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Unbeteiligte« auch hierüber Zweifel auftauchen mögen, in Wahrheit herrscht sie erst in engen Kreisen. Der Papst und seine servilen Werk­zeuge verfluchen sie, und in der immer stärker anwachsenden Partei der Sozialdemokratie ist brutale Unterdrückung jeder Regung von Selb­ständigkeit au der Tagesordnung.

Wenn ich den Artikel in Nro. 312 mit einem Appell an da« vaterländische Gefühl ge­schloffen habe, so gibt mir eine Bemerkung in Nr. 317 Veranlassung zur Wiederholung. Herr Pfarrer Wagner spricht in seiner Hinweisung auf da« gegenwärtige Verhältnis zwischen Deutsch­land und Frankreich vongewissenlosen Hetzern auf beiden Seiten". Finden sich den« auf deutscher Seite gewissenlose Hetzer! Ist denn nicht die 40jährige Periode, die hinter «n« liegt, eine Geschichte nie ganz zur Ruhe gekommener Herauk- forderunge» auf französischer Seite bi« in die allerletzte Zeit und deutscher Mäßigung, wie nur da» Bewußtsein der Stärke und Ueberlegenheit sie ermöglichte? Man hüte sich, da» eigene Vaterland herunterzusetzen und seinen Ruhm zu schmäler»!

E. Bossert.

Tagesneuigkeiteu.

! Neubulach 18. Sept. Da« dies­jährige Manöver brachte auch für unser Städt­chen und Umgebung Einquartierung. So waren schon da« II. Bataillon 7. württ. Jnf.-Regiment« Nr. 125 unter Major von Haldenwang neben 1 Batterie de« Art.-Regts. Nr. 65 am 10 /11. d«. Mt«, in den Kirchspielsgemeinden von Neu­bulach einquartiert, über den heutigen Sonntag kamen dieselben Truppen mit dem Regimentsstab unter Oberst v. Veycrling. Die schon abends am 16. dr. MtS. eingetroffeve Regimentsmusik empfing mit ihren Weisen die einkehrenden Trup­pen ; nachmittag» spielte die Musik vor dem Quar­tier de» Hrn. Obersten, dem StadtpfarrhauS, und dann später de» HH. Offizieren vor dem Gast­hau» zur Sonne; auch heute war verschiedentlich Konzert. Die Einwohnerschaft gab sich alle Mühe, den Pflichten der Quartiergeber nachzukommen, Offiziere und Mannschaften waren sichtlich be­friedigt, namentlich fand das Lesezimmer auf dem Torturm mit seiner schönen Aussicht allgemein Beachtung und Anerkennung. In aller Frühe werden un« die Truppen morgen verlasse» und wird eine angenehme Erinnerung an das Ma­növer fortdauern.

Stuttgart 19. Sept. Der StaatSanz. schreibt: Da die neuralgischen Schmerzen, von denen der König unlängst befallen wurde, noch nicht ganz gehoben sind, die hiegegen an­gewandte Bäderkur aber guten Erfolg verspricht,

so hat er sich, um diese Kur nicht zu unterbrechen, auf ärztliche« Rat hin veranlaßt gesehen, auf die Teilnahme an den Karlsruher Festlichkeiten zu verzichten. Au» demselben Grunde wird auch wohl der Besuch de» Manöver» unterbleiben müssen.

Stuttgart 19. Sept. Wie der Württ. Automobil- und LuftschiffahrtS-Korrespondenz von von maßgebender Seite mitgeteilt wird, ist die vom Südd. Korrespondenz-Bureau verbreitete Darstellung, als ob die Katastr ophe des 1,2 6 in der Halle zu Baden-Oo» durch eine Ueber- tretung des Rauchverbot» in der Nähe der Hinteren Gondel entstanden sei, völlig unzutreffend. Allerdings ist ei« Zigarren­stummel in der Halle gefunden worden. Dieser Fund ist aber lediglich darauf zurückzuführen, daß »ach der Katastrophe, also zu einer Zeit, zu der da» Luftschiff überhaupt nicht mehr vor­handen war, von einigen Herren in der Halle geraucht wurde. Darauf dürfte die erwähnte Kombination zurückzusühren sein. Auch die Mit­teilung, daß das Personal schon einmal beim Rauchen angetroffen worden sei, entspricht in dem Zusammenhang, in dem sie gemacht wurde, nicht den Tatsachen. Zwar haben die Arbeiter in der nebenbei bemerkt aus Stein und Eisen erbauten Halle, von Zeit zu Zeit geraucht, aber immer nur dann, wenn da» Luftschiff sich nicht in der Halle befand. Selbstverständlich ist von dem Personal niemals geraucht worden, solange da» Luftschiff in der Halle war. Auch die weitere Nachricht, daß dem Luftschiffbau Zeppelin hohe Geldbeträge zum Wiederaufbau de» Luftschiffs von verschiedenen Seiten zur Verfügung gestellt worden seien, ist nicht richtig, wenigstens ist der Luftschiffbau-Zeppelin-Gesell- schaft, die da« doch in erster Linie wissen müßte, von solchen Stiftungen bis heute nichts bekannt geworden. Die Fertigstellung des Luftschiffs Ersatz Deutschland" ist vor Anfang No­vember nicht in Aussicht zu nehme«.

Stuttgart 19. Sept. (Strafkammer.) Durch mutwillige» Ziehe» von Feuermeldern hat der 17jährige Gymnasist Ernst Jauß die Be­rufsfeuerwehr nachts nicht weniger als 6 mal alarmiert. In der Nacht zum 8. April wurde er beim Ziehen an der Technischen Hochschule erwischt. Obgleich ihm für diesen Fall vom Stadtpolizeiamt eine größere Geldbuße auferlegt -Morden war, setzte er sein frivole» Treiben fort. In der Nacht zum 23. April zog er mehrmals den Feuermelder am Stockgebäude. Da» erste mal um 13 Uhr, da» zweite mal »ach 1 Uhr. Er hatte seine Freude an dem nächtlichen AuS- rücken der Feuerwehr. Wege« Sachbeschädigung und Alarmierung der Feuerwehr wurde er vom

Schöffengericht, zu 2, .Wochen Gefängnis und 4 Woche« Haft verurteilt. Gegen da« Urteil legte er Berufung ein. Der Angeklagte ent­schuldigte sein Treiben mit Angetrunkenheit. Er trieb sich ohne Wisse» seiner Mutter nacht» in Wirtschaften herum. Die Strafkammer erkannte wegen Sachbeschädigung nur auf 30 Geld­strafe, beließ es jedoch im übrigen bei der vom Schöffengericht ausgesprochenen Haftstrafe von 4 Wochen.

Stuttgart 19. Sept. Die Elektro­monteurs find in eine Lohnbewegung einge­treten. In einer gestern abgehaltenen Versamm­lung wurde beschlossen das Industriegebiet Stuttgart für Elektromonteure zu sperren. Die Versammlung verpflichtete die ledigen Elektro­monteure und Hilfrmonteure zur sofortigen Ab­reise aus Stuttgart bezw. zur Einreichung der Kündigung und späteren Abreise. Es stellte sich auch eine Anzahl Monteure zur Verfügung, diese Beschlüsse außerhalb Stuttgarts ebenfalls zur Durchführung zu bringen. I» Betracht kommen die Ortschaften Altensteig, Rohrdorf, Calw, Schramberg, Mergelstetten, Eltinge», Eglosheim und Heidenheim, sowie die Ortschaften de» Calwer Bezirk».

Oetisheim OA. Maulbronn 19. Sept. Am Samstag war der Polizeihund Sherlok au» Stuttgart mit seinem Führer hier, um bei der Untersuchung eines schweren Diebstahl«, der in der Nacht zum Freitag im Gasthau» zum Waldhorn verübt wurde, Dienst zu tun. Der Dieb war mittel« eines Nachschlüssels in die Wohnung des DreschmaschinenbefitzerS Scheible eingedrunge» und hat dort dem Sekretär 400 samt der Kassette entnommen. Sherlok nahm Witterung und verfolgte zweimal eifrig dieselbe Spur. Der Gang endete jedesmal in einem Hause der Häfnergaffe, in der Wohnung eine» Arbeiter» des bestohlenen Scheible. Der Hund verbellte den Verdächtigen jedoch nicht. Eine Verhaftung erfolgte, obgleich gewichtige Verdachts- gründe vorliegen, bis jetzt noch nicht.

Großgartach OA. Heilbronn 19. Sept. Zu dem in der Samstagnummer gemeldeten Unfall betreffs Selbstmord einer Fra« durch Ueberfahrenlaffen vom Schnellzug ist noch nachzutragen, daß dies eine in der Irrenanstalt Ludwigsburg untergebrachte und entsprungene, in den 50er Jahre» stehende Frau »amen» Augevstein ist. Ein Sohn von ihr ist in Sins­heim wohnhaft. Anscheinend hat die Fra« sich am Rande de» Bahnkörpers schlafen gelegt und wurde vom Zuge erfaßt. Man schließt die« darau», daß sie sich vorher einiger Kleidungs­stücke entledigte und auch ihre Schuhe auSzog.

Schnaitheim 19. Sept. (Zu der

ihren Kopf an meiner Schulter barg. Es war, als ob sie dieser Berührung mit mir bedürfte, um sich ganz bewußt zu werden, daß sie mich nunmehr wiederhabe.

Endlich vermochte ich den Drang meines Herzen» nicht mehr zu dämmen, und bebend, beinahe atemlos, ganz, ganz leise entquoll e» ihm: Sage einmalLiebster".

Und fast nur gehaucht, aber bekräftigt durch einen Druck ihrer Hand kam e» zurück:Liebster".

Die» Wort von ihren Lippen! Gott im Himmel, war es denn Wirklichkeit? Träumte ich auch nicht? War es denn möglich, daß ich ihr Herz gewonnen hatte? Ich machte mir Vorwürfe, sie in diesem, uns beide überwältigenden Augenblick zu einem Wort verleitet zu haben, da» sie vielleicht später bereute. Ich klagte meine Schwachheit an, mein Herz nicht bis zu unserer Heimkehr zurückgehalten zu haben. Konnte sie bei der hohen gesellschaftlichen Stellung, die sie einnahm, mein Weib werden wollen? Was würde ihre Mutter sage»? Würde sie einwilligen?

In wirrer Folge, wie im Fieber, stieß ich all diese Gedanken und Fragen hervor, und wenn auch stockend und abgebrochen, so doch ohne Widerstreben verscheuchte sie all meine Zweifel.

Besorgt, mich nicht zu verletzen, gestand sie mir in der zartesten Weise, wie allerdings die Ehepläne ihrer Mutter für sie weit hinau» über den Stand eine» Bürgerlichen gingen.

Doch ich habe dich ja nun so lieb, endete sie diese» Geständni», daß meine Mutter, wen» sie hören wird wie du dich für mich aufgeopfert, in allem selbstlo» nur für mich gedacht und gesorgt, ja dein Leben für mich auf» Spiel gesetzt hast, und daß ich dir allein meine Rettung ver­danke ja, wenn meine Mutter da» alle» hören wird, dann bin ich überzeugt, daß sie ihre Einwilligung zu unserer Verheiratung geben wird. Meine Mutter liebt mich zu sehr, um einem Herzenswunsch von mir ent­gegen zu treten.

Da» alle» hatte sie leise, ohne mich dabei anzusehen, gesprochen, bei

ihren letzte» Worten jedoch richtete sie ihren Blick so liebevoll auf mich, daß ich, hingerissen von meine» Gefühlen, plötzlich ihren Kopf in beide Hände nahm und ihre Augen und Lippe» mit Küssen bedeckte.

Sie ließ e» geschehen, doch bat sie mich, es nicht wieder zu tun, bis wir zu Hause wären. Das mußte ich freilich versprechen, aber ich sah ja selbst ein, daß die eigenartigen Umstände, unter denen wir lebte», diese Entsagung erforderten.

Wir saßen nun »och eine Weile, unfern Empfindungen stumm hin­gegeben. Dann brach ich da» Schweigen: Nun, Herzenskind, erzähle, wie e» mit Forrest kam.

Ich fühlte an ihrer Hand den Schauder, der sie durchbebte.

E» ist schrecklich, davon zu sprechen, murmelte sie.

So will ich dich damit nicht quälen, erwiderte ich, ihr sanft de» Kopf streichelnd. Soll ich e» mir von Wetherley erzählen lassen?

Ja, da» ist mir lieber.

Ich trat zu ihm und forderte ihn auf.

Da» war nämlich so, begann er. Ich halt' mich mit Forrest in die Wachen geteilt. Er war von acht bi» zwölf Uhr dran, und ich legte mich auf dem Vorderdeck nieder. Ich dacht', die Dame ist ja unten ganz sicher. Da auf einmal wach' ich auf; '» war mir, als ob '« Schuß ge­fallen wär'. Na, denk ich, willst doch mal seh'n, ob bei der Dame alle» richtig i», den« dem durchtriebenen Schlingel, dem Forrest, i» «ich zu trau'«. Wie ich also da nach hinten komm' und keinen Forrest »ich seh, krieg ich'S mit der Angst und will runter. Da begegne ich da» Fräulein, wie'» gerade rauf kommt. Se halt' 'ne Pistole in der Hand und sagt ganz kalt:Eben drang ein Mann in meine Kabine. Ich fragte, wer er wäre, und was er wollte, und auf seine Antwort habe ich geschaffen. Ich glaube, er ist tot. Bitte, sehen Sie einmal nach. Ich dacht', sie wandte im Schlaf, so kalt und ruhig sprach sie, doch al« ich in ihre Kabine kam, lag richtig Forrest da, mit dem Gesicht auf dem Bode«.

(Fortsetzung folgt.)