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Interessenten an. In den letzten Tagen wurde da« Becken, ein Schulterblatt, Teile der Wirbelsäule, natürlich alles in riesige» Dimensionen, bloßgelegt, mit Holzwolle in großen Kisten verpackt und auch die kleinsten Abfälle sorgfältig gesammelt. Heute ist man nun, wie der „Postillon" meldet, auch auf den Kopf gestoßen, der am Montag geborgen werden soll. Man hofft, das ganze Skelett diese« Riesentieres aufzufinden und dementsprechend erfolgen die Grabungen mit großer Sorgfalt und Vorsicht.
Tuttlingen 20. Aug. Da durch das Scharfschießen der badischen Truppen in der Nähe von Neuhausen die Landwirte an den Erntearbeiten erheblich gehindert wurden, hat da» badische Kommando den in Betracht kommenden Gemeinden Soldaten zu diesen Arbeiten in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt.
Ulm 20. Aug. Professor Kimmich hat für die Jahrhundertfeier eine sehr originelle Postkarte geschaffen. Auf ihr sieht man im Hintergrund den unauSgebauten Münsterturm und einige von der Blau unterflossene Graben- Häuschen. Im Vordergrund streicht ein Ulmer Stadtsoldat in bedächtiger Weise ein in bayrischen Farben gehaltener SchilderhäuSchen schwarz-rot an. Darunter steht: Ulm wird württembergisch 1810. Die Karte gefällt allgemein und findet reißenden Absatz.
Ulm 20. Aug. Das Konkursverfahren gegen den Besitzer des hies. Warenhauses H. Tietz u. Co. Nachfolger, Hermann Robert, ist nach rechtskräftig bestätigtem Zwangsvergleich aufgehoben worden. — Die Wacker'sche Löwen- apotheke ist vom bisherigen Besitzer Louis Bader an Apotheker Otto Maurer verkauft worden.
Ulm 20. Aug. Hier trieb sich ein Schwindler herum, der eine Anzahl Familien aufsuchte, während der Mann abwesend war, und der Frau oder dem Dienstmädchen eine Quittung über 2 ^ auShändigte, worauf er sich den Betrag geben ließ. Die Quittung war mit der gefälschten Unterschrift eines hies. Bankiers versehen, der als Schatzmeister eines kaufmännische« Vereins zeichnete. Der Betrüger soll auch in anderen Städten den Schwindel verübt haben.
Brackenheim 20. Aug. Unter der Anteilnahme der Bevölkerung beging das Hart'sche Ehepaar da« seltene Fest der diamantenen Hochzeit im Kreise von 4 Kindern, 25 Enkeln und Urenkeln. Namens des Königs überbrachte vormittag» Stadtpfarrer Dr. Römer herzliche Glückwünsche und ein Geschenk von 100 ^ und im Namen der bürgerlichen Kollegien und der Stadtgemeinde drückte Stadtpfleger a. D. Wendel unter Ueberreichung eines Geldgeschenks von 25 ^ die Segenswünsche der Stadt aus.
Kleingartach OA. Brackenheim, 20. Aug. Im hiesigen Steiubruch der Gebr. Rkimold- Mühlbach waren Palier Artur Ferdinand und Ludwig Rembold auf dem Maschinengerüst im Begriff, einen schweren Stein aufzuziehen, als da« Gerüst in sich zusammenstürzte. Rembold konnte sich noch durch Abspringen retten, Palier Ferdinand jedoch wurde schwer verletzt. Er mußte im Fuhrwerk au» dem Steinbruch geholt werden.
Kirchhausen OA. Heilbronn 20. Aug. In der hiesigen Pfarrkirche drückte ein Dieb eine Fensterscheibe auf der Westseite der Kirche ein, öffnete einen Fensterflügel und nahm durch die Oeffnung seinen Weg ins Innere der Kirche. Hierauf demolierte er mit Brechwerkzeugen die starke Türe de« in die Mauer eingefügten Opferstockes. Die Beute dürfte nicht sehr groß sein. Auffallend ist, daß er die St. AntoniuSopfer- büchse, die er leicht hätte erreiche» können, unberührt lnß. Er scheint durch die Tochter des Mesner», die um */,5 Uhr früh das Gebetläuten besorgt, in seiner unsauberen Arbeit gestört worden zu sein. Leider wurde die Tat, die schon in der Nacht vom Montag auf Dienstag erfolgt sein dürfte, erst heute vom Pfarrer wahrgenommen, sodaß der Kirchendieb Zeit genug zur Flucht gefunden hat.
Reichenbach a. F. 20. Aug. Der schon seit mehreren Jahren in der Fabrik des Kommerzienrats Otto hier angestellte verheiratete Buchhalter Gottlob Schleicher wurde von dem in Ebersbach stationierten Landjäger wegen Unterschlagungen von, wie man hört, über 30 000 ^ fest genommen und ans K. Amtsgericht nach Göppingen eingeliefert.
Gaildorf 21. Aug. Bei der anfangs dieses Monats in Unterrot abgehaltenen Viehschau trat die Vorzüglichkeit des Limpurger Schlags im Gegensatz vor allem zum Simmentaler greifbar hervor. Bei 14 vorgeführtev Kühen bezw. Farren ergab da« Durchschnittsgewicht 1125 Pfd., die Wideristhöhe 132 em, bei Kalbeln 981 Pfd. bezw. 126 cm Wideristhöhe. Tierzuchtinspektor Gutbrod aus Schwein- furt, der im Auftrag der bayrischen StaatS- regierung das Gebiet sämtlicher Gelb- und Rotviehzuchten in Deutschland bereist, um sich von deren Stand zu unterrichten, sprach sich im Hinblick auf diese Vorzüge dahin au«, daß Gaildorf bezüglich feiner Viehzucht bereits auf derselben Höhe stehe, wie sie die Besitzer de« sogenannten Ellinger Viehs in Bayern mit ihren Tieren erreicht haben (die ebenfalls mit Franken gekreuzt werden). Die erzielten günstigen Resultate berechtigen aufs neue zu der Forderung, mehr Pflege und Erhaltung der Landschläge. Sie
schützen vor den dadurch entstehenden Nachteilen, daß anspruchsvolle Viehschläge auf geringen und nicht kalkhaltigen Boden verpflanzt werden. Um diesem vorzubeugen, ist vor allem unser Limpurger Vieh geeignet.
Gschwend OA. Gaildorf 20. Aug. Nach einem kurzen, aber nächtlichen Gewitterregen spannte sich über dem nördlichen Nachthimmel ein mächtiger Mondregenbogen. Die Farben waren zwar wesentlich matter als bei einem Sonnenregenbogen. Doch hob sich die Erscheinung von dem dunkleren Abendhimmel scharf und hell ab, bis sie nach und nach verblaßte.
Friedrichshafen 21. Aug. Die Firma Carbonium G. m. b. H. in Offenbach a. M. beabsichtigt den Wiederaufbau der durch die Explosion am 19. Juli ds. IS. zerstörten Gebäudeteile zum Zweck der Weiterbetriebs der Carbonium-Fabrik auf dem Areal der Luftschiffbau Zeppelin-Gesellschaft. Im Interesse größerer Sicherheit der Anlage ist die Verlegung der Akkumulatoren und der Rußsammler in besondere Gebäude geplant; auch sollen sonstige technische Verbesserungen in der Betriebseinrichtung getroffen werden. Die Ortsbauschau hat sich zum Gesuch dahin geäußert, daß sie über die Ursachen der Explosion uud über dar Ergebnis der bezüglichen Untersuchungen nicht unterrichtet sei und daher den Wiederaufbau der Fabrik auf dem alten Platz nicht befürworten könne, zumal da den hiegegen bereit« erhobenen Einsprachen eine Berechtigung nicht abzusprechen sei. Auf alle Fälle müffe sie sich aus sicherheitSpolizeilichen und ästhetischen Gründen dagegen aussprechen, daß die gefährlichen und unansehnlichen Akkumulatoren und Rußsammlergebäude noch näher an die Straße und die schon bestehenden Gebäude gelegt werden, als die« bisher schon der Fall sei. Der Gemeinderat trat dieser Erklärung der OrtSbauschau bei. Ueber das Gesuch selbst entscheidet die Kreisregirrung in Ulm.
Tettnang 21. Aug. Auf dem hiesigrn Hopfenmarkt waren etwa 40 Hopfenhändler anwesend. In das Geschäft will aber trotzdem noch kein rechtes Leben kommen, da der Handel noch Zurückhaltung übt. Gekauft wird zur Zeit in den unteren Lagen zu 90—100 per Ztr., in den oberen Lagen werden 100—130 bezahlt.
Aus Baden 20. Aug. Die Sektion der Leiche des Bahnwärters Mutter in Warmbach ergab 9 Stiche, außerdem eine Anzahl kleinerer Wunden am Kopf von einem stumpfen Instrument. Einen tödlichen Messerstich hatte Mutter in unmittelbarer Nähe de» Herzens erhalten. Die 22 Jahre alte ledige Tochter Luise
vermag ich nur, wenn ich diesem Manne gefällig bin und mit ihm zusammen arbeite.
Ach so; ich verstehe, nickte sie nachdenklich. Daran hatte ich nicht gedacht. Aber es ist doch ein schrecklicher Gedanke, sich in den Händen eine» Verrückten zu wißen, den man fortwährend beobachten muß, um nicht noch weiter in ganz unabsehbares Unglück zu geraten. Gott, o Gott, wann werden unsere Leiden enden?
Ja, da« weiß Gott allein. Jedenfalls aber werden Sie jetzt einsehe», daß unsere Sicherheit meine ganze Wachsamkeit erfordert, und Sie nicht mehr ärgerlich werden dürfe», wenn ich mich auf seine Bitte hin bereit erkläre, mit ihm die Sonne zu schießen, wie der Seemann sagt.
Sie sprechen gerade so, als ob Sie sich um meine Meinung etwas kümmerten.
Na, ich dächte, Sie verständen es doch recht gut, Ihrer Meinung Geltung zu verschaffen. In der Kraft, Ihrem Willen Nachdruck zu verleihen, haben, glaube ich, Ihre Augen nicht ihresgleichen.
Sie wollen doch nicht etwa mit mir zanken? sagte sie so sanft und mit einem Blick so voller Lieblichkeit, daß ich ganz wirr wurde und mein blutübergofsereS Gesicht der See zuwenden wußte, um nicht erkennen zu lassen, was in mir vorging und wie mein Herz hämmerte. Ich vermochte ihr nur murmelnd zu antworten:
Wenn wir uns zanken, wird es meine Schuld nicht sein.
E» war wieder einmal ein Moment, wo ich unter dem faszinierenden Eindruck ihrer Augen fast die Besinnung verlor. Sehr gelegen kam er mir daher, als jetzt der Kapitän rief:
Herr Dugdale, könnte ich ein Wort mit Ihnen sprechen? und dadurch unser Gespräch abgebrochen wurde.
Mit Vergnügen, antwortete ich. Worauf sie sagte:
Ich werde inzwischen in die Kajüte gehen; hier ist es zu heiß. Sie kommen dann hinunter und erzählen mir, was er gewollt hat.
Als ich beim Kapitän anlangte, glaubte ich in seinem Gesicht eine
gewisse Verlegenheit zu erkennen. Ich hatte mir vorgenommen, ihm verstehen zu geben, daß er alles, worin ich ihm willfahren würde, nur als Gefälligkeit oder eine» Ausdruck meiner Dankbarkeit anzusehen hätte. Dies wurde mir auch um so leichter, als er gewissermaßen zaghaft fragte, ob ich wohl mit ihm unsere Breite und Länge bestimmen würde.
Versteht sich, erwiderte ich freundlich. Gern, wenn ich Ihnen damit dienen kann.
Da» schien ihn zu freuen, denn schmunzelnd nickte er: Da will ich gleich die Instrumente holen, und lief hinunter. Im Umsehen war er wieder da. Jeder nahm einen Sextanten und begann seine Arbeit.
Ich fand mich schneller zurecht, als ich gedacht hatte. Die Messung machte mir keinerlei Schwierigkeiten und ich handhabte das Instrument, wie wenn ich es täglich benutzt hätte. Als wir fertig waren, bat er mich, in seine Kajüte zu kommen, um die Lage der Bark auszuarbeiten.
Der Wohnraum war klein, aber hell und freundlich. Seine Ausstattung bestand in einer Hängebettstelle, einem Tisch, auf dem eine halb aufgerollte Karte lag, mehreren Stühlen, einem mit Kiffen belegten Kasten, einem Waschtisch, Chronometer, Kleiderrechen und zwei kleinen an der Wand befestigten Schränkchen, auf denen Bücher und verschiedene kleine Gegenstände lagen. Alles war in peinlichster Ordnung.
Wir setzten uns an den Tisch, wo er mir zunächst den gestrigen Kurs de» Schiffe« zeigte. Dann sagte er: nun wollen wir sehen, ob wir ein gleiches Fazit erhalten.
Keiner von uns sprach mehr ein Wort. Emsig vertieften wir un» in unsere Berechnungen. Ich kam mir vor wie seinerzeit auf dem Kadettenschulschiff. Ab und zu warf ich einmal einen Blick nach dem Kapitän. Sein tief auf da» Papier gebeugtes Gesicht trug einen beinahe schmerzlichen Ausdruck, so, als ob die geistige Anstrengung ihm physische Pein verursachte. Wir wurden fast gleichzeitig fertig. Der Vergleich ergab, daß die Berechnung der Breite auf die Sekunde stimmte, in der Länge aber etwa um sieben Meilen differierte. Wir suchten nach dem Fehler.