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auf dem hiesigen Engrosmarkt waren gestern folgende: Pfirsiche 1530M-, Aepfel 611 Mk., Birnen 634 Mk,, Nüfse 2335 Mk, Zwetsch- ge» 1013 Mk,, Quitlen 1830 Mk, Tomaten 1416 Mk, alles für 50 Kilo. Zufuhr genü­gend; Verkauf lebhaft. Auf dem Mostobstmarkt auf dem Wilhelmsplatz waren 1000 Zentner an­gefahren zum Preis von 3.804 20 Mk. der Zentner.

Stuttgart 23. Sept. (Strafkammer.) Die Polizei bestohlen hat der verheiratete Maurer Karl Huber von hier. In der Nacht zum 13. Juni kamen aus der Polizeiwache in Cannstatt zwei Säbel und ein Handschließ ab­handen. Als Dieb wurde Huber ermittelt. Er kam in jener Nacht auf die Polizeiwache, um eine Erkundigung einzuziehen, und als er sah, daß der Wachhabende schlief, nahm er die Sachen weg, um, wie er angibt, der Pol zei einen Possen zu spiele«. Die gestohlenen Säbel sind noch nicht beigebracht. Die Anklage nimmt an, daß sie Huber in den Neckar geworfen hat. Huber war außerdem eine« Hafendiebstahlr beschuldigt, den er in der Nacht vom 5. Dezember v. I». ausgeführt hat. Die Strafkammer verurteilte ihn wegen einfachen Diebstahls i. R. zu fünf Monaten Gefängnis. Ein bei dem Hasendieb­stahl beteiligter Eisengießer von Cannstatt erhielt 4 Wochen Gefängnis.

Heilbronn 33. Sept. Drei Heil- bronner Flieger, Utz, Recher und Leidig, wollen demnächst ihre Flugübungen aufnehmen. Ein Schuppen, der die Flugmaschins bergen soll, ist gebaut und feine Benützung ist vertraglich durch die Stadt genehmigt worden, jedoch unter der Bedingung, daß aus eventuellen Unfällen die Stadtverwaltung in keiner Weife schadenersatzpflichtig ist.

Heilbronn 23. Sept. (Strafkammer.) In der Berufungsfache des Redakteurs Mürdter vomBacknanger Volksfreund" wegen Beleidigung de» OberamtSarztS Dr. Heller fand vor der Strafkammer die Verhandlung statt. Den Grund bildete nachstehender Vorfall: Ein Zögling der Präparanden-Anstalt Backnang namens Hauben­sack hatte sich in die Herzgegend einen Schuß beigebracht. Oberamtsarzt Dr. Heller wurde zu dem Schwervrrwundete» gerufen. Er ordnete an, daß Haubensack ins Krankenhaus Backnang gebracht werden soll, ließ ihn aber hierauf ins Katharinenhospital nach Stuttgart überführen, weil in Backnang nicht die erforderlichen Ein­richtungen vorhanden seien zu einer derartigen Operation, obwohl die chirurgische Klinik de« Dr. Vogt da ist. Noch ehe ein operativer Eingriff bei Haubensack gemacht werden konnte, starb er.

Redakteur Mürdter brachte nun einen Artikel imVolksfreund", in dem gesagt ist, OberamtS- arzt Dr. Heller habe aus persönlicher Gehässig­keit gegen Dr. Vogt den Haubensack nach Stutt­gart überführen laffen. Auch war in dem Artikel die Rede von Barbarismus und Ungeheuerlichkeit, die bis zum Himmel schreien und Oberamtsarzt Dr. Heller hübe den Tod de« jungen Haubensack dadurch verschuldet, daß er ihn nach Stuttgart überführen ließ. Mürdter will bei Aufnahme des Artikels davon überzeugt gewesen sein, daß alles, was ihm Dr. Vogt über den Fall mit­geteilt habe, der Wahrheit entspreche. Auch habe er (MürdteH bei einem Stuttgarter Arzt telephonische Erkundigungen darüber eingezogen, der auch der Ansicht war, daß man de» Kranken nicht nach Stuttgart hätte schicken sollen. Die Aufregung wegen dieses Vorkommnisses sei in Backnang unter den Einwohnern groß gewesen; verschiedene Bürger hätten ihn aufgefordert, diesen Fall in seiner Zeitung zu besprechen. Er habe im Interesse des Kranken von Backnang gehandelt. Das schöffengerichtlichs Urteil, das auf 4 Wochen Gefängnis gelautet hatte, wurde aufgehoben und Mürdter zu einer Geldstrafe von 200 bei Uneinbringlichkeit zu 4 Wochen Gefängnis verurteilt.

Rottweil 23. Sept. In der hiesigen Pulverfabrik explodierten heute mittag 3 Uhr Trockenschränke, wodurch das Trockenhau« ver­nichtet und wie man hört, zwei Arbeiter getötet wurden. Ein Arbeiter wird noch ver­mißt und mehrere erlitten leichtere Verletzungen.

Rottweil 23. Sevt. Zu dem Explo- sionsunglück in der hiesigen Pulverfabrik ist noch nachzuiragrn, daß der vermißte Arbeiter im Laufe des Nachmittags als Leiche gefunden wurde. Es sind also drei Menschenleben zu beklagen. Zwei der Getöteten sind unverheiratete Rott­weiler, der dritte ist ein Witwer aus Fritilingen Oberamts Spaichingen.

Tuttlingen 23. Sept. Einen selt­samen Fnnd machten dieser Tage hier zwei Knaben. Sie durchflöberten einen Abfallhaufen und fanden dabei ein ledernes Brieftäschchen, das zehn Hundertmarkscheine enthielt. Die Kinder brachten das Geld dem Eigentümer, der ermittelt werden konnte, zurück; einer der Knaben erhielt 80 der andere 20 Finderlohn.

Ulm 33. Sept. Die bürgerlichen Kollegien beschäftigten sich gestern mit der Fleischfrage. Der Stadtvorstand konnte statistisch Nachweisen, daß in Ulm eine Verminderung des Konsums kaum eingetreten ist. Mit Ausnahme des Kalb­fleisches seien die Preise in den letzten 5 Jahren nicht gerade außerordentlich in die Höhe ge­gangen. Die einzelnen Parteien nahmen zu der

sozialdemokratischen Interpellation Stellung. Von einer Grevzöffnung verspricht sich der Stadt­vorstand nicht viel. Dem schließen sich auch die Nationalliberalen an, während Demokratie, Sozialdemokratie und Volkspartei und auch der Vorstand der Metzgerinnung in Ulm eine so­fortige Oeffnung der Grenzen fordern. Das Zentrum verwirft den Zwischenhandel und wünscht Vieheinkaufs- und -Verkaufsgenossenschaften. Die Frage der Viehhaltung in eigener Regie der Stadt soll noch in der Güter kommission behandelt werde». Schließlich wurde der Stadtvorstand beauftragt, namens der Stadt den geplanten Stättetag zu besuchen. Eigentliche Mittel, die der Fleischteuerung abhelfen, wurden nicht in Vorschlag gebracht.

Pforzheim 23 Sept. Eine seltsame Entführung hat hier stattgefunde». Im hie­sigen Krankevhause lernte der Taglöhner W. Fiukbeiner dieModistin" Finkbohner kennen, die dort wegen einer üblen Krankheit bleiben mußte. Sie wollte fliehen. Fiukbeiner drang nun nachts mit dem Zuhälter der Finkbohner, dem Taglöhner Köhnlechner und den Haus­burschen Hugo Kurz und einem gewissen Rstfuß mit falschen Schlüsseln über die Hofmauer in da» Krankenhaus. In der ersten Nacht gelang die Befreiung derDame" nicht, aber in der zweiten Nacht kehrten dis vier wieder und voll­endeten da« Werk. Das Gericht verurteilte den Köhnlechner zu 10 Monaten, Finkbeiner zu 6 Monaten, Kurz zu 1 Monat und die Finkbohner zu 4 Monaten Gefängnis. Rotfuß ist noch nicht festgenommen.

Karlsruhe 23. Sept. Wie dieBad. Landeszeitung" hört, beabsichtigt das Unterrichts­ministerium an der hiesigen Technischen Hoch­schule einen Lehrstuhl für Fluß- und Luftschiffbau zu errichten. ES ist gelungen, für diesen Lehrstuhl in dem ordl. Professor der technischen Hochschule Danzig, Johann Schütte, der wirklich auf der Luftschiffwerft des Herrn Dr. Karl Lanz in Rheinau ein Luftschiff eigener Konstruktion baut, eine ausgezeichnete Kraft zu gewinnen. Prof. Schütte wird feine Tätigkeit an der hiesigen Technischen Hochschule im Sommer­semester 1911 beginnen.

Baden-Baden 23. Sept. Direktor ColSmann und Oberingenieur Dürr sind von Friedrichshafen hier eingetroffen und haben im GrandhotelRussischer Hof" Wohnung genommen. Die Prüfung der Frage der SchadenSersatz- regelung bezüglich der Katastrophe des 1-2 6 hat heute begonnen, konnte aber noch nicht zu Ende geführt werden.

eine leichte Röte überzog sein Antlitz, als schäme er sich seine» unver­mittelten VertrauenSauSbruche«. Aber der Justizrat schaute gar freundlich drei« und sagte in herzlichem Tone:

Ja, da» sind die harten Lehrjahre, die wohl jeder Schauspieler durchzumachen hat. Wohl Ihnen, daß diese erste Periode der Bühnen­laufbahn jetzt schon beendet hinter Ihnen liegt. In gar junge« Jahren werden Sie an eine Kunststätte berufen, an der zu wirken der unerfüllte Sehnsuchtstraum vieler gereifter Künstler ist. Eine schöne, sonnige Bahn liegt vor Ihnen, Sie Glückskind I"

Mir selbst kommt'» sogar heute noch nicht ganz glaublich vor, kaum weiß ich noch recht, wie es sich zutrug. Wir hatten in Regensburg einen Schillerzyklu» an Sonntagnachmittagen wissen Sie: kleine Preise, großes Publikum kurz darauf wird mir von der hiesigen Intendanz ein Vertrag geschickt, ohne persönliche Vorstellung, ohne Gastspiel, ohne gütige Vermittlung, denn ich habe keine einzige einflußreiche Bekanntschaft."

Der Justizrat lächelte verständnisvoll.Ja, da» ist die Kronburger Art. Unser Großherzog und der Intendant, Graf von Meerheim, habe« überall ihre Vertrauensleute, die sie auf junge Talente aufmerksam machen. Die Art, wie man Sie gewonnen hat, beweist, daß Hoffnungen auf Sie gesetzt werden."

An mir soll'» wahrhaftig nicht liegen, wen» sie sich nicht erfüllen! Meine beste Kraft will ich einfrtzen, Sie glauben ja gar nicht, was diese» Engagement für mich bedeutet. Es ist die unwiderlegliche Anerkennung «eine» Talentes, bringt mich mit meiner Familie wieder zusammen, die bisher meine Schauspielerei nur mit Geringschätzung betrachtete, nun aber mich als Künstler gelten laffen muß. Und dieses Elend de» Tagesbetrieb» in den mittleren Saisontheatern! Wir hatten einmal zweiunddreißig Neuheiten in einer Spielzeit von siebe« Monaten, wie kann da von künstlerischer Arbeit, von Sammlung und Durchdringung der Aufgabe die Rede sein? Wer dazu verurteilt ist, in solchen Verhältnissen seine besten Jahre zu opfern, der muß allen Idealismus einbüßen und zur Maschine

werden. Drum kam mir der Brief au« Kronburg wie ein Ruf in eine bessere Welt, denn ich sehnte mich aus tiefster Seele nach reiner künstlerischer Lust, nach der Möglichkeit, mich zu vertiefen und wirklich ein Künstler zu werden, nachdem ich bisher nur Lehrling und Handlanger gewesen war. Wie hat mich manchmal der Beifall eines leicht befriedigten Publikum» verdrossen und beschämt, wenn ich mir bewußt war, ihn nicht verdient zu habe». Was ich hier erhoffe, Herr Justizrat, ist das Glück, aus mir Hera«, mit Muße schaffe«, mir selbst zu Dank arbeiten und den höchsten Zielen nachstreben zu können "

Der Justizrat betrachtete Hugo mit beifällige» Blicken und sagte

Mit Wärme: . ^

Mir scheint, Herr Haffner, unsere Theaterlntung hat treffliche Späher im Lande. Denn, wenn nicht alle Zeichen trügen, sind Sie au« dem Holze, aus dem die Künstler sein müssen, die unser regierender Herr zu seinen berühmten Separatvorstellungen heranzieht."

O bitte, erzähle» Sie mir davon. Wie viel hört man über die Eigenart de« Großherzog« reden und doch weiß niemand Genaues darüber!.

Der Justizrat warf einen Blick auf seine Uhr.

Der Schnellzug fährt noch eine Viertelstunde bis Kronburg. Da kann ich Ihnen gern sagen, was ich selbst weiß. Daß über die Vor­stellungen, bei denen der Großherzog der einzige Zuschauer ist, draußen viel geredet und geschrieben wird, ist kein Wunder, kann man »och sogar in Kronburg die absonderlichsten Dinge darüber hören. Ich selbst weiß Genaue» auch nicht, denn da» Geheimnis wird streng gewahrt. Aber ich erkläre mir diese scheinbare Exzentrizetät de, Großhrrzogs sehr einfach. Er ist ein Kunstkenner vom feinsten Gefühl, hat aber gerade deshalb nicht den Ehrgeiz, sein eigener Regisseur zu sein wie mancher andere kunst­sinnige Fürst, sondern er will vor allem einen reinen Genuß, eine unge­trübte künstlerische Illusion haben, will die Werke der Dichter ohne jede äußere Ablenkung auf sich einwirkev laffen. Da» ist ihm unmöglich, wenn lausend Menschen mit ihm im Theater fitzen, die «ach jedem Fallen

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