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Straßburg 21. Sept. Wegen der Fleischnot faßte der Gemeinderat heute nach den Vorschläge» seiner 4 Hauptkommissionen den Beschluß, sich an die Landesregierung zu wenden, daß diese beim Bunderrat zur Ergreifung von Maßnahmen zur Behebung dieses Notstände» vorstellig warnt. Man denkt dabei an die Oeff- nung der Grenzen vor allem gegen Frankreich hin und die Verkürzung der zehntägigen Quar­antäne gegen Dänemark mit Impfung des ein­zuführenden Vieh« und an eine Ermäßigung der Viehtransportgebühren auf den Bahnen sowie an die Einführung von argentinischem Fleisch. Der Bürgermeister bemerkte dabei, daß man im übrigen auch mit der Regierung eines Sinnes sei in Bezug auf die Hebung de« elsaß lothrin­gischen Viehstandes.

Berlin 21. Sept. Wie derLokalanz." meldet, hat Kaiser Wilhelm seine Jagd- trophäeu au« Bellye nach Wien mitgebracht. Sie wurde» im Schloß Schönbrunn aufgestellt, wo sie Kaiser Wilhelm dem Kaiser Franz Josef nach dem Frühstück zeigte. ES sind Geweihe von 9 Kapitalhirschen, unter denen sich einZwanzig- ender befindet. Kaiser Wilhelms Jagdbeute erregte unter den vielen anwesenden Jägern großes Interesse.

London 20. Sept. Die Vernehmungen in der Anklagesache gegen Leutnant Helm wurden heute vor dem Polizeigericht in Fareham fort­gesetzt. Ein früherer Hauptmann, der in London vierzehn Tage mit Leutnant Helm in einem Boardinghouse gewohnt hat, bezeugt, daß Leut­nant Helm offen gesagt habe, er sei deutscher Offizier, und die Absicht geäußert habe, Chatham, Aldershot und Portsmouth zu besuchen. Der Zeuge hält ihn einfach für einen schneidigen Offizier. Haupimann Martelli, der Helm ver­haftet hat, gab zu, daß alle beschlagnahmten Skizzen mit Ausnahme einer einzigen von Punkten ausgenommen werde» können, zu denen da« Publikum Zutritt hat. Hauptmann Vyse dagegen erklärte, die Skizzen Helms enthielten Mitteilungen von der größten Wichtigkeit, die für eine England feindlich gesinnte Macht sehr brauch­bar sein würden. Der Gerichtshof entschied hier­auf, daß hinreichend Verdachtsgründe gegen Leut­nant Helm vorgebracht seien, um die Fortsetzung des Verfahrens zu rechtfertigen. Der Fall wurde dann auf 28. September vertagt, ein Gesuch auf Haftentlassung abgelehnt.

London, 21. Sept. (Zur Spiouage- affaire.) Den Beschluß, den der Gerichtshof gestern nachmittag nachdem er sich nach der Rede des Verteidigers zur Beratung zurückgezogen hatte, in der Anklagesache gegen Leutnant Helm verkündete, lautete dahin, daß ein Vergehe», aber kein Verbrechen vorliege.

Kaiser Wilhelm in Wien.

Wien 21. Sept. Auf die Begrüßungs­ansprache de« Bürgermeister« erwiderte Kaiser Wilhelm: Empfangen Sie meinen herzlichsten Dank für de« großartigen Empfang, den Sie mir soeben bereitet haben und für die freund­lichen WillkommenSgrfinnungen, die aus den Worten des Herrn Bürgermeisters sprachen. Der Herr Bürgermeister hat soeben mir mitgeteilt, daß die Stadtvertretung der Residenzstadt Seiner Majestät einstimmig den Beschluß gefaßt habe, einenTeil deSRinge«, den Parkring, nach mir zu benennen. (Heilrufe.) Es ist die« eine

ganz außergewöhnliche Ehrung für einen fremden Monarchen und ich bin auf das Tiefste ergriffen, daß die Vertretung der Stadt Wien mich für würdig gehalten hat, in de« Mauer» ihrer schönen Stadt auch meinen Namen zu verewigen. Wenn ich dkn Sinn dieser außergewöhnlichen Huldigung richtig zu deuten verstehe, so lese ich einerseits daraus, daß sie ein Ausdruck sein soll der Freundschaft und der innigen Gefühle der Sympathie, die zwischen der Bürgerschaft der Stadt Wien und mir nun seit langem bestehen, (Neuerliche Heilrufe), die sich überall kundgibt in dem freundlichen Gruße, wenn ich durch die Straßen fahre, und in den blitzenden und freund­lichen Augen der schönen Wienerinnen. ES sind das Dinge, die ein Menschenherz bewegen und fesseln. Zum anderen glaube ich aus Ihrem Beschluß herauszulesen, daß er da« Einverständ­nis der Stadt Wien damit war, daß in ernster Zeit der Bundesgenosse in schimmern­der Wehr an die Seite Ihre» aller­gnädigsten Herrn sich gestellt hat. (Anhaltende brausende Heilrufe.) E» war die« ein Gebot der Pflicht und der Freundschaft zu­gleich, denn da« Bündni» ist zum Heil der Welt in die Ueberzeugung und in das Leben der beiden Völker als ein Jmponderabile über­gegangen. (Stürmische Heilrufe.) Ich bitte Sie also, die Vermittler meine« herzlichsten Danke« zu sein für diese außergewöhnliche Ehre an alle Mitbürger und Mitbürgerinnen. Aber die höchste Weihe wird diesem Beschluß dadurch erteilt, daß er gefaßt werden konnte in dem 80. Geburtsjahr Ihres Erlauchten Landesherrn. Dadurch wird für mich die Erinnerung noch inniger und schöner (Heilrufc), eines Landesherr«, den Sie in Treue und Liebe verehren, zu dem mein Volk in inniger und warmer Verehrung herüber­schaut und zu dem ich al« zu meinem väterlichen Freund emporblicke in Ehrfurcht (Stürmische Heilrufe), al« zu dem Symbol der personifizierten Selbstverleugnung und Pflichterfüllung. Darum reiht sich meinem Dank an die Stadt Wien zu gleicher Zeit auch der Wunsch an, daß es dem Herrn gefallen möge, daß er Ihren heißgeliebten nnd hochverehrten Landesherrn noch lange erhalte, (Begeisterte Zustimmung) damit unter seiner gesegneten Hand die Stadt sich weiter im Frieden entwickeln möge und daß er Ihnen noch länger vergönnt sei, Ihre Huldigung in Treue und Liebe ihm darbringen zu können. Allen Gefühlen, die mein Herz be­wegen und die auch die Ihren durchfluten, bitte ich Sie Ausdruck zu geben, indem Sie mit mir einstimmen in den Ruf, daß der edle LandeSvater, der vielgeliebte Kaiser und König, der Herr dieser schönen Kaiserstadt, Gottes Segen noch lange auf fein Haupt herabfließen sehen möge, daß er und fein Haus und sein Land in Gotte« Hand, in Gottes Schutz gestellt bleiben: Seine Majestät der Kaiser und König Hurra! Hurra! Hurra!"

Die Versammlung stimmte begeistert in den Ruf ein und brachte brausende, minutenlang an­dauernde Hochs und Hurrarufe auf den deutschen Kaiser aus; die Begeisterung war überaus groß. Der deutsche Kaiser reichte dem Bürgermeister die Hand, der dem Kaiser die Vizebürgermeifter und das Präsidium de» Grmeinderat» vorstellte. Der Kaiser zog jeden Einzelnen der vorgestellten Herren in» Gespräch. Gegenüber der Estrade war eine Laube errichtet, in der ein Kellermeister mit zwei Küfern in altdeutscher Tracht Aufstellung genommen hatte. In einem goldenen Prunk­becher reichte der Kellermeister dem Kaiser den

Ehrentrunk. Dieser nahm de» Pokal ent­gegen mit einigen Worten des Danke« und leerte ihn bis zur Neige. Unter abermalige« Hochrufen begab sich Kaiser Wilhelm, begleitet von den vorgestellten Herren, an der Seite de« Bürger­meisters durch dje Sitzungssäle de« Stadtrats und des Magistrat« und durch das Büro des Magistratsdirektors in den GemeinderatSsitzung«- saal und durch diesen in die Waffenabteilung der städtischen Sammlungen, wo da« von Professor Franz Matsch gemalte Bild besichtigt wurde. Der Kaiser verweilte einige Minuten in der Betrachtung de« Gemälde« und äußerte wieder­holt seine außerordentliche Befriedigung über die treffende Aehnlichkeit de« Porträt« und die künst­lerische Ausführung und gab auch wiederholt Professor Matsch gegenüber, der Erklärungen gab, seinem Dank und seiner vollsten Anerkennung über da« ausgezeichnete Bild Ausdruck. Nachdem der Kaiser die Waffensammlungen durchschritten hatte, trug er auf die Bitte de» Bürgermeister» seinen Namen ins Gedenkbuch. Der Kaiser ging nunmehr über die Feststiege, begleitet von dem Gemeindepräsidium und der Suite zum Par­terre. Die im Arkadenhofe aufgestellte MagistratS- dienerkaprlle spielte die deutsche Hymne. Vor dem Verlassen de» Rathause« wurde eine photo­graphische Aufnahme de« Kaiser», umgebe» von dem Bürgermeister und dem Gemeinderats­präsidium gemacht. Die Menge vor dem Rat­hause und in den Straßen bereitete dem Kaiser stürmische Ovationen. Das Wetter ist trübe.

Wien 21. Sept. Die Rede, welche Kaiser Wilhelm im Rathause hielt, hat überall stärksten Eindruck und freudigste Bewegung her- vorgerusen. Zum Vizebürgermeister Hierhammer sagte Kaiser Wilhelm:So oft ich nach Wien komme, sehe ich sehr viel Neue«. Die Stadt entwickelt sich immer großartiger. Hat man bei der Bautätigkeit auch unter Streik« zu leiden?" Der Vizebürgermeister konnte mitteile», daß die« nur selten der Fall sei. Zum Vizebürgermeifter Porz er äußerte der Kaiser sich anerkennend über die Begrüßung und sagte:Ich werde hier überall so liebenswürdig empfangen, daß ich noch ein eitler Mensch werde."

Wien 21. Sept. Da»Neue Wiener Abendblatt" schreibt: Die Worte, die Kaiser Wilhelm heute im Rathaus der Haupt- und Residenzstadt gesprochen, würden ihm die Herzen aller Wiener erobern, wenn er sie nicht schon besäße, und sie werden weit hinaustönen nach ganz Oesterreich und ins Ausland. Die stür­mischen Heilrufe, die ihm dankten, werden ein brausendes Echo finden. Diese Rede Kaiser Wilhelms sollte in goldenen Lettern im Wiener Rathaus verewigt werden. DieNeue Freie Preffe" schreibt: Die Rede des deutschen Kaiser« hat eine ganz neue Allianz geschaffen, nämlich die persönliche Allianz zwischen dem deutschen Kaiser und den Wiener», denn in der Rede de« deutschen Kaiser« haben die Bürger der Stadt Wien ihre eigene Stimmung wiedergefunden. Kaiser Wilhelm hat es verstanden, den Ton an­zuschlagen, der dem österreichischen Gefühl am besten entspricht. Kaiser Wilhelm hat da« große Verdienst, die deutsch österreichische Allianz durch seine heutige Rede noch volkstümlicher gemacht zn haben. Er hat gesprochen wie einer, der die Wiener versteht, und den Sympathie und Freund­schaft so häufig nach Oesterreich-Ungarn und Wien geführt haben. Die Bürgerschaft der Stadt Wien wird stet« der Rede Kaiser Wilhelm« gedenken und ihr mit größter Freude zustimmen.

Amtliche und Privatanzeigen.

SchwarzwalSverein Lalw.

Ausflug

Sonntag, den 25. September, zur Einweihung der Schutz Hütte auf der Teufelsmühle.

Abfahrt: Zug 5.18 nach Calmbach. Marsch übe Eyachmühle zur Teufelsmühle. Ankunft daselbst 11 Uhi Rückmarsch 2'/, Uhr über Dobel nach Rotenbach. Ankuns in Calw 9.10. Marschdauer ca. 8 Stunden.

Rucksackvesper mitnehmen.

Führer Herr Paul Georgii.

Der Ansschutz.

Vretteirberg.

Ein zum Schlachten tauglicher

Farre«

wird am Montag, de« 26. September, mittags '/-2 Uhr, auf dem Rathaus verkauft.

Liebhaber sind eingeladen.

Gemeinderat.

i)1»ersul1z1krsrrt?Mer

ist auk 14 lux« verreist.

eine leichte neue HauS- fabrikation übernehmen will, wende sich sofort an v. liV. Liläedrrwä, Onssel 164. Keine Maschine, bis 5. tägl. Verdienst.