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Jahr besorgt von der Möglichkeit eine« Krieg» mit Rußland sprach, sah ich in ihm kein Un­glück . . . Noch ein Jahrzehnt Frieden wäre für Deutschland ein Unglück". (!) Oder wenn in einer anderen Tageizeitung ein anderer Verfasser sich zu folgenden Behauptungen versteigt:Nun dauert unser Frieden mit seinen unleugbaren Segnungen, aber auch mit seinen großen nicht zu unterschätzenden Gefahren für die Volkßheit bereit« vierzig Jahre ... War'» wirklich ein Uebel, wenn sich dieser Zustand einmal ändern würde?" Weil Volk und Regierung in Deutschland friedliebend find, so muß solch gewissenloses Treiben bloßgestellt werden zur Ehrenrettung des Vaterlands«.

Ich kann mir wohl denken, daß Herr Pfarrer Bessert für seine Ausführungen da« Recht de» Alter« in Anspruch nimmt. Ich ge­stehe dem Alter eine gewisse« Vorrecht zu. Des­halb habe ich in meiner Erwiderung auf seinen ersten Angriff rücksichtsvolle Zurückhaltung herr­schen lassen. Doch hat es seine Schranke in der Pflicht und Tugend de« Taktes. Herr Pfarrer Bessert hat da« Recht zum Unrecht ver­kehrt. Angesicht« seines Versuch«, einen Jüngeren in der Oeffentlichkeit einfach abzutun, gilt: tempi xg.88s.ti! Nicht nur in den gegenseitige« Be­ziehungen der Völker, in jeder Hinsicht kommt eine neue Welt heraufgezogen. Darnach sich zu richten, ist Weisheit! Uebrigen« hoffe ich, bald da« Alter zu erreichen, in welchem man sich vor solcher Behandlung sicher fühlen darf. Ich meinte freilich, e« längst erreicht zu haben.

Gerne gebe ich noch meinem aufrichtigen Bedauern darüber Ausdruck, daß diese persön­lichen Auteinandersetzungen zwischen Herrn Pfarrer Bossert und mir sich ergeben haben. Daß ich e« ander« gewollt, habe ich bewiesen einmal durch meinen ersten Artikel in Nr. 210 dieses Blatte«, der rein sachlich gehalten war, für« andere durch meine Entgegnung aus den ersten persönlichen Angriff von Herrn Pfarrer Bosserl in Nr. 217. Dort habe ich ihm die Hand zur Versöhnung dargereicht, indem ich seine Beleidigungen ignorierte. Statt den Geist der Versöhnlichkeit walten zu lassen, hat er einen zweite«, noch schärferen Angriff auf mich gerichtet. So hat Herr Pfarrer Bossert mich gegen meinen Willen förmlich genötigt, meine persönliche Ehre und mein persön­liche« Recht gegen seine Person zu verteidigen. Da« ist mir leid, aber wenn man mich mit der Rolle de« Prügelknaben be­denken will, dann wehre ich mich. Freilich wird sich Herr Pfarrer Bossert zu seiner Rechtfertigung auf da« mir reichlich gespendete Lob berufen. Wa« kann ich jedoch dafür, wenn er kein Ge­fühl dafür hat, daß solche» in der Zeitung erteilte und in der Form höchst unge­schickte Lob im Grunde noch peinlicher wirke« muß al» der Tadel? I» meiner Verteidigung konnte ich mich natürlich in der Hauptsache nur mit dem letzteren befassen. Herr Pfarrer Bossert hat die Schuld an diesem leidigen Zwischenfall zu tragen.

Hiemit ist diese ganz persönliche Angelegenheit für mich erledigt. Von persönlicher Bitterkeit gegen die Person de«' Herrn Pfarrer Bossert bin ich frei.

Tagesneuigkeiten.

Calw, 23. Sept. Heute früh kurz vor 8 Uhr ertönten plötzlich die Feuerglocken. Im Weichbild der Stadt war zunächst kein Feuer zu bemerken, bald aber zeigte sich in der Richtung der Stuttgarter-Straße eine mächtige Rauchwolke. ES brannte in der Sausteige da« am Aufgang zum hohen Felsen gelegene Wohn- und Oekonomie- gebäude von Fuhrmann Keck. Die Eltern waren bereit« im Feld, die Kinder mußten au» den Betten geholt werde«. Da» Gebäude ging voll­ständig in Flammen auf, eine Gefahr für Nach­bargebäude bestand nicht. Ueber die Brandur­sache verlautet, daß da» Feuer im Heustock durch Selbstentzündung entstanden sei. Der Abge­brannte ist versichert.

Calw 22. Sept. Bei dem Herbstexamen vor der K. Prüfungskommission für Einjährig- Freiwillige haben 16 Zöglinge der Spöhrer'schen

Höhere« Handelssch ule bestanden. E« ist keiner der von der Direktion zum Examen zn- gelaffenen Schüler der Anstalt durchgefallen.

Stuttgart, 22. Sept. Die Königin ist gestern abend wieder nach Friedrich»hafen zurückgekehrt. Der König wird voraussichtlich am 3. Oktober in Friedrichshafen eintreffen. Der Herbstaufenthalt de« KönigSpaarS in Friedrichs- hafen soll dem Schwäbischen Merkur zufolge, Heuer nur bi« 20. Oktober in Aussicht genommen werden.

Stuttgart 22. Sept. Die 17 Jahre alte einzige Tochter einer angesehenen hiesigen Familie ist seit mehreren Tagen v erschwunden. Sie war in Begleitung eine« junge» Manne« angeblich nach Bietigheim und von dort nach Karlsruhe gefahren. Man vermutet, daß da« Mädchen einem Mädchenhändler in die Hände gefallen ist. Eine nähere Aufklärung über die Angelegenheit bleibt abzuwarten.

Vaihingen a. F. 22. Sept. Unter großem Zulauf von Nah und Fern fand gestern da« landwirtschaftliche Bezirksfest vom landw. BezirkSverein Stuttgart-Amt statt. Der Gemeinderat Vaihingen hatte alle« aufgeboten, um das Fest würdig zu gestalten. Mit dem Fest war eine Prämierung von Dienstboten, Vieh, Bienen, Ziegen und eine ObstauSstellung ver­bunden. Die Prämierung fand kurz vor 9 Uhr statt. Insgesamt wurden 24 Dienstboten mit einer Dienstzeit von 524 Jahren prämiert. E» wurde ihnen eine Ehrenurkunde mit je 10 Prämie unter Ansprache überreicht. AnFarren- preisen wurden insgesamt 60 für Kühe 165 für Kalbinmn 185 für Mutterschweine 150 für Bienenzucht 35 für Ziegenzucht 70 ausgegeben. Der Vorstand de» Verein«, Direktor v. Strebel-Hohenheim, hielt an die Prämierten eine Ansprache, in der er sie aufforderte, auch das ihrige beizutragen, zur Linderung der Fleisch- und Milchnot. Die Obst- und Weinbausektion (Zweigvereine de« festgebenden Vereins) hatte im Lindensaale eine wirklich schöne Obstausstellung arrangiert. Sinnreiche schöne Ehrengaben lohnten die Aussteller für ihre Mühe. Die Auistellung bot gleichzeitig ein Bild, daß der Obstbau im Bezirk auf hoher Stufe steht, obgleich noch manche« zu verbessern ist. Mittag» war ein Festzug. E» gefielen besonders die Gruppen: Frühlingswagen, Erntewagen, Winzer, Jagdwagen, der Wagen der Krieger, der Turner und Gänger, der Wagen der Brauer und die heiteren Zecher. Nach einer Begrüßungsansprache des OrtSvorstande« fand sodann auf dem Feflplatz ein Erntedankfest (Tanz­ausführung von zirka 100 Mitwirkenden) statt. E« war arrangiert von Malermeister Henninger und Frau in Stuttgart, von dem auch die Fest­zugsgruppen stammten. Anschließend daran fand die Verteilung der Preise für Obst und land­wirtschaftliche Produkte und für die Festwagen statt. Starker Regen brachte dann das Fest zu raschem Abschluß.

Gmünd 19. Sept. Ein armseliger Leichen zug setzte sich gestern vormittag 11 Uhr in Bewegung. ES galt eine Verstorbene vom Landesgefängni» GotteSzell zu beerdigen. Voll Tragik war da« Leben und Ende der Frau, die da zu Grabe getragen wurde, nur unter Be­gleitung de» entbehrlichen AufsichtkpersonalS und de« Avstalt«geistliche» Pfarrer Kirchner. Die Frau war in Schulden geraten, die Pfändungen zeigten sich zuletzt erfolglos und so mußte sie den Offenbarungseid leisten, bei welchem sie ver­schwieg, daß sie noch etwa» auf der Seite hatte. Die Folge war Anklage wegen wissentlichen Mein­eid» und da» Ende ein Jahr Zuchthaus. Sie hatte an dieser Strafe einige Monate verbüßt, als sie von einer heftigen Krankheit erfaßt, ihr Leben in GotteSzell beschließen mußte. Sie hat tatsächlich lebenslänglich gebüßt. Eine Tochter war »och am Todestag bei ihr zu Besuch ; eine halbe Stunde nach deren Abreise war die Frau eine Leiche. Eine erschütternde Fam'lientragödie liegt in diesem Zusammenhang; ein ganze« Buch mit wenigen Zeile«.

Schömberg, 22. Sept. Zu der Auf­findung eine» Sarges wird mitgeteilt, daß e» sich bei dem darin Vorgefundenen Skelett um da» einer Frauensperson handelt. Ueber den Fund

sind verschiedene «»kontrollierbare Gerüchte im Umlauf. Die Vermutung, daß ein Verbrechen vorliegt, gewinnt jedoch immer mehr an Wahr­scheinlichkeit.

Von der oberen Donau 21. Sept. I» dem Beuroner K loster wurden dieser Tage zu dem al« kaiserliche Stiftung übergebenen mächtigen Kreuzbild Gedenktafeln gemacht, die die Stiftung und den Dank dafür allen Besuchern kundtun. Der mit Fresken geschmückten Seiten­fläche des Vorhof» der Klosterkirche wurde durch Uebertünchuvg ein dem Denkmal entsprechender Hintergrund gegeben; zu beiden Seiten wurden buntfarbige Syenitplatten eingelassen. In kirch­licher Schrift ist auf der einen folgender Eintrag zu lesen:Am 27. Jänner g. ä. 1910 schenkte S. M. Kaiser Wilhelm II. dem Gotteshause Beuron ein hehres Kreuzbild. Gott der Herr lohne de» kaiserlichen Donatormit immerwährender Wolhsahrt" Auf der gegenseitigen Tafel sind aus dem kaiserlichen Hand- und Begleitschreiben die Worte ausgezeichnet:Möge das Kreuz in Ihrer Erzabtei reichen Segen stiften und allen Gläubigen, die vor ihm in Demut die Knie beugen, Kraft und Trost aus der Höhe spenden." Die wirkungsvolle Gruppe wurde noch durch große Lorbeerbäume geschmückt. Während der Manöver de» bad. Armeekorps war der sonst wenig belebte Klosterort wiederholt das Haupt­quartier des komm. Generals v. Huene-Hoin- ingen. Der Erzabt hat auf Einladung de» General« den Manövern beigewohnt in Be­gleitung einiger Patres, denen ein Automobil und ein Offizier zur erklärenden Orientierung beigegeben wurden.

Karlsruhe, 22. Sept. JnderAdresse der Zweiten Kammer, die da» Präsidium dem Großherzogspaare überreichte, wird auSge- führt, daß die badische Heimat in der Reihe der deutschen Bundesstaaten sich eine hochgeachtete Stellung errungen habe, die das badische Volk mit Stolz, die Welt mit mit Achtung und An­erkennung erfülle. Im verständnisvollen und entgegenkommenden Zusammenwirken von Re­gierung und Lant ständen seien bedeutsame Wer­ke der Gesetzgebung und Verwaltung geschaffen worden. Anknüpfend an die Worte de« ver­storbenen Großherzogs:Ich kann nicht finde», daß ein Gegensatz besteht zwischen Fürstenrecht und Volksrecht, ich will nicht trennen, was zu­sammengehört und sich wechselseitig ergänzt: Fürst und Volk unauflöslich geeint unter dem gemein­samen schützenden Wirken einer in Wort und Tat geheiligten Verfassung", betont die Adresse, daß Großherzog Friedrich II getreu dem Vorbilde seine» hochseligm Vaters die Herrscherpflichte« erfülle. Die Adresse gedenkt sodann, der Tätig­keit der Großherzogin im Dienste der Wohltätig­keit und schließt mit innigen Glück- und Segens­wünschen, sowie mit dem Gelöbnis unentwegter Treue zum geliebten Fürstenhause. Der Groß­herzog dankte in seinem und der Großherzogin Namen für die Glück- und Segenswünsche. Der erwähnte Ausspruch de« verewigten Großherzogs diente auch ihm zur Richtschnur. Der Groß­herzog gab, laut Bad. Landerzeitung, der Hoff­nung Ausdruck, daß auch fernerhin Krone und Landstände sich in gedeihlicher Arbeit zusammen­finden werden, zum Wöhle der badischen Heimat.

Augsburg, 21. Sept. Wie schon kurz berichtet, brannte heute früh 2 Uhr die große Konzerthalle im Stadtgarten bi» auf de» Grund nieder. Da« gesamte Wirtschafis- inventar wurde ein Raub der Flammen. Gestern abend noch hatte das städtische Theaterorchester in der Halle ein Konzert gegeben, die Mitglieder de« Orchesters hatten zum großen Teil ihre Instrumente zurückgelassen, darunter wertvolle Stücke, die jetzt vernichtet sind. Der Schaden ist ein beträchtlicher. Die Entstehn« gSursache des Brandes ist noch unbekannt.

Leipzig 22. Sept. Das Reichsgericht hat die Revision des Mechaniker« Oskar Lange verworfen, der vom Landgericht Stuttgart am 1. März wegen Beleidigung und versuchter Nötigung de« Grafen Zeppelin zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt worden war. Er hatte behauptet, Graf Zeppeln habe ihm seine Er­findung gestohlen.

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