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Samstag, den 13. August 1910.

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V Bad Liebenzell 12. Aug. Das gestrige Feuerwerk in den König Wilhelms- Anlagen war leider durch die Witterung beein­trächtigt. Da das Wetter am Nachmittag güWg schien, so wurden alle Vorbereitungen auss sorg­fältigste getroffen. Ein Gewitter, das sich vor 6 Uhr zusammenzog, ging grollend vorüber und schon hoffte man, die Veranstaltung programm­mäßig ausführen zu können. Ein zweites Ge­witter arber sandte ausgiebigen Regen, sodaß die zahlreicheü Lampions sehr beschädigt wurden und die Beleuchtung nicht in geplanter Weise vor sich gehen konnte. Das Feuerwerk selbst mußte in rascher Aufeinanderfolge aukgeführt werden, auch Hatzen die Feuerwerkskörper schon durch den Regen gelitten. Es ist dies zu bedauern, da andernfalls die Wirkung weit großartiger ge­wesen wäre. Am nächsten Sonnrag veranstaltet die Kurverwaltung von 4 Uhr ab ein Garten­fest mit Konzert und Tanz in den Kur­anlagen.

v Bad Liebenzell 12 Aug. Auf An­ordnung des Stadtschultheißenamts wurde vom 8. auf 9. ds. Mts. eine amtliche Zählung der zur Zeit hier anwesenden Fremden vor­genommen, welche dis stattliche Zahl von 1085 gegen 935 im Vorjahr ergab. Da Liebeezell nur 1255 Einwohner zählt, so kann man sich ei» Bild mache», wie gut unser Städtchen be­setzt ist.

Stuttgart 12. Aug. Zur Politik der württembergischen Nationalliberalen und zu dem Beschluß des Landesausschusser der Nationalliberalen (Deutschen Partei) Württem­bergs im Hinblick auf die kommenden Reichstags- wählen, wonach das freundnachbarliche Verhältnis zur Fortschrittlichen Volkspartei aufrecht zu er­halten, die Großblockpolitik dagegen abzulehnen sei, schreibt dieKölnische Zeitung": Ob­wohl man unschwer zwischen den Zeilen dieses Beschlusses lesen konnte, daß damit der Anschluß nach rechts abgelehnt wird, wurde trotzdem in Aeußerungen der nicht-nationalliberalen Presse bemängelt, daß eine Absage an die Konservativen oder an den Bund der Landwirte, der ja in Württemberg der beherrschende und ausschlag­gebende Faktor der konservativen Politik ist, in der Erklärung nicht enthalte» sei. Um auch den Schein einer unklaren AuSdruckSweise zu ver­meiden, veröffentlicht nunmehr die parteioffiziöse Korrespondenz der Nationalliberalen, die Württ. Presse-Korrespondenz, eine weitere Erklärung, die in dem Satze gipfelt:Die liberalen Par­teien haben alle Ursache, fich gegen rechts und link« zusammenzuschließen." Damit ist die national­liberale Taktik unzweideutig kundgegeben, die dahin geht, in gemeinsamer Frontstellung mit der Fortschrittlichen VolkSpartei den Wahlkampf einer­seits gegen die Sozialdemokratie, andererseits gegen Konservative und Bund der Landwirte zu führen. E» muß abgewartet werden, ob die Verhandlungen mit der Fortschrittlichen Volks­partei fich zu einem nach diesen Grundsätzen angelegten Feldzugsplan verdichten werden.

Stuttgart 12. Aug. I« einer gestern abend abgehaltenen Versammlung des sozial­demokratischen Vereins wurde ein Reso­

lution angenommen, in der die Versammlung die Zustimmung der badischen sozialdemokratischen Abgeordneten zum Budget und ihre Hofgängerei als einen groben Verstoß gegen die prinzipielle Stellung der Sozialdemokratie zum Klaffenstaat erachtet. Dieser Verstoß gegen die Grundsätze der Sozialdemokratie werde noch verschärft durch die bewußte Nichtachtung der ParteitagSbrschlüsse. Die Versammlung verurteile entschiede« diesen Angriff auf die grundsätzliche und organisatorische Einheit der Partei. Die Versammlung fordere vom Magdeburger Parteitag, daß er der Partei­disziplin, zu der jeder Genosse verpflichtet sei, ohne Rücksicht auf die Person Geltung verschaffe. In einer weiteren Erklärung wurde auch die Stellungnahme derSchwäbischen Tagwacht" zu der Frage der Budgetbewilligung mißbilligt. Darnach scheint also in Württemberg die radi­kalere Berliner-Richtung maßgebend zu sein.

Stuttgart 12. Aug. (Drahtlose Telegraphie bei der Eisenbahn.) Nachdem Vorgang in Nordamerika, wo Funkentelegramme sowohl an die betreffenden Stationen, wie an die in Bewegung befindlichen Züge gesandt werden, soll auch bei den deutschen Eisenbahn­perwaltungen im Interesse der Sicherheit des Betriebs die Errichtung von Stationen für draht­lose Telegraphie in Erwägung gezogen werden.

Stuttgart 12. Aug. (Postpaket- adresseu mit angehängten Zahlkarten.) Die Geschäftswelt wird er mit Freude begrüßen, daß die deutschen Postverwaltungen die Ausgabe von Postpaketadressen mit augehängten Zahlkarten für Nachnahmepakete in Aussicht genommen habe».

Stuttgart 12 Aug. Nach der Ein­führung der neuen Felduniform für Offiziere weicht Württemberg von Preußen nur noch in den Hoheitszeichen ab. Die In­fanterie erhielt graue, rot passepoilierte Feld­röcke, auch die Patten statt bisher blau (Armee­korpsabzeichen) jetzt rot passepoiliert, ohne Spiegel am Kragen; Grenadiere dagegen haben Spiegel mit Litzen aus silbernem matten Gewebe, die auch, wie bisher, auf dem Aermel angebracht find. Mit dem Grenadierabzeichen ist zugleich eine Passepoilieruug der vordersten Aermelkante verbunden. Der schwarze Kragen der Artillerie ist auf einen Pafsepoil zusammengeschrumpft, den auch die Aufschläge nur aufweisen, ebenso beim Pionier, der sich vom Artilleristen nur durch weiße Knöpfe unterscheidet. Train hat am Kragen und Aermel kornblumenblaue PaffepoilS, sonst ist alle» rot wie bei dem Vorgenannten. Ulanen tragen die feldgraue Ulanka nach dem bisherigen Schnitt, rot bezw. gelb passepoiliert. Dragoner bekommen ebenfalls weiße bezw. gelbe Abzeichenfarben und vollständige Rockpafse- poilieruug. Die Kavallerie ist die einzige Waffe, die keinen Umleg- sondern Stehkragen trägt, der wie bisher mit Litzen eckig oben, ohne Litzen gerundet ist. Die Feldmütze, wie früher weich, hat nunmehr einen ledernen Kinnriemsn. Da« dürften, nach der Württ. Kr.-Ztg., die Haupt­merkmale der Neuuniformierung sein neben den bereits bekannte« matten Knöpfen, der grauen Farbe und dem neuen Schnitt (bisher Rock- jetzt Joppenschnitt); die Taschen im vorderen Rock- schoß nicht zu vergessen. Vorläufig wird die neue Uniform nur vereinzelt von Neuernannten

getragen werden, dagegen dürfte sie vom 1. April 1911 ab, mit einigen Einschränkungen, an Stelle der wenig beliebten Litewka häufiger auftreten.

Stuttgart 12. Aug. Heute abend er­eignete sich in der Bahnhofstraße ein Unfall, der leicht größere Folgen hätte nach sich ziehe» können. Ein Wagen der Vorortbahn fuhr auf einen Brotwagen des hiesigen Spar- und Kon­sumverein», der einem andern Fuhrwerk auS- weichen wollte, auf, sodaß die Fensterscheiben des Straßenbahnwagens zertrümmert und der Vorder­perron leicht beschädigt wurde. Personen sind glücklicherweise nicht zu Schaden gekommen.

Stuttgart 12. Aug. (Strafkammer.) In der Karfreitagnacht rempelte der verheiratete Klaviermacher Julius Haas von hier in der Ostendstraße einen auf dem Heimweg begriffenen Mechaniker an. Als fich dieser das brutale Vor­gehen nicht gefallen ließ, sprang ihm Haas nach und versetzte ihm eine« Stich in den Rücken. Die Verletzung war unbedeutend und hatte keine nachteiligen Folgen. Der Gestochene war nur eiuige Tage arbeitsunfähig. Da» Schöffengericht verurteilte den Messerhelden zu 6 Monaten Ge­fängnis und.zur Bezahlung einer Buße an den Verletzten Auf die von dem Angeklagte» ein­gelegte Berufung ermäßigte die Strafkammer die Strafe auf 3 Monate Gefängnis

Stuttgart 12. Aug. (Strafkammer.) Auf unglaubliche Weise wurde ein älterer lediger Konditor von Wolfach von einem früheren Ge­schäftskollegen, dem verheirateten Konditor Emil Bauer von Kirchhausen, um seine gesamten Er­sparnisse betrogen. Bauer log dem leichtgläubi­gen und etwas beschränkten Mann vor, er be­kleide jetzt eine Stelle als Sekretär beim Mini­sterium de« Innern, und versprach ihm eine Stelle beim Zollamt zu verschaffen. Nach einiger Zeit zeigte er dem Mann ein mit Ministerpräsident von Weizsäcker unterzeichneteS Schriftstück vor, in dem stand, er, Bauer, solle dem Bewerber Mit­teilen, daß er seinen Posten antreten könne, einen Gehalt von 180 Mk. bekomme und ihn fragen solle, ob er eine Kaution von 800 Mk. leisten könne. Der Mann gab 800 Mk. her, die Bauer für sich verbrauchte. Kurze Zeit darauf spiegelte Bauer dem Mann vor, er bekomme eine bessere Stelle als Betriebsinspektor, müßte aber noch 700 Mk. Kaution stellen. Auch diese gab der leichtgläubige Mann her und später noch weitere 150 Mk. angeblich für einen Aktenkasten. Al» der Mann seine Ersparnisse geopfert hatte, wollte er bei seinem Bruder Geld entlehnen. Dieser kam gleich hinter den Schwindel und erstattete Anzeige. In diesem Fall spiegelte Bauer seinem Opfer vor, der Landtag habe seine Anstellung als Betriebsinspektor genehmigt. Der Schwindler zeigte seinem Opfer außerdem eine gleichfalls mit Ministerpräsident von Weizsäcker Unterzeichnete Quittung über die angeblich geleisteten Kautionen vor. Als der Man» auf seine Anstellung al« Betriebsinspektor drängte, sagte ihm Bauer, seine Kanzlei sei noch nicht fertig und beschäftigte ihn einstweilen mit Abzeichnen von Eisenbahnkarten. Keinen Erfolg hatte Bauer mit seine» Schwin­deleien bei einem Straßenbahnschaffner. Die erschwindelten 1650 Mk. verbrauchte Bauer in wenigen Monaten. Die Strafkammer verurteilte