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immensurable« Nutzen einer solchen Anstalt in Rechnung nehmen müsse. Liesching hält die Ver­legung nach Tübingen aus inneren Gründen für richtig. Außer dem Ausschußantrag liegen fol­gende weitere Anträge vor: von den Abgg. Baumann (D. P.) und Kübel (D. P.) auf Belassung der Hochschule in Stuttgart und all­mählichen Ausbau der Anstalt nach Maßgabe der vorhandenen Mittel, von den Abgg. v. Balz (D. P.) und Schlichte (Ztr.), der die Auf­hebung der Anstalt verlangt und die Regierung zur Erwägung darüber auffordert, wie die Pferde­klinik als städtische oder Privatanstalt erhalten werden könne. Da noch eine Reihe von Rednern zum Wort gemeldet sind, wird abgebrochen. Nächste Sitzung Donnerstag, 30. Juni.

Stuttgart 25. Juni. In einer vom Aerztlichen Verein einberufenen Versammlung hielten Obermedizinalrat Dr. Scheurlen und Baurat Groß, die das LangenauerWasser- v e r s o r g u n g 1 p r o j e k t aus gearbeitet haben, einen Vortrag über dieses Projekt, das bekanntlich nicht nur eine Wasserversorgung Stuttgarts, sondern auch einer größeren Anzahl von württem- bergischen Städten und Gemeinden vorsieht. Obermedizinalrat Dr. Scheurlen legte die Vor­züge des Projekts eingehend dar. Die Güte des Wassers wird durch die Entnahme aus dem Moorboden in keiner Weise berührt. Die Temperatur der Quellen beträgt 910° Celsius. Das Wasser hat eine Gesamthärle von 15 bis 17° und eine bleibende Härte von nur 0,51°. Jenes ist vom gesundheitlichen Standpunkt aus günstig, diese« in technischer Beziehung. Im cdow enthält das Wasser 1526 Keime, wo­durch die vortreffliche Filtrationskraft des Wasser­trägers bewiesen ist. Der Staatstechniker für das öffentliche WasterversorgungSwesen, Baurat Groß, wies in technischen Ausführungen darauf hin, daß das Langenauer Gebiet oller Wahr­scheinlichkeit nach dauernd Gewähr biete für Qualität und Quantität des Wassert. Auch könne durch das Werk die Wasserführung des Neckars erhöht werden, wodurch wiederum Vor­teile für Abwasserbeseitung, Schiffbarmachung und Vermehrung der Wasserkräfte für die am Neckar bestehenden Waffertriebwerke entstehen.

Stuttgart 25. Juni. Der 25. Ver- bandstag der Wirte Württembergs findet in Verbindung mit dem 18. Bundestag Deutscher Gastwirte und dem 60jährigen Jubi­läum de« Stuttgarter Wirtsvereins vom 16. bi« 22. Juli hier statt. Mit der Tagung ist eine große Fachausstellung für das Hotel- und Wirtschaftswesen verbunden; an der Kochkunst­ausstellung beteiligt sich auch die kgl. Hofküche. Im Ausstellungsgebäude der K. Zentralstelle

für Gewerbe und Handel ist heute eine Aus­stellung der Fachschule für Leinenweberei in Laichingen in Verbindung mit der Laichinger Leinenindustrie eröffnet worden.

Stuttgart 25. Juni. Die Erdbeben­warte Hohenheim registrierte gestern Nachmittag 2V» Uhr ein starkes Fernbeben, besten Herd sich etwa in einer Entfernung von etwa 1700 km befindet.

Zuffenhausen 25. Juni. In diesem Jahre feiert Frau Katharine Ege Witwe da« 25jährige Jubiläum als Hebamme im Dienst der hiesigen Gemeinde. Aus diesem Anlaß wurde die Jubilarin in die Sitzung des Gemeinderats eingeladen. Der Vorsitzende, Stadtschultheiß Gutekunst hielt an sie eine kurze Ansprache, drückte ihr den Dank der Gemeinde aus für ihre unermüdliche und aufopfernde Tätigkeit, wobei sie in mehr als 3500 Fällen Frauen in schwerer Stunde hilfreich zur Seite gestanden hatte und überreichte ihr als äußeres Zeichen der Aner­kennung eine goldene Damenuhr mit der In­schrift:Die Stadt Zuffenhausen der Hebamme Ege für treue Dienste 1885/1910."

Tübingen 26. Juni. Der ungünstigen Witterung wegen mußte die von der Stadt für die Bürgerschaft vorgesehene Feier des 2000. Studenten auf Donnerstag verschoben werden. Am gleichen Tage begeht die hiesige Studenten­schaft die Feier der Sommersonnenwende, die gleichfalls vorige Woche schon stattfinden sollte durch einen, abends V-9 Uhr beginnenden Fackelzug zur Bismarcksäule. Der Zug, in dem zwei Militärkapellen marschieren, führt von der Birmarcksäule bis zum Bahnhof. Ein Kommers findet mit Rücksicht auf das Alleenfest nicht statt. Wie wir weiter hören, wird die Studentenschaft den aus dem Amte scheidenden Geh.-Rat Prof. Dr. P. von Bruns in den nächsten Tagen ebenfalls durch einen Fackelzug ehren.

Tübingen 25. Juni. Aus einem hies. Hotel ist ein Dußlinger Phrenolog (sonst seines Zeichens Taglöhner) trotzdem er Zuspruch und guten Verdienst hatte, mit Hinterlassung einer nicht urbedeutenden unbezahlten Rechnung verduftet. Der Schwindler soll sich auch ein Motorfahrrad zu verschaffen gewußt haben.

Eßlingen 25. Juni. Die Truppen der Garnisonen Stuttgart und Cannstatt hatten in der vergangenen Nacht eine große Nachtfelddienstübung, die sich bis ins Remstal erstreckte. Aus diesem Anlaß waren besonders in Mellingen große Masten Artillerie und Infanterie konzentriert, während das Königs­dragonerregiment auf dem Marsche ins Remstal durch die Stadt und Wäldenbronn zog.

Reichenbach OA. Gmünd 26. Juni. Schultheiß Grupp ist nach Unterschlagung einer 1800 ^ betragenden Summe, die er vom Gemeindepsteger zur Bezahlung von Gemeinde­geldern erhalten hatte, seit dem 24. Juni flüchtig. Er teilte dem Oberamt Gmünd mit, daß er sich nach Ellwangen begeben werde, um sich dem Gericht zu stellen. Zur Stunde ist aber sein Aufenthaltsort unbekannt. Das Oberamt hat eine Untersuchung eingeleitet.

Ulm 24. Juni. Am Donauufer beim sog. Elend sah ein Mann eine eiserne Spitze aus dem Boden ragen. Er grub nach und brachte schließ­lich ein prachtvoll erhaltenes gotisches Schwert zu Tage, besten Klinge 1 Meter in der Länge mißt. Den mit beiden Händen zu führenden Schwertgriff eingerechnet mißt die Waffe 1,26 Meter. Der Fund ist in allen Teilen tadellos erhalten, nur großenteils mit einer dichten Schichte von kleinen Kieseln bedeckt. Er wurde von der Stadt in Anspruch genommen, die ihn wahr­scheinlich dem Gewerbemuseum überreichen wird.

Biberach 25.Juni. Folgende seltsame Annonce war in Nr. 132 desAnzeigers vom Oberland" in Fettdruck zu lesen:Brkanntmach- ung. Morgen vormittag stehen am Bahnhof 2 Waggon Mittagessen, Leberspätzle, Brat- knöpfla und Kalbsbrota mit Salot zu reduzierten Preisen zum Verkauf. Bei Abnahme von über 20 Pfund 20 Prozent Rabatt." Jedenfalls hat ein Spaßvogel dieses Inserat auf dem Gewissen, der die enttäuschten Mienen von Wirten, Metzgern und Bäckern gesehen hatte, als beim Verbandstag des Schwäbisch. Eisenbahnerverbandes anstatt der angekündigten 4000 Eisenbahner nur 2000 gekommen waren und für die genannten Gewerbe, die sich für Mastenbesuch vorbereitet hatten, ein großer Schaden entstanden war. Große Heiterkeit erregte es, al« an dem betr. Morgen auf dem Biberacher Bahnhof verschiedene Weiber mit großen Handkörben auf die Auktion warteten.

Friedrichshafen 25. Juni. Heute vormittag '/-II Uhr brachten die Sänger des Schwäbischen Sängerbundes Brooklyn dem Grafen Zeppelin im Konversationssaal de« Kurgartenhotels ihre Huldigung dar, zu welcher sich im geräumigen Festsaal des Hotels die übrigen Teilnehmer der Deutschlandreise ein­gefunden hatten. Der Sängerbund sang:Ewig liebe Heimat",Frühlingsregen",OIL b'olks nt Home" (Der Alten Heim"). Graf Zep­pelin, der stehend mit sichtlichem Wohlgefallen die Chöre mitanhörte, sprach etwa folgende»:

Ganz h'ngeristen von der Macht Ihrer Gesänge, sage ich Ihnen und den übrigen Teilnehmern für die mir bereitete Ehrung

vorn zu beiden Seiten eine» Ganges, zu dem vom Salon aus ein paar breite Stufen abwärt» führten. Während ich meine Schritte vorsichtig dahin lenkte, um bei dem fürchterlichen Schwanken de» Schiffs nicht hin­zuschlagen, hörte ich einen Teil des Gesprächs von drei an der Tafel fitzenden Herren. Der augenblicklich das Wort führte, war ein ostindischer Oberst namens Bannister, ein kleiner Mann mit quittegelbem galligem Gesicht, aus dem unter buschigen überhängenden Brauen ein Paar gistige Augen hervorfunkelten; sie paßten ganz zu dem grauen Schnurrbart, der hart und drahtähnlich, wie ein Katzenbart abstand. Er spottete, zum Schiffsarzt, Doktor Hemmeridge, gewandt, über die ärztliche Kunst, die nicht einmal ein Mittel gegen die Seekrankheit besitze, wobei der dritte Herr, ein beleibter Holländer, Peter HemSkirk in seiner breiten Sprache bemerkte:

's sind Nerven.

Nerven, echote der Oberst, mit einem Blick auf dak Embonpoint de« Holländer», na, werter Herr, da scheint Ihnen der Unterschied zwischen Nerven und Magen nicht bekannt zu sein.

Ach, ist ja alles eins! fiel Doktor Hemmeridge besänftigend ein. Die Seekrankheit geht jedenfalls vom Kopf aus, und bitte, Herr Oberst, was ist denn das Gehirn ander» als-.

Ha, ha! unterbrach ihn mit wieherndem Lachen der Angeredete. Da haben wir's. Wenn die Seekrankheit vom Gehirn ausgeht, nun dann ha, ha! dann ist es wohl kein Wunder, daß Mynheer hier, trotz seiner ersten Seereise, wie er sagt, dagegen gefeit ist.

Das waren die letzten Worte, die ich von der interessanten Unter­haltung vernahm. Sie trafen noch mein Ohr, nachdem ich schon den breiten Gang erreicht hatte, an dessen beiden Seiten entlang sich die Pastagierkajüten reihten. Aus einigen derselben klangen gedämpfte Klage­laute. Vor einer Tür hockte eine Negerin mit einem Ring durch die Nase, den Kopf in einer weißen, turbanähnlichen Verhüllung. Sie stöhnte

zum Erbarmen, während gleichzeitig ein Kind, das sie auf ihren Arme« wiegte, schrie, als ob es am Spieße steckte.

Gerade als ich an ihr vorbeiging, wurde die gegenüberliegende Tür heftig aufgerissen. Ein junger Mann mit kreidebleichem Gesicht steckte den Kopf heraus und brüllte: Zum Donnerwetter! Halt's Maul, Kröte! Das verdammte Geschaukel von diesem alten Troge ist schon ohne das Geplärre genug, um verrückt zu werden! He! Steward! Stew . .. Da» übrige-blieb ihm im Halse stecken. Das Schiff neigte sich stark zur Seite; die Tür flog auf und der nur mit Hemd und Hose bekleidete junge Mann mir beinahe in die Arme. Sind Sie der Steward? schnaubte er mich an.

Nein, lachte ich, aber schreien Sie nur weiter, vielleicht kommt er dann, j Wird nicht jemand dies Weib erwürgen! fuhr er fort zu toben. Und wer weiß, was er sonst noch für Untaten gewünscht haben würde, hätte das Schiff nicht plötzlich wieder nach der anderen Seite übergeholt und ihn mit der zuschlagenden Tür in seine Kabine zurückgeworfen. Im nächsten Augenblick vernahm ich von drinnen einen Ton, der mir verriet, daß das Elend ihn gepackt hatte.

! In meiner Kabine fand ich die Lampe angezündet und meinen ; Schlafkameraden auf dem Rande seiner Bettstelle sitzend, die über der i meinen angebracht war. Er ließ seine Beine herabbaumeln und blickte unruhig zu Boden. So kurz unsere Bekanntschaft war, hatten wir uns doch schon ganz gut ineinander gefunden. Bei der gegenseitigen Vor­stellung erfuhr ich, daß er Stephan Cvlledge hieß, ein Sohn von Lord Sandown war und nach Indien ging, um dort zu jagen. Noch jung, mit blondem Schnurrbart, weißen Zähnen, freundlichem Gesicht und ein­nehmendem gemütlichem Wesen hatte er etwa» sehr Ansprechende».

Verteufelt stürmisch, nicht wahr, Herr Dugdale, redete er mich an. Und wie der Regen gegen da» kohlschwarze Fenster prasselt! Scheußlich! ES regnet gar nicht, erwiderte ich, indem ich an meinen Koffer trat und auszupacken begann. Was Sie für Regen halten, ist der anschlagende Gischt.

(Fortsetzung folgt.)