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gehe«, traf ste sich vermutlich mit ihm und ist seitdem verschwunden. Am selbe» Abend ge­langte ein Telegramm au« Bietigheim an ihre Estern, jedoch in solcher Verstümmelung, daß e« kaum von ihr selbst aufgegeben worden sein kan«, da nicht einmal der Name der Eltern richtig an­gegeben war. In dem Telegramm war gesagt, daß die Tochter einen Ausflug mit einer Freundin mache. Am Tage darauf, am vergangenen Mon­tag, kam ein Telegramm au« Karlsruhe, in dem mitgeteilt wird, daß der Ausflug mit der Freundin, deren Name den Eltern gleichfalls unbekannt ist, ausgedehnt worden sei. Es scheint ausgeschloffen, daß das Telegramm von der Tochter selbst her­rührt. Vermutlich soll nun die Spur abgelenkt werden. Unbegreiflicherweise haben e« die Estern unterlassen, der Polizei von dem Vorfall bisher Mitteilung zu machen, damit der Name nicht bekannt wird. Vielleicht vermögen diese Zeilen aber etwa» zur Aufklärung de« beunruhigenden Vorfall« beizutragen. Auch er dient zur erneuerten Warnung an junge Mädchen, sich auf Reisen von fremden Menschen nicht ansprechen und zu irgend einem weiteren Zusammentreffen bestimmen zu lassen.

Stuttgart 24. Sept. Die Maschinen­fabrik Voith in Heidenheim hat ihrem Arbeiter­ausschuß mitgeteilt, daß sie entsprechend dem Entschluß des Metallindustriellenverbande« am 1. Oktober 60 Prozent ihrer Arbeiterschaft zum 8. Oktober kündigen werde. Auch in Ludwigsburg und in Feuerbach ist den Arbeitern der Metallindustrie die Kündigung auf de» 8. Oktober angedroht worden. In Gmünd werden die Gießereien von Gatter L Schüle, sowie Ritz L Schweitzer von der angekündigten Aus­sperrung betroffen werden.

Wimsheim 25. Sept. In den letzten Tage« wurden mehrere Partien Hoflfen ver­kauft. Für den Zentner wurden 50 Mk. gelöst. Unter diesen Umständen werde« im Laufe de» Winter« manche Hopfenanlage« verschwinde«. Bei so niedrigen Preisen bringt der Hopfenbau keinen Gewinn mehr. Nachdem vor 2 Jahre» für den Zentner nur 510 Mk. erlöst werde« konnten und der Ertrag im letzten Jahr fast null war, so daß viele nur das Kraut herabmachten, die Stangen aber das ganze Jahr stehen ließen, ist ein großer Teil der Hopfen herausgehauen worden. Der Haber ist jetzt zum größte« Teil eingeerntet. Die Kartoffeln haben unter der Nässe sehr gelitten, die Ernte ist äußerst gering. Umso besser fällt der Obstertrag aus. Tafelobst kann viel verkauft werden.

Göppingen 24. Sept. In dem große« Gurkenmagazin der Firma Fr. Kauffmann in Ebersbach brach Feuer aus, dem da« ganze

Gebäude, sowie zahlreiche gefüllte Gurkenfässer und sonstige Vorräte zum Opfer fielen. Die übrigen Fabrikgebäude, sowie da« Maschinenhau« erlitten, da da« Magazingebäude isoliert stand, keinen Schade». Die Feuerwehr hatte mehrere Stunden angestrengt zu tun, um da« Feuer auf seinen Herd zu beschränken. Der angerichtete Schaden dürfte 33 000 Mark betragen. Al» Entstehungiursache wird Brandstiftung vermutet.

Heilbronn 24. Sept. Ueber den Stand der Weinberge wird von fachmännischer Seite mitgeteilt, daß der Ertrag in den letzten Woche« bedeutend zurückgegangen ist. Ueber die Qualität de« Heurigen läßt sich bestimmtes noch nicht sage». Ein guter Altweibersommer wäre nicht nur im Interesse des Weins, sondern auch für da» Aus­reisen des Tragholzes der späteren Traubensorten und der Neugereute sehr erwünscht.

Heilbronn 24. Sept. Falsche Eintritts­karten sind von den Kontrolleuren de« z. Zt. hier gastierenden Zirkus Charle« festgehalte» worden. Einer derselben entdeckte abends ein mit raffinierter Aufmerksamkeit nachgeahmte» EintritiSbillet für den 3. Platz, sowie später auch solche für die Gallerie. Scheinbar hat man es also mit einer Fälschung 6» ?ros zu tun und der Verfertiger oder seine Helfershelfer haben sich wahrscheinlich auf einen größeren Absatz präpariert, denn der Inhaber der falsche» Karte behauptete, daS Billet vor dem Zirkus von einem Unbekannten erhalten zu haben.

Rottweil 24. Sept. Die Getöteten bei der Explosion in der Pulverfabrik find der ca. 60 Jahre alte Witwer Pius Faul- haber von Frittlingen, der 17 Jahre alte Rieble von Rottweil und der 19 Jahre Karl Lutz, ebenfalls von Rottweil. Acht bi« zehn Arbeiter wurde« leicht verletzt, zwei von ihnen mußten in« Krankenhau« geschafft werden, doch dürfte» sie bald wieder hergestellt sein. Der Schaden ist bedeutend. Das ganze Trockenhaus wurde von Grund au« vernichtet, die meisten Fenster der Fabrik find zertümmert und viele Dächer der Gebäude abgedeckt oder durchlöchert. Die näheren Umstände de« Unglücks find nicht zu erfahren, da der Zutritt zur Fabrik verboten ist und die Direktion jede Auskunft verweigert.

Ravensburg, 25. Sept. Die Buch­druckerei von Dr. Bernhard Kah in Raven»burg mit dem Verlag der in einer Auflage von 11000 Exemplaren erscheinenden ZeitungOber- schwäbischer Anzeiger" (107. Jahrgang) wurde an eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung um 700 000 Mark verkauft. Dafür daß die genannte Zeitung dem Zentrum dauernd zur Verfügung steht, ist Vorsorge getroffen. Dr. Kah bleibt an der Gesellschaft beteiligt; sein Sohn und bis­

heriger Teilhaber Max Kah ist zum Geschäfts­führer bestellt, dem langjährigen Mitarbeiter im Geschäft Wilhelm Häußler wurde Prokura erteilt. Die Leitung des Oberschw. Anzeigers bleibt in den Händen de« Chefredakteurs I. P. Schneider.

Biberach 24. Sept. Auf dem Viehmarkt übergab ein Knecht eines Buchauer Händler« einem Burschen zwei Stück Vieh, eine zwei­jährige Kalbel und eine vierjährige Kuh zum Halten. Der Bursche entfernte sich jedoch mit den Tieren und konnte bis jetzt noch nicht er­mittelt werde».

Pforzheim 24. Sept. Vielleicht kommt es hier zum Streik der Gold- und Silber­kette n arbeiter. Die Arbeiterorganisation (Deutscher Metallarbriterverband) hatte den Fab­rikanten einen Entwurf zu einem neue» Lohn- und Arbeitsvertrag überreicht. Der Arbeitgeber­verband hat nun die Antwort gegeben, daß er den Entwurf wegen der darin enthaltenen Lohn­erhöhung und wegen seiner Eigenschaft als Tarif­vertrag als unannehmbar ablehne.

Pforzheim 24. Sept. Heute beging im städtischen Saalbau hier die größte Gold- kettenfabrik der Welt, Kollmar L Jour- dan A.-G., welche über 1200 Arbeiter und Ar­beiterinnen beschäftigt, ihr 25jährige« Bestehen unter Teilnahme der staatlichen und städtischen Behörden. Die Fabrik gibt ihre» Aktionären seit langem durchschnittlich 15 °/o Dividende. Ihre Papiere stehen an der Berliner Börse auf über 300.

Pforzheim 25. Sept. Großartige Stiftungen sind von der hiesigen Goldketten­fabrik Kollmar undJourdan anläßlich ihre« 25jährigen Jubiläum« gemacht worden und zwar im Ganze« über 150000 Für die Ferien­kasse der Arbeiter und der Angestellte» wurden 100 000 ^ gespendet, für die Stadt bezw. zu kunstgewerblichen Zwecken 40000 für ver­schämte Arme 10 000 -^. Außerdem erhält jeder Arbeiter (über 1300) 10 ^ und je 4 ^ für jede« Jahr, das er im Geschäft ist.

Karlsruhe 25. Sept. Der erste Unter­suchungsrichter beim Landgericht Karlsruhe fordert alle, die gesehen haben oder zuverläßig erfahren haben, daß in der Luftschiffhalle in Baden- Oo» in den letzten Monaten geraucht worden ist, auf, ihre Wahrnehmungen ihm oder der Kriminalpolizei in Karlsruhe oder in Baden- Baden umgehend mitzuteilen.

Cottbus 24. Sept. Die im Arbeitgeber­verband der Lausitzer Tuchindustrie organi­sierten Tuchfabrikanten der Städte Cottbus, Forst, Spremberg, Guben, Luckenwalde, Sommerfeld und Finstrrwalde machen durch Aushang in ihren

lichkeit de» berühmten Sänger«, nannte ihm seinen Namen und ließ ihm, als sie miteinander die Straße betraten, höflich die rechte Seite, eine Ehren­bezeugung, die sich der Sänger huldvollst gefallen ließ.

Kenne Sie schon von Ansehen," sagte er,und habe gleich anderen Kollegen Ihren einsiedlerisch-musterhaften Lebenswandel mit Wonne be­obachtet. Sie find entweder ein beneidenswerter Tugendheld oder ein ganz Schlauer na, mir kann'S gleich sein. Aber da« Trinken ist auch im hochheiligen Kronburg keine Sünde, und da die Stunde de« Früh­trunk« naht, so bitte ich Sie, mir mal auf ein Stündchen zu Vater Petschau zu folgen. Sie finden dort einen Stamm Kollegen und einen recht genieß­bare» Wein. In unserer abgeschlossenenLästerecke" sitzen wir Leute vom Bau ganz unter uv«. Also keine Müdigkeit oder Grundsätze vor­schützen, kommen Sie, Kleiner!"

Höchst ungeniert zog der Kammersänger Hugo« Arm durch den seinen und ging mit ihm durch die mittäglich belebten Straßen. Hugo bemerkte bald, wie die Blicke der Vorübergehenden sich auf seinen Begleiter richteten, wie Backfische und Engländerinnen jede« Alter» sich den Namen de« Sänger« sehr deutlich zuraunte«, und ihn, stehen bleibend, mit langstieligen Lorgnons beobachteten. Ja sogar feine Herren und Leute aus dem Volk wandte« sich nach dem Künstler um, der freundlich alle Bekannten grüßte und die unzweideutigen Beweise seiner Volkstümlichkeit offenbar mit vollen Zügen genoß. Erhobenen Haupte» ging er mit so elastischen Schritten, als e» ihm bei seiner beträchtlichen Körperfülle nur möglich war, warf den Vor­übergehenden seine berühmtenleuchtenden Blicke" zu und trällerte halb­laut ab und zu ein Wagnersche» Motiv, um die Bewohner der Residenz mit der beglückenden Gewißheit zu erfüllen, daß er schon ganz von dem Gedanken an die nächste Woche beginnende Gesamtaufführung de«Ring der Nibelungen" erfüllt sei.

Nachdem sich Herr Wilduvg etwa eine halbe Stunde lang auf diese Artder Volksmenge gezeigt" hatte, wobei ihm sein junger, hübscher Begleiter al« guteFolie" zu dienen die Ehre genoß, bog er in eine

Seitengasse ein und betrat bald darauf Herrn Petschau« WeinstubeZur goldenen Traube". Würdevoll führte er Hugo durch da» allgemeine Gastzimmer in ei« hübsches Extrastübchen, das mit seiner nachgedunkelten Täferung im Mischlicht zweier Garflamme» und de« matt einfallendrn Tagesscheines eine» recht behaglichen Eindruck machte und sich durch Kränze, Schleifen und Bilder al« eine Künstlerklause darstellte.

Etwa zwölf Herren saßen an dem großen Eichentisch schon beim Wein und begrüßten die Ankommenden mit jener Mischung von Herzlich­keit und Zurückhaltung, die meist dann zu bemerken ist, wenn ein alt­beliebtes Mitglied einer Gesellschaft in Begleitung eines Gaste« erscheint, dessen Person vorher schon Gegenstand der Unterhaltung gewesen ist.

Namen und Begrüßungen schwirrten um den Ankömmling, dann wurde der Tenorist von den Kollegen mit Beschlag belegt, die mancherlei Kulissenkram mit ihm zu besprechen begannen. Hugo suchte unterdessen das peinliche Gefühl de« Fremdsein» dadurch zu bannen, daß er die zahl­reichen eingerahmte» Bilder, Zeichnungen, Telegramme und Theaterzettel betrachtete, auf denen ihm zum größten Teil unbekannte Name» entgegen­schauten, während er von den scherzhaften Aufschriften wegen ihre« Lokal­ton« keine eine einzige verstand.

Endlich trat ein Herr, der ihm al« Charakterspieler vorgestellt worden war, zu Hugo und lud ihn ei«, an dem großen Tische Platz zu nehme», wo zwei Jünger der Bühnenkunst eifrig damit beschäftigt waren, eine Flasche Sekt in geheimnisvollen Touren aurzuknobeln. Sie ließen sich in dieser anregende« Beschäftigung durchaus nicht stören, der Mime aber schob dem Gast einen gefüllten Römer hin und sagte:Na, junger Herr, wie fühlen Sie sich in Kronburg? Sind wohl auch mit großen Ideen hergekomme», wie wir alle? Hahaha, da» gibt sich mit der Zeit. Doch vielleicht machen Sie bessere Erfahrungen, man sagt ja, daß Sie ein kleine« Protektionskindchen seien und wer den Papst zum Vetter hat u. s. w."

(Fortsetzung folgt.)