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gestern einem 5—6 Jahre alten Knaben von einem etwa 35 Jahre alten, unerkannt entkommene» Man» Lysol beigebracht. Spaziergänger vom Bahnhof Grunewald in der Richtung nach Schildhorn fanden im Gebüsche da« hilferufende Kind. ES gelang ihnen nicht, den davon eilenden Täter festzunehmen. Bald nach seiner Einlieferung in das Grunewald-Sanatorium starb der Knabe. Ob ein Sittlichkeitsverbreche» vorliegt, ist noch nicht mit voller Sicherheit zu entscheiden, dürfte aber nach dem ärztlichen Befund wenig wahrscheinlich sein. Möglicherweise handelt e» sich um den Mord eines Vaters an seinem Sohne, dem der Selbstmord des Täters Nachfolgen sollte.
Wilhelmshöhe 17.Aug. Der Kaiser ist um 7.50 Uhr hier wieder eingetrvffen. Reichskanzler von Bethmann-Hollweg und Staatssekretär der Auswärtigen v. Kiderlen- Wächter sind hier eingetrvffen.
Frankfurt a. M. 17>Aug. Der Postillon Roland von Forbach unterschlug heute vormittag auf der Fahrt Frankfurt—Forbach aus dem Wertgelaß des Postwagen» zwei Wertsäcke, enthaltend 80 000 ^ Bargeld. Roland, der das Wertgelaß anscheinend mit einem zweiten Schlüssel öffnete, hat, um den Verdacht abzu- levken, den Boden der Wertgelasses zertrümmert, wodurch der Anschein erweckt wurde, als ob durch den zerbrochenen Boden die Wertsäcke während der Fahrt verloren gegangen seien. Roland hat einen Beutel in einen Korb verpackt, fingierte eine Adresse bahnlagernd Neuvkirchev und übergab das Paket einem hiesigen Spediteur zur dringenden Besorgung. Letzterer schöpfte Verdacht und erstattete Anzeige. Der gesamte Betrag von 80 000 wurde in dem Korb gefunden. Der Täter ist verhaftet.
Brüssel 17. Aug. König Albert ist heute nachmittag aus Tirol angekommen und hat sofort die Brandstätte der Ausstellung eingehend besichtigt. Das Exekutivkomitee hat heute vormittag endgültig beschlossen, die belgische Abteilung wiederherzustellen und die Trümmerhaufen am Haupteingang durch eine künstlerisch ausgestattete Wand zu verdecken. Die Arbeiten sollen in 14 Tagen beendet sein.
Wien 17. Aug. Die goldumrandete Festnumwer der „W iener Abendpost" bringt zu dem morgigen Geburtsfest de» Kaisers einen Leitartikel, worin es heißt: In Kaiser Franz Josef verlebendigt sich die ganze »euere Geschichte der habkburgischen Monarchie, ja, sein Dasein umspannt die moderne Entwicklung des ganzen Kontinents. Darum ist der Kaiser für da« politische Bewußtsein Europas heute zur repräsentativste» historischen Gestalt geworden.
Das Oesterreich Ungarn von heute ist de« Monarchen persönlichstes Werk. Seine unermüdliche Sorge hat die Wehrkraft der Monarchie so sehr vervollkommnet, daß sie das volle Vertraue« unserer Bürger und hohes Ansehen im Ausland genießt und das tauglichste Werkzeug jener Friedenspolitik wurde, deren allverehrter Schirmherr Kaiser Franz Josef ist.
Ischl 17. Aug. AuS Anlaß des morgigen 80. Geburtstage» Kaiser Franz Josefs ist Ischl reich beflaggt und prachtvoll dekoriert. Vormittags wurde auf dem Elferkogel da» von einem Lokalkomitee errichtete Kaiser Franz Josef-Kreuz feierlich eingeweiht. In allen Straßen herrscht große Bewegung. Jeder Zug bringt neue Gäste. Im Laufe de« Tages sind zahlreiche Mitglieder der Kaiser!. Familie hier eingetroffen.
Innsbruck 17. Aug. In der Nähe des Berges Jsel wurde dieLeiche eines aus Odessa stammenden Reisenden namens Feuerstein auf- gesunden. Ein Unteroffizier vom vierten Kaiser- jägerregiment ist unter dem Verdachte, Feuerstein ermordet und beraubt zu haben, verhaftet worden.
London 17. Aug. Der Aviatiker Noisant, der heute vormittag in Paris mit dem Aeroplan aufgestiegen ist, hat Dover erreicht und fliegt längs der Bahn nach London weiter.
Gibraltar 17. Aug. Ucber denUnter- gang de« spanischen Dampfers „MartoS" wird roch gemeldet: Der Dampfer fuhr wegen dichten Nebels mit verminderter Geschwindigkeit und gab Nebelsignalk, als er dicht beim Maschinenraum vom Dampfer „Elsa" getroffen wurde. Der „Marios" war sofort voll Wasser und sank nach Verlauf von drei Minuten. Unter den Passagieren, die zum größten Teil schliefen, entstand eine Panik. Die Boote der „Elsa" waren beim Rettungtwerk unermüdlich tätig.
Gibraltar 17. Aug. Von den Kojüt- passagiere» des untergegangenen Dampfers „MartoS" ist nur einer gerettet worden. Von den geretteten Zwischendeckpafsagierev sind vier verletzt. Der 70jährige Kapitän des „MartoS" ist, auf der Kommandobrücke stehend, mit seinem Schiff untergegangen.
Berichtes.
Badener Passagierfahrte» mit 1-2 6. In den nächsten Tagen wird, nach dem „Schwäb. Merk." 1-26 in Baden-Baden erwartet. Die Fahrt nach Baden soll wieder durch» Rheintal gehen. Von Baden aus sollen vorwiegend kleinere Fahrten von 1—Mündiger Dauer veranstaltet werden, die über die nähere Umgebung de»
schönen OoStale» gehen. Längere Fahrten da» Rheintal auf und ab, nach Straßburg, Freiburg, Karlsruhe und vielleicht auch nach Stuttgart, sollen bei geeigneten Wetterverhältnifse« unternommen werden, wie auch unter günstigen Umständen noch weitere Fernfahrten beabsichtigt sind. Der Preis der Fahrten wird je nach der Länge 100, 150, 200 ^ und mehr bettagen. Die Teilnahme an der Fahrt erfolgt unter alleiniger Verantwortung des Teilnehmenden. Die Deutsche LuftschiffahrtSaktiengesellschaft erklärt ausdrücklich, daß sie nicht verantwortlich ist für die Folgen von Ereignissen höherer Gewalt oder sonstiger Zwischenfälle. 1-2 6 mißt jetzt 144 in in der Länge bei einem Durchmesser von 13 in, und hat rund 16000 edw Inhalt. Es hat 3 Motoren, von denen einer, ein Maybachmotor von 140 Pferdestärken, in der vorderen Gondel und die übrigen, 2 Daimlermotoren zu je 115 Pferdestärken, in der Hinteren Gondel sich befinden. Die Tragkraft des Luftschiffs ist nicht so groß wie die des 19000 edm fastende« Luftschiffes „Deutschland". ES kann außer 9 bis 10 Mann Besatzung etwa 10—12 Pastagiere in der Pastagierkabine aufnehme». Diese Kabine ist ein leichtes aber festes Aluminiumgerüst, da» mit Stoff bekleidet ist. Hübsche Rohrsestel biete«, wie seinerzeit in der „Deutschland", eine leichte bequeme Sitzgelegenheit an den sehr weite« Fensteröffnungen. 1-2 6 ist nicht von vornherein al» Pastagierlustschiff erbaut worden und bietet deshalb auch nicht den Komfort, den die „Deutschland aufwies. Es ist dafür aber mit seinen 370 Pferdestärken bei geringerem Querschnitt und geringerem Kubikinhalt da» in Bezug auf Maschinenkräfte stärkste Luftschiff, da» au» der Werft in Friedrichshafen hervorging, und demzufolge auch dar schnellste Schiff. ES gewährt infolgedessen auch die größte Flugsicherheit bei ungünstigen Wind- und Wetterverhältviffen. E» kann mit seiner Geschwindigkeit von 60 lrin in der Stunde selbst gegen sehr frische Winde «och auskommen und sich gegen vertikale Luftströmungen, denen die „Deutschland" bekanntlich zum Opfer fiel, noch ungleichlich bester behaupten.
Zur Getreideernte. FolgendeMah- nung richtet da« „landwirtschaftliche Genosten- schaftSblatt" an die Landwirte: „Wir bitten zu beachten, daß da» Getreide feucht gewachsen ist und deshalb einen viel höheren Gehalt an Master wie in anderen Jahren besitzt. ES ist dringend notwendig, daß das Getreide wenigsten» vom Feld recht trocken und erst dann «ach Hause gefahren wird, wenn die Körner ganz hart geworden find, andernfalls wird da» Getreide unverkäuflich bleiben".
so viel gelernt, dcß ich auf jedim beliebigen Fahrzeug als Vollmatrose hätte dienen können. Was meinen Sie denn nicht mehr zu misten? wandte er sich freundlich an mich.
Ach viel, sehr viil, Herr Kapitän, antwortete ich lächelnd, obwohl ich zwischen diesen Fragen und den Blicken Fräulein Templcs wie auf Nadeln saß.
Sie könnten doch ein Schiff wenden?
Zur Not wohl. Doch könnte es mir leicht passieren, e« dabei zum Kentern zu bringen.
Er wiegte den Kopf. Na, fuhr er fort, jedenfalls aber vermögen Sie die röt'gen Befehle zum Segelkürzen zu geben und verstehen auch einen Stern zu messen, wie Sie mir sagten.
So? Tat ich da»?
Allerdings taten Sie das, schrie er.
Ich erinnere mich besten nicht, bemerkte Fräulein Temple.
kochte er. Die Dame fürchtet, daß Sie zu viel wissen. Ich beabsichtige keine Beleidigung, aber ein Sprichwort im Vorderkastell sagt: Alle männlichen Affen würden reden, wenn ihre Liebsten ihnen nicht rieten, da» Maul zu halten, damit sie nicht ein» darauf kriegen.
Er lachte au» vollem Herzen, während Fräulein Temple, wie zu Stein verwandelt, ihm einen vernichtenden Blick zusandte.
Ja, manche Malrosensprüche sind wirklich köstlich, fuhr er fort. Doch um bei der Sache zu bleiben — da Sie eine« Stern westen können, werden Sie auch verstehen, die Mittagshöhe festzustellen und daraus die geographische Breite zu bestimme».
Einige Versuche würden mich wohl wieder dahinter kommen lasten.
Gut, dann bin ich auch sicher, daß Sie au» den Monddistanzen die geographische Länge zu finden wissen werden.
Aber ich bitte Sie, was bezwecken all diese Fragen?
Er sah mich fest an und nickte mehrmals stumm mit dem Kopfe, ehe er langsam erwiderte:
Sagten Sie wir nicht, bevor ich Sie an Bord nahm, Sie verstünden die Navigation?
Allerdings. Ich erinnere mich, so etwa» gesagt zu haben.
Nun, und warum wollen Sie mich jetzt glauben machen, daß Sie nicht» davon verstehen?
Da tue ich gar nicht, entgegnete ich gereizt. Ich meine aber, nachdem Sie mich so viel gefragt habe», darf ich nun auch die Frage stellen, weshalb Sie mich derart examinieren?
Da» werden Sie bald erfahren, darüber werde ich sehr bald mit Ihnen sprechen, murmelte er, düster vor sich hinblickend und geheimnisvoll dazu nickend.
Kapitän Braine, brach jetzt Fräulein Temple, ihre Verachtung verpestend, in zitternder Erregung loS, Sie haben uns au» einer furchtbare« Lage befreit und mir versprochen, uns bei erster Gelegenheit auf ein heimwärts segelnde» Schiff zu bringen, fall» wir nicht bald die Gräfin Jda treffen. Daran bitte ich zu denken.
Hobe ich den» mein Versprechen gebrochen? entgegnete er, sich ihr langsam mit großen Augen zuwendend.
Ich kann nur wiederholen, daß jede Summe Geldes, die Sie dafür verlangen-
Bitte Madam, wehrte er in keineswegs unhöflichem Ton ab, ich bat Sie schon einmal, diesen Punkt nicht weiter zu berühren; ich weiß alle», was Sie und Herr Dugdale mir gesagt haben. Um so erstaunter bin ich jetzt, daß dieser auf einmal seine rautischen Kenntnisse ableugnen will, welche zu besitzen er erst heute morgen erklärt hat. Ich hoffe, Herr Dugdale, setzte er mit einem finsteren, fast drohenden Blick hinzu: Sie haben mich nicht getäuscht.
Sie sollen die volle Wahrheit hören, sobald ich weiß, wo Sie mit Ihren Fragen hinaus wollen, erwiderte ich hitzig, vorher aber kein Wort.
(Fortsetzung folgt.)