf den Schlüssel an die beiden Hauptvereine. Al» nächster Redner ergriff Oberbürgermeister Thor»-Freiburg im Name» des bad. Schwarzwaldverein« da» Wort, darauf hinweisend, daß die Hütte, die auf der Grenze zweier Länder stehe, eine Arbeit des gegenseitigen Einvernehmen» und Zusammenwirkens der beiden Schwarzwaldhauptvereine sei. Sein Hoch galt dem württ. Bruderverein. Weitere Toaste wurden ausgebracht auf Seine Majestät König Wilhelm II von Württemberg, auf den Bad. Schwarzwaldverein, und von unserem Hauptvereinsvorstand Schulrat vr. Salzmann-Stuttgart auf Se. Kgl. Hoheit Großherzog Friedrich von Baden. Damit war die einfache, offizielle Feier beendigt. Stolz hebt sich die neu geweihte Hütte von ihrem Standort ab, von deren Ausfichtsplatte au» man eine nicht wieder zu findende Aussicht auf unsere herrlichen Schwarzwaldberge hat, die aber leider gestern durch die im Tal wogenden Nebelschwaden getrübt war. Diejenigen aber, denen die Ausblicke von früher noch bekannt sind, werde» e» sich nicht entgehen lassen, die reizvollen Landschaften auch von dem erhöhten Aussichtspunkt au» in ihrem Gedächtnis aufzufrischen. Um V-2 Uhr wendeten wir unsere Schritte wieder den heimatlichen Gefilden zu und erreichten um 4 Uhr Dobel. Nach kurzer Vesperrast ging e» in flottem Marschtempo bei Musik und Gesang auf. schöner
Beifall.
Eine Novelle von F. A. Geißler.
(Fortsetzung.)
Hugo wurde glutrot und hatte schon eine scharfe Entgegnung auf der Zunge, da waren die beide« Würfelspieler mit ihrer Partie fertig geworden und einer von ihnen rief mit der vollen Kraft seines serieusen Baffe«: „Laß doch die Sticheleien! Und Sie, Wildung, gehen Sie an» Amt und weihen Sie den Jüngling ein in die ersten Mysterien."
Der Kammersänger »ahm eine feierliche Miene an und bereitete sich auf die Zeremonie dadurch vor, daß er einen großen Silberhumpen unter einer Glasglocke hervorholte und in ihn mit aller Kraft seiner gesegneten Lungen hineinblies, um den Staub au» dem Gefäß zu entfernen. Nachdem er auf diese Weise den Anforderungen der Hygiene Genüge getan, goß er eine Flasche Wein in den Pokal, gab ein hohe» 8 zum Besten, was gewiß auf die Philister draußen einen faszinierenden Eindruck machte, und wandte sich an Hugo mit folgender Ansprache:
„Junger Fremdling! An meiner Hand seid Ihr heute in unser Lager getreten und heiße Euch gern willkommen in diesem behaglichen Nest. Ihr ward bisher ein Einsiedler und wir fürchteten beinahe schon, daß Ihr zu den Strebern gehörtet, die den Umgang der Kunstgenoffen meide». ES gibt deren in Kronburg eine ganze Anzahl. Umsomehr freut'S «»S, daß Ihr heute hier anwesend seid. Laßt'» Euch bei uns gefallen, kommt oft wieder und werdet bald ein tüchtiges Mitglied unserer Klause, die schon so manchen wacker« Mimen zu den ihrigen gezählt hat. So trink' ich denn diesen Willkomm auf Euer Wohlsein."
Nach diesen Worim schwenkte der Kammersänger den Humpen mit absonderlichen Bewegungen dreimal hin und her und leerte ihn dann mit
einer Sicherheit und Ruhe, die deutlich bewiesen, daß' er sich in diesem Teile seiner Vorsteherpflichte» bereits eine ungewöhnliche Hebung erworben habe. Die anderen Herren ließen ihre geleerten Gläser auf der Tischplatte klappern und schüttelten sodann dem Neuling so kräftig die Hände, daß er an der Aufrichtigkeit ihrer Gesinnungen nicht zweifeln konnte. Nach einiger Zeit bestellte Hugo eine neue Flasche, füllte mit Wildung's gnädiger Erlaubnis de« Pokal wieder und merkte an der sofort eintretenden Sülle, daß die Gesellschaft jetzt von ihm eine Gegenrede erwartete. Er erhob sich und begann mit einer leichten, jugendlichen Befangenheit, die ihn vortrefflich kleidete, zu sprechen:
„Haben Sie Dank, meine Herren, für ihre Güte und Freundlichkeit. Ich weiß sie sehr dankbar zu schätzen, Hab' ich mich doch in den ersten Wochen meine« Aufenthalts in dieser schönen Stadt sehr einsam gefühlt. Umsomehr wird e» mich freuen, in Ihnen Freunde und gute College» zu finden. Freilich vielleicht ändert sich auch mein Temperament unter dem befruchtenden Einfluß der hiesigen künstlerischen Atmosphäre. Ich bin kein „Streber" in dem unvorteilhaften Sinne, den Ihr Herr Vorstand wohl gemeint hat; aber ich bin entschlossen, mich nach besten Kräften der hohen Ehre würdig zu zeigen, die mir durch meinen Eintritt in da» hiesige, hervorragende Ensemble zuteil geworden ist. Ich will mit allen Kräften danach streben, hier eine« Platz zu erringen. Ich weiß, daß da» nicht leicht sein wird, da an dieser berühmten Kunststätte ein fürstlicher Kunstfreund die höchsten Ansprüche stellt.-"
Hier wurde Hugo durch starke» Räuspern einiger Tischgenoffen unterbrochen. Er deutete die» dahin, daß sie in ihrer Bescheidenheit ihm eine weitere Versicherung seines guten Willens erlassen wollten, und ftchr mit erhobener Stimme fort: „Die Separatporfiellungen vor Sr. Königl. Hoheit dem Großherzog genießen weit im Reiche den größten Ruf. Sie alle habe» in diese» Prüfungen elftester Künstlerschaft sicherlich schon oft