161.
Amts- und Anzeigeblatt für den Gberamtrbezirl Calw.
85. IchrznZ.
Donnerstag, Len 14. Juli 1910.
L»ua»pr.i.d. Ltadt Vüithrl.m.rrLserl.Mk. i.»b. Postbezuzip» l. d. Ort«, u. NachbarortSverk. '/^Lhrl. Ml. l.Sv. im Fern»«!«- > Ski. tL0. »estella. in Würtl. »» Pfg.. in Bayern u. Reich IS vss.
Amtliche Bekanntmachungen.
A« die Schuttheitzenämter.
Anlauf von Zuchtsarreu in der Schweiz.
Der X. landwirtschaftliche Gauverband bestehend aus den landwirtschaftlichen Bezirksvereinen Calw, Freudenstadt, Nagold und Neuenbürg, beabsichtigt zur Förderung der Viehzucht in diesem Jahr wieder einen Auflauf vou Originalfimmentaler Farren in der Schweiz zu veranstalten.
Um nun zu wissen, wie viele Tiere aüfgekaust werden sollen, wollen die Herren Ortsvorsteher nach Befrage« der Farreuhalter und der Gemeidelollegieu bis spätestens 25. Juli hieher anzeigen, ob und wieviel Farreu in ihren Gemeinden zum Bezug aus der Schweiz bestellt werden.
Der Gauausschuß hat für die heurige Versteigerung der Farren probeweise folgende Bediug- «ugeu festgelegt:
1. Jeder Besteller hat soviel Tiere als er bestellt, zu ersteigern oder abz-mehmen.
2. Der Gauverband leistet nur insoweit und solange Garantie, als er solche selbst erhält.
3. Es findet nur eine Versteigerung statt.
Steigerungseinheit 5 über 1000 10
4. Die Tiere werden von der Ankaufskommission in der Weise geschätzt, daß die Gesamtschätzungssumme gleich der Gesamtankaufssumme zuzüglich Unkosten ist. Jeder Steigerer hat mindestens den so ermittelten Preis zu bieten und wird unter diesem Preis kein Tier abgegeben.
5. Tiere, welche bei der Versteigerung keinen Käufer finden, werden sofort nach Versteigerung unter die Besteller, die noch kein Tier ersteigert haben, verlost; für die verlosten Tiere ist der ermittelte Schätzungspreis zu entrichten.
6. Ein etwaiger M e h r erlös wird unter sämtliche Abnehmer verteilt.
7. Die Uebergabe an den Käufer erfolgt sofort; im Falle verspäteter Abnahme hat der Käufer
dem Gauverband ein Futiergeld von 2 pro Tag und Kopf zu entrichten.
8. Der Kaufpreis ist nebst 2 ^ Trinkgeld binnen vier Wochen an den X. Gauverband in Nagold zu entrichten.
9. Streitigkeiten werden unter Ausschluß des Rechtsweges von einem Schiedsgericht von 3 Mitgliedern entschieden: jede Partei wählt ein Mitglied, während diese beiden dann den Obmann zu wählen haben.
Bestellungen werden nur unter Anerkennung dieser Bedingungen angenommen.
Der Ankauf wird bei genügender Bestellung — 10 St. — Ende August ds. Js. stattfinden.
Bemerkt wird, daß zur Erwerbung von Original-Simmentaler-Farren Prämien bis zu 1000 gereicht werden können.
Calw, 13. Joli 1910.
K. Oberamt.
Amtmann Ripp mann, A-V.
Tages«erür,reite«.
Stuttgart 13. Juli. Die Zweite Kammer befaßte sich heute mit der Denkschrift über die Fortführung der Steuerreform in Württemberg. Dr. Lindemann (Soz.) erstattete ein fünfviertelstündiges Referat, worauf Finanzminister v. Geßler erklärte, die Regierung erwarte von der heutigen Debatte Richtlinien für die Fortführung der Steuerreform. In der Kommission habe sich eine Steuermüdigkeit gezeigt. Körner (B.K.) versprach sich von einer Aenderung der Ertragssteuern in eine Vermögenssteuer keine Vorteile. Röder (D.P.) bezeichnete die Fortführung der Steuerreform nicht für besonders dringlich. Rembold- Aalen (Z.) legte Wert darauf, daß eine gute, den wirtschaftlichen Verhältnissen möglichst angepaßte Reform gemacht werde. Dr. Rübling
(B.K.) trat für eine Entlastung der Besitzes ein. Alle Redner stimmten auch folgendem Ausschußantrag zu: „Die K. Staatrregierung zu ersuche«, 1) die zur Beurteilung der Wirkungen einer Vermögenssteuer auf die verschiedenen Berufsstände und Gemeinden bereits eingeleiteten Erhebungen fortzusetzen und über das Ergebnis derselben in einer wetteren Denkschrift den Stände» Mitteilung zu mache»; 2) spätestens im I Laufe des Jahres 1911 einen Gesetzentwurf vor- ! zulegen, der eine Erweiterung der Besteuerungs- s rechte der Gemeinden, insbesondere bezüglich der Gemeindeeinkommensteuer, vorsieht." Morgen Fortsetzung, Bauordnung, Beamtengesetz u. a.
Stuttgart. (Eine Stuttgarter Flugwoche.) Wie die Württ. Automobil- und Luft- ? schiffahrttkorrespondenz mitteilt, ist zwischen der ! Stadt Stuttgart und Herrn Alfred Dier- ^ kam «-Stuttgart, als Bevollmächtigten der Gesellschaft Ikaros-Berlin, ein Abkommen getroffen worden, wonach am 26. und 27. September ds. IS. während des Volksfest» aus dem Cann- statter Wasen große Schauflüge veranstaltet werden. Es werden 4 Flugmaschinen nach Stuttgart kommen, darunter ein Wright- Apparat, ein Grade-Apparat, und voraussichtlich auch ein Farman-Apparat. Die Schauflüge, die bei ungünstiger Witterrung an den nächstfolgenden Tagen stattfinden werden, werden auf dem sonst für die Pferderennen während des Volksfestes vorgesehenen Platz, der natürlich weiter eingeschränkt werden muß, veranstaltet. Die Tribünen, die für die erwähnten Rennen errichtet werden, dienen während der Flugveranstaltungen zur Unterbringung der Zuschauer. Die Gesellschaft Ikaros hat bereits eine Reihe wohl gelungener Flugveranstaltungen, so in Hannover, Stettin, Pose» (in den nächsten
Die Goldinsel.
seeroman von Clark Russell.
(Fortsetzung.)
Das verstehst du nicht, meine Teure. Ich bin ein Mann und werde als solcher meine Schuldigkeit tun. Wenn uns diese Schurken angreifen, werde ich kämpfen, wie ich selbstverständlich erwarte — hierbei funkelten seine kleinen giftigen Augen herausfordernd im Kreise herum — daß alle andern Herren es tun werden.
Doch nur, wenn Kapitän Keeling es wünscht, der allein hier zu befehlen hat, fiel Colledge ein, der wie jeder andere den Oberst nicht leiden konnte und die Gelegenheit günstig fand, ihm einen kleinen Hieb zu versetzen. Dem Kapitän stelle ich mich jederzeit zur Verfügung.
Ach Gott, ach Gott, wimmerte Frau Hudson. Wa» wird aus uns, wenn das Schiff genommen wird? Ich habe so schreckliche Geschichten von Piraten gelesen? diese Barbaren schonen ja kein weibliches Wesen. Die alten martern sie zu Tode und die jungen nehmen sie mit. Die dicke Dame brach in Thränen aus, und mehrere andere Mütter schluchzten mit ihr.
Dem Kapitan zischte ein leiser Fluch über die Lippen.
Da sehen Sie nun, meine Herren, fuhr er grimmig auf, was Sie
mt Ihrem Gerede angerichtet haben. Meine Damen ich bitte Sie
inständig, bewahren Sie Ihre Ruhe. Ich bi« überzeugt, da» fremde
Schiff hegt keine bösen Absichten. ES liegt gar kein Grund zu dieser vorzeitigen Aufregung vor.
Damit erhob er sich, verbeugte sich steif und ging auf Deck.
Allmählich trieb die Neugier die ganze Gesellschaft ihm nach. Die beschwichtigenden Worte des Alten hatten, wenn auch nicht ganz beruhigt, so doch die anfängliche große Aufregung gedämpft und neuer Hoffnung Raum gegeben.
Die Brigg befand sich infolge der völligen Windstille noch auf dem-
§ selben Fleck wie vorher. Ueber und hinter ihr lag tiefer Schatten. So weit das Auge reichte, war der Himmel in düstere» Grau gehüllt; nur da und dort schwebten weiß geballte Wolken; es zeigten sich aber weder Blitze, noch vernahm man fernes Grollen. Das geräuschlose Heben der Dünung machte den Eindruck, al» wenn der alte Ozean schwer atmend in stummer Erwartung läge.
Der größte Teil des SchiffSvolkS lungerte müßig umher, jeden Augenblick bereit, beim erste« Ruf zur Hand zu sein. Nur die Bedienungsmannschaften der Geschütze standen an ihren Plätzen. Der Kapitän, Herr Prance und Cocker hielten vom Rade aus die Brigg im Auge und beobachteten den immer mehr sich umziehenden Himmel. Dasselbe taten fast
alle Herren und Damen, im eifrigen Austausch ihrer Ansichten und Befürchtungen, von der Reeling aus, an der auch ich etwa» abgesondert stand und mit einem Fernrohr da» Deck der verdächtigen Schiffe» absuchte.
Bemerken Sie etwas Besondere», Herr Dugdale, wurde ich plötzlich angeredet und sah, mein Fernrohr absetzend, Frau Radcliffe mit ihrer Nichte neben mir.
Bis jetzt war mir noch nie die Ehre zuteil geworden, von der alten
Dame angesprochen zu werden, und um so höflicher antwortete ich: Vor
läufig, Madame, habe ich nur zu erkennen vermocht, daß eine Menge Menschen hinter der Schanzkleidung stehen und uns ebenso beobachten wie wir sie.
Ich finde, die Windstille kommt uns sehr zu statte», fuhr sie fort, denn dabei kann doch das Schiff nicht an uns heran.
Ganz recht, dadurch ist e» lahmgelegt. Und kommt, wie e» den Anschein hat, in der Nacht Wind, dann haben wir alle Aussicht, in der Dunkelheit den Augen der Brigg zu entschwinden.
Mit anderen Worten also, feige zu fliehen, bemerkte die Nichte verächtlich.
Oder auch zu fliehen, wenn man diesen Ausdruck gebrauche» will,