»VMWki,

Amir- und Anzeigeblatt für ben Vberamtrbezirk Lalw.

83 . Zthrg»s-

195

WLM'

DMWs

?MMWNtzS

^ Lj

M«

»qch«iiu«I1tai»r «»»tag, »t,«»taa, «ittwoH, »«»»,»<t«a, 8r«itag «m» »amitag. N»s»»ttoulp»«l« I Psg.»»» z««I«» «tadt «. P,,i»tt»»t«; a»i«r «»»tri»» Psg.

Dienstag, den 23. August 1910

Lizllzlpr.i.d. Gtabt>/^!thrI.m.LrSg»rI.Mk. I.SS. Postbezug»»» f.d. Ort»- u. klachbarortiverk. '/^Lhrl. Mk. l.»o, im Aernverk»?» «l. l^v. Pestellg. t» Württ. »o Pfg., in Pagern u. Reich 4» Pf,

Amrttiche Vekanntniachunge«.

Kekmnltmachullg betreffend Floßsperre.

Die K. Regieruvg des Schwarzwaldkreises hat am 19 August 1910 dem Antrag der Stadt- gemeivde Calw entsprechend wegen vorzunehmender Wasserbauarbeitin bis 31. Oktober 1910 die Floß­sperre auf der Nagold verhängt.

Calw. 22. August 1910.

K. Oberamt.

Amtmann Ripp mann, A V.

Tagesrumigkeiten.

Nagold 22. Aug. In Ebhausen über­raschte ein Schuhmachermeister, als er vom Felde nach Hause kam, im Wohnzimmer einen Dieb, der eben daran war, die zusammengesuchten Sachen einzupacken. Der freche Bursche entfloh durch die Hintere HauStüre und gewann mit seinem wachestehenden Diebsgesellen trotz sofortiger Verfolgung den Ebershardter Wald. Zuvor halten dieselben Diebe in Pfrondorf im Hause des Gipsers Haußer eine Anzahl Schmucksachen und Geld gestohlen. Es dürfte fahrendes Volk sein, das über die Erntezeit die Gegend unsicher macht.

Stuttgart 22. Aug. Für die Errichtung einer Landungsstelle und Hilfsstation für lenkbare Luftschiffe läßt die Stadt gegen­wärtig Voranschläge ausarbeiten; es dürfte sich um einen Aufwand von etwa 2030 000 Mark handeln.

Stuttgart 22. Aug. Der heurige Weinherbst wird, wie von sachverständiger Seite mitgeteilt wird, außerordentlich ungleich ausfallen. Fast eine Fehlernte wird wieder die Taubergegend zu beklagen haben. Seit 1906 reiht sich nun dort Mißjahr an Mißjahr. Mit

mäßigen Erträgnissen werden sich Kocher- und Jagsttal, Zabergäu, Leintal, Albtrauf und Boden­seegegend begnügen müssen; besser steht es im unteren und mittleren Neckartal, wo hauptsächlich Trollinger, Silvaner, Weißer Riesling und Portu­gieser noch einigen Ertrag versprechen. Am reichsten wird wohl die Ernte ausfallen im Stutt­garter Tal, im Neckartal von Cannstatt aufwärts bis Eßlingen und in den unteren Remstalorten. Da nicht mehr viel alter Wein im Lande lagert, erhoffen die Weingärtner in guten Herbstpreisen einen teilweise» Ersatz für den Ertragsausfall.

Stuttgart 22. Aug. Aus dem Lande liegen allenthalben Nachrichten vor über Verhee­rungen, die das Unwetter in der vergangenen Nacht angerichtet hat. Ueberall wurde an den Bäume« Obst heruntergeschlagen, Aeste und Zweige gebrochen. Auch viele Vögel wurden von dem Sturm und Hagelschlag erschlagen, Straßen und Wege sind vielfach stark aufgeriffen und der Boden insbesondere in den Weinbergen wegge­schwemmt worden. Der Niederschlag war ganz ungewöhnlich. In Heilbronn betrug der Nieder­schlag bis heute früh 18,8 Liter auf den Quadrat­meter; dies ist seit dem 6 Juli der stärkste Niederschlag, der an einem einzelnen Tag nieder­ging. In Neckargartach wurde an der chemischen Fabrik ein etwa 25 ein starker Lindenbaum ab­gerissen und die städtische Knabenbadhütte über den Haufen geworfen. Im Bezirk Oehringen hinterließ der Blitz Spuren der Zerstörung; so im südlichen Teil des Bartenstein'schen Schlosse» Psedelbach und im Eschentaler Schulhaus. Zur Schulzeit hätte namenlose« Unglück entstehen können.

Stuttgart 22. Aug. Ein schwerer Unglücks fall ereignete sich heute nachmittag

kurz vor ^3 Uhr in der Schloßstraße. Eine Frau aus Creglingen a. d. T., die, mit 2 Kindern an der Hand vom Königsbau kommend, die Straße überschreiten wollte, wurde von einem sich ihr im Rücken nähernden Straßenbahnwagen er­faßt, zu Boden geworfen und überfahren. Die Frau wollte rasch die Gleise überschreiten, hatte dabei aber nur den ihr entgegenkommenden Wagen bemerkt und offenbar das Läuten de« ihr in den Rücken fahrenden Wagens überhört. Das eine Kind konnte noch rechtzeitig über die Gleise springen, da» andere wurde, ohne Schaden zu nehmen, zur Seite geschleudert. Hilfreiche Passanten zogen die Schwerverletzte unter den Rädern hervor, brachten sie nach dem Hotel Marquardt, von wo au» sie nach Anlegung eine« Notverbandes mittel« Krankenwagens in« Katha­rinenhospital überführt wurde. Die Verletzungen sind ziemlich schwerer Natur; außer tiefen Kopf­wunden find auch Hände und Füße arg mitge­nommen worden. Soweit sich bei der Bewußt­losigkeit der Verunglückten die Personalien feststellen ließen, handelt e« sich um die Ende der 30er Jahre stehend: Frau Pauline Obern- dörfer aus Creglingen. Den Wagenführer soll nach Angabe von Augenzeugen keine Schuld an dem Unglück treffen. Die beiden Kinder, das eine gehört der Verunglückten, da« andere ihrer Schwester, find vorerst bei der Bahnhofs­polizei untergebracht.

Stuttgart 22. Aug. Da« LandeS- schwimmen der Württ. Schwimmvereiue fand gestern im Neckar bei Cannstatt statt. Von 69 gemeldeten Teilnehmern beteiligten sich 55. Es wurde über Strecken von 1000 in, 300 in und 100 in geschwommen. 1. Sieger wurde Otto Vogel, Schwimmverein Heilbronn; 2. Willi Lützow, Schwimmverein Eßlingen; 3. Kurt Klett,

Die Golöinsel.

Seeroman von Clark Russell.

(Fortsetzung)

E» war ein wilder Kontrast zwischen den Vorstellungen, die ich mir nach ihrem Geplauder über ihre luxuriöse Heimat machte, und der uns umgebenden Wirklichkeit. Besonders scharf trat mir dieser entgegen, sobald der widerwärtige Kerl, der Lush, bei uns vorüberpendelte. Er war wirklich wie ein menschlicher Maulesel in seinem ewig mürrischen und tückischen Aussehen, und heute nachmittag schielte er mich noch viel ver­bissener und grimmiger an, als bei irgend einer Gelegenheit vorher. Es mochte wohl sein, daß er auf ein zwischen dem Kapitän und mir ein­getretene» intimeres Verhältnis schloß, weil er mich mit diesem zusammen die Messungen hatte vornehmen sehen, und daß er deshalb den Haß, den er auf den Kapitän hatte, auch auf mich übertrug. So wenigstens dachte ich. Ich konnte ihm ja unrecht tu», aber gleichviel, jedenfalls.flößte mir der Mensch ein instinktive« Unbehagen ein.

Gegen Abend hatte sich Fräulein Temple in die Kajüte zurück­gezogen. Ich schmauchte auf Deck meine Pfeife und betrachtete den wolkenlosen Himmel, den die Schatten der heranziehenden Nacht tiefblau und dunkel färbten. Ein großer Stern zitterte im Osten über dem Rande de« Ozean», während im Westen die Glut des Sonnenuntergang» noch über der See schwebte, in deren wundervolle Glätte die sanfte nordwest­liche Brise matte Silberstreifen zeichnete.

Nicht weit von mir, abgesondert von allen anderen, bemerkte ich Wetherley, mit über der Brust verschränkten Armen auf dem Rahme« der Vorderluke sitzeud. Er paffte nachdenklich au» seiner kurze« Tonpfeife; die Gelegenheit schien mir günstig, wieder ein Gespräch mit ihm anzuknüpfen.

Ich schlenkerte daher auf ihn zu.

Ah, guten Abend, Wetherley, redete ich ihn an, al« ob ich ihn erst eben zufällig bemerkte. Ein schöner Abend, um behaglich seine Pfeife zu rauchen.

Stimmt, erwiderte er aufstehend, und machte einen Kratzfuß. Man muß die guten Stunden wahrnehme».

Da haben Sie recht. Da» ist alte Seemannsregel, und unser Freund Smallridge meinte das auch immer.

Wenn dies auch nur eine Redensart war, so führte sie doch auf den Ostindienfahrer und damit zu dem, was ich zunächst mit ihm reden wollte. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte, wie ich mit Fräulein Temple auf da» Wrack gekommen, was wir dort alles erlebt und wie wir nun fortwährend mit Ungeduld nach der Gräfin Jda oder einem andern Schiff ausschautev, da« uns heimwärts bringen könnte.

Ja, da werden Sie vielleicht noch lange Geduld haben müssen, meinte er. Da» i» halt, wie's gerade so kommt. Ich bin mal sechs Wochen in ziemlich befahr'nem Wasser gesegelt, ohne von 'nem Segel auch nur so viel wie 'nen Möwenschwanz zu sehen.

Da» wäre aber schrecklich für uns besonders für die junge Dame, die nicht ein Stück Wäsche zum Wechseln hat.

Na, da drum braucht sich die Dame nicht groß zu grämen. Se wird doch wohl nähen können; Nadel und Zwirn kann se von mir kriegen. Und wie viel Leinwand wird se denn brauchen? Ich dächt', 'n Tischtuch de» Schiffers sollt's wohl machen!

Ich mußte lachen in dem Gedanken, wa» mein verwöhnte» Fräulein für ein Gesicht gemacht haben würde, wenn es diese goldene Einfalt ge­hört hätte. Belustigt erwiderte ich: Da» ist eine vortreffliche Idee. Ja, Seeleute find immer praktisch. Uebrigen», denken Sie nur, ich soll auf einmal wieder Seemann spielen Der Kapitän will mich durchaus zum ersten Maat machen. Sie werden mich doch als solchen annehmen?