AmLr- vnd Anzeigedlatt für den Gberamtsbezir! Calw
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Donnerstag, den 15. September 1910.
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WmWk Nttdaadstag in Kmlmhi.
Auf dem Getsberge bei Weißenburg.
12. September 1910.
Nach mehrtägiger Tagung in Karlsruhe machte der Vorstand und zahlreiche Mitglieder des Alldeutschen Verbandes am 12. September einen Ausflug nach dem Schlachtfelde von Weißenburg. Bei dieser Gelegenheit hielt Generalleutnant z. D. von Wrochem aus Berlin auf der Höhe des Geisberges vom Armeedenkmal eine zündende Ansprache, die wir mit Vergnügen tm Wortlaute wiedergeben:
M. H.l Ich bin stolz und dankbar, daß gerade an mich die Aufforderung erging, heute zu Ihnen zu sprechen, hier auf diesem Geisberge, den es mir vergönnt war, vor vierzig Jahren in den Reihen der Königsgrenadiere im Sturm zu nehmen und so sein erstes Bollwerk dem Feinde zu entreißen. der uns mit zynischer Frechheit den Handschuh hingeworfen hatte. Mit schlagenden Tambours und freudig schlagenden Herzen haben wir unter einem Hagel von Geschossen den Berg erstiegen und durch unser Hurra den Gegner entmannt. 26 Offiziere und 500 Mann meines Regiments bluteten auf diesem Hange. Und als wir am Abend unseren treuen Toten das Ehrengrab schaufelten, da fühlten und wußten wir: Deutsch wird die Erde wieder werden, in die wir so köstlichen Samen bergen für unseres Vaterlandes Ruhm und Größe!
Heilig ist dem Deutschen der Boden, der deutsches Blut getrunken! Doppelt heilig, wenn das vergossene Blut endlich uralte Schmach abgewaschen hat, die aus grauer Vorzeit her den deutschen Namen befleckte! Auf solchem Boden stehen wir heute, meine Herren, hier in dem urdeutschen Reichslande, das einst so heldenhaft gekämpft hat für seine Zugehörigkeit zum Reiche gegen welsche Länder- gier. Von Jahrhundert zu Jahrhundert stehen die Marksteine a r dem Wege, den deutsche Ohnmacht Frankreich zu gehen erlaubte! Im 15 Jahrhundert der Heldenkampf von Metz gegen Karl VII., im 16. Jahrhundert die Besetzung der Bischofstädte Metz, Tüll und Birten durch Heinrich II., im 17. der ruchlose Städtediebstahl Ludwigs XIV., wo auch Kolmars treuzäher Kampf kein deutsches Schwert aus der Scheide lockte, und wo mit Straßburgs Fall der Verlust des Elsaß besiegelt wurde; im 18. endlich die klägliche Verschacherung Lothringens an Frankreich durch Karl VI.! — Jahrhunderte lang begnügte sich Deutschland damit, das Land der Denker und Dichter zu sein; es gab der Welt das Licht der Reformation, „es hat an dem Himmel die Sterne gezählet, hat tief in den Gründen durchforscht den Schacht, hat Steine zu atmendem Leben beseelt, hat Lieder von ewiger Schönheit erdacht" — es schuf Kultur- aber keine Weltgeschichte. Diese wurde auf zerstampften deutschen Fluren von fremden Völkern geschrieben.
Deutschland war ein geographischer Begriff, kein lebendiger Staatsorganismus! Als endlich das politische Fühlen erwachte, machte der lange Kampf zwischen dem Hohenzollern-Aar und dem österreichischen Doppeladler um die Führung in Deutschland jedes geschlossene Auftreten gegen das Ausland unmöglich. Ja, selbst als die deutsche Faust den Thron des großen Korsen in Stücke gehauen hatte, verhinderte die deutsche Uneinigkeit die Rücknahme der alten geraubten Lande — drei Jahrzehnte, die nach Leipzig und Waterloo hinzogen, lagen noch über Deutschland wie ein grauer, wolkenbedeckter Wintertag; sie standen unter dem Fluch des berüchtigten Metternich'schen Wortes: „Es gibt keinen verruchteren Gedanken, als die Deutschen zu einer Nation machen zu wollen!"
Da plötzlich brach der Frühling herein; ein prangender Lenztag mit tausend und abertausend
Keimen, mit Verheißung reicher Frucht! BiSmarck war über die Schwelle geschritten zur Ruhmeshalle feiner Taten! Mck ehernem Klang durchdröhnte die Weltgeschichte der Tritt einer jener seltenen Gestalten, die ein ganzes Zeitalter verkörpern, allein ragend in einsauer Größe! Bismarck verstand des Volkes Sehnen und — Heil unserm Vaterlande — er wurde verstanden von Einem, von seinem Herrn und König! Unser großer König Wilhelm I. wurde der Felsen des Vertrauens, auf dem der Adler Bismarck sicher horsten konnte, unerreicht von der Brandung des Hasses, von der Jntrigue Gift. Und Er, der große Deutsche, von der Natur geformt in einer Stunde höchster Schaffensfreude und Schaffenskraft, riß uns fort vom W.ltbürgertum zu völkischem Fühlen, von dichtendem Träumen zu männlicher Tat, von Feder und Tinte zu Eisen und Blut! Und als die dreiste Herausforderung von Ems, der eitle und sinnlose Schrei nach „Rache für Sadowa" zu uns herüberklang, da waren die Deutschen würdig geworden von einem Wilhelm und Bismarck geführt zu werden! Erstickt war der alte, flucherbliche Hader in Flammen des heiligsten, edelsten Zornes; über das Rheintal nach Frankreich hinein flutete der Deutschen versammelter Strom! Hier bei Weißenburg und bei Wörth schlugen wir die Mainbrücke, und in ungehemmtem Siegeslauf schritt Alldeutschland über Metz und Sedan zur strahlenden Höhe von Versailles, wo Bismarcks Werk sich krönte. Im Spiegelsaal des alten Königsschlosses trat Held Wilhelm an die Sp tze des geeinten Deutschlands und die Geschütze des in unserer Umklammerung erstickenden Paris donnerten ihm den Kaisersalut. Getilgt war endlich die Schmach, die einst der Ueber- mut des Sonnenkönigs über uns gebracht hatte: Elsaß und Lothringen, Straßburg und Metz waren wieder deutsch! I Und sie bleiben deutsch, so lauge es eiu Deutschland gibt; denn noch keine Macht der Erde, kein fremder Bölkerbuud hat jemals die Deutschen besiegt, wenn sie einig waren!
Im Herzen Europas blühte Deutschland, ein neues Weltreich, empor. Geschützt durch unsere mächtige Wehr zu Lande und zu Wasser, haben deutscher Handel und deutsche Industrie den Weltmarkt erooert; ein Aufschwung des nationalen Wohlstandes ohne Gleichen war die Folge. Deshalb haben wir auch so viele Feinde, wie wir Neider zählen! Das kann uns ganz gleichgültig sein! Wir haben es nicht nötig, irgendwie um Liebe zu werben; es genügt uns, daß das Ausland uns fürchte und achtel Diese letztere aber dürfen und müssen wir verlangen; und das sollten sich gewisse Kreise jenseits des Vogesen stets gegenwärtig halten, damit der gallische Hahn nicht zu laut kräht, wenn ihn seine lebhafte Phantasie irgendwo Verbündete sehen läßt, die dumm genug sein könnten, zu dem Versuch, ihm die Kastanien aus der deutschen Glut zu holen. Es könnte ihm sonst wieder einige Federn kosten! Vorgänge, wie im vorigen Sommer, wo unsere reichsländische Regierung hier, auf deutschem Boden, eine Feier zur Ehrung gefallener französischer Soldaten gestattet hatte, und wo der Takt der Veranstalter nicht ausreichte, um politischen Chauvinismus von dieser Feier fern zu halten, der den Kultus der Toten in herausfordernder Weise seinen Zwecken dienstbar machte — solche Vorgänge sind nicht geeignet, das friedliche Zusammengehen zweier Kulturnationen zu fördern! Ob unseres Reichskanzlers ruhig, vornehme Zurückweisung dieser groben Entgleisung seitens unserer Nachbarn genügend gewürdigt worden ist, weiß ich nicht. Der Versuch einer Wiederholung würde eine deutlichere Antwort finden müssen, denn solch frivoles Spielen mit dem Feuer verlangsamt den inneren Angltede- rungsprozeß des Reichslandes an das alte Vaterland. — Daß dieser Prozeß sich langsam vollzieht, erklärt fich durch die Lücke, welche die deutsche Ver
gangenheit dieser Lande aufweist, da sie unsere Fridericianische Zeit, unsere literarische Blüteperiode — Lessing, Schiller, Goethe—, den Zusammenbruch von Jena, die Erhebung von 1813, die Burschenschaft, Bismarcks schöpferisches Eingreifen in die Weltgeschichte, nicht als Deutsche miterlebt und -empfunden haben. Es fehlt ihnen diebegeisternde Ueberlieferung, die den Vaterlandsgedanken lebendig macht. Eine billige Rücksicht hierauf darf aber nicht zur Sentimentalität der reichsländischen Regierungsbehörden führen! Das zögernde, stückweise Abhacken des französischen Schwanzes fördert uns nicht, wird uns nur als Schwäche gedeutet! „Hie Deutschland alle Wege!" ist der Ras, der uns Achtung und, in ihrem Gefolge, Sympathie sichert. Den Wetterlö und Genossen aber sollte man Gelegenheit geben, jenseits unserer Grenzen ihr welsches Wesen auSzu- leben! — Auch mit der Zweisprachigkeit müßte gebrochen werden. Sie ist der Fluch, der das Elsaß seit zweihundert Jahren geistig unfruchtbar gemacht hat, während in derselben Zeit das einsprachige Deutschland, trotz seiner politischen Zerrissenheit, auf allen Geistesgebieten Sterne erster Größe erzeugte! Die französische Sprache dürfte im Lehrplan aller deutschen Schulen nur noch als Wahlfach neben .einer anderen neuen Sprache bestehen bleiben, denn sie hat ihrer Verbreitung nach längst den Anspruch verwirkt, Weltsprache zu sein.
Daß noch im Dezember vorigen Jahres, trotz der Vorgänge im Sommer, ein Bezirkspräsident eine Festrede französisch sprach, ist bedauerlich! Wenn aber die Stadtverwaltung von Metz die deutsche „Reitbahnstraße" umtaufen durfte in eine „Pilatre de Rofier-Straße" — dann steht der deutsche Verstand stille!! Eine „Pilatre de Röster-Straße" in Metz, 39 Jahre nach unseren Siegen von Co- lombey, Mars-la-Tour und St. Privat vor den Toren dieser Festung am 14., 16. und 18. August, wo zwischen Mahd und Mahd unter unseren Kriegern der Tod nur je einen Rasttag gemacht hat!!
-Mit solchen Kunstgriffen machen wir keine
moralischen Eroberungen!!
Meine Herren! Vierzig und mehr Jahre des Friedens — nicht nach ermattender Erschöpfung, sondern nach siegesfroher Machtentfaltung — sind ein Prüfstein für den inneren Gehalt eines Volkes, zumal, wenn in dem Frieden sein Wohlstand in so riesigen Verhältnissen gewachsen ist, wie der unsrige! — Unser Schwert ist noch so scharf, die Faust, es zu führen, noch so nervig wie je! Das haben unsere Kämpfe in Südwestafrika neu bewiesen, wo am Waterberg, in der furchtbaren Durstschlacht von Gr. NabaS usw. unsere tapferen Söhne wahrlich nichts Geringeres leisteten, als wir 1870/71. Jedem äußeren Feinde sehen wir lächelnd entgegen! — Möge uns nie ein zersetzender innerer Feind erstehen, indem Gold uns lieber wird als Eisen!! Noch ist unser deutsches Volk kerngesund. Aber der große Männererzieher, der Krieg, kann noch lange auf sich warten lassen, und deshalb ist es an uns, die wir Väter find, im Frieden für die Zukunft deutsche Männer zu erziehen! Hüten wir unsere Jugend vor dem Materialismus, vor dem Verwechseln von „reich" und „vornehm"; halten wir ihr ein weiches Weltbürgertum fern! Das ist ungermanisch, ein häßlicher Dämmerzustand, der den Willen tötet! — Wir brauchen Charaktere, keine verschwommenen Schablonen! Deshalb wollen wir die Augen unserer Söhne nach Walhall lenken, wollen unsere Helden vor ihnen auserstehen lassen, die Jork, Stein, Bismarck; die Männer alle, trotzig und fest wie die deutsche Eiche, rein und treu wie Gold! An ihnen sollen unsere Söhne in Begeisterung lernen, daß deutsche Helden stets aasrechte Männer waren, die nur vor Gott sich beugten; daß nur der innerlich freie Mann recht dienen kann, der Mann, der nicht